Bachelorarbeit, 2010
46 Seiten
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anhangverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Ernährungsindustrie in Deutschland und der Welt
2.1 Konzentrationstendenzen auf Anbieterseite
2.1.1 Herstellerseite
2.1.2 Händlerseite
2.2 Folgen und Auswirkungen für die Verbraucher
2.3 Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie – Arbeit und Ziele
3 Wirtschaftlicher Stellenwert der Lebensmittelwerbung
4 Gesetzliche Rahmenbedingungen der Lebensmittelwerbung
4.1 Gesetzliche Regelungen
4.1.1 EU-Ebene
4.1.2 Bundes- und Länderebene
4.2 Selbstkontrolle der Werbewirtschaft
5 Stellung und Rolle der Werbung in der Ernährungsindustrie
5.1 Wirkung von Werbung auf Käuferverhalten und Kaufentscheidungsprozesse
5.1.1 Käuferverhalten am Beispiel des S-O-R-Modells
5.1.2 Stellenwert der Werbung in Kaufentscheidungsprozessen
5.2 Marketingstrategien und deren Verwendung in der Werbung
5.2.1 Qualitätsführerschaft
5.2.2 Preisführerschaft
5.2.3 Zeitführerschaft
5.2.4 Beziehungsführerschaft
5.3 Kommunikationspolitik im Mix der Marketinginstrumente
5.3.1 Produktpolitik
5.3.2 Preispolitik
5.3.3 Distributionspolitik
5.3.4 Kommunikationspolitik
5.3.4.1 Ziele der Kommunikationspolitik
5.3.4.2 Kommunikationsinstrumente im Bereich der Lebens- und Genussmittel
5.3.4.3 Kontrolle der Kommunikationspolitik
5.4 Die Werbung der Ernährungsindustrie im Marketing-Mix
5.5 Ziele und Besonderheiten der Lebensmittelwerbung
6 Zukünftige und alternative Ansätze für Lebensmittelwerbung
6.1 Öko-Werbung
6.2 Sozial-Werbung
6.3 Gesundheits-Werbung
7 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Anteile am Lebensmittelumsatz im Handel 2009
Abbildung 2: Werbeausgaben 2008 in Tausend Euro
Abbildung 3: Stimulus - Organism - Response (S-O-R) - Modell
Abbildung 4: Bedeutung von Kognition und Emotionalität bei Kaufentscheidungen
Abbildung 5: Durchschnittliche Werbebudgetverteilung 2008 in %
Tabelle 1: Konzentrationsraten in einzelnen Warengruppen in Deutschland im Jahr 1997
Tabelle 2: Handelsunternehmen mit den größten Werbeetats 2008
Tabelle 3: Werbeeinnahmen nach einzelnen Werbeträgern und Gruppen 2008 in Mio. €
Die Ernährungsindustrie gehört zu den größten und bedeutendsten Industriezweigen weltweit, sowohl beim Umsatz als auch bei der Anzahl der Beschäftigten. Das produzierende Ernährungsgewerbe umfasst nach der „Klassifikation der Wirtschaftszweige“ des Statistischen Bundesamtes die 28 Wirtschaftszweige, welche das gesamte Spektrum der Be- und Verarbeitung von Nahrungsrohstoffen abdecken (Statistisches Bundesamt, 1995; in: Strecker et al. 1996, S. 321). Die Ernährungsindustrie beinhaltet dabei alle Unternehmen des produzierenden Ernährungsgewerbes ohne das Ernährungshandwerk, d.h. nicht die Betriebe, welche überwiegend kleinbetrieblich arbeiten und deren Inhaber in der Handwerksrolle eingetragen sind (Strecker et al. 1996, S. 355).
Die Nachfrage nach Lebensmitteln erhöht sich durch die rasch steigende Erdbevölkerung immer weiter, was eine zunehmend effizientere Herstellung, Verarbeitung und Verteilung selbiger nötig macht, um eine ausreichende Menge bereitstellen zu können. Mit als Folge dessen haben seit Beginn der Industrialisierung und in den letzten Jahren immer rascher die Konzen-trationstendenzen auf Hersteller- und Händlerseite zugenommen, mit unterschiedlichen Konsequenzen für die Nachfrager (Mecke, 2010). Die Verbesserung der Verteilung und Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln führt dabei zu steigendem Preis- und Wettbewerbsdruck. Die Erhöhung des Wettbewerbsdruckes hat zur Folge, dass sich die Händler und Hersteller gegenüber ihren Konkurrenten absetzen müssen, um ihre Marktanteile zu sichern und zu erhöhen.
Eine bedeutende Stellung nimmt hierbei die Werbung ein. Sie ermöglicht es, die eigenen Produkte gegenüber denen der Konkurrenz hervorzuheben und somit den Abverkauf sicher zu stellen. Hierbei haben sich in den letzten Jahrzehnten Marken herausgebildet, deren starke Stellung durch Werbung erst ermöglicht wurde (Schramm et al. 2004, S. 3 ff.). Die Bedeutsamkeit der Werbung in der Ernährungsindustrie wird dabei durch die hohen Werbeausgaben im Bereich der Lebensmittel deutlich (Nielsen Media Research, in: Branchenreport Food 2009, S. 5).
Nicht zuletzt aufgrund der Signifikanz der Qualität und Eigenschaften von Lebensmitteln für die Menschen unterliegt die Werbung für Lebensmittel speziell in den Industrieländern strengen Vorschriften und Kontrollen durch die Gesetzgeber, aber auch durch die Hersteller selber.
Ziel der vorliegenden Bachelorarbeit ist es, Werbung an sich näher zu erläutern und deren Besonderheiten und Stellung in der Ernährungsindustrie zu verdeutlichen. Hierbei werden die einzelnen Elemente und Merkmale einer Marketing-Konzeption aufgezeigt und zusammengefügt. Daraus ergibt sich schließlich der Marketing-Mix, worin die Werbung an sich eine bedeutende Position in der Kommunikationspolitik eines werbenden Unternehmens einnimmt.
In der Bachelorarbeit wird zuerst ein Überblick über die Konzentrationstendenzen auf Hersteller- und Händlerseite im Bereich der Ernährung gegeben und deren Auswirkungen auf die Verbraucher erläutert. Im Folgenden wird die wirtschaftliche Bedeutung der Lebensmittelwerbung verdeutlicht. Im 4. Kapitel werden die rechtlichen Rahmenbedingungen mit den gesetzlichen Regelungen und der Selbstkontrolle der Werbewirtschaft konkretisiert. Die Stellung und Rolle der Werbung der Ernährungsindustrie wird im 5. Kapitel eingehend erläutert. Hierzu werden die Wirkung von Werbung im Kaufprozess beschrieben und die möglichen Marketingstrategien und Instrumente charakterisiert und voneinander abgegrenzt. Im Bereich der Kommunikationspolitik wird ausführlich auf die Ziele, Besonderheiten und Kontrollmöglichkeiten von Lebensmittelwerbung eingegangen, und die Stellung der Werbung im Marketing-Mix wird hervorgehoben. Abschließend werden zukünftige und alternative Möglichkeiten der Werbung der Ernährungsindustrie beschrieben.
Die Ernährungsindustrie gehört zu den größten und bedeutendsten Industriezweigen weltweit. 2009 arbeiteten allein in Deutschland 535.000 Beschäftigte in 5.800 Betrieben der Ernährungsindustrie und erwirtschafteten einen Gesamtumsatz von knapp 150 Milliarden Euro, wobei der Auslandsanteil 26% betrug. Zu den wichtigsten Branchen gehören dabei mit Abstand Fleischwaren, gefolgt von Milch- und Süßwaren (BVE a, 2010).
Konzentrationstendenzen gibt es heute in fast jeder Wirtschaftsbranche, so auch in der Ernährungsindustrie. Gründe für die Tendenzen allgemein sind der steigende Kostendruck, welcher zu Fusionen, Unternehmensverkäufen und zu Akquisitionen führt. Die Unternehmen erhoffen sich dadurch in erster Linie Synergieeffekte und Rationalisierungspotentiale. Als Folge daraus ergeben sich für die Unternehmen geringere Herstellungskosten, wodurch sie wettbewerbsfähiger sind und ihre Position gegenüber der Konkurrenz festigen können. Es können sich dabei aber für die Konsumenten auch monopolistisch überhöhte Preise ergeben, was zu einer Verschlechterung der Marktversorgung führt (Mecke, 2010).
Die Ernährungsindustrie in Deutschland ist trotz teilweise sehr großer Branchenunternehmen hauptsächlich durch mittelständische Unternehmen geprägt. Zwar nimmt die Konzentration der Unternehmen in der Ernährungsindustrie zu, ist aber im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen noch eher gering. So hatten die 5.822 Betriebe des produzierenden Ernährungsgewerbes in Deutschland 2008 durchschnittlich nur knapp 92 Mitarbeiter und einen Umsatz von 27 Millionen Euro (BMELV a, 2009). Zwei der größten Lebensmittelhersteller in Deutschland, Nestlé Deutschland und Dr. Oekter machten 2009 zusammen nur gut 3 % des Umsatzes der gesamten Lebensmittelbranche aus (Dr. Oetker, Nestlé Deutschland). Die zehn größten Unternehmen hatten 2001 am Gesamtumsatz der deutschen Ernährungsindustrie nur einen Anteil von ca 15% (Eichner Lisboa 2002, S. 1). So zählt die Ernährungsindustrie insgesamt zwar zu den wirtschaftlich wichtigsten Branchen in Deutschland, in der Liste der größten Unternehmen sind Nahrungsmittelkonzerne aber erst auf den hinteren Plätzen zu finden. International schreitet die Konzentration fort, wenn auch langsamer als in anderen Branchen. So haben sich, begünstigt durch die zunehmende Marktmacht des Lebensmittelhandels, als Gegenpol die drei großen Unternehmen Nestlé, Unilever und Kraft Foods herausgebildet.
Die verschiedenen Warengruppen sind dabei aber von sehr unterschiedlichen Konzentrationsraten geprägt. Dies wird deutlich wenn man sich die Marktanteile der fünf größten Hersteller in den einzelnen Warenbereichen anschaut. So lag 1997 die Konzentrationsrate bei Margarine bei über 84 %, bei Brot und Backwaren hingegen nur bei gut 23 %.
Tabelle1: Konzentrationsraten in einzelnen Warengruppen in Deutschland im Jahr 1997
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im Gegensatz zu den Herstellern ist heute der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland, wie auch in den anderen Industrieländern, sehr konzentriert und besteht nur noch aus wenigen, zumeist sehr großen Unternehmen. Wie in der Abbildung links zu sehen ist, machen die 5 größten Lebensmittelhändler knapp drei Viertel der gesamten Umsätze im deutschen Lebensmitteleinzelhandel (BVE a, 2010).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: BVE a 2010.
Weltweit haben sich ebenfalls eine Reihe sehr großer Lebensmitteleinzelhändler herausgebildet, mit Abstand Wal-Mart, gefolgt von Carrefour und Metro. Die 10 größten Unternehmen machen dabei zusammen über 30 % des Gesamtumsatzes der 250 größten Einzelhändler aus (Deloitte, 2010).
Auch die Geschäfte an sich werden immer größer und weniger. Gab es Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts noch knapp 75.000 Geschäfte mit 25 Millionen qm Verkaufsfläche in Deutschland, waren es 2008 nur noch 50.000 Geschäfte mit gut 33 Millionen qm (BMELV b, 2009).
In früheren Jahren waren die Lebensmittelhersteller wirtschaftlich stärker als die Einzelhändler und hatten damit auch mehr Macht. Im Laufe der zunehmenden Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel hat sich dieses Kräfteverhältnis jedoch umgedreht, und heute hat der Handel wirtschaftlich und strategisch deutlich mehr Macht als die Hersteller (Schramm et al. 2004, S. 7 ff.).
Durch diesen Machtüberhang, und der teilweisen wirtschaftlichen Abhängigkeit der Hersteller von den Händlern, kann der Einzelhandel den Herstellern seine Forderungen vorgeben. So hat der Einzelhandel praktisch eine Flaschenhalsfunktion, da weitestgehend nur über ihn die Hersteller ihre Produkte absetzten können. Da der Direktabsatz an die Kunden für die meisten Hersteller heute kaum noch eine Rolle spielt, entscheidet allein der Einzelhandel mit seiner Sortimentspolitik, welche Artikel einen Marktzugang bekommen. Die Hersteller müssen dabei Regalmieten und Listungsgebühren bezahlen, damit die Händler Regalflächen bereitstellen und die Artikel ins Sortiment aufnehmen. Für kleinere Hersteller übersteigen diese Forderungen oftmals ihre finanziellen Möglichkeiten und stellen für sie somit Markteintrittsbarrieren dar (Schlippenbach 2007, S. 2 f.).
Die Einkaufsmacht des Einzelhandels wird dabei durch die Ausweitung von Eigenmarken weiter verstärkt. So sind diese zunehmend nicht nur im unteren Preisniveau, sondern auch im Premiumsegment vertreten, wodurch sie zur direkten Konkurrenz der Markenartikelhersteller werden. Diese wiederum versuchen sich durch den Aufbau von Gegenmachtpositionen dem Einzelhandel entgegenzustellen, z.B. durch direkten Zugang zu den Kunden, Direktvertrieb ihrer Produkte oder durch Fokussierung auf bestimmte Warengruppen (Michael et al. 2002, S. 15 f.)
Für den Endverbraucher bedeutet dies, dass er letztlich nur die Produkte im Einzelhandel kaufen kann, deren Hersteller die Forderungen der Händler auch erfüllen. Durch die Nachfragemacht der Einzelhändler kann die Angebotsmacht der Hersteller beschränkt werden, in Folge dessen niedrigere Preise auf den Zulieferermärkten bezahlt werden. Die gesunkenen Einkaufspreise der Händler werden aber nicht immer im gleichen Maße an die Endverbraucher weitergeben. Dies hängt letztlich davon ab, wie intensiv der Wettbewerb zwischen den Einzelhändlern ist (Pavel et al. 2010, S. 26 ff.).
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie BVE ist der wirtschaftspolitische Spitzenverband der Unternehmen und Fachverbände der deutschen Ernährungsindustrie. Hierbei werden die branchenübergreifenden Interessen der Lebensmittelhersteller in Deutschland, aber auch in Europa vertreten. Insgesamt sind circa 90 Prozent der Branche in der gesamten BVE enthalten. Ihre Hauptaufgabe sieht die BVE darin, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen in der Ernährungsindustrie zu sichern und zu verbessern. Die aktuellen Kernthemen sieht sie in der Außenwirtschafts-, Energie-, Rohstoff-, Mittelstands-, Verbraucher-, Umwelt-, Verkehrspolitik und im Wettbewerbsrecht. Die BVE bietet durch Seminare, Arbeitskreise und Veranstaltungen ihren Mitgliedern Kommunikationsplattformen und Foren zum brancheninternen Austausch (BVE b 2010).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung2: Werbeausgaben 2008 in Tausend Euro
Die Werbeausgaben im Bereich der Ernährung betrugen 2008 in Deutschland 1,778 Milliarden Euro, was dem ungefähren Durchschnitt der vergangenen Jahre entsprach (Nielsen Media Research, in: Branchenreport Food 2009, S. 5). Die gesamten Werbeumsätze beliefen sich im gleichen Zeitraum in Deutschland auf gut 30 Milliarden Euro (ZAW, 2010). Die Ausgaben sind hierbei aber sehr unterschiedlich verteilt. So machten mit Abstand den größten Teil die Schokolade und Zuckerwaren aus, gefolgt von Milchprodukten der weißen Linie und Nährmitteln.
Quelle: Nielsen Media Research, 2008; in: Branchenreport Food 2009, S. 5.
Bei Milchprodukten wird hierbei unterschieden zwischen der gelben Linie, womit Käseprodukte gemeint sind (Meine Milch a, 2010) und der weißen Linie, die alle restlichen Milchprodukte umfasst (Meine Milch b, 2010).
Empirische Daten deuten in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Anteil der Werbeausgaben am Umsatz bei Luxusartikeln besonders hoch ist, bei Artikeln des täglichen Bedarfs hingegen eher gering. Grund hierfür ist, dass Luxusgüter hauptsächlich mit Erfahrungseigenschaften ausgestattet sind, und ihr Einkauf maßgeblich von einem Impulscharakter ausgeht (Becker & Burchardi 1996, S. 45).
Die Werbeausgaben sind insbesondere bei Neuprodukteinführungen sehr hoch, einerseits um einen gewissen Bekanntheitsgrad beim Endverbraucher zu schaffen, andererseits um die Listung des Produkts im Handels sicherzustellen. So betragen in den ersten Jahren nach der Markteinführung die Werbekosten nicht selten über 25% des geplanten Umsatzes mit dem neuen Produkt. Ein deutliches Beispiel hierfür ist der Keksriegel „Pick up“. Hier erwartete dessen Hersteller Bahlsen europaweit einen Umsatz von circa 122 Mio. Euro in den ersten drei Jahren nach der Markteinführung im Jahre 1999. Der veranschlagte Werbeeinsatz hatte im gleichen Zeitraum ein Volumen von 51 Mio. Euro (Schramm et al. 2004, S. 16 f.).
Bei den Handelsunternehmen mit den größten Werbeetats in Deutschland waren 2008 unter den Top 15 allein 12 Unternehmen aus dem Lebensmittelbereich. Bei deren Werbeaufwendungen gibt es starke, zumeist positive Schwankungen, z.B. steigerte Real seine Ausgaben im Vergleich zu 2007 um 192,5 % (Nielsen Media Research, Hamburg; in: Handel aktuell 2009/2010 S. 359). Dies ist hauptsächlich Folge des sehr großen Wettbewerbsdruckes im Lebensmitteleinzelhandel.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle2: Handelsunternehmen mit den größten Werbeetats 2008
Quelle: Nielsen Media Research, Hamburg; in: Handel aktuell 2009/2010 S. 359.
Für die Werbewirtschaft stellt die Lebensmittelwerbung einen der zentralen Bausteine ihrer Einnahmen dar. Der nachfolgenden Tabelle ist zu entnehmen, dass vor allem im Bereich der Fernsehwerbung die Werbung für Lebensmittel von sehr großer Bedeutung ist. Bei der Werbung in Zeitungen hingegen machen die ausgewählten Lebensmittelgruppen nur einen sehr geringen Anteil der Werbeeinnahmen aus.
Tabelle3: Werbeeinnahmen nach einzelnen Werbeträgern und Gruppen 2008 in Mio. €
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Berechnungen nach Daten aus Nielsen Media Research, Hamburg; Jahrbuch „Werbung in Deutschland 2009“, ZAW, Berlin; in: Handel aktuell 2009/2010, S. 360 ff.
Grundsätzlich gibt es in Deutschland eine sogenannte Werbefreiheit, worunter man die Freiheit der Werbung versteht, welche durch das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland garantiert wird. Verfassungsrechtlich ist die Werbefreiheit hauptsächlich in den Artikeln 2, 5, 12 und 14 des Grundgesetzes verankert. So gilt nach Artikel 5 Abs.1 S.1 GG, dass jeder das Recht hat, „seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“. Dies gilt nach herrschender Meinung auch für die geschäftliche Werbung. Artikel 5 Abs.1 S.2 GG lautet: „ Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet“, was sich nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch auf den Anzeigenteil von Zeitungen und Zeitschriften bezieht (Koschnick 1996, S. 1071 ff. in Schmidt 2004, S. 275).
Völlige Werbefreiheit kann es aber nicht geben, da es ansonsten zu Menschenrechtsverletzungen, unlauterem Wettbewerb oder sonstigen Konflikten kommen könnte. Deswegen gibt es einerseits gesetzliche Vorschriften und Regelungen, andererseits hat sich die Werbewirtschaft einer gewissen Selbstkontrolle unterworfen.
Gesetzliche Regelungen gab es früher separat in jedem europäischen Land. Im Zuge der fortschreitenden Autoritätsübertragung an die Europäische Union gibt es aber mittlerweile Vorschriften und Regelungen auf EU-Ebene und auf Bundes- bzw. Länderebene.
Da die Bevölkerung in den Industrieländern immer mehr von Krankheiten betroffen ist, die ihren Ursprung in falscher und ungesunder Ernährung haben, kommen gesunden Lebensmitteln eine große Bedeutung zu. Oftmals wird den Lebensmittelherstellern aber vorgeworfen, die tatsächlichen Inhaltsstoffe und die gesundheitlichen Auswirkungen der Produkte in der Werbung oder auf den Verpackungen zu verschleiern. Eine wegweisende Entscheidung war deswegen die Verordnung EC No 1924/2006, die sogenannte Health-Claims-Verordnung, welche die Anwendung von Nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben von Lebensmittel regelt. Sie ist auf EU-Ebene die bedeutendste Verordnung im Bereich der Lebensmittel-Werbung und bezieht sich sowohl auf Informationen auf der Produktverpackung, als auch auf Markenbezeichnungen und Werbeaussagen (EU 2006, Artikel 1, 2.).
Eine nährwertbezogene Angabe (Nutrition Claim) wird nach der Verordnung EC No. 1924/2006, Artikel 2, 2.4 bezeichnet als „[…] any claim which states, suggests or implies that a food has particular beneficial nutriton properties […]“. Eine Gesundheitsbezogene Angabe (Health Claim) wird in dieser EG Verordnung bezeichnet als “[…] any claim, that states, suggests or implies that a relationship exists between a food category, a food or one of ist constituents and health […]“ (EU 2006, Artikel 2, 2.5). In der nährwertbezogenen Angabe wird also auf eine besondere Nährwerteigenschaft oder Substanz aufmerksam gemacht, was somit eine Art Vorstufe der gesundheitsbezogenen Angabe ist. So beschreibt zweitere einen Zusammenhang des Nährwerts oder der Substanz mit der Funktionsfähigkeit des Körpers (Aschemann-Witzel 2009, S.20).
Desweiteren gibt es in der EG Verordnung noch die Angabe über die Reduzierung von Krankheitsrisiken (Reduction of Disease Risk Claim). Diese wird definiert wird als „[…] any health claim that states, suggests or implies that a consumption of a food category, a food or one of ist constituents significantly reduces a risk factor in the development of a human disease […]“ (EU 2006, Artikel 2,2.6).
Auf Milchprodukteverpackungen gibt es z.B. die Hinweise „Reich an Calcium“, was eine Nutrition Claim ist. Mit „Calcium stärkt die Knochen“ ist eine Health Claim gemeint und „Calcium kann das Risiko von Osteoporose verringern“ ist eine Reduction of Disease Risk Claim.
Für die gesamte Claim-Verordnung gilt das sogenannte „Prinzip des Erlaubnisvorbehaltes“, d.h. dass alle nicht explizit erlaubten Claims verboten sind (Aschemann-Witzel 2009, S.25).
Mit den einzelnen Artikeln der Verordnung werden die erlaubten Claims explizit beschrieben, so darf ein Claim z.B. nicht „falsch, uneindeutig oder irreführend“ sein (EU 2006, Artikel 3 a) und der „durchschnittliche Konsument“ sollte ihn verstehen (EU 2006, Artikel 5, 2.). Außerdem muss ein Claim auf allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundlagen aufbauen (EU 2006, Artikel 6, 1.). Vor allem letzteres ist problematisch, da der Nachweis vom Unternehmen selber zu erbringen ist und von der European Food Safety Authority (EFSA) geprüft wird (Aschemann-Witzel 2009, S.25). Dies führt zu sehr großem bürokratischen und finanziellem Aufwand, sowohl bei der EFSA als auch bei den Unternehmen.
Nach Meinung des BBL (Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde), der die Interessen der Industrie vertritt, ist die Verordnung über Claims grundsätzlich sinnvoll. So würden damit rechtliche Regelungen europaweit reguliert und Produkte könnten einfacher europaweit verkauft werden, was zur Marktöffnung und Wettbewerbsgleichheit beiträgt. Kritisiert wurde vom BBL die Verordnung als viel zu bürokratisch und dass die mit den Nährwertprofilen einhergehende Unterscheidung in „gute“ und „schlechte“ Lebensmittel nicht sinnvoll und zu aufwändig sei (Aschemann-Witzel 2009, S.28 f.).
Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hält die Verordnung in allen grundlegenden Punkten für sinnvoll und ist im Gegensatz zum BBL eher der Meinung, dass die Verbraucher in ihrem Essverhalten durch Nährwerthinweise unterstützt werden sollten (Aschemann-Witzel 2009, S.29 f.).
Wichtige Grundlage zur gesetzlichen Kontrolle der Werbung in Deutschland ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), welches 1909 in Kraft getreten ist (Reichsgesetzblatt 1909, S.499) und seitdem mehrmals aktualisiert wurde. Zuletzt wurde es zum 30.12.2008 an europäische Richtlinien und Vorgaben angepasst (Bundesgesetzblatt 2008, S. 2949 ff.). In § 1 UWG heißt es dazu: „Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen“. Unter geschäftlichen Handlungen wird hierbei auch das Verhalten zur Förderung des Absatzes verstanden (§ 2, Abs.1 UWG).
Im Anhang zu § 3, Abs.3 UWG gibt es eine schwarze Liste mit 30 aggressiven und irreführenden geschäftlichen Handlungen, die verboten sind. So wird z.B. in Punkt 2 die Verwendung von Gütezeichen oder Qualitätskennzeichen ohne die erforderliche Genehmigung untersagt, und nach Punkt 11 ist die sogenannte Schleichwerbung in Zeitschriften und Zeitungen zu unterlassen.
Nach § 5 UWG sind irreführende geschäftliche Handlungen verboten, womit unter anderem unwahre oder täuschende Werbung gemeint ist. Hierbei ist aber vom subjektiven Empfängerhorizont des Verbrauchers auszugehen, d.h. eine objektive wahre Werbeaussage kann auch dann irreführend sein, wenn sie beim Verbraucher andere Vorstellungen weckt (Jura Lexikon, 2010). So hat der Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks im Juli 2010 Klage wegen irreführender Werbung gegen Aldi Süd eingereicht. Der Grund ist, dass Aldi seine Filialen flächendeckend mit Backautomaten ausstattet, und die darin gebackenen Backwaren als frisch gebacken bewirbt. Nach Ansicht des Bäckerhandwerks werden in den Automaten aber nur fertig gebackene Teiglinge erwärmt und höchstens leicht gebräunt, wobei also kein eigentlicher Backprozess stattfindet (Der Handel, 2010).
Vergleichende Werbung ist nach § 6, Abs. 1 UWG jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht. Diese Werbung ist grundsätzlich zulässig, nicht jedoch wenn Unternehmen verwechselt werden könnten, Mitbewerber und deren Ruf schlecht gemacht werden oder Waren verglichen werden, die nicht für den gleichen Zweck bestimmt sind. Der Grat zwischen einem einfachen Vergleich und der Herabsetzung von Konkurrenzfirmen ist hierbei sehr schmal und oftmals Grund für Gerichtsverfahren.
Zusätzlich zu den allgemeinen werberechtlichen Regelungen gibt es im Lebensmittelbereich noch spezielle Regelungen, welche durch das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch geregelt (LFGB) werden. Wichtigster Zweck des Gesetzes im Bereich der Lebensmittel ist hierbei der Schutz der Verbraucher vor Gefahren für die Gesundheit, und der Schutz vor Täuschung beim Verkehr mit Lebensmitteln (§ 1, Abs.1 LFGB). In § 12 des LFGB wird zusätzlich zur „Health-Claims-Verordnung“ der EU nochmals ausführlich krankheitsbezogene Werbung im Bereich der Lebensmittel verboten.
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