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Bachelorarbeit, 2015
59 Seiten
1. Einleitung
2. Wie sehen Kinder den Tod?
2.1 Wichtige Aspekte der kindlichen Entwicklung im Bezug auf Tod und Trauer
2.2 Todesvorstellung von Kindern
2.2.1 Todesvorstellung von Kindern im Alter von 0 bis
2.2.2 Todesvorstellung von Kindern im Alter von 3 bis
2.2.3 Todesvorstellung von Kindern im Alter von 6 bis
2.3 Todesfälle
2.3.1 Tod einer nahen Bezugsperson
2.3.2 Tod im weiteren Umfeld des Kindes
3. Was ist kindliche Trauer?
3.1 Definition Trauer
3.2 Trauerphasen
3.2.1 Trauerphasen nach Verena Kast
3.2.2 Trauerprozess bei Kindern im Grundschulalter
3.3 Erscheinungsformen kindlicher Trauer
3.3.1 Traurigkeit
3.3.2 Empfindungslosigkeit
3.3.3 Wechsel zwischen Traurigkeit und Fröhlichkeit
3.3.4 Körperliche Reaktionen
3.3.5 Wut
3.3.6 Schuldgefühle
3.3.7 Angst
3.3.8 Regression
3.3.9 Erinnerung und Sehnsucht
3.3.10 Wünsche
3.4 Abgrenzung von der Trauer Erwachsener
4. Begleitung trauernder Kinder in der Sozialen Arbeit
4.1 Trauerarbeit - was ist das?
4.1.1 Trauerbegleitung
4.1.2 Was Kinder in der Trauer benötigen
4.1.3 Folgen nicht bewältigter Trauer
4.1.4 Rolle des Trauerbegleiters
4.2 Begleitung durch Beratung der Eltern
4.3 Begleitung durch pädagogische Ansätze
4.3.1 Gespräche mit dem Kind
4.3.2 Arbeit mit Ritualen
4.3.3 Kreative Möglichkeiten der Trauerarbeit
4.3.4 Anwendung von Kinderliteratur
4.3.5 Einzelbegleitung
4.3.6 Kindertrauergruppen
4.3.7 Weitere Ansätze
4.4 Begleitung durch das Konzept DellTha
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
Jeder Mensch erlebt Verluste, den Tod und die Trauer. Wer bereits in der Kindheit einen großen Verlust durch den Tod erlebt, braucht viel Kraft um diesen zu bewältigen. Ein Kind befindet sich noch in der Entwicklung, es benötigt noch viel Unterstützung durch sein Umfeld. Genauso verhält es sich auch, wenn ein Kind trauert. Es braucht für seinen Weg der Trauer eine Begleitung. Viele Erwachsene gehen davon aus, dass ein Kind gar nicht trauert. Es weint nicht, sondern spielt fröhlich weiter. Oder aber sie halten das Kind für so zerbrechlich, dass sie es mit dem Tod gar nicht konfrontieren möchten, ihm möglicherweise den Tod eines geliebten Menschen sogar verschweigen. Doch Kinder sind sehr sensibel und spüren die Veränderungen in ihrem Umfeld. Sie nehmen auch die Trauer der Erwachsenen war. Auch Kinder trauern, wenn sie jemanden verlieren. Doch ihr Umfeld ist oftmals verunsichert, wie mit dem Kind umzugehen ist.
Daher möchte ich in meiner Bachelorarbeit herausarbeiten wie die Trauerbegleitung von Kindern im Fall des Todes eines geliebten Menschen aussehen kann. Meine zentralen Fragen hierbei sind: Woran erkennt man die Trauer eines Kindes? Wozu ist eine Begleitung in der Trauer notwendig? Inwiefern kann die Soziale Arbeit durch Beratung und Begleitung dem Kind bei der Trauerbewältigung helfen? Meine Themenwahl der Trauerbegleitung von Kindern, ist vor allem aus einer persönlichen Erfahrung entstanden. Ich selbst weiß wie der Tod eines geliebten Menschen die Kindheit beeinflussen kann und stelle mir daher die Frage wie ich als Sozialarbeiterin Kindern in der Trauer helfen kann. Außerdem ist die Trauerarbeit mit Kindern ein Thema, welchem man in vielen Arbeitsbereichen der Sozialen Arbeit begegnen kann und ich möchte gerne dazu ermutigen handlungsfähig zu sein. Zusätzlich habe ich bereits in meinen Praktika erfahren, wie stark sich die Beratungsarbeit mit Kindern von der Erwachsener unterscheidet und finde es daher umso interessanter eine speziell auf Kinder ausgerichtete Begleitung kennen zu lernen In meiner Bachelorarbeit werde ich mich zunächst mit den relevanten Aspekte der kindlichen Entwicklung, sowie den Todesvorstellungen von Kindern in unterschiedlichen Altersgruppen beschäftigen. Auf Grund der sich entwickelnden Todesvorstellung, werde ich mich in dieser Bachelorarbeit mit Kindern im Alter von 6- 10 Jahren beschäftigen. Denn sie beginnen den Tod umfassend zu begreifen und stellen demnach viele Fragen, die Antworten und auch Begleitung benötigen. Das zweite Kapitel befasst sich mit der kindlichen Trauer. Dazu wird zunächst Trauer definiert. Anschließend werden die Unterschiede zwischen kindlicher Trauer und der von Erwachsenen dargestellt. Um dann die verschiedenen Reaktionen von Kindern auf den Tod aufzuzeigen. Da das Wissen über die verschiedenen Erscheinungsformen der Trauer von Kindern für eine professionelle Begleitung nicht ausreicht, werden sowohl allgemein gültige Trauerphasen als auch spezifische Trauerprozesse angeführt. Das 4. Kapitel umfasst den Hauptteil der Bachelorarbeit, die Begleitung kindlicher Trauer in der Sozialen Arbeit. Zunächst soll erklärt werden, wozu eine Begleitung und Beratung in der Trauer überhaupt notwendig ist. Danach umfasst das Kapitel 4.1 einen allgemeinen Teil zur Trauerberatung um etwa das Setting zu erklären. Auch die Rolle des Beraters[1] in der Trauerbegleitung wird erläutert, da diese sehr entscheidend für den Verlauf sein kann. Da Trauerbegleitung der Kinder nicht nur durch Arbeit mit ihnen allein erfolgreich ist, wird auch die Beratung von Bezugspersonen behandelt. Die Trauerbegleitung von Kindern in der Sozialen Arbeit umfasst viele Methoden, daher möchte ich einige in Ansätzen aufgreifen und in 4.3 erläutern. Dieses Kapitel schließt mit der Vorstellung eines Trauergruppenkonzepts ab, welches speziell für Kinder entwickelt wurde, aber auch Bezugspersonen mit einbezieht. Das Fazit stellt eine abschließende Beantwortung der Fragen dar. Umfasst aber auch eine eigene Einschätzung der Handlungsmöglichkeiten in der Trauerbegleitung von Kindern in der Sozialen Arbeit.
Die kindliche Vorstellung vom Leben und dem Tod unterscheidet sich von der eines Erwachsenen, dies ist vermutlich jedem bewusst, da der Mensch sich in jungen Jahren noch in seiner Entwicklung befindet. Bereits kleine Kinder begegnen dem Tod, zum Beispiel durch einen toten Käfer oder das Sterben eines Haustieres und dies ist zunächst seltsam für ein Kind, da das Wesen sich plötzlich nicht mehr regt und es für das Kind nicht sichtbar ist weshalb. Daher ist es umso wichtiger zu wissen, wie Kinder sich den Tod vorstellen, um dann individuell auf ihre Vorstellungen eingehen zu können. Kinder erleben den Tod individuell und unterschiedlich, abhängig von ihrer kognitiven und emotionalen Entwicklung, ihren bisherigen Erfahrungen mit Tod, Trauer und Verlust und auch beeinflusst durch ihre eigene Widerstandskraft so wie durch die Erziehung und die Einflüsse ihrer Umwelt.[2] Doch trotz dieser Individualität lassen sich ähnliche Verhaltensweisen und Vorstellungen abhängig vom Alter der Kinder vermehrt feststellen.[3]
Daher gilt es im Folgenden zunächst zu klären welche Aspekte der kindlichen Entwicklung im Bezug auf Tod und Trauer relevant sind, um zu verstehen wie Kinder sich in einzelnen Altersspannen den Tod vorstellen. Das Kapitel schließt ab mit der Unterscheidung der Beziehung zwischen dem Kind und dem Verstorbenen.
Bei der Geburt eines Säuglings sind bereits alle 5 Sinne aktiv, der Mensch nimmt also vom ersten Moment an seine Umgebung wahr. Um jedoch das Leben, Sterben und den Tod begreifen zu können ist mehr notwendig als das Schmecken, Riechen, Fühlen, Hören und Sehen. Um zu verstehen wie ein Kind sich den Tod vorstellt und den Tod versteht, muss man zunächst einmal die entwicklungspsychologischen Faktoren betrachten. Hierzu zählen sowohl die kognitive, als auch die emotionale Entwicklung des Menschen. Man unterscheidet im Allgemeinen zwischen dem „kognitiven Verständnis des Todeskonzeptes und der emotionalen Betroffenheit“[4]. Während die kognitiven Aspekte im Bezug auf Tod und Trauer durch viele Wissenschaftler ausführlich untersucht wurden stand die Erforschung der Entwicklung der emotionalen Reaktion auf den Tod zu lange im Hintergrund.[5] In dieser Arbeit sollen jedoch sowohl die kognitive Vorstellung von Kindern, als auch ihr emotionaler Umgang mit dem Tod gleichermaßen im Fokus stehen.
Um den Tod begreifen zu können müssen Kinder zunächst einmal auch das Leben begreifen, da diese Zwei untrennbar miteinander verbunden sind. Dem Entwicklungspsychologen Jean Piaget nach verändert sich die Vorstellung des Begriffs „Leben“ in den ersten Jahren eines Kindes stetig. Diese Begriffsentwicklung kann nach Piaget in vier Stadien unterteilt werden. Im ersten Stadium sieht das Kind alles als lebendig an, was sich bewegt oder aber für das Kind von Nutzen ist.[6] Auch Gegenstände die sich selbst nicht bewegen, aber dem Kind nützlich sind, wie etwa der Regen oder eine Kerze, sind lebendig im kindlichen Verständnis vom Leben. Dieses Stadium durchläuft das Kind etwa bis zum sechsten oder siebten Lebensjahr.[7] Zwischen sechs und acht Jahren wird vom Kind das Leben „mit der Bewegung verbunden“[8], alles das, was sich bewegt ist lebendig. Für Kinder in diesem Alter ist es noch nicht relevant, ob es sich um Eigenbewegung oder eine passive Bewegung handelt.[9] Erst im dritten Stadium macht das Kind einen Unterschied zwischen Dingen die sich selbst bewegen und denen die bewegt werden. Ab 9 Jahren etwa lernt das Kind, dass Leben mit Eigenbewegung verbunden ist.[10]
Erst ab einem Alter von elf bis zwölf Jahren begreift das Kind das Wort „Leben“ als „die Tiere, oder die Tiere und die Pflanzen“[11], es entwickelt also einen realistischen Blick auf das Leben und befindet sich damit im vierten und letzten Stadium.
Die Todeskonstrukte von Kindern sind jedoch auch abhängig von der Bindungsqualität zu ihren nahen Bezugspersonen. Dem Psychiater John Bowlby nach hilft eine positive Bindung dem Kind dabei mit Problemen und Verlust umgehen zu können. Kann ein Kind den Tod einer geliebten Person besser verarbeiten, so hat dies auch Einfluss auf seine Vorstellung vom Tod.[12] „Unsichere Bindungsstile können die Bewältigung eines Verlustes erschweren“[13], und dadurch liegt ein Ursprung der Todeskonzepte von Kindern auch in der Erziehung und Bindung der Eltern. Ein Sozialverhalten entwickeln Kleinkinder etwa im Alter von 6 Monaten, kurz darauf können sie bereits zwischen einer bekannten und einer fremden Person unterscheiden. Dies ist später notwendig, da die Bindung zu dem Verstorbenen einen Einfluss auf die Reaktion des Kindes hat.[14]
Es ist schwierig zu sagen wie ein Kind sich den Tod vorstellt, wenn es zum ersten Mal auf diesen trifft. Zwar durchlaufen alle gesunden Kinder dieselbe Entwicklung, jedoch verlassen manche eine Entwicklungsstufe früher als andere. Die Entstehung des Todeskonzepts ist von vielen Einflussfaktoren abhängig, wie auch die Meinungen darüber wie dieses entsteht. Es lässt sich jedoch sagen, dass die Entwicklung des Todeskonzeptes abhängig ist vom jeweiligen kognitiven Entwicklungsstand in dem sich das Kind befindet.[15] So sagt Ramachers: „Das Todeskonzept als Bestandteil eines gesellschaftlich verankerten Lehrplans entwickelt sich nicht, sondern wird im Lauf der Sozialisation erlernt.“[16] Dies wiederum macht deutlich, dass die Vorstellung vom Tod auch von Einflussfaktoren wie der Erziehung und der Kultur in der man aufwächst abhängig ist. Dabei gibt es viele unterschiedliche Todeskonzepte, welche vorrangig durch die Bezugspersonen vermittelt werden, aber sie beinhalten auch ein „gewisses Maß an Einheitlichkeit“[17] So wird oftmals das Todeskonzept in die Folgenden vier Teile unterschieden:
„- Irreversibilität, d.h. der Tod ist endgültig, es gibt keine Rückkehr ins Leben,
- Nonfunktionalität, d.h. alle Körperfunktionen, alle Sinne haben vollständig aufgehört zu funktionieren,
- Kausalität, d.h. es besteht ein Verständnis biologischer Todesursachen (im Gegensatz zu magischem Denken, dass z.B. böse Gedanken den Tod verursachen könnten),
- Universalität, d.h. es gibt kein Leben ohne den Tod.“[18]
Die Entwicklung eines solchen Todeskonzepts erfolgt jedoch nicht plötzlich sondern erst im Verlauf der kindlichen Entwicklung, Daher sind die Folgenden Vorstellungen von Kindern über den Tod in Alterskategorien unterteilt. Diese Unterteilung richtet sich nach dem kognitiven Entwicklungsstand und schließt mit dem Alter von etwa 10 Jahren ab. Die Todesvorstellung von Kindern ab 11 Jahren wird hier nicht weiter behandelt, da diese Bachelorarbeit Kinder im Grundschulalter in den Fokus stellt.
Zu Beginn seines Lebens hat das Kind „ein begrenztes oder gar kein Verständnis von [dem] Tod“[19], denn es steht noch ganz am Anfang der kognitiven und emotionalen Entwicklung. Nach Jean Piaget entwickelt das Kind erst zum Ende des ersten Lebensjahres beziehungsweise zu Beginn des zweiten Lebensjahres die so genannte Objektpermanenz. Das bedeutet, es weiß, dass ein Gegenstand oder eine Person auch dann noch existiert, wenn es diesen gerade nicht sieht. Säuglinge mit einem halben bis ein Jahr begreifen, dass ein Objekt „unabhängig von ihnen existiert“[20] und können von da an erst eine Trennung oder einen Verlust wahrnehmen. Die Objektpermanenz gilt als die wichtigste Voraussetzung für die Erfahrung von Verlustgefühlen. Kinder mit sechs Monate bis drei Jahren erleben den Verlust also, können aber den Tod noch nicht begreifen, da sie aufgrund ihrer kognitiven Entwicklung noch keine zeitliche Vorstellung haben.
Kleinkinder reagieren auf die Veränderungen in ihrem Umfeld mit „Ess- oder Schlafstörungen, mit Weinen, Wut, Angst oder Irritation“[21] und zeigen damit, dass sie den Verlust einer Person und das veränderte Verhalten der Bezugsperson bemerkt haben aber nicht einordnen können.[22] Den Verlust der Mutter erlebt das Kind bis etwa zur sechsundzwanzigsten Lebenswoche nicht als solchen, es akzeptiert eine fremde Person als Mutterersatz, da es noch keine Personenpermanenz ausgebildet hat und zeigt demnach auch keine direkten Verlustreaktionen.[23]
Zwar hat ein Kind zwischen null und drei Jahren noch kaum bis gar keine Vorstellung vom Tod, aber nach John Bowlby kann man bei Trennung und Verlust von einer engen Bezugsperson Kindern etwa ab dem 16. Monat den „Keim einer Fähigkeit zur Trauer“[24] zuschreiben.[25] Kleinkinder sind in ihrer Entwicklung also weit genug, um eine Verlust zu erkennen, können den Tod jedoch kognitiv noch nicht begreifen.
Kinder im Vorschulalter machen große Entwicklungsschritte, so erlernen sie den Gebrauch von Sprache und es entwickelt sich das Denken in Bildern. Grundlegend für das Verständnis von Todeskonzepten von Kindern in diesem Alter ist ihr Verständnis vom Leben. In der Vorstellung eines 3-6 jährigen Kindes ist alles das lebendig, was sich bewegt, oder aber für das Kind nützlich ist. Es denkt noch animistisch und kann daher nur schwer zwischen lebendig und tot unterscheiden.[26] Bei Kindern im Vorschulalter treffen viele Faktoren aufeinander die für ihre Todesvorstellung verantwortlich sind. So haben Kinder in diesem Alter noch kein Zeitverständnis, „sie gebrauchen möglicherweise die Zeitbezeichnungen, ohne sie mit Vorstellungen zu verbinden“[27]. Daher denken Kinder zwischen drei und sechs Jahren auch noch nicht an das Ende ihres eigenen Lebens. „Unendlichkeit“ oder etwa „Ewigkeit“ und „für immer“ sind für Kinder Begriffe ohne eine Bedeutung dahinter.[28] Auf Grund seines noch nicht ausreichend vorhandenen Zeitverständnisses versteht ein Kind mit bis zu sechs Jahren den Tod nicht als endgültig, sondern viel mehr als kurze Abwesenheit und es rechnet damit, dass die Person wieder zu ihm zurück kommt.[29] Die Todeskonstrukte von Vorschulkindern beziehen sich vor allem auf andere Menschen und viel weniger auf sich selbst. In der Vorstellung von diesen Kindern ist der Tod etwas, das „von außen kommt“[30] und insbesondere alte Menschen trifft. Obwohl Kinder bereits deterministisch denken, das heißt ein Geschehen, wie etwa den Tod, auf die Ursache zurückführen und versuchen zu verstehen, ziehen sie ihren eigenen Tod noch nicht in Betracht. Mit 4 bis 6 Jahren beginnen sie also nach dem Ursprung eines Ereignisses zu fragen und danach zu suchen.[31]
Außerdem lässt sich über die Todesvorstellung von Drei- bis Sechsjährigen sagen, dass Kinder denken, ihre eigenen Wünsche könnten zur Wirklichkeit werden. Daher können sie in ihrem Denken auch, durch richtiges Handeln dem Tod entkommen oder aber ihre Wünsche können an dem Tod einer Person schuld sein.[32] Angst vor dem Tod zeigen Kinder im Vorschulalter nur wenig. Zwar benutzen sie das Wort Tod, jedoch ohne eine emotionale Reaktion darauf zu zeigen.[33] Die kaum vorhandene Angst ist vor allem dadurch begründet, dass in der Vorstellung der Kinder die Verstorbenen an anderen Orten weiter leben und sie selbst der Tod gleichzeitig gar nicht betrifft.[34]
Mit circa 6 Jahren beginnt das Kind seine engsten Bezugspersonen nicht mehr als allmächtig anzusehen und begreift, dass auch die Eltern vom Tod getroffen werden können. Es entwickelt Ängste die Eltern zu verlieren, benutzt aber auch seine innere Vorstellungskraft um diesen Ängsten zu entgehen. Auf Grund seines Zeitverständnisses, erfasst es jedoch weiterhin noch nicht, dass der Tod endgültig ist.[35] Kinder in einem Alter bis zu sechs Jahren fragen etwa: „Tut sterben weh? Wenn man weg ist, ist man dann tot? Weiß der Opa, dass der Sarg zugemacht wird?“[36] All diese Fragen verdeutlichen die kindliche Vorstellung vom Tod, das Nicht-Begreifen der Endgültigkeit, und inwieweit diese sich noch von der Todesvorstellung Erwachsener unterscheidet.
Etwa im Alter von 6 Jahren ist der Begriff „Tod“ für das Kind realer und spezifischer, es versteht nach und nach die Endgültigkeit, sowie auch viele physische Aspekte des Todes. Das Kind entwickelt ein besseres zeitliches Verständnis. Allerdings sieht das Kind den Tod weniger emotional und mehr sachlich,wie beispielsweise die Bewegungsunfähigkeit eines Toten.[37]
Ähnlich der Vorstellung mancher Erwachsener denken auch Kinder mit 6-7 Jahren, dass sie dem Tod entweichen können, etwa indem sie gesund essen oder genug schlafen. Mit 6-7 Jahren begegnet das Kind dem Tod auch auf emotionaler Ebene, es beginnt Ängste vor dem Tod zu entwickeln und dem möglichen Tod von Bezugspersonen. Außerdem interessieren sich Kinder für das Thema Tod, sie fragen nach Todesursachen, den Ritualen, der Bestattung, ziehen jedoch weiterhin den eigenen Tod niemals in Betracht.[38] Erst mit 8 Jahren akzeptiert das Kind, dass alles Lebendige sterben muss, es selbst auch eingeschlossen. Gleichzeitig wächst auf Grund dessen das Interesse an dem Wissen, was nach dem Tod geschieht. Kinder in diesem Alter stellen viele Fragen zu Ursachen und eigenen Vorstellungen darüber, wo der Verstorbene sich nun aufhält. Mit 9 Jahren beginnt das Kind auch die biologischen Hintergründe des Todes im Ansatz zu begreifen.[39] Ab diesem Zeitpunkt ist für das Kind der Tod zwar endgültig, aber gleichermaßen auch nur eine „Verringerung der Lebensfunktionen“[40]. Der Verstorbene kann demnach in der Vorstellung des Kindes noch sehen und sprechen, jedoch nicht mehr mit dem Kind kommunizieren. Kinder sprechen durch mehr sachliches Hinterfragen zum Beispiel auch vom einzelnen Verfall des Körpers und dem Vergrabenwerden.[41] Der Tod erfolgt dem Kind nach in verschiedenen Abstufungen.[42]
Außerdem „besteht eine geringere Angst vor dem Tod, und die Reaktion auf [den] Tod sind weniger emotional“[43].
Mit 10 Jahren, etwa das Alter in dem Kinder die vierte Grundschulklasse besuchen, ist das Kind in seiner Vorstellung vom Tod bereits sehr sachlich und realistisch informiert. Das Interesse an den philosophischen Aspekten des Todes lässt nach und das Kind hinterfragt weniger das Leben nach dem Tod.[44]
Kinder im Grundschulalter haben konkrete Vorstellungen von dem Tod, etwa in Form eines schwarzen Mannes, einer bösen Krankheit, eines Skelettes oder aber auch des Teufels und halten diese auf Bildern fest.[45] Der Tod wird personifiziert und kann der Vorstellung des Kindes nach beispielsweise sogar Fußspuren hinterlassen.[46] Gleichzeitig erwartet das Kind auch persönlich abgeholt zu werden, etwa durch Gott oder einen Engel.[47] Mit dem Alter entwickelt sich diese Vorstellung jedoch auch weiter. Durch Zeichnungen von Kindern wird deutlich, dass ihre Vorstellung vom Tod immer realistischer und sachlicher wird. Bilder sind nicht mehr länger nur durch den personifizierten Tod geprägt, sondern zeigen beispielsweise Körper die ohne Verletzungen mit Flügeln zum Himmel fliegen. Durch diese Bilder lässt sich auch erkennen, dass die Kinder an ein einfaches Weiterleben in einer anderen Welt glauben.[48] Auch im Grundschulalter haben Kinder oftmals noch Angst davor, dass sie selbst Schuld an dem Tod einer Person sein könnten. Sie nutzen noch häufiger ihre Phantasie und sehen das Leben noch nicht objektiv, weshalb sie sich vorstellen, eine Person sei auf Grund ihres Wunsches, dass diese fort geht, gestorben. Aus der Angst vor dem Tod entwickelt sich außerdem auch eine Phantasie der Unsterblichkeit. Kinder zwischen 6 und 10 Jahren stellen sich vor, dass sie selbst unsterblich sind und auch verstorbene Personen wieder lebendig machen können. Auf diese Art entfliehen sie ihrer Angst.[49] In frühen Grundschuljahren versucht das Kind selbst noch durch List und Wünsche dem Tod zu entfliehen, später dann begreift es immer mehr die Endgültigkeit des Lebens.[50] Etwa im achten bis neunten Lebensjahr entwickelt das Kind das Verständnis der Universalität des Todes und dessen Irreversibilität.[51] Kinderfragen im Grundschulalter sind zum Beispiel: „Stirbst du auch? Kann man an Krebs sterben? Ist die Seele jetzt im Himmel? Was ist nach dem Tod?“[52], was verdeutlicht wie sehr Kinder den Tod nun hinterfragen und wie realistisch ihre Todesvorstellung wird.
Der Fokus dieser Bachelorarbeit liegt auf Kindern im Grundschulalter, zwischen 6 und 10 Jahren. Da diese zu wenig Aufmerksamkeit in ihrer Trauer erhalten und nicht ausreichend Begleitung erfahren.
Da es für die Begleitung des Kindes relevant ist, zu erfahren, ob es dem Verstorbenen nahe stand, es etwa ein Elternteil war, oder aber ein Freund der Familie oder die Klassenlehrerin beispielsweise verstorben ist, werden die relevanten Unterschiede im Folgenden kurz zusammengefasst. Auf die Unterscheidung zwischen einem vorbereiteten Tod und dem für das Kind unerwarteten Tod wird nicht weiter eingegangen, da es für die Begleitung in der Trauer zwar relevant ist, aber es in dieser Arbeit um die Begleitung nach dem Tod gehen soll. Ich gehe daher von einem unerwarteten und unvorbereitetem Tod für das Kind aus.
Die erste Begegnung mit dem Tod, von dem das Kind selbst unmittelbar betroffen ist, ist oftmals, wenn eine nahe Bezugsperson, wie etwa die Eltern, Großeltern oder Geschwister sterben. Die erste Verlusterfahrung ist für das Kind immer ein Schock, umso mehr wenn der Tod unerwartet eintritt und es keine Gelegenheit gab das Kind auf den Tod vorzubereiten. „Die Begegnung mit dem Tod schlechthin, Abschied, Trennung und Verlust sind Leids genug“[53] Umso schwieriger, wenn das Kind gerade erst ein Verständnis von Leben und Zeit entwickelt.
Verliert ein Kind einen Elternteil, stellt dies eine besonders tief greifende und starke Belastung dar. Dem Kind fehlt entweder ein gleichgeschlechtliches Vorbild, oder aber das „ödipale Liebesobjekt“[54], je nachdem ob es Mutter oder Vater verliert, ein Junge oder ein Mädchen ist. Der Tod der Mutter wird oftmals als der schmerzlichste Verlust angesehen, da sie meistens den Mittelpunkt der Familie und die nächste Bezugsperson des Kindes darstellt. Aber auch wenn der Vater stirbt ist dies für Kinder mit am schmerzlichsten. Sie erfahren neben dem Verlust einer der nächsten Bezugspersonen oftmals, durch beispielsweise einen Umzug, auch die finanzielle Verunsicherung der Familie und werden dadurch in ihrem sicheren Lebensgefüge noch mehr erschüttert.[55] Durch den Verlust eines Elternteils, ob plötzlich oder vorbereitet, erfährt das Kind eine starke Verunsicherung und eine Störung der Normalität in seinem Leben.[56]
Kinder die einen Elternteil verloren haben, zeigen oftmals anschließend große Ängste auch den anderen Elternteil zu verlieren, da dieses Erlebnis für sie so einschneidend war und sie in ihrem Aufwachsen und ihrem Sozialisationsprozess auf die Eltern angewiesen sind.[57] Verlieren Kinder sogar beide Elternteile gleichzeitig, so ist dies für sie existenzgefährdend und es bedarf mehr als nur der Zuneigung durch andere Bezugspersonen. In solchen Fällen muss das Kind professionelle Begleitung erfahren, insbesondere da diese Verlusterfahrung niemals ausgeglichen werden kann und einen Einfluss auf das gesamte Leben hat.[58]
Kinder sind besonders vernachlässigt in ihrer Trauer, wenn ein Geschwisterkind stirbt. Die Eltern sind auf ihre eigene Trauer fixiert, müssen selber verarbeiten ein Kind verloren zu haben und sehen in dem lebenden Kind zunächst nur das Verstorbene und können daher oftmals weniger Nähe zulassen. Auch von außen gilt die Aufmerksamkeit häufig vor allem der Mutter, nachrangig dem Vater, und noch weniger den Geschwistern. Insbesondere da Geschwister oftmals in einer Konkurrenz zueinander stehen, trifft sie der Verlust, denn einen vergangenen Streit können sie nicht wieder gut machen und das Kind empfindet Schuldgefühle, welche bewältigt werden müssen.[59]
Der Tod einer nahen Bezugsperson ist für das Kind immer ein tief in sein Leben eingreifender Verlust, welcher nicht nur in dem Moment der Trauer, sondern auch darüber hinaus einen starken Einfluss auf das nachfolgende Leben hat und daher umso mehr eine professionelle Begleitung erfordert.
Das Kind begegnet dem Tod möglicherweise bereits, bevor eine Bezugsperson verstirbt, wie etwa durch ein totes Tier am Straßenrand, bei einem Verkehrsunfall oder aber in den Medien. Bei Kindern ist ihre Reaktion auf den Tod im weiteren Umfeld stark abhängig von ihrer bis dahin entwickelten sozialen Sensibilität. So kann es sein, dass ein Kind mehr auf die Reaktion anderer Menschen reagiert, als selbst Mitleid zu empfinden. Marielene Leist führt diese Reaktion von Kindern darauf zurück, dass ihre eigenen Empfindungen, wie Angst oder Verunsicherung zu groß für sie selbst sind und sie sich deshalb auf das äußere Geschehen fokussieren.[60] Gleichzeitig kann es auch vorkommen, dass, wenn etwa ein Freund des Kindes bei einem Verkehrsunfall umgekommen ist, es sich nun mit diesem identifiziert und deshalb eine Angst davor entwickelt in ein Auto zu steigen.[61]
Die Diplom-Sozialpädagogin Margit Franz sagt jedoch auch, dass der Tod im weiteren Umfeld des Kindes, durchaus eine Hilfe sein kann, sich auf den Tod vorzubereiten. Etwa dadurch, dass der Tod weniger emotional betrachtet wird und das Kind auf diese Weise die Endlichkeit des Lebens verstehen lernen kann. Außerdem kann ein Grundschulkind so begreifen, dass sein Leben weiter geht, auch wenn es dem Tod begegnet ist, ohne dabei in ein eigenes emotionales Chaos zu gelangen. Aber auch der Tod im weiteren Umfeld kann Ängste im Kind hervorrufen, etwa auf Grund von Schuldgefühlen oder aber da jemand im eigenen Umfeld erkrankt ist.[62] Daher kann auch hier eine professionelle Begleitung relevant werden.
Wie im vorhergehenden Kapitel aufgezeigt unterscheidet sich die kindliche Todesvorstellung deutlich von der von Erwachsenen. Doch wie reagieren Kinder zwischen sechs und zehn Jahren auf den Tod einer geliebten Person? Wie sieht ihre Art der Trauer aus? Wie reagieren Kinder im Gegensatz zu Erwachsenen auf den Verlust? Dies zu klären ist wichtig, um Trauer bei Kindern zu erkennen und Ansätze zu finden an denen mit Kindern in ihrer Trauer gearbeitet werden kann. Außerdem ist es wichtig zu erkennen in welcher Trauerphase sich das Kind befindet, um dann ganz individuell auf seine Bedürfnisse und Fragen eingehen zu können.
Im Folgenden soll anhand eines Trauerphasenmodells deutlich werden, wie sich der kindliche Trauerprozess von dem Erwachsener abgrenzt und deshalb besondere Begleitung benötigt. Es wird außerdem dargestellt welche verschiedenen Reaktionen Kinder in Bezug auf den Tod und Verlust zeigen und wodurch diese beeinflusst werden.
Was genau versteht man unter Trauer? Das scheint jeder für sich selbst beantworten zu können. Wir gehen von Trauer in Situationen des Todesfalls aus oder aber wenn wir etwas verloren haben das uns wichtig war. Trauer wird mit bestimmten Verhaltensweisen assoziiert. Der wörtliche Ursprung des Wortes „Trauer“ bedeutet im Deutschen etwa „niederfallen“ oder „kraftlos werden“ und beschreibt eine nach außen sichtbare Verhaltensweise. Die Trauer ist ein Gefühl, welches den Menschen voll einnimmt und universell gleich verstanden wird. Weinen bedeutet weltweit das gleiche: Schmerz, Trauer und Verlust.[63] Menschen finden in der Trauer im sozialen Zusammensein Trost und gedenken der verstorbenen Person. [64] Durch Trauer in Gruppen wird dem Verstorbenen außerdem die letzte Ehre erwiesen und gezeigt wie wichtig er für die soziale Gemeinschaft war.[65]
Trauer umfasst den Menschen im Ganzen, physisch, psychisch und sozial. Oftmals wird Trauer als Prozess beschrieben, da es ein aktiver Vorgang ist und der Mensch sich verändert. Ein anderes Wort für Trauer im Prozess sind auch die Trauerphasen, was wiederum beschreibt, dass die Trauer in Abschnitte unterteilt werden kann.[66] Nach Christian Butt ist die Trauerfähigkeit beim Menschen angeboren[67], also unumgänglich und auch notwendig.[68]
Der Mensch trauert nicht nur bei dem Verlust von geliebten Menschen, sondern auch wenn er gewisse Lebensumstände verliert oder beispielsweise ein geliebtes Haustier.[69] In der Trauer durchlebt der Mensch viele verschieden Gefühle gleichzeitig, nicht nur Traurigkeit, sondern auch Ängste, Hoffnung, Schuld und Glück. Der Verlust eines Menschen ist eine Erfahrung, die tief greifend ist. Ein Teil der Trauer sind Klagen und Beweinen des Verstorbenen aber auch[70] „Dankbarkeit dafür empfinden, dass ihnen diese Beziehung geschenkt war“[71]. Hinterbliebene trauern, da sie etwas vertrautes verloren haben. Trauer bedeutet auch diese nach außen zu tragen, wie beispielsweise durch Trauerkleidung und verschiedene Bräuche und Rituale.
Bei jedem Menschen verläuft Trauer als ein Prozess, der „neben großer Belastung auch positive Erfahrungen zulässt“[72] und die emotionale Beziehung zu einer anderen Person verdeutlicht, so wie das Gefühl des Vermissens, das durch dessen Tod ausgelöst wird.
Durch Trauer verarbeitet der Mensch einerseits seinen Verlust, andererseits zeigt diese aber auch nach außen, dass der Mensch den Verlust bewältigt.[73] Der Mensch hat keinen direkten Einfluss auf seine Trauer, denn „Trauer hat immer etwas mit der eigenen Hilflosigkeit gegenüber dem Schicksal zu tun“[74] und ist daher nur im Anschluss an den Tod beeinflussbar.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Trauer universell gleich verstanden wird, aber bei jedem Menschen ganz individuell ist. Außerdem ist es eine Reaktion auf den Verlust einer Person, eines Haustieres oder beispielsweise bestimmter Lebensumstände, welche zu bestimmten Verhaltensweisen wie etwa Weinen führen.
Da Trauer jedoch sehr individuell ist, soll im Folgenden erläutert werden, welche Trauerphasen der Mensch im allgemeinen durchläuft und wie der Trauerprozess von Kindern aussieht.
Wie die kindliche Entwicklung, so verläuft auch die Trauer in einem Prozess und ist ein aktives Verhalten von Hinterbliebenen.
Die Modelle der Trauerphasen gehen von dem Verlust einer geliebten Person aus, nicht etwa, eines Bekannten oder Haustieres, wobei auch hier ähnliche Trauerreaktionen auftreten können. Trauer verläuft in mehreren aufeinander folgenden und ineinander übergehenden Phasen, wobei diese im Groben bei jedem ähnlich sind, aber auch individuell unterschiedlich sind.
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