Diplomarbeit, 2015
62 Seiten, Note: 3,0
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung direkter Vertriebskanäle der Markenartikelindustrie aufgrund der Handelskonzentration im Lebensmittelsektor
1.1. Einführung in die Problemstellung
1.2. Ziel und Aufbau der Arbeit
2. Grundlagen der Untersuchung
2.1. Wettbewerbliche Rahmenbedingungen zwischen Handel und Markenartikel- industrie
2.1.1. Zunehmende Handelskonzentration im Lebensmittelsektor
2.1.2. Die zunehmende Verbreitung von Handelsmarken und das Verbot der vertikalen Preisbindung
2.2. Einführung direkter Vertriebskanäle durch die Markenartikelindustrie
3. Ziele und Erscheinungsformen direkter Vertriebskanäle aus Sicht der Marken- artikelindustrie
3.1. Einfluss auf die Preissetzung und Schaffung einer Unabhängigkeits- position vom Handel als Ziele der Einführung direkter Vertriebskanäle
3.2. Darstellung der Erscheinungsformen direkter Vertriebskanäle
3.2.1. Eigene Filialsysteme
3.2.2. Online-Vertrieb über das Internet
3.2.3. Flagship-Stores als eigene Filiale
4. Problembereiche und korrespondierende Lösungsansätze für den direkten Vertrieb von Produkten aus dem Lebensmittelsektor aus Sicht der Markenartikelindustrie
4.1. Analyse der Eignung des Online-Vertriebes von Markenartikeln aus dem Lebensmittelsektor
4.1.1. Problem der Eignung verschiedener Produkte aus dem Lebensmittel- sektor und der Preissetzung im Vergleich zum Vertrieb über den Handel
4.1.2. Erweiterung des Produktangebotes im Internet und Endverbraucherpreis als Qualitätsindikator
4.2. Analyse der Eignung des direkten Vertriebes von Markenartikeln aus dem Lebensmittelsektor über Flagship-Stores
4.2.1. Problem der Eignung verschiedener Produkte aus dem Lebensmittel- sektor für den direkten Vertrieb in Flagship-Stores
4.2.2. Beispiele für den erfolgreichen Vertrieb von Produkten aus dem Frische-, Trocken- und Getränkesortiment in Flagship-Stores
5. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
URL-Verzeichnis
Abb. 1: Marktanteile der führenden Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland im Jahr 2013
Abb. 2: Anteil von Handelsmarken am Einzelhandelsumsatz in Deutschland von 2008 bis 2013
Abb. 3: Besuchte Food-Websites und getätigte Produktkäufe im Jahr 2013
Abb. 4: Online-Lebensmittel (Kauf und Kaufinteresse)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im deutschen Konsumgüterhandel ist in den letzten Jahrzehnten ein deutlicher Konzentrationsprozess zu beobachten.[1] Vor allem im Lebensmittelsektor herrscht ein intensiver und preisgetriebener Wettbewerb zwischen den am Markt agierenden großen Handelskonzernen.
Die großen Handelskonzerne wie Edeka oder Rewe erzielen immer größere Marktanteile und auch die Discounter Aldi und Lidl konnten ihre Marktanteile in den letzten Jahren erhöhen. Diese vier großen Handelskonzerne erzielten nach der Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes im September 2014 insgesamt mehr als drei Viertel aller Umsätze im Lebensmitteleinzelhandel.[2] Auch in vielen anderen europäischen Ländern hat die Handelskonzentration zu einer erheblichen Steigerung der Verhandlungsmacht der großen Handelsunternehmen gegenüber den Markenartikelherstellern geführt.[3] Der Lebensmitteleinzelhandel ist von einer einst stark fragmentierten Branche zunehmend konzentrierter geworden, und dass sowohl aus nationaler als auch aus der aggregierten europäischen Betrachtung.[4]
Die großen Handelskonzerne verdrängen die kleinen Handelsunternehmen durch Fusionen und Übernahmen, wobei den aktuellen Medienberichten zufolge erst vor wenigen Wochen auch noch das Unternehmen Tengelmann von dem führenden Handelskonzern Edeka übernommen wurde. Die Anzahl der insgesamt existierenden Handelsunternehmen nimmt weiter ab.[5] Aus Sicht der Markenartikelindustrie besteht das Problem, dass sie das Ziel einer ubiquitären[6] Distribution verfolgt[7] und sich somit, aufgrund der hohen Absatzmengen von den großen Handelskonzernen, in eine Art Abhängigkeitsverhältnis zum Handel begibt.[8] Der Handel hat nicht nur Einfluss auf den Absatz der Markenartikel, sondern er besitzt auch die Preishoheit bei den Markenartikeln.[9] Dies bedeutet, dass der Handel nicht nur die Preispositionierung seiner eigenen Handelsmarken, sondern auch die Preise der Markenartikel gezielt beeinflussen kann.[10]
Ein weiteres Problem aus Sicht der Markenartikelindustrie besteht somit in der Verbreitung von Handelsmarken, worin manche Autoren nicht nur den Wettbewerbsvorteil der ubiquitären Erhältlichkeit der Markenartikel als gefährdet sehen,[11] sondern auch die Gefahr der Auslistung von Markenartikeln.[12]
Für die Hersteller von Markenartikeln stellt sich somit aufgrund der aktuellen Marktsituation zunächst die Frage, welche Möglichkeiten des direkten Vertriebes es im Vergleich zum indirekten Vertrieb über den stationären Handel gibt und ob sich dieser Vertriebskanal aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch als effizient erweist.
Kann durch die Einführung direkter Vertriebskanäle eine Alternative zum stationären Handel geschaffen werden?
Eignet sich der Vertrieb von Produkten aus dem Lebensmittelsektor auch über das Internet? Lohnt sich die Einführung von eigenen Filialen wie Flagship-Stores oder Brandlands? Was muss bei der Preissetzung berücksichtigt werden? Können die direkten Vertriebswege das Markenimage[13] stärken und somit der Handelskonzentration und der Verbreitung von Handelsmarken entgegenwirken?
Das Ziel der Arbeit ist es, die aufgeworfenen Fragen zu untersuchen, entsprechende Problembereiche aufzuzeigen und korrespondierende Lösungsansätze zu erarbeiten. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Analyse der Einführung direkter Vertriebskanäle durch die Markenartikelhersteller vor dem Hintergrund der bestehenden Handelskonzentration. Hierzu werden im zweiten Kapitel zunächst die Grundlagen der Untersuchung dargestellt, indem die wettbewerblichen Rahmenbedingungen zwischen Handel und Markenartikelindustrie aufgezeigt werden. Diese umfassen zum einen die zunehmende Handelskonzentration im Lebensmittelsektor und zum anderen die Verbreitung von Handelsmarken und das Verbot der vertikalen Preisbindung. Außerdem werden unterschiedliche Formen des direkten Vertriebes aufgezeigt, wie z. B. die Erschließung eigener Filialen, den so genannten Flagship-Stores oder der Vertrieb über das Internet.
Im dritten Kapitel werden die Ziele und Erscheinungsformen der direkten Vertriebskanäle aus Sicht der Markenartikelindustrie dargestellt, wobei diese vor allem vor dem Hintergrund der bestehenden Handelskonzentration betrachtet werden.
Zunächst erfolgt eine Darstellung der Ziele, die mit der Einführung direkter Vertriebskanäle verfolgt werden. Die Markenartikelindustrie versucht hierdurch eine gewisse Unabhängigkeit vom Handel zu erlangen, indem sie Einfluss auf die Preissetzung und Vermarktung ihrer Produkte bekommt.
Hierzu wird der Online-Vertrieb von Produkten aus dem Lebensmittelsektor aus Sicht der Markenartikelhersteller dargestellt, z. B. bieten die Hersteller Knorr oder Nestlé bereits eine Vielzahl ihrer Produkte im Internet an.
Eine andere Möglichkeit des direkten Vertriebes stellt die Gründung eines eigenen Filialsystems dar, oder die Einführung einzelner Filialen, den Flagship-Stores oder Brandlands.
Im vierten Kapitel werden die Problembereiche und korrespondierende Lösungsansätze für den direkten Vertrieb von Produkten aus dem Lebensmittelsektor aus Sicht der Markenartikelindustrie aufgezeigt. Hierzu werden zunächst die Problembereiche beim Online-Vertrieb betrachtet, wobei die Eignung der verschiedenen Produkte untersucht wird. Es wird ermittelt, wie weit diese Form des direkten Vertriebes schon von Herstellern aus dem Lebensmittelsektor genutzt wird. Die zunehmende Handelskonzentration spielt hierbei eine wichtige Rolle, da der Online-Vertrieb bereits auch von den großen Handelskonzernen als alternativer Vertriebskanal genutzt wird. Edeka bietet bereits einen großen Teil ihres gesamten Sortiments zum Kauf im Internet an.
Es wird untersucht, inwieweit es sich für bestimmte Markenartikelhersteller lohnt, ebenfalls den Weg des direkten Vertriebes über das Internet zu wählen und wie sich die Preispositionierung gestalten sollte, damit Kannibalisierungseffekte vermieden werden.
Anschließend wird der direkte Vertrieb von Markenartikeln in Flagship-Stores analysiert, wobei auch hier vor allem die Eignung unterschiedlicher Produkte aus dem Lebensmittelsektor untersucht wird. Es werden korrespondierende Lösungsansätze erarbeitet, indem vor allem bereits existierende Flagship-Stores bestimmter Hersteller aus dem Lebensmittelsektor zur Analyse hinzugezogen werden.
Im fünften Kapitel werden die gewonnenen Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick in Bezug auf die aktuelle Entwicklung im Lebensmittelsektor gegeben.
Wie bereits zu Beginn der Arbeit erwähnt wurde, konnte in den letzten Jahrzehnten in Deutschland das Phänomen der steigenden Handelskonzentration im Konsumgütersektor, bzw. speziell im Lebensmittelsektor beobachtet werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Unternehmenskonzentration, denn die Umsätze konzentrieren sich auf eine immer geringere Anzahl an großen Handelsunternehmen.[14]
Der Marktanteil der vier großen Handelskonzerne in Deutschland ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Die folgende Abbildung 1 zeigt die Marktanteile der führenden Unternehmen in Lebensmitteleinzelhandel im Jahr 2013.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Marktanteile der führenden Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland im Jahr 2013 (leicht verändert nach URL 2)
Abbildung 1 ist zu entnehmen, dass die Edeka-Gruppe den größten Marktanteil mit 25,5 % besitzt, gefolgt von der Rewe-Gruppe mit 14,9 %.
Die Schwarz-Gruppe, zu der unter anderen auch der Discounter Lidl gehört, erzielt noch einen Marktanteil von 14,4 %. Die Aldi-Gruppe schließt das Ranking der vier führenden Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel im Jahr 2013 mit 12,3 %. Insgesamt erreichen diese vier Handelskonzerne einen Marktanteil von über 70 %, wobei in anderen europäischen Ländern ein ähnliche Entwicklung zu beobachten ist.[15]
Der Marktanteil der Edeka-Gruppe dürfte sich im folgenden Jahr noch durch die aktuelle Übernahme von Tengelmann erhöhen. Tengelmann ist in der Abbildung 1 nicht aufgeführt und ist deshalb unter „Sonstige“ mit einem Marktanteil von immerhin 13,6 % zu vermuten. Die Edeka-Gruppe ist nicht nur auf vielen regionalen Absatzmärkten führend, sondern erzielt mehr als ein Viertel aller Umsätze im Lebensmitteleinzelhandel.[16]
Die steigende Handelskonzentration führt dazu, dass kleinere Handelsunternehmen verdrängt werden und die Gesamtzahl der verbleibenden Handelsunternehmen weiter abnimmt.
Dies führt zu einer vertikalen Machtverschiebung zu Gunsten des Handels und steigert somit die Abhängigkeit der Hersteller von den verbleibenden expandierenden Handelsunternehmen.[17] Die Listung der Markenartikel hängt von den Entscheidungen einiger weniger großer Handelskonzerne ab.[18]
Das Phänomen der Handelskonzentration scheint kein zeitgebundenes Symptom zu sein, sondern ein Entwicklungsprozess, der sich immer weiter zuspitzt.[19] Aus Sicht der Markenartikelindustrie hat sich das Verhältnis zum Handel somit nachhaltig verändert, da sich der Hersteller immer mehr in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Handel begibt und nicht nur die Zukunft der Marke gefährdet ist, sondern auch die Eigenständigkeit des Unternehmens.[20]
Die „Top 3“ der großen Handelskonzerne stellen die größten Abnehmer der Markenartikel dar, wobei insgesamt ein breites Angebot an Herstellermarken[21] und Handelsmarken in allen Preissegmenten vorliegt, d. h. es können alle Käuferschichten in Deutschland angesprochen werden, sowohl mit Markenartikeln als auch mit eigenen Handelsmarken.[22] Die Handelsunternehmen führen in der Regel nicht nur Nahrungs- und Genussmittel, welche dem Foodbereich zuzuordnen sind, sondern u. a. auch ein breites Sortiment an Putz-, Wasch- und Körperpflegemitteln, die zum Non-Foodbereich zählen.[23] Die folgenden Untersuchungen in dieser Arbeit beschränken sich jedoch auf den Foodbereich.
Neben der Handelskonzentration stellt die zunehmende Verbreitung von Handelsmarken („Private Labels“) ein weiteres Problem aus Sicht der Markenartikelindustrie dar, ebenso wie das Verbot der vertikalen Preisbindung, wodurch die Markenartikelindustrie keinen Einfluss auf den Endverbraucherpreis im Handel hat.[24]
Vor allem Edeka, Rewe und die Schwarz-Gruppe bieten mittlerweile alternativ zu ihrem Sortiment an gelisteten Markenartikeln, bzw. Herstellermarken, in fast allen Produktbereichen ihre eigenen Handelsmarken an. Bei Aldi hingegen besteht das gesamte Sortiment fast ausschließlich aus Handelsmarken.[25]
Durch die zunehmende Verbreitung eigener Handelsmarken verfolgen die Handelsunternehmen das Ziel, sich von der Konkurrenz abzuheben.[26] Durch die Förderung des Absatzes ihrer eigenen Handelsmarken soll ein unverwechselbares Image in den Augen des Konsumenten erzeugt werden, denn im Gegensatz zu den konkurrierenden Handelsunternehmen erhältlichen Markenartikeln der Industrie sind die Handelsmarken nur in ihren Filialen erhältlich.[27]
NEIDHART sieht durch das einmalige Angebot von Handelsmarken die Abhebung von anderen Handelsunternehmen und die Erzeugung von preislicher Intransparenz als Zielsetzungen des jeweiligen Handelsunternehmens, wodurch eine Bindung der Konsumenten an die eigenen Filialen erzeugt werden soll.[28] Auch BERENTZEN sieht in der Sortimentsausweitung der Handelsmarken in allen Bereichen des Lebensmitteleinzelhandels nicht nur das Ziel einer kurzfristigen Umsatzsteigerung, sondern die Profilierung der Verkaufsstätten.[29]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Anteil von Handelsmarken am Einzelhandelsumsatz in Deutschland
von 2008 bis 2013 (leicht verändert nach URL 4)
Abbildung 2 zeigt den Anteil von Handelsmarken am Einzelhandelsumsatz in Deutschland in den Jahren 2008 bis 2013. Der Anteil von Handelsmarken am Einzelhandelsumsatz ist in diesen Jahren von 38,7 % auf 40,8 % gestiegen. Das bedeutet, dass der gesamte Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel derzeit etwa zu zwei Fünftel aus dem Verkauf von Handelsmarken und zu drei Fünftel aus Markenartikeln besteht.
Durch die Verbreitung von Handelsmarken steigt die Verhandlungsmacht der Handelsunternehmen, welche dazu genutzt wird, die Preise der Handelsmarken so zu setzen, dass dadurch auch die Marktanteile der Handelsmarken gesteigert werden.[30]
Je nachdem in welchem Preissegment die Handelsmarke vertrieben wird, erfolgt eine Einteilung in Premium-Handelsmarken, die im oberen Preissegment vertreten sind, klassische Handelsmarken im mittleren Preissegment und Discount- bzw. Gattungsmarken im unteren Preissegment.[31] Vor allem Handelsmarken im mittleren Preissegment führen aufgrund ihres hohen Marktanteils zu einem rückläufigen Eintritt von Markenartikeln,[32] aber auch die zunehmende Positionierung von Handelsmarken im oberen Preissegment stellt eine Bedrohung für die Markenartikel dar.[33]
Premium-Handelsmarken weisen häufig ein sehr ähnliches Erscheinungsbild im Vergleich zu den Markenartikeln auf. Durch die mangelnde Identifizierbarkeit kann eine Irreführung beim Kunden erzeugt werden, denn häufig ist der Verbraucher nicht dazu in der Lage, die Qualität eines Produktes zu überprüfen und es lässt sich aus Sicht des Verbraucher nicht nachvollziehen, wer ein bestimmtes Produkt produziert hat.[34] DOBSON weist auf die Gefahr hin, dass der Handel durch die Angleichung der Verpackung an den Markenartikel die Strategie verfolgt, das Markenimage auf die Handelsmarke zu übertragen.[35]
Die Grenzen zwischen Handelsmarken und Markenartikeln verwischen zunehmend, weil die wahrgenommenen Qualitätsunterschiede zwischen Hersteller- und Handelsmarken immer weiter abnehmen.[36] Für den Verbraucher wird es somit immer schwieriger, zwischen Markenartikeln und Handelsmarken zu unterscheiden.[37] Nach SAYMAN, HOCH und RAJU muss eine Imitation des Markenartikels jedoch nicht zwangsläufig dazu führen, dass die Handelsmarke vom Verbraucher als qualitativ gleichwertig empfunden wird.[38]
Durch das Verbot der vertikalen Preisbindung hat der Handel nach OLBRICH folgende Vorteile gegenüber dem Hersteller:
Der Handel kann die endverbrauchergerichteten Preise im gesamten Vertriebsnetz kontrollieren, d. h. er kann die Preisabstände zwischen Handels- und Herstellermarken festlegen, und möglicherweise sogar künstlich hohe Preisabstände erzeugen.[39] Dieser Fall, das Setzen künstlicher Preisschirme, wird als „Umbrella Pricing“ bezeichnet.[40] Der Preis der Herstellermarke wird hierbei durch den Handel so hoch angesetzt, dass der Kunde die Handelsmarke als wesentlich preisgünstiger empfindet. Auf der anderen Seite wird die Herstellermarke auch häufig besonders niedrigpreisig verkauft, um als „Lockvogel“ zu dienen.[41] DOBSON befürchtet, dass die Markenartikelhersteller entmutigt werden, in den Markenaufbau und Produktinnovationen zu investieren, falls die Händler durch ihre Niedrigpreisstrategie bewirken, dass der Konsument die Qualität der Markenartikel als minderwertig empfindet.[42]
Der Hersteller hat keine Möglichkeit, preispolitische Verhaltensabstimmungen mit dem Handel vorzunehmen – bis auf die Ausnahme der Festlegung von Höchstverkaufspreisen und unverbindlichen Preisempfehlungen.[43]
Der Preis wird vom Handel als ein zentrales Instrument im Verdrängungswettbewerb eingesetzt, wobei auch die wachsende Präsenz von Discountern ein entscheidender Faktor für das Wachstum der Handelsmarken in Deutschland ist. Es besteht eine starke Wechselwirkung zwischen der zunehmenden Verbreitung von Handelsmarken und der wachsenden Discountierung.[44] Vor allem die Discounter können die Bedürfnisse sehr preisorientierter Verbraucher durch ein umfangreiches Angebot an niedrigpreisigen Artikeln erfüllen.[45]
Die Handelsmarken können von den großen Handelskonzernen als Druckmittel eingesetzt werden, z. B. wenn der Markenartikelhersteller seine Preise nicht senkt, droht der Handelskonzern mit der Einführung von Handelsmarken.[46]
Langfristig gesehen besteht somit die Gefahr, dass die Zunahme der Handelsmarken dazu führt, dass die Markenartikel teilweise oder vollständig verdrängt werden,[47] was zu einem erheblichen Einschnitt am Gesamtumsatz des Herstellers führen würde. Auch TARZIJÁN bestätigt eine positive Korrelation zwischen der Handelskonzentration und dem Marktanteil von Handelsmarken.[48] Für den Konsumenten würde das Verdrängen vieler Markenartikel bedeuten, dass die Artikelvielfalt und somit die Wahlfreiheit verringert werden.[49]
Es bleibt festzuhalten, dass die verbliebenen großen Handelskonzerne durch ihre Handelsmarkenprogramme gezielt zum Bestehen der Handelskonzentration beitragen.
Markenartikelindustrie
Die Markenartikelindustrie verfolgt das Ziel der Ubiquität, der „Überallerhältlichkeit“ ihrer Produkte.[50] Im Rahmen der Distributionspolitik geschieht dies durch einen indirekten Vertrieb über den Handel, der mit Abstand den bedeutendsten Distributionskanal für die Markenartikelindustrie darstellt.[51] Die Markenartikelhersteller nutzen die großräumigen Vertriebsstätten und die Marktkenntnis des Handels für den Vertrieb ihrer Produkte. Sie haben jedoch keinen Einfluss auf die Preissetzung und Vermarktung ihrer Produkte und begeben sich in die Gefahr der Abhängigkeit von den Handelsunternehmen.
Wie bereits in Abschnitt 2.1. erläutert wurde, besitzen vor allem die großen Handelskonzerne wie Edeka, Rewe und die Schwarz-Gruppe aufgrund der Handelskonzentration erhebliche Wettbewerbsvorteile gegenüber kleineren Handelsunternehmen – insbesondere aufgrund ihrer Verhandlungsmacht bei der Beschaffungspolitik. Die „Top 3“ des Lebensmitteleinzelhandels stellen für die Markenartikelindustrie aufgrund der hohen Bestellmengen die wichtigsten Abnehmer ihrer Produkte dar.
Vor dem Hintergrund der Handelskonzentration und der Verbreitung von Handelsmarken stellt sich aus Sicht der Markenartikelindustrie die Frage, ob direkte Vertriebswege für den Verkauf ihrer Produkte eingeführt werden sollten, um somit eine gewisse Unabhängigkeit vom Handel zu erreichen.
Bei einem direkten Vertrieb erfolgt der Verkauf von Herstellern und Großhändlern direkt an den Endverbraucher, d. h. die produzierten Güter gelangen ohne die Einschaltung des Handels direkt vom Hersteller zum Endverbraucher.[52] Den direkten Verkauf vom Hersteller an den Konsumenten bezeichnet man auch als Vertikalisierung.[53] Nur beim direkten Vertrieb kann der Hersteller den Endverbraucherpreis für seine Produkte selbst festlegen.[54]
Eine Möglichkeit des direkten Vertriebes ist der Verkauf über das Internet, wobei dies in der Literatur häufig auch als Online-Vertrieb bezeichnet wird.[55] Es ist jedoch fraglich, inwieweit sich dieser Absatzkanal auch für Produkte aus dem Lebensmittelsektor eignet. Es spielt nicht nur die Eignung der Produkte eine entscheidende Rolle, sondern auch das Konsumentenverhalten und das allgemeine Kaufverhalten der Internetnutzer.[56] Entscheidend für die Erfolgswahrscheinlichkeit des Online-Vertriebs ist die Frage, ob dem Kunden hierbei im Vergleich zum traditionellen Vertrieb über den Handel ein spezifischer Zusatznutzen geboten werden kann.[57]
Der Vertrieb von Lebensmittel über das Internet ist in Deutschland bisher noch nicht so weit verbreitet wie in anderen europäischen Ländern, wie etwa in England oder Frankreich. In Deutschland wurden im Jahr 2012 Lebensmittel im Wert von etwa 400 Millionen Euro über das Internet gekauft, was einem Marktanteil von 0,3 % entspricht, während in Großbritannien 6,4 Milliarden Euro ausgegeben wurden, womit der Marktanteil bei 5 % liegt.[58] Ingesamt stellt der Verkauf von Lebensmittel noch eine Art „Nische“ dar,[59] die in Zukunft weiter ausgebaut werden soll.
Es wird prognostiziert, dass der Vertrieb von Lebensmitteln über das Internet durchaus Potenzial hat und auch aufgrund des demografischen Wandels immer mehr an Bedeutung gewinnen könnte.[60]
So zeigen die großen Handelskonzerne wie Edeka und Rewe bereits Präsenz im Internet und bieten einen großen Teil ihres Sortiments ergänzend über den Online-Vertrieb an. Die Kombination des Vertriebs über den stationären Handel und den Online-Vertrieb bezeichnet man als Multi-Channel-Retailing.[61]
[...]
[1] Vgl. Anselstetter 2010, S. 34; Hundt 2010, S. 2.
[2] Vgl. URL 1.
[3] Vgl. Tarziján 2006, S. 68.
[4] Vgl. Dobson/Waterson/Davies 2003, S. 112.
[5] Vgl. Grewe 2010, S. 1.
[6] Ubiquitär bedeutet „überall verbreitet“, vom lateinischen Wort „ubique“ = überall.
[7] Vgl. Zentes/Schramm-Klein 2004, S. 1686.
[8] Vgl. Olbrich/Buhr 2007, S. 493; Hundt 2013, S. 9.
[9] Vgl. Olbrich/Buhr 2007, S. 488.
[10] Vgl. Olbrich 2001, S. 35; Hildebrand 2006, S. 104.
[11] Vgl. Schäfer 2010, S. 33.
[12] Vgl. Hildebrand 2006, S. 103 f.; Dobson 1998, S. 2 f.; Krishnan/Soni 1997, S. 36; Olbrich/ Buhr 2006, S. 27 und S. 57.
[13] Das Markenimage bezeichnet die Assoziationen, die der Verbraucher mit der Marke ver- bindet und stellt einen lebenswichtigen Aspekt der Marke dar. Vgl. hierzu Keller 2005, S. 1318 und Neidhart 2007, S. 61.
[14] Vgl. Olbrich 1998, S. 3.
[15] Vgl. Olbrich 1998, S. 3.
[16] Vgl. URL 1.
[17] Vgl. Olbrich/Buhr 2007, S. 491.
[18] Vgl. Schäfer 2010, S. 33.
[19] Vgl. Olbrich 1998, S. 3.
[20] Vgl. Olbrich/Buhr 2007, S. 493.
[21] Die Begriffe Herstellermarke und Markenartikel werden häufig synonym verwendet, vgl. URL 3 und Weise 2008, S. 7.
[22] Vgl. URL 1.
[23] Vgl. Frankenberg 2001, S. 3 f.
[24] Vgl. Olbrich/Buhr 2007, S. 487 ff.
[25] Vgl. Weise 2008, S. 15.
[26] Vgl. Volpe 2011, S. 3.
[27] Vgl. Olbrich/Buhr/Grewe/Schäfer 2005, S. 8.
[28] Vgl. Neidhart 2007, S. 20.
[29] Vgl. Berentzen 2010, S. 3.
[30] Vgl. Meza/Sudhir 2010, S. 359.
[31] Vgl. URL 5.
[32] Vgl. Bergström/Daunfeldt/Rudholm 2007, S. 38.
[33] Vgl. Steiner 2007, S. 57.
[34] Vgl. Olbrich/Buhr/Grewe/Schäfer 2005, S. 5.
[35] Vgl. Dobson/Zhou 2012, S. 21.
[36] Vgl. Esch/Wicke/Rempel 2005, S. 30; Steenkamp/Van Heerde/Geyskens 2010, S. 1022.
[37] Vgl. Olbrich 2001, S. 7.
[38] Vgl. Sayman/Hoch/Raju 2002, S. 394.
[39] Vgl. Olbrich/Buhr/Grewe 2005, S. 2.
[40] Vgl. Olbrich/Buhr/Grewe 2005, S 13.
[41] Vgl. Köhler 2003, S. 8; Olbrich/Buhr 2007, S. 494.
[42] Vgl. Dobson/Clarke/Davies/Waterson 2001, S. 276.
[43] Vgl. Olbrich/Grewe 2012, S. 112.
[44] Vgl. Olbrich/Buhr 2007, S. 488.
[45] Vgl. Grewe 2010, S. 16.
[46] Vgl. Gabrielsen/Søgard 2007, S. 403 ff.
[47] Vgl. Baker/Baltzer/Møller 2006, S. 31ff.; Olbrich/Buhr 2006, S. 57.
[48] Vgl. Tarziján 2006, S. 57.
[49] Vgl. Olbrich/Grewe 2008, S. 34.
[50] Vgl. Ahlert 1996, S. 113.
[51] Vgl. Tomczak/Schögel 2001, S. 51.
[52] Vgl. URL 6.
[53] Vgl. Morschett 2012, S. 382.
[54] Vgl. Anselstetter 2010, S. 14.
[55] Vgl. z. B. Theuvsen 2002, S. 41 ff.
[56] Vgl. Grabner-Kräuter/Schwarz-Musch 2003, S. 385 ff.
[57] Vgl. Grabner-Kräuter/Schwarz-Musch 2003, S. 389.
[58] Vgl. URL 7.
[59] Vgl. Hand/Dall'Olmo Riley/Harris/Singh/Rettie 2009, S. 1216 ff.
[60] Vgl. URL 8.
[61] Vgl. URL 9.
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