Bachelorarbeit, 2014
40 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
1.1. Relevanz des Themas
1.2. Ziel der Arbeit
1.3. Aufbau der Arbeit
2. Terrorismus
2.1. Historische Entwicklung
2.3. Versuch einer Definition
2.4. Strategie des Terrorismus
2.5. Bedrohungslage in Deutschland
3. Von der Angst, den Medien und der Politik
3.1. Zur Angst
3.2. Zu den Medien
3.3. Zur Politik
4. Terrorismusbekämpfung in Deutschland
4.1. Sicherheit im Verfassungsrecht
4.2. Freiheit im Verfassungsrecht
4.3. Die Sicherheitspakete
5. Kritische Betrachtung einzelner Anti-Terror-Maßnahmen
5.1. Folter und Luftsicherheitsgesetz
5.2. Anti-Terror-Datei und Projektdateien
5.3. Rasterfahndung
5.4. Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung
6. Fazit
7.Literaturverzeichnis
8.Internetquellen
9. Rechtsquellen
„Der 11. September 2001 – der Tag, der die Welt veränderte.“
Wer sich eingehend mit wissenschaftlichen Quellen zum politischen Themenkomplex der Inneren Sicherheit befasst, wird Sätze wie diesen in der Einleitung unzähliger Ausarbeitungen finden.
In der Tat sind die Ereignisse dieses Tages Auslöser für mannigfaltige Entwicklungen im Bereich der sicherheitspolitischen Ausrichtung geworden. Auf Grundlage dieses medienwirksam inszenierten Massenmordes wurden zahlreiche Gesetze verabschiedet, die die Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten erheblich ausgeweitet haben. Hieran lässt sich das wahre Ausmaß der Anschläge bemessen. Präventive Verhaftungen auf Verdacht und ohne gerichtliche Kontrolle sind jetzt in „Rechtsstaaten“ legitim. Auch Gefangenenlager, in denen Menschen ohne Kriegsgefangenenstatus, ohne Anklage und unter eindeutiger Missachtung der Menschenrechte festgehalten und gefoltert werden, sind gesellschaftlich etabliert und erregen nur noch wenige Gemüter. Im Anti-Terror-Krieg scheinen Werte keine Bedeutung mehr zu haben.
Deutschland betreibt noch keine Gefangenenlager wie die USA und auch die umstrittenen Verhaftungen, wie sie in Großbritannien durchgeführt werden, sind hierzulande unzulässig. Bedenkenswerte Veränderungen haben sich jedoch durch länderübergreifende Bündnisse und Verträge, aber auch durch übereifrige Politiker sehr wohl ergeben. So spricht man im Bezug auf das polizeiliche Aufgabenspektrum beispielsweise schon von der neuen „Dreiheit des polizeilichen Sicherheitsauftrags: a) Gefahrenabwehr, b) Repression (Strafverfolgung) und c) Prävention.“[1]In seinem Bestreben, Sicherheit zu gewährleisten, hat es sich auch der hiesige Staat zur Aufgabe gemacht, nicht erst bei vorliegen einer konkreten Gefahr oder Rechtsgutbeeinträchtigung, sondern schon bei Risiko erhöhenden Umständen und Situationen entsprechende Abwehrmaßnahmen zu ergreifen.[2]Das Konzept der Gefahrenvorsorge ist hierzulande spätestens seit dem „Deutschen Herbst“ der 70er Jahre bekannt. Die Intensität jedoch, in die rechtsstaatlichen Grundlagen heute tangiert werden, hat ein bisher unbekanntes Ausmaß angenommen.
Die Gefahr besteht – durch den Bereich der Terrorismusbekämpfung im Besonderen –, dass sich der Rechtsstaat selbst zu Grunde richtet. Die Grenze vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat ist dann überschritten, wenn sein Misstrauen gegenüber seinen Bürgern so groß ist, dass er sie unter einen Generalverdacht stellt und demnach jeder Einzelne gezwungen wäre, sich Überprüfungen zu unterziehen, um seine Unschuld zu beweisen.
Die vorliegende Arbeit macht es sich zur Aufgabe, den Konflikt zwischen Terrorismusbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit zu untersuchen. Zunächst soll hierfür das Phänomen Terrorismus definiert sowie seine Zielverfolgungsstrategie und seine Wirkmechanismen analysiert werden. Dem soll im Anschluss eine nähere Betrachtung unseres Rechtsstaates und seiner grundlegenden Prinzipien folgen. Von besonderem Interesse wird hier der Grundsatz der wehrhaften Demokratie und die Bedeutung von Freiheit und Sicherheit im Verfassungsrecht sein. Auf dieser Basis sollen zuletzt einige der brisanten Maßnahmen herausgegriffen werden, die der Staat im Kampf gegen den Terror eingeführt hat. Sie sollen auf ihre rechtsstaatliche Konformität hin überprüft werden, um letztlich beurteilen zu können, ob das staatliche Handeln noch von verfassungsgemäßen Werten bestimmt und geleitet wird.
Am Anfang der Arbeit wird das Phänomen Terrorismus erläutert. Hierzu wird als erstes die historische Entwicklung des Terrorismus dargestellt. So soll ein grundlegendes Verständnis für die Bedeutung des Begriffs und die Wandlung der terroristischen Praxis vermittelt werden. In den weiteren Unterkapiteln wird unter anderem auf den Terrorismus in heutiger Form eingegangen. Seine Erscheinungsformen werden erklärt und seine Motive genannt. Zudem wird der Unterschied zwischen Terrorismus und Guerillakrieg erklärt. Die Analyse der terroristischen Strategie sowie ein kurzer Abriss über die Bedrohungslage in Deutschland über die letzten Jahre bilden den Schluss.
Kapitel drei beschäftigt sich mit dem Prozess, der zwischen einem Terroranschlag und der Einleitung staatlichen Gegenmaßnahmen abläuft. Von großer Bedeutung ist hier die Rolle der Medien. Ihr Einfluss auf die Gesellschaft soll näher betrachtet werden und in Beziehung gesetzt werden zu dem Verhältnis zwischen Staat und Bürger.
In Kapitel vier wird die dem Staate übertragene Schutzpflicht gegenüber seiner Bevölkerung hergeleitet. Außerdem werden die im Verfassungsrecht verankerten Grundsätze der Wehrhaftigkeit verdeutlicht, um zu verstehen, welchen Erfordernissen auch deutsche Gesetze genügen müssen. Dies bildet die Überleitung zu den erlassenen Sicherheitspaketen, deren Inhalt zum Schluss des Kapitels überschaubar dargestellt werden soll.
Wie schon in den Ausführungen zum Ziel der Arbeit angekündigt, folgt letztlich eine kritische Betrachtung von besonders fragwürdigen Gesetzen, die im Kampf gegen den Terror erlassen wurden. Hier soll aufgrund der aktuellen Diskussionen in der Literatur auch auf das Folterverbot eingegangen werden, bevor letztlich ein Fazit gezogen wird. In diesem soll anhand der Ausarbeitung beurteilt werden, inwiefern die Entwicklungen im Anti-Terror-Kampf Deutschlands Rechtsstaatlichkeit bedrohen.
'Terrorismus' ist Laufe der Zeit zu einem Begriff avanciert, der starke Emotionen auslöst: Angst, Verzweiflung, Unsicherheit, teilweise auch Faszination. Wer heute als Terrorist bezeichnet wird, ist automatisch der Böse. Doch bleibt es eine Frage der Perspektive; des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer. Das macht es umso schwerer, allerdings auch umso notwendiger, klar zu definieren was Terrorismus genau ist, denn eine weltweite Einigung darüber besteht bis heute nicht. Ohne klare Definition reicht dieses Wort aus, um durch politisch Mächtige einen Krieg gegen jeden andersdenkenden zu legitimieren. Daher soll im Folgenden zunächst dargestellt werden, wie sich der Terrorismus entwickelt hat und welche Kriterien bisher durch Wissenschaft und Politik erarbeitet wurden, um eine Handlung heute als terroristisch einstufen zu können.
Die Wurzeln des Terrorismus reichen tief in unsere Geschichte hinein. Vorläufer dieses Phänomens finden sich bereits im ersten Jahrhundert n. Chr. Jüdische Zeloten und Sicarii sind als Beispiele zu nennen, die sich gegen die römische Vorherrschaft in Palästina auflehnten. Auch islamische Sekten wie die Assassinen waren im Mittelalter dafür bekannt, sowohl Angehörige anderer islamischer Glaubensrichtungen als auch Christen mit dem Dolch umzubringen.[3]Doch bezeichnete man sie damals noch nicht als Terroristen. Das von uns heute verwendete Substantiv 'Terror' stammt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet 'Schrecken'.[4]Der vom lateinischen abgeleitete Begriff 'terrorisme' wurde zum ersten Mal zur Zeit der Französischen Revolution gebraucht. Durch das etablierterégime de la terreurim Jahre 1793 war sein Beiklang zunächst deutlich positiver, als es heute der Fall ist, da es als Instrument zur Wahrung und Durchsetzung der Ordnung galt. Der noch junge französische Staat sicherte die Vormachtstellung seiner Regierung durch Einschüchterung seiner Gegner. Dies geschah durch Verhaftungen und öffentliche Hinrichtungen insbesondere von reaktionären Kräften, für die der allgemeine Sicherheitsausschuss und das Revolutionstribunal nach eigenem Gutdünken befähigt waren. Somit war Terror das Mittel einer wehrhaften Demokratie, die sich den Idealen der Tugend verschrieben hatte. So äußerte der Revolutionsführer Maximilien Robespierre persönlich, dass Terror nichts anderes sei, als sofortige, unnachsichtige und unbeugsame Gerechtigkeit und somit eine Ausdrucksform der Tugend darstelle. Sein Ende fand dasrégime de la terreur,als Robespierre im Nationalkonvent bekannt gab, es befinde sich eine aktuelle Liste von Verrätern in seinem Besitz. Extremisten wie Gemäßigte fürchteten auf dieser Liste vertreten zu sein, wandten sich gegen die Staatsführung und stürzten sie.[5]'Terrorisme' steht seitdem für ein 'Schreckenssystem'. Auch das Wort 'terroriste' entstammt aus diesem Zusammenhang und meint die 'Mitglieder oder Anhänger des Schreckensregimes der Revolutionszeit'.[6]In der Folgezeit wandelte sich durch die industrielle Revolution das Klima in Europa. Durch neue Gesellschaftstheorien erfuhr auch der Begriff des Terrorismus einen Wandel. Großen Einfluss auf die Veränderung hatte Carlo Pisacane mit seiner Publikation „Propaganda der Tat“. Er selbst entstammte dem italienischen Hochadel und kämpfte gegen die Bourbonenherrschaft. 1857 verlor er bei einer gescheiterten Revolte sein Leben. Seiner Meinung nach sei Gewalttätigkeit notwendig, um „... Aufmerksamkeit zu erregen oder öffentliches Interesse für ein Anliegen zu wecken ...“[7], aber auch „... um zu informieren, zu bilden und schließlich die Massen für die Ziele der Revolution zusammenzuführen.“[8]Die erste Terrororganisation, die beschloss, dem von Pisacane aufgestellten Modell zu folgen, war die sozialrevolutionäre russische „Narodnaja Wolja“. Bedächtig ausgewählte Repräsentanten des Zarismus wurden verfolgt und getötet. Ihr dramatischster Erfolg bestand in der Ermordung des Zaren Alexander II am 1. März 1881. Einen weiteren Schritt in Richtung der uns heute bekannten Terrorismusform machten in der Folgezeit irische Gruppierungen. Mit ihrem Kampf gegen die englischen Besatzer setzten sie neue Maßstäbe. Der Clan na Gael oder die Irish Revolutionary Brotherhood (IRB) nahmen nicht mehr gezielt ihre Gegner ins Visier. Stattdessen gingen sie weit über die Ermordung einzelner hinaus und nahmen keine Rücksicht mehr auf unschuldige Menschen.[9]Bekannt wurden diese Gruppierungen auch durch Anschläge auf Massenverkehrsmittel. Weiterhin erkannten sie die Vorteile von Stützpunkten im Ausland, die dem Zugriff des Gegners entzogen waren. Von diesen konnten Aktivitäten sorgfältig geplant sowie logistische Vorbereitungen getroffen werden. Außerdem vereinfachte es die Verbreitung der eigenen Propaganda und die Beschaffung monetärer Ressourcen. Ebenfalls änderten sich die eingesetzten Sprengmittel. Zeitzünder an Bomben ermöglichten den Terroristen jetzt die rechtzeitige Flucht. Dieses Vorgehen erlaubte es den Gruppierungen, ihre Ziele über Jahre zu verfolgen und tausende Menschen zu ermorden.[10]Dies ist die Form des Terrorismus, wie wir ihn heute noch erleben.
Teilweise bedingt durch seine Geschichte, in der sich das Phänomen stetig neu erfand, ist es bis heute nicht gelungen, eine allgemeingültige Definition für den Begriff „Terrorismus“ zu finden. Zu unpräzise findet er heute Anwendung, vor allem in den Medien. Komplexen Nachrichten dient er als Etikett, um kurze Sendezeit einprägsam zu gestalten. Es wird nicht unterschieden zwischen einem Bombenanschlag auf öffentlichen Plätzen, einem Massaker an Zivilisten durch das Militär, der Ermordung eines Staatsoberhauptes, der Vergiftung von Lebensmitteln oder Arzneimitteln in Reformhäusern oder Apotheken. Auch scheint es irrelevant zu sein, ob die Gewalt von regierungsfeindlichen Dissidenten oder von einer Regierung selber, von organisierten oder gewöhnlichen Kriminellen, von einem randalierenden Mob oder einzelnen Irren oder Erpressern ausgeht. Dies alles wird uns durch die Medien als „Terrorismus“ verkauft.
Im eigentlichen Sinn ist der Terrorismus im heutigen Sprachgebrauch prinzipiell eine politische Angelegenheit. Unvermeidlich geht es um die Herbeiführung eines politischen Wandels.[11] Die Beweggründe hierfür können unterschiedlich sein, doch lassen sie sich in zwei Hauptgruppen unterteilen: Zum einen in die Gruppe, die aus ethno-nationalen Gründen handelt. Hierunter versteht man Bestrebungen, die regionale, separatistische Forderungen stellen. Sie können von bestimmten Autonomierechten bis hin zu einem eigenen Staat reichen. Die Aktionen der nordirischen Irish Republican Army (IRA), der Euskadi Ta Askatasuna (ETA) oder der Palestine Liberation Organiszation (PLO) - um nur einige Beispiele zu nennen - fallen in diese Kategorie.
Zum anderen sind es ideologisch-weltanschauliche Gründe. Sie lassen sich in zwei unterschiedliche Strömungen einteilen. Die sozialrevolutionäre und die ideologisch-religiöse. Sozialrevolutionäre Strömungen sind rechts- sowie linksextremistische Bestrebungen, die eine neue oder veränderte Politik, Wirtschafts-, und Gesellschaftsordnung nach eigenen ideologischen Vorstellungen anstreben. Die Rote-Armee-Fraktion (RAF), die Rote Brigarde (RB) und die Action Directe (AD) sind Beispiele hierfür.
Islamistische Terrorgruppen wie Al-Qaida oder Sekten wie die AUM-Shinrikyo sind der ideologisch-religiösen Strömung zuzurechnen. Sie interpretieren Buchreligionen missbräuchlich oder ziehen pseudoreligiöse Heilslehren zur Legitimation ihrer Gewalttaten heran. Sie sehen sich als Auserwählte, die im Besitz der ultimativen Weisheit und absoluten Wahrheit sind und betiteln Andersdenkende als Ungläubige.[12]
Dabei ist allen Terroristen eigen, dass sie nach Macht streben und danach, sie zu gebrauchen, um den von ihnen gewünschten Wandel herbeizuführen. Diese Macht wollen sie durch Gewaltanwendung oder durch die Androhung von Gewalt erlangen, um Unsicherheit und Schrecken zu verursachen, aber auch, um Sympathie und Unterstützungsbereitschaft zu erzeugen.[13]
Um als Terrorismus zu gelten, muss sich diese Gewaltanwendung über einen bestimmten Zeitraum fortsetzen. So fallen beispielsweise der so genannte Tyrannenmord oder ähnliche einmalige Ereignisse nicht unter den heutigen Terrorismus-Begriff. Ebenfalls sind spontane Gewaltausbrüche, wie sie beispielsweise bei Demonstrationen auftreten, abzugrenzen. Terrorismus zeichnet sich durch geplante und organisierte Gewaltanwendung aus. Des Weiteren ist der Terrorismus vom Guerillakrieg abzugrenzen. Beide Begriffe bezeichnen irreguläre Kampfmethoden, die sich in der Ausgestaltung oft gleichen. Attentate, Entführungen, Bombenanschläge und ähnliche Vorgehensweisen gehören zur subversiven Strategie der Terroristen wie der Guerilleros. Dennoch bestehen zwischen ihnen fundamentale Unterschiede, die sich in ihrer jeweiligen Zielrichtung zeigen: Guerilla ist eine Bezeichnung, die man für bandenähnliche Kampftruppen verwendet, genau so aber auch für eine besondere Form des militärischen Kampfes. Hier geht es vorrangig um die Bekämpfung eines Feindes und den territorialen Raumgewinn mit dem Ziel des Souveränitätsgewinns, auch gegenüber der Bevölkerung. Zudem ist der Hauptadressat der Gewalt zumindest dem Prinzip nach der gegnerische Kombattant. Der Terrorismus stellt dagegen keinen territorialen Anspruch, sondern setzt sich die psychologische Breitenwirkung im Sinne einer Kommunikationsstrategie zum Ziel. Demnach soll der Einsatz der Gewalt Signalwirkung haben. Eine Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten ist demnach weniger von Belang, was ihn moralisch besonders verwerflich macht.[14][15] Den Unterschied brachte in den 1970er Jahren Franz Wördemann in einem Satz auf den Punkt: Der Guerillero will den Raum, der Terrorist will dagegen das Denken besetzen.[16]
Die strategische Ausrichtung des Terrorismus lässt sich in seiner klassischen Form auf drei elementare Punkte zurückführen, die Eugene Victor Walter in seinem Werk „Terror and Resistance“ schon 1969 herausstellte: An erster Stelle steht die Ausübung eines Gewaltaktes oder dessen Androhung, die so gestaltet sein sollte, dass auf die Bedrohung an zweiter Stelle eine emotionale Reaktion folgt. An dritter Stelle ist auch die reaktive Verhaltensweise des Gegners eingeplant beziehungsweise bewusst provoziert.[17]
Für diese Art des Vorgehens entscheiden sich bevorzugt Gruppierungen, die zu schwach sind, ihre Opponenten auf andere Art und Weise herauszufordern. Der Einsatz von verhältnismäßig einfachen Mitteln soll maximalen Effekt haben.[18] Vorrangiges Ziel ist die Manipulation der Öffentlichkeit, also der Bevölkerung. Demnach sind terroristische Anschläge in der Regel sorgfältig überlegt und auch geplant, um zum einen sowohl zu dramatisieren und öffentliche Aufmerksamkeit für ein politisches Problemfeld zu schaffen, als auch zum anderen bestehende Spannungen zu vertiefen und gesellschaftlich-politische Konflikte auf die Spitze zu treiben.[19][20]
Der von Walter angesprochene Gewaltakt muss, um emotionale Reaktionen zur Folge zu haben, zunächst ein symbolischer sein, damit sich möglichst alle Angehörigen der attackierten Gruppe bedroht fühlen.[21]Der Anschlag auf das World Trade Center war in dieser Hinsicht ein Meisterstück. Es war ein Symbol für den Kapitalismus, was die Tat zu einer Kampfansage gegen die gesamte westliche Welt hochstilisierte.
Für Staaten, die die Anwendung von Gewalt für sich monopolisieren und sich somit auch die Verantwortung für die Sicherheit ihrer Bürger übertragen, stellt sich in diesem Falle auch die Frage der Existenzberechtigung. Somit sind die Anschläge nicht nur eine Nachricht an die Bevölkerung, sie stellen auch eine Provokation des Staates dar, indem sie das Vertrauen der Bürger in die Fähigkeiten des Staates, Schutz und Sicherheit zu gewährleisten, untergraben. An dieser Stelle beginnt die von Walter im dritten Punkt genannte Phase: die Gegenwehr des Angegriffenen. Fehlt es der Reaktion des Staates hier an Härte, wird ihm Schwäche unterstellt. Geht sie wiederum zu hart vor, werden die Terroristen umso mehr in ihrer Position bestätigt und werden Gewalt wiederum mit Gewalt beantworten.
Es beginnt eine Auseinandersetzung zwischen Polizei und Geheimdiensten einerseits und Terroristen andererseits. Jede Partei wird für sich beanspruchen, der jeweils Reagierende zu sein. In dieser Spirale gefangen werden sich beide Seiten im Verlauf der Auseinandersetzung in ihren Taktiken einander annähern. Um Überraschungsangriffen des Gegners zuvor zu kommen, steigt auf beiden Seiten das Bedürfnis nach mehr Überwachung.[22]Hier hoffen Terroristen einen Rollenwechsel inszenieren zu können. „Der Angreifer wird zum Angegriffenen und der Angegriffene zum eigentlichen Angreifer.“[23]Der Staat verliert an diesem Punkt - nach terroristischem Kalkül - die Unterstützung seiner Bürger.
Die Schwäche dieser Strategie liegt in ihrer Abhängigkeit von der Gegenreaktion. Terroristen haben keine weitere Möglichkeit, Einfluss auf die Erreichung ihrer Ziele zu nehmen, als Impulse zu setzen und zu provozieren. Reagieren die Massen und die Staatsführung nicht auf die terroristische Herausforderung, bleiben ihre Bemühungen ergebnislos.[24]
Eine besondere Bedeutung für den Terrorismus haben Medien. Wie oben bereits herausgestellt, greifen Terroristen bevorzugt die Wahrzeichen eines gegnerischen Systems an, mit dem Ziel, möglichst großen Einfluss auf die Bevölkerung zu nehmen. Das macht die Medien zu mehr als nur zu einem zweckmäßigen Mittel. Sie sind vielmehr integraler Bestandteil der terroristischen Strategie. Mit zunehmendem Einfluss der Medien wachsen auch Einflussmöglichkeiten der Terroristen. Das Radio, der Fernseher und vor allem das Internet machen es heute möglich, Gewaltanschläge binnen Sekunden gegenüber einem weltweiten Publikum bekannt zu machen. Dies erhöht ihre Wirkung um ein Vielfaches. Der moderne Terrorist ist sich dieser Wirkung bewusst. Er avanciert zum PR-Profi, indem er sich als Schausteller und Entertainmentprofi mit einem sorgfältig ausgewählten Image etabliert, dem die Zeitungen und TV-Sender dieser Welt bereitwillig eine Bühne bieten.[25]
Immer wieder werden wir durch Politiker oder Leiter unterschiedlicher Dienste darauf aufmerksam gemacht, dass die Terrorgefahr in Deutschland auch Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 unverändert hoch sei. So äußerte der damalige Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm: „Auch wenn die sichtbaren Schutzmaßnahmen zurückgenommen wurden, ist die Bedrohungslage unverändert ernst.“[26] Tatsächlich leben in Deutschland Terroristen, durch die die innerstaatliche Sicherheit gefährdet ist. Beleg hierfür sind beispielsweise die gescheiterten Anschläge auf Regionalzüge im Sommer 2006.
Christine Hammann warnte im Jahr 2006 auf Grundlage von BKA-Einschätzungen, dass von einer Bedrohung, insbesondere durch den internationalen islamischen Terrorismus, auszugehen sei. Sogar Anschläge mit Massenvernichtungswaffen hält sie nach einem Aufruf Bin Ladens aus dem Jahr 1998 für möglich.[27] Im Jahr 2007 meinte auch Wolfgang Schäuble, „dass es nur noch darum geht, wann solch ein Anschlag kommt, nicht mehr, ob.“[28] Konkrete Hinweise hierfür lagen jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht vor.[29] Der ehemalige Staatssekretär August Hanning warnte im Jahre 2008 vor virtuellen Terrorcamps, die nun auch in deutscher Sprache existieren würden und Wissen über den Bau von Bomben vermitteln. Weiterhin sei Deutschland, nach Angaben des Bundesinnenministeriums, in das Zentrum des Fadenkreuzes von Terroristen gerückt.[30]
Am 18.09.2009 drohte der Bonner Islamist Bekkay Harrach über die offizielle Propagandastelle des Terrornetzwerks al-Qaida mit Anschlägen, wenn die Bundeswehr nicht aus Afghanistan abgezogen werden würde. Später, im Juni 2010, berichtet der in Pakistan festgenommene Rami M. nach seiner Überstellung nach Deutschland von Anschlagsplänen al-Qaidas in Deutschland. Im November 2011 wurden deutsche Behörden vom Federal Bureau of Investigation (FBI) darüber informiert, dass Hinweise darüber vorlägen, es würde sich ein vierköpfiges mutmaßliches Terrorkommando auf den Weg nach Deutschland machen.[31]
Und auch im Jahre 2014 ist der neue Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz alarmiert: Islamistische Kämpfer kehren aus dem Syrien-Krieg zurück nach Deutschland. „Damit wächst die Gefahr terroristischer Handlungen auch in Deutschland.“[32]
Von einer Bedrohung durch den Terrorismus wird demnach im Allgemeinen ausgegangen.
Im nächsten Schritt stellt sich die Frage nach dem Prozess, der - durch einen Terroranschlag angestoßen – dazu geeignet ist, den Bestand eines der größten kulturellen Errungenschaften unserer Zivilisation zu gefährden: den freiheitlichen Rechtsstaat. Dazu soll zunächst untersucht werden, welche Auswirkung ein kollektives Angstgefühl auf die Gesellschaft hat. Anschließend soll der Einfluss der Medien auf das Angstempfinden einer Gesellschaft im Hinblick auf den Terrorismus näher betrachtet werden und was dies für Auswirkung auf die Politik im Staat hat.
Es bleibt anzumerken, dass das in dieser Arbeit bestehende Interesse an der durch Terrorismus ausgelösten Angst in der Forschung nur schwachen Widerhall findet. Anders ist dies im Bereich der Kriminalität. Da sich Kriminalität und Terrorismus in ihrer Auswirkung auf den Bürger gleichen, soll im Folgenden neben den Forschungsergebnissen zur Terrorismusfurcht auch auf die der Kriminalitätsfurcht zurückgegriffen werden. Für beide Themenfelder ist der Begriff der „subjektiven Sicherheit“ von Bedeutung. Da es stark von der persönlichen Wahrnehmung der Menschen abhängt, wann Angst empfunden wird, untersucht die Wissenschaft die Faktoren, die diese beeinflussen. Hierfür erhebt sie Daten, um zu ermitteln, welche Einstellung eine Person zur Kriminalität hat und teilt sie in drei Komponenten: Zum Ersten in die kognitive Komponente, die darauf eingeht, welches Wissen beziehungsweise welche Vorstellung die untersuchte Person von Kriminalität hat und was persönlich wahrgenommen wurde. Zum Zweiten die affektive Komponente, die die bestehenden Gefühle zum Thema Kriminalität hinterfragt und zum Dritten die konative Komponente, welche auf Verhaltensweisen im Bezug zur Kriminalität eingeht, die die untersuchte Person an den Tag legt. Hieraus geht hervor, dass nicht nur die tatsächliche Ausprägung der Kriminalität für das subjektive Sicherheitsempfinden von Bedeutung ist, sondern insbesondere auch die Vorstellungen, die eine Person bezüglich der Kriminalitätsausprägung hat. Umstände, die demnach geeignet sind, das Vorstellungsvermögen eines Menschen zu beeinflussen, wie beispielsweise auch eine stark erhöhte Polizeipräsenz, können so zum Entstehen von Angstgefühlen beitragen.[33]
Angst ist im eigentlichen Sinne ein Zustand, der das Überleben eines Menschen im Angesicht der Gefahr sichern soll. Je größer dabei die Bedrohung, je wahrscheinlicher der Schadensfall und je geringer die eigenen Möglichkeiten zur Bewältigung der Gefahr eingeschätzt werden, umso stärker wird die Angst empfunden. Der Vorgang im Körper, der durch diesen Gefühlszustand ausgelöst wird, bewirkt eine Aufmerksamkeits- und Leistungssteigerung, jedoch auf Kosten vieler anderer körperlicher Funktionen. In der Folge ist ein durch Angst beeinflusster Mensch zwar im höchsten Maße zum Handeln motiviert, durch die Leistungseinbußen in anderen Bereichen neigt er jedoch auch verstärkt zur Unüberlegtheit. Vernunftbasierten Argumenten und Erklärungen ist er weniger zugänglich.[34]
[...]
[1] Denninger, Erhard: Freiheit durch Sicherheit? Wie viel Schutz der inneren Sicherheit verträgt das deutsche Grundgesetz. In: Kritische Justiz, 2002, Jg. 35, Heft 4, Baden-Baden, S. 471.
[2] Singelnstein, Tobias; Stolle, Peer: Die Sicherheitsgesellschaft: Soziale Kontrolle im 21. Jahrhundert. Wiesbaden: VS-Verlag, 2008 (2. Auflage), S. 63.
[3] Vgl. Waldmann, Peter: Terrorismus – Provokation der Macht. Hamburg: Murmann, 2011 (3. Auflage), S. 54.
[4] Vgl. Henne, Helmut (Hrsg.); Paul, Hermann: Deutsches Wörterbuch: Bedeutungsgeschichte und Aufbau unseres Wortschatzes. Tübingen: Niemeyer, 2002 (10. Auflage), S. 1000.
[5] Vgl. Hoffman, Bruce: Terrorismus – der unerklärte Krieg. Frankfurt am Main: S. Fischer, 2006, S. 23 ff.
[6] Vgl. Henne, Helmut (Hrsg.); Paul, Hermann: Deutsches Wörterbuch: Bedeutungsgeschichte und Aufbau unseres Wortschatzes. Tübingen: Niemeyer, 2002 (10. Auflage), S. 1001.
[7] Hoffman, Bruce: Terrorismus – der unerklärte Krieg. Frankfurt am Main: S. Fischer, 2006, S. 27.
[8] Ebd.
[9] Vgl. Frindte, Wolfgang; Haußecker, Nicole: Inszenierter Terrorismus: Mediale Konstruktionen und individuelle Interpretationen. Wiesbaden: VS Verlag, 2010, S. 20.
[10] Hoffman, Bruce: Terrorismus – der unerklärte Krieg. Frankfurt am Main: S. Fischer, 2006, S. 35.
[11] Vgl. ebd., S. 21 ff.
[12] Vgl. Hirschmann, Kai: Internationaler Terrorismus, unter:http://www.bpb.de/izpb/8686/internationaler-terrorismus?p=all(abgerufen am 08.05.2014).
[13] Vgl. Waldmann, Peter: Terrorismus – Provokation der Macht. Hamburg: Murmann, 2011 (3. Auflage), S. 14.
[14] Vgl. Waldmann, Peter: Terrorismus als weltweites Phänomen: Eine Einführung. In: Hirschmann, Kai (Hrsg.); Frank, Hans: Die weltweite Gefahr. Terrorismus als internationale Herausforderung. Berlin: Berlin Verlag, 2002, S. 17.
[15] Vgl. Waldmann, Peter: Terrorismus – Provokation der Macht. Hamburg: Murmann, 2011 (3. Auflage), S. 22.
[16] Vgl. Wördemann, Franz: Terrorismus. Motive, Täter, Strategien. Frankfurt am Main: Piper, 1979, S. 53.
[17] Vgl. Walter, Eugene Victor: Terror and Resistance. A Study of Political Violence. New York: Oxford University 1969. S. 7.
[18] Vgl. Wördemann, Franz: Terrorismus. Motive, Täter, Strategien. Frankfurt am Main: Piper, 1979, S. 66.
[19] Vgl. Hoffman, Bruce: Terrorismus – der unerklärte Krieg. Frankfurt am Main: S. Fischer, 1999, S. 209 ff.
[20] Vgl. Waldmann, Peter: Terrorismus – Provokation der Macht. München: Gerling Akademie, 1998, S. 39.
[21] Vgl. Beaudrillard, Jean: Der Geist des Terrorismus. Wien: Passagen Verlag, 2002, S. 14.
[22] Vgl. Waldmann, Peter: Terrorismus – Provokation der Macht. München: Gerling Akademie , 1998, S. 174 ff.
[23] Vgl. Waldmann, Peter: Terrorismus – Provokation der Macht. Hamburg: Murmann, 2011 (3. Auflage), S. 44.
[24] Vgl. ebd., S. 53.
[25] Vgl. Wendemanöver, Franz: Terrorismus. Motive, Täter, Strategien. Frankfurt am Main: Piper, 1977, S. 143.
[26] N.N.: Verfassungsschutz: Terrorgefahr in Deutschland unverändert hoch, unter:http://de.reuters.com/article/topNews/idDEBEE73F07S20110416(abgerufen am 14.05.2014).
[27] Hammann, Christine: Einschätzung der aktuellen terroristischen Bedrohung in Deutschland. In: Foertsch, Volker und Klaus Lange (Hrsg.): Islamistischer Terrorismus und Massenvernichtungsmittel. Akademie für Politik und Zeitgeschehen. München: Hanns-Seidel-Stiftung , 2006, S. 10.
[28] N.N.: Terrorismus: Schäuble hält Atom-Anschlag für eine Frage der Zeit, unter:http://www.spiegel.de/politik/deutschland/terrorismus-schaeuble-haelt-atom-anschlag-fuer-eine-frage-der-zeit-a-505956.html(abgerufen am 14.05.2014).
[29] Vgl. ebd.
[30] Vgl. N.N.: Al-Qaida lehrt im Internet Bombenbau auf Deutsch, unter:http://www.welt.de/politik/article1648331/Al-Qaida-lehrt-im-Internet-Bombenbau-auf-Deutsch.html(abgerufen am 14.05.2014).
[31] Vgl. N.N.: Terrorismus: Drohungen und Warnhinweise, unter:http://www.spiegel.de/flash/flash-24789.html(abgerufen am 14.05.2014).
[32] N.N.: "Die Terrorgefahr wächst in Deutschland", unter:http://www.welt.de/politik/deutschland/article125219322/Die-Terrorgefahr-waechst-in-Deutschland.html(abgerufen am 14.05.2014).
[33] Vgl. Reuband, Karl-Heinz: Wahrgenommene Polizeipräsenz in der Wohngegend und ihre Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl. In: Die Polizei. Fachzeitschrift für öffentliche Sicherheit mit Beiträgen aus der Polizei-Führungsakademie, 1999, Jg. 89, Heft 4, Köln, S. 112 ff.
[34] Vgl. Putz-Osterloh, Wiebke: Angst und Handeln aus psychologischer Sicht. In: Bosbach, Franz: Angst und Politik in der europäischen Geschichte. Dettelbach: Röll, 2000, S. 6 ff.
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