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Masterarbeit, 2006
108 Seiten, Note: 2
Zusammenfassung
Im Bereich der Ergotherapie kann eine laufende berufliche Weiterbildung für die Qualitätssicherung der therapeutischen Arbeit als Notwendigkeit betrachtet werden.
Es wurde eine qualitative Studie mittels Leitfadeninterview an 22 ErgotherapeutInnen in Österreich durchgeführt, um die Weiterbildungsaktivitäten, die Weiterbildungsmotive sowie verschiedene die Weiterbildung beeinflussende Faktoren zu erheben. Die Ergebnisse zeigen, dass intrinsische Motivationsfaktoren für die Teilnahme an informellen und formellen Weiterbildungsaktivitäten vorherrschen. Im Vordergrund stehen einerseits die Wissens- und Kompetenzerweiterung für eine effiziente Gestaltung des Therapieprozesses und andererseits die Notwendigkeit der Positionierung der Ergotherapie im Gesundheitswesen und in der Gesellschaft. Es zeigt sich, dass strukturelle Bedingungen am Arbeitsplatz, verminderte Karrieremöglichkeiten sowie der Zugang zu ergotherapiespezifischer Aus- und Weiterbildung die Weiterbildungsmotivation beeinflussen.
Um lebenslanges Lernen von ErgotherapeutInnen zu gewährleisten, müssen Motivationsprozesse und Anreizsysteme berücksichtigt werden. Die Schaffung von Lernfreiräumen für arbeitsprozessintegrierte Lernaktivitäten, die Gewährleistung von qualitativen Qualifizierungsmöglichkeiten in Aus- und Weiterbildungsinstitutionen sowie die Ermöglichung einer vertikalen und horizontalen Berufslaufbahngestaltung sind als unumgänglich zu betrachten.
Abstract
In the field of occupational therapy, continuing professional education can be considered essential to ensure high quality therapeutic work.
A qualitative study was conducted in Austria involving 22 occupational therapists to determine activities involved in, motives for, as well as various factors influencing continuing education using the guided interview method. Results of the study reveal that intrinsic motivational factors prevail for occupational therapists to take part in formal and informal continuing education activities. Predominant factors are an increase in knowledge and competence to further efficiency in the therapeutic process on the one hand and the need to position occupational therapy in healthcare and society on the other. It has been shown that structural conditions at the workplace, reduced career options as well as limited access to specific continuing education programmes in occupational therapy influence motivation to undertake further education.
To guarantee occupational therapists access to lifelong learning it is necessary to take motivation processes and incentive systems into consideration. It can be regarded as imperative to create dedicated time for learning activities integrated in the work process, to ensure qualitative qualification opportunities in institutes of education and further training, as well as to facilitate a vertical and horizontal career course.
Zusammenfassung / Abstract... 1
Inhaltsverzeichnis ... 2
Vorwort... 4
Einleitung... 5
I. Theoretische Aspekte zum Untersuchungsgegenstand... 6
I. 1. Berufsprofil der Ergotherapie... 6
I.1.1.Professionalisierungsprozesse und Professionalität in der Ergotherapie... 7
I.1.2. Die Ergotherapieausbildung in Österreich... 8
I.2. Weiterbildung und lebenslanges Lernen in der Ergotherapie... 9
I.2.1. Begriffsbestimmungen zur beruflichen Weiterbildung... 9
I.2.2. Weiterbildungssituation in der Ergotherapie... 11
I.3. Kompetenzentwicklung in der Ergotherapie... 13
I.3.1. Kompetenz - Versuch einer begrifflichen Annäherung... 13
I.3.2. Kompetenzen in der Ergotherapie... 14
I.4. Motivationsfaktoren für lebenslange Lernprozesse... 16
I.4.1. Lernen im Erwachsenenalter... 16
I.4.2. Motivationstheoretische Überlegungen... 17
I.4.3. Motivationsprozesse erwachsener Lernender... 18
II. Empirische Untersuchung... 20
II. 1. Anliegen der Untersuchung und Untersuchungsfragen... 20
II.2. Methodisches Vorgehen der Untersuchung... 20
II.2.1. Das Experteninterview... 21
II.2.2. Auswahl der Stichprobe... 21
II.2.3. Konstruktion des Interviewleitfadens für das Experteninterview... 23
II.2.4. Interviewerhebungsphase... 25
II.2.5. Analysephase... 25
II.2.6. Auswertungsverfahren... 25
III. Ergebnisse... 27
III.1. Soziodemographische Daten... 27
III.2. Ergebnisse des Leitfadeninterviews... 29
III.2.1. Weiterbildungsmotive... 29
III.2.1.1. Motiv „persönliches Interesse“... 29
III.2.1.2. Motiv „berufliche Notwendigkeit“... 30
III.2.1.3. Motiv „Kompetenz- und Wissenserweiterung“... 34
III.2.1.4. Motiv „Karrierechancen verbessern“... 38
III.2.1.5. Motiv „sozialer Austausch“ ... 40
III.2.1.6. Interpretation und Diskussion... 42
III.2.2. Form und Inhalt der Weiterbildung... 46
III.2.2.1.Interpretation und Diskussion... 50
III.2.3. Hemmende und fördernde Einflussfaktoren... 53
III.2.3.1. Persönliche Situation... 53
III.2.3.2. Betriebliche Anreizsysteme... 55
III.2.3.3. Merkmale des Weiterbildungsmarktes... 58
III.2.3.4. Persönliche Dispositionen... 61
III.2.3.5.Interpretation und Diskussion... 62
III.2.4. Veränderungen durch Weiterbildung... 66
III.2.4.1. Interpretation und Diskussion... 69
III.2.5. Visionen und Zukunftswünsche... 73
III.3.Grenzen der Methodik... 75
IV. Zusammenfassung und Aussichten... 76
V. Verzeichnisse... 79
VVI. Anhang... 9
Das Interesse für das Thema der vorliegenden Arbeit entstand aufgrund vieler Kontakte mit in- und ausländischen ErgotherapeutInnen, die von unterschiedlichen beruflichen Bildungs- und Berufswegen berichteten.
Ich persönlich habe mich in meiner 12-jährigen Berufslaufbahn als Ergotherapeutin in vielfältiger Weise weitergebildet und mein Eindruck ist, dass ErgotherapeutInnen im Allgemeinen ein großes Aus- und Weiterbildungsinteresse zeigen. Ich stelle jedoch fest, dass nach der dreijährigen Grundausbildung die Möglichkeiten zur Höherqualifizierung sowie die Mobilität am Arbeitsmarkt sehr beschränkt sind und wir wenig Rückmeldung, Anerkennung aufgrund unserer Weiterbildungsbemühungen erhalten.
Diese Tatsachen führten mich zu der Frage nach den Motiven, die ErgotherapeutInnen zur Weiterbildung anregen sowie den Faktoren, die das Weiterbildungsverhalten von ErgotherapeutInnen beeinflussen. Mein besonderes Interesse gilt in dieser Arbeit vor allem den persönlichen Weiterbildungsabsichten der ErgotherapeutInnen, den strukturellen Bedingungen in denen Weiterbildung stattfindet, sowie den beruflichen wie persönlichen Veränderungen, die sich durch Weiterbildung ergeben.
Diese Arbeit wirft dieses Thema keinesfalls neu auf, sie kann jedoch einen Beitrag zum Verständnis des Weiterbildungsverhaltens von ErgotherapeutInnen, den Auswirkungen von Professionalisierungsprozessen sowie der Notwendigkeit der Gestaltung von geeigneten Lehr- und Lernumgebungen leisten.
An dieser Stelle möchte ich mich bei allen ErgotherapeutInnen, die mir Interviewkontakte ermöglichten sowie sich als InterviewpartnerInnen zur Verfügung stellten, bedanken. Ich hoffe, dass die vorliegende Arbeit einen Beitrag zum Verständnis dieser Themenstellung beitragen kann. Weiters möchte mich bei all Jenen bedanken, die mich persönlich während dieser Studie unterstützt haben. Besonderer Dank gilt Gerhard Hartig und Petra Steininger.
Die Ergotherapie findet 1961, etwa 60 Jahre später als in Amerika, im österreichischen Gesundheitswesen Erwähnung. Die Ausbildung sowie die Leitlinien zur Behandlung sind seit 1992 im Bundesgesetz für die gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD) definiert (vgl. MTD-Gesetz 1992/96). Die Position der Ergotherapie im Gesundheitswesen ist geprägt durch Professionalisierungsprozesse des ergotherapeutischen Berufes, die unter anderem durch die Strukturen der Aus- und Weiterbildungslandschaft beeinflusst sind (vgl. ÖBIG 2003; Meifort 1998). Weiterbildung ist eine Notwendigkeit, um die vielfältigen Berufsaufgaben und -rollen zu bewerkstelligen und die Qualität der ergotherapeutischen Versorgung sowie die Stellung der Ergotherapie innerhalb des Gesundheitswesens sicherzustellen (vgl. ENOTHE 2000; Braveman 2006). Berufliche Weiterbildung dient dem Erwerb und der Erweiterung beruflicher Kompetenzen, um fortlaufend professionelles Handeln zu gewährleisten (vgl. MTD-Gesetz 1992/96; Braveman 2006; Moyers/Hinojosa 2003).
Ziel dieser Arbeit ist es, das Thema der beruflichen Weiterbildung unter Beachtung verschiedener Einflussfaktoren aufzugreifen und das Weiterbildungsverhalten von ErgotherapeutInnen in Österreich besser zu verstehen.
Folgende Arbeit befasst sich im ersten Kapitel mit dem Berufsprofil der Ergotherapie. Es wird ein Einblick in die Grundannahmen, in die Stellung der Ergotherapie im Gesundheitswesen sowie in die Aus- und Weiterbildungslandschaft gegeben. Der nächste Abschnitt greift den Bildungssektor der beruflichen Weiterbildung unter erwachsenenpädagogischen Gesichtspunkten auf, welcher den Weiterbildungsbereich in der Ergotherapie prägt. Die Kompetenzentwicklung als Ziel der Weiterbildung wird begrifflich geklärt und die Kompetenzanforderungen werden im Berufsfeld der Ergotherapie umrissen. Relevante Motivationsfaktoren von erwachsenen Lernenden werden aufgezeigt und unter dem Gesichtspunkt von lebenslangen Lernprozessen dargestellt. Eine empirische Studie macht mittels Anwendung von qualitativer Sozialforschung die Weiterbildungsmotive, die Form und den Inhalt der Weiterbildungsaktivitäten, die strukturellen Bedingungen für eine Weiterbildungsteilnahme, die Veränderungen durch Weiterbildung und die Zukunftsvisionen von ErgotherapeutInnen in Österreich zugänglich. Die Ergebnisse werden ausführlich dargestellt, interpretiert und Aussichten formuliert.
Das Berufsprofil der ErgotherapeutInnen definiert die berufsethischen Haltungen, die spezifischen Arbeitsaufgaben und -bereiche sowie die strukturellen und inhaltlichen Bedingungen der Aus- und Weiterbildung für das ergotherapeutische Berufsfeld (vgl. MTD-Gesetz 1992/96; ÖBIG 2003; Marotzky/Jerosch-Herold/Hack/Weber 1999; Ferber/Gans 2004; William/Spackmann 2003; McCormack/Jaffe/Goodman-Lavey 2003).
Die Grundannahmen der Ergotherapie basieren auf der Verwendung von Aktivitäten als therapeutisches Medium, dem Aktivsein als integralen Bestandteil von Gesundheit und Wohlbefinden sowie der Handlungsfähigkeit als Grundbedürfnis des menschlichen Daseins (vgl. ÖBIG 2003; ENOTHE 2000). Das Ziel der ergotherapeutischen Behandlung ist die am Individuum orientierte Erhaltung bzw. Wiedererlangung der Handlungsfähigkeit, um eine aktive, sinnerfüllte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und individuelle Lebensqualität sicherzustellen (vgl. ENOTHE 2000). Diese Grundannahmen finden in verschiedenen ergotherapeutischen Theorien und Modellen Ausdruck (vgl. Chapparo/Ranka 1997; Law 1998; Kielnhofer/Burke 1980; Kielnhofer 1995; Mosey 1980).
Die Verantwortung gegenüber den betreuten KlientInnen drückt sich in einer holistischen Sichtweise, in einem klientenzentrierten Zugang, in einer am sozialen Kontext orientierten Angebotsgestaltung sowie in einer auf Evidenz basierten (vgl. ÖBIG 2003; Willard/Spackman 2003; McCormack/Jaffe/Goodman-Lavey 2003), durch laufende Dokumentation erfassten und durch Fort- und Weiterbildung gewährleisteten Qualität aus (vgl. MTD-Gesetz §11, 1992/98).
International nimmt die Ergotherapie innerhalb des Gesundheits- und Sozialwesens in Bereichen wie Orthopädie, Pädiatrie, Neurologie, Psychiatrie, Geriatrie und Präventivmedizin eine zunehmend bedeutende Position ein (vgl. ENOTHE 2000; Willard/Spackman 2003; Meifort 1998; WHO 1998). Dies ist unter anderem durch die soziodemografischen Veränderungen in der Bevölkerung, den Umstrukturierungen im Gesundheitswesen in Richtung Dezentralisierung von Dienstleistungen (vgl. BGBL Art.15 B-VG 2005; BMSG 2001) sowie dem Empowerment der zu betreuenden KlientInnen begründet (vgl. Council of Europe 2002).
Der Strukturwandel des Gesundheitswesens in Europa zieht einen Professionalisierungsbedarf der Gesundheitsberufe nach sich, um auf lange Sicht eine qualitative und effiziente medizinische Versorgung unter Berücksichtigung von ökonomischen Gesichtspunkten zu gewährleisten (vgl. Meifort 1998, S. 10ff.; Council of Europe 2002). Nach Meifort (1988) sind strukturelle Veränderungen ebenso in der Aus- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe vorzunehmen, um Professionalität sowie eine horizontale und vertikale, berufliche Mobilität im Einsatz der Gesundheitsprofessionen zu ermöglichen (vgl. ebd. S. 4).
Im Allgemeinen wird unter Professionalisierung der Entwicklungsprozess verstanden, der von Berufen durchlaufen wird, um sich dem Phänomen Profession anzunähern (vgl. Nittel 2000, S. 49). Eine Profession zeichnet sich durch wissenschaftliches und spezialisiertes Berufswissen, durch Handlungsautonomie sowie den Wert, den die Profession für die Gesellschaft darstellt, aus (vgl. Hartman/Hartman 1982, S. 194; Dewe/Ferchhoff/Peters/ Stüwe 1986). Im Gesundheits- und Sozialwesen erfüllen vor allem die nichtärztlichen Gesundheitsberufe diese Kriterien nur teilweise, da deren Ausbildungen meist kürzer sind, diese keinen akademischen Status aufweisen und keine vollständige Handlungsautonomie besteht. Diese Berufe werden daher als Semiprofessionen bezeichnet (vgl. Etzioni 1969; Hesse 1972; Dewe/Ferchhoff/Peters/ Stüwe 1986).
Unter Professionalität kann der individuelle Prozess der Ausbildung, der in einem Berufsfeld vorherrschenden, typischen Wahrnehmungsweisen, Kommunikationsformen und sowie sich entwickelnden Persönlichkeitsprägungen bezeichnet werden (vgl. Terhart 1997 zit.n. Schäman 2005). Nittel (2000) betont diesbezüglich: „ Wissen und Können bilden die beiden Quellen von Professionalität, allerdings beschränken sie sich weder auf das Fachwissen einer akademischen Disziplin, noch auf die bloße Intuition oder die reine Erfahrung des virtuosen Praktikers “ (vgl. ebd. S. 71). Professionalität betrifft somit die Integration von Theorie und Praxis im interaktiven Handeln und suggeriert, „ dass das jeweilige Handeln sowohl effektiv wie auch effizient sei“ (Nuissl 1997 zit.n. Nittel 2000, S. 71).
Professionalisierungsprozesse verlaufen im Allgemeinen zwischen gesellschaftlichen und berufsinternen Entwicklungsprozessen und sind gekennzeichnet durch die individuelle Professionalität der Berufsangehörigen, durch gesetzliche, materielle und persönliche Rahmenbedingungen für die Aus- und Weiterbildung sowie durch die bestehenden Selbstverwaltungsmöglichkeiten eines Berufes (vgl. Schewior-Popp 1999; Marotzky/Jerosch-Herold/Hack/Weber 1999, S. 185; Schweppe 2002).
Der Professionalisierungsprozess in der Ergotherapie ist vor allem im angloamerikanischen Raum, aber auch in nordeuropäischen Ländern weiter fortgeschritten als in Mitteleuropa. Die Professionalisierung ist in diesen Ländern durch die Entwicklung von berufseigenen Theorien, Modellen und Spezialgebieten, durch das Betreiben berufsinterner Forschung, der universitären Verankerung der Grundlagenwissenschaft „Occupational Science“ (vgl. Zemke/Clark 1995; Xerxa 1993; Xerxa u.a. 1989) sowie durch universitäre, horizontal und vertikal durchlässige Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten gekennzeichnet (vgl. Marotzky/Jerosch-Herold/Hack/Weber 1999; Willard/Spackman 2003). Ab 2007 wird in Amerika der Mindestausbildungsstatus einer ErgotherapeutIn eine Masterausbildung sein (AOTA 2006).
Die Ausbildung zur Ergotherapie ist dem sekundären Bildungsbereich zugeordnet und ist seit 1971 in Österreich möglich. Diese erfolgt derzeit noch in einer dreijährigen Ausbildung an einer von acht Akademien (vgl. MTD-Gesetz 1992/96; ÖBIG 2003). Sieben österreichische Akademien sind derzeit offiziell vom Weltverband (WFOT) anerkannt (ÖBIG 2003, S. 41). Eine Angleichung des Ausbildungswesens an ein europäisches Hochschulsystem wurde bereits eingeleitet (Bologna Declaration 1999 zit.n. ENOTHE 2000) und Fachhochschulgänge mit einem Abschluss „Bakk. FH“ werden in drei Bundesländern (Steiermark, Niederösterreich und Salzburg) ab Herbst 2006 bzw. 2007 starten (vgl. Stadler 2006).
Nach der Grundausbildung ist laufende Weiterbildung als „berufliche Pflicht“ gesetzlich verankert und kann für die Qualitätssicherung der ergotherapeutischen Versorgung als notwendig erachtet werden (vgl. ÖBIG 2003; MDT-Gesetz §11, 1992/96).
Der Weiterbildungsbereich in der Ergotherapie ist strukturell sowie inhaltlich durch Entwicklungen im Erwachsenenbildungssektor geprägt. In diesem Kapitel sollen vorerst der berufliche Weiterbildungsbereich als Teil der Erwachsenenbildung umrissen und danach Ziele, Inhalte und strukturelle Gegebenheiten des Weiterbildungsbereiches in der Ergotherapie skizziert werden.
Berufliche Weiterbildung stellt einen Bildungssektor des Erwachsenbildungsbereiches dar (vgl. Tippelt 1999; Thevißen 2002; UNESCO zit.n. Knoll 1999; Kade/Nittel/Seitter 1999) und beinhaltet alle Bildungsangebote, „ die dem Anschluss an eine formale Erstausbildung oder den aus Arbeitserfahrung gewonnenen Qualifikationen dienen und somit berufspezifische und berufswichtige Kenntnisse, Einsichten und/oder Verhaltensweisen festigen, vertiefen oder erweitern “ (Müller 2003, S. 20).
In der beruflichen Weiterbildung kann eine Unterteilung in formelle, informelle und implizite Lernprozesse vorgenommen werden. Formelles Lernen erfolgt vorwiegend in institutionell geprägten, planmäßig strukturierten Bildungsangeboten und beinhaltet den Erhalt anerkannter Abschlüsse und Zertifikate. Als informelles Lernen werden jegliche selbst- oder fremdorganisierte Lernprozesse inner- und außerhalb sozialer Netzwerke bezeichnet. Implizites bzw. inzidentielles Lernen betrifft unbewusstes Gelegenheitslernen als Nebenprodukt anderer Tätigkeiten (vgl. Dohmen 1996; Dehnbostel 2005).
Berufliche Weiterbildung ist heute in Form von „Training on the job“ als Fortbildung direkt am Arbeitsplatz, „Training near the Job“ als vom Unternehmen organisierte Fortbildungsmaßnahmen und „Training off the Job“ als Aus- oder Weiterbildung außerhalb des Unternehmens möglich (vgl. Müller 2003; Rohs 2002).
Der berufliche Weiterbildungssektor unterliegt zurzeit großen strukturellen Veränderungen (vgl. Baldauf-Bergmann/Küchler/Weber 2005) und ist gekennzeichnet durch „konstruktivistische Lehr- und Lerntheorien“, durch das Konzept „lebenslanges Lernen“ sowie durch „arbeitsprozessintegrierte Lernformen“.
Konstruktivistische Lehr- und Lerntheorien/ gehen davon aus, dass kein objektives Wissen vermittelt werden kann, sondern dass Wissen individuell konstruiert wird (vgl. Siebert 2003). Eine Neugestaltung von Lehr- und Lernarrangements wird daraus abgeleitet, die einerseits die Rolle der Lehrenden als LernbegleiterInnen neu definiert (vgl. Siebert 2003), andererseits vom Lernenden vermehrt aktive, selbstorganisierte Lernprozesse (vgl. Mandl/Friedrich 1997) sowie metakognitive Auseinandersetzung mit eigenen Lernstrategien (vgl. Kaiser 2003; Schiersmann 1999; Arnold/Schüßler 2003) fordert. Die Darstellung authentischer, komplexer und situierter Lernprobleme, der flexible und reflektierende Umgang mit Wissen, die Verknüpfung von Wissen und Handeln, der Wissenstransfer, die soziale Kooperation sowie der überlegte Einsatz von Medien werden in der Anwendung von konstruktivistischen Lehrtheorien betont (vgl. Mandl/Friedrich 1997, S. 259).
Lebenslanges Lernen ist in allen pädagogischen Feldern ein Schlagwort geworden und impliziert einerseits, dass der Mensch während des ganzen Lebens fähig und motiviert ist, sich in Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Umfeld lernend zu entwickeln. Andererseits wird die Notwendigkeit, sich den technischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungsprozessen durch Weiterbildung anzupassen, betont (vgl. Müller 2003; Siebert 2003; Straka 2005; Wiesner/Wolter 2005). Eine Entgrenzung des Lernens erfolgt nicht nur in der biographischen Achse, sondern auch bezüglich der Lernorte. Lernen findet nicht nur in dafür geschaffenen Institutionen und Organisationen statt, sondern kann in allen gesellschaftlichen Aktivitäten und Lebenswelten vollzogen werden. Dies führt zur Neugestaltung und Verknüpfung von institutionellen und nicht-institutionellen Lernorten sowie von Arbeitszeit und Freizeit (vgl. Faulstich 2005; S. 213ff). Lebenslanges Lernen vollzieht sich daher „ nicht nur ununterbrochen und lebensbegleitend, sondern auch überall und weltweit“ (vgl. Wiesner/Wolter 2005, S. 21). Hierfür wird der Bildung von sozialen Netzwerken eine bedeutende Rolle zugewiesen (vgl. Dobischat/Benzenberg 2002; Hemsig-Graf 2003; Ludwig 2003; Kraft 2003; Zimmer 2002; Faulstich 2002). Erpenbeck (2002) betont diesbezüglich, dass „ soziale Netzwerke immer auch Lernnetzwerke sind, denn in allen Informations- und Interaktionsprozessen wird gelernt, ob sie sich um explizite Lernintentionen, um Lernen im Prozess der Arbeit, im sozialen Umfeld oder im virtuellen Netz handelt “ (ebd. S. 205).
Arbeitsprozessintegrierte Lernformen betonen das Zusammenführen von praktischem und theoretischem Wissen im Kontext der Arbeit (vgl. Rauner 2002; Dehnbostel/Meister/Elsholz/Meyer-Menk 2002; Wiesner/Wolter 2005) sowie das Erkennen und Aufgreifen von den sich im Arbeitsprozess ergebenden Lernchancen (vgl. Reuther 2002).
Dies macht die Gestaltung neuer betrieblicher Lernkulturen notwendig, welche einerseits selbstorganisiertes, kooperatives und/oder instruierendes Lernen am Arbeitsplatz ermöglichen (vgl. Bergmann 2005) und andererseits den Transfer von in formellen und informellen, inner- und außerbetrieblichen Weiterbildungsaktivitäten erworbenen Wissensbeständen unterstützen und sichern (vgl. Schäffner 1999). Die Verzahnung von Aus-und Weiterbildung, die Vernetzung von Bildungseinrichtungen und Betrieben sowie die internationale Kompatibilität von Bildungsabschlüssen werden angestrebt. (vgl. Schiersmann 1999, S. 206).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der berufliche Weiterbildungsbereich durch die Anpassung an die sich rasch verändernden Wissensbestände, durch Technologisierung des Zugangs zu Wissen, durch neue Lernparadigmen und durch die Notwendigkeit, das Theorie-Praxis-Problem zu bewältigen, geprägt ist.
DDas folgende Kapitel soll die Weiterbildungssituation der Ergotherapie in Österreich unter Berücksichtigung der Entwicklungen im Bereich der Erwachsenenbildung aufgreifen.
Für ErgotherapeutInnen kann die eigeninitiierte, lebenslange Teilnahme an fachspezifischen und persönlichkeitsfördernden Bildungsangeboten als Notwendigkeit angesehen werden. Laufende Weiterbildung unterstützt die Aufrechterhaltung und die Erweiterung der im Arbeitsalltag geforderten professionellen Kompetenzen. Der Transfer von neuesten wissenschaftlichen, medizinischen Erkenntnissen in die Berufspraxis und die Mitgestaltung an den sich verändernden, strukturellen Bedingungen im Gesundheitswesen sind notwendig. Weiterbildung dient dem Wohl der zu behandelnden KlientInnen, indem Behandlungen angeboten werden, die auf den neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen und Erkenntnissen beruhen (vgl. MTD 1992/96; ÖBIG 2003; Braveman 2006).
Weiterbildung ist für ErgotherapeutInnen über verschiedene private Weiterbildungseinrichtungen sowie über die Verbände der ErgotherapeutInnen im Inland und Ausland zugänglich. Formelle Weiterbildungsangebote von kürzerer Dauer werden als Fortbildungen bezeichnet. Formelle Weiterbildungsangebote von längerer Dauer, mit der Vorraussetzung einer medizinischen Grundausbildung, meist organisiert in Form von zusammengehörigen Kursblöcken sowie einem eigenen Zertifizierungsverfahren werden als Zusatzausbildungen oder Sonderausbildungen tituliert (vgl. ÖBIG 2003).
In einer im Jahr 2001 durchgeführten Studie zeigte sich, dass mehr als die Hälfte von 447 befragten ErgotherapeutInnen in Österreich mehrere Fortbildungen im Jahr besuchen. Zwei Drittel verfügen über Zusatz- bzw. Sonderausbildungen (vgl. ÖBIG 2003).
Der Verband für ErgotherapeutInnen Österreichs (VDEÖ) startet im Herbst 2006 ein Zertifizierungsverfahren des Fortbildungsressorts nach ISO 9001, um als Anbieter konkurrenzfähig zu bleiben und den WeiterbildungsteilnehmerInnen Förderungen zugänglich zu machen. Um laufende Weiterbildung sicherzustellen wird auch die Einführung eines Weiterbildungspasses diskutiert (vgl. Stadler 2006). Postgraduale Aus- und Weiterbildungen im Bereich der Ergotherapie sind in Österreich derzeit nicht möglich (vgl. ÖBIG 2003). Master- sowie Doktoratsstudiengänge können vor allem in nordeuropäischen Ländern und im angloamerikanischen Raum absolviert werden.
WWeiterbildung erfüllt einerseits eine fachspezifische Qualifizierungsfunktion (vgl. Siebert 2003, S. 50; Müller 2003, S. 21) für Bereiche wie Pädiatrie, Neurologie, Geriatrie, Orthopädie und Präventionsmedizin (vgl. ÖBIG 2003) und beabsichtigt andererseits die Erhaltung, Anpassung und Entwicklung spezifisch berufsbezogener Kompetenzen für die alltäglichen Anforderungen in den Strukturen des Gesundheitswesen und in der Gesellschaft.
Kompetenzentwicklung kann als ein Bestandteil der beruflichen Weiterbildung verstanden werden (vgl. Arnold 1997; Elsholz 2002). Da jedoch der Begriff Kompetenz zurzeit einem inflationären Gebrauch unterliegt (vgl. Storz 2005; Dehnbostel 2005), soll hier versucht werden, die für die Ergotherapie relevanten Begriffe zu klären.
Als Kompetenzen werden allgemeine Handlungsmerkmale, die als generell erfolgreich gelten, bezeichnet (vgl. Ludwig 2002, S. 98). Während sich Qualifikationen auf objektiv ermittelbare Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissensbestände beziehen, umfasst der Begriff Kompetenz alle subjektiv vorhandenen, impliziten und expliziten Fähigkeiten, Wissensbestände und Denkmethoden, die im Lebenslauf erworben wurden und angewendet werden können (vgl. Erpenbeck 1996/2002; Arnold 1997; Siebert 2003).
Die berufliche Kompetenzentwicklung bezieht sich auf die Bereiche Fach- und Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Personal- bzw. Humankompetenz (vgl. Dehnbostel/Meister/Elsholz/Meyer-Menk 2002, S. 11). Alle weiteren Kompetenz-bezeichnungen können dieser Einteilung subsumiert werden (vgl. Storz 2005; Dehnbostel 2005).
Die Fachkompetenz umfasst spezifische Fertigkeiten und Fachkenntnisse, die für eine klar umrissene Aufgabe notwendig sind. Als Methodenkompetenz werden die flexibel einsetzbaren Planungs-, Entscheidungs- und Problemlösungsfähigkeiten definiert.
Die Sozialkompetenz bezieht sich auf individuelle kommunikative Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sich in sozialen Interaktionssituationen realisieren.
Unter Personalkompetenz werden beruflich relevante Einstellungen, Werthaltungen und persönlichkeitsbezogene Dispositionen verstanden, die in Form von Selbstreflexion, Motivation und emotionaler Fähigkeiten die menschlichen Handlungen steuern (vgl. Solga/Ryschka/ Mattenklott 2005, S. 18)
Weitere Begriffe, die im Zuge von Kompetenzdiskussionen auftreten, sind die der „Handlungskompetenz“ (vgl. Erpenbeck/Heyse 1996) und der „reflexiven Handlungsfähigkeit“ (vgl. Dehnbostel/Meister 2002; Elszholz 2002). Die Handlungskompetenz betont „die Handlungsfähigkeit als Zielpunkt der Kompetenzentwicklung“ (Erpenbeck/Heyse 1996, S. 37) und drückt sich im Handlungsvollzug aus (vgl. Dehnbostel 2005). Da die Kompetenzentwicklung immer nur als vorläufig anzusehen ist, wird in diesem Zusammenhang auch der Begriff der reflexiven Handlungsfähigkeit angesprochen.
Die reflexive Handlungsfähigkeit bezieht sich auf „die bewusste, kritische und verantwortliche Einschätzung und Bewertung von Handlungen auf Basis von Erfahrungen und Wissen“ (Dehnbostel/Meister 2002, S. 12). Dies beinhaltet die Reflexion über eigene Kompetenzen und individuelle Kompetenzentwicklungen sowie die Reflexion über Arbeitssituationen, -abläufe und –alternativen (vgl. Elsholz 2002, S. 36ff.). Die Handlungskompetenz realisiert sich in der Verknüpfung von fachlich-methodischer Kompetenz, sozialer Kompetenz und personaler Kompetenz und soll nach Erpenbeck (2004) als a ktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenz ddie anderen Kompetenzklassen ergänzen (vgl. ebd. zit.n. Freund 2006).
In der Ergotherapie werden Kompetenzen bzw. Kompetenzbündel für die Bewältigung verschiedener Handlungsrollen benötigt (vgl.ÖBIG 2003, S. 76ff.; Braveman 2006, S. 169ff.; Moyers/Hinojosa 2003, S. 463ff.). Die Handlungsrollen beinhalten einerseits die beratende und therapeutische Betreuung der KlientInnen unter Einbeziehung des unmittelbaren physischen sowie sozialen Umfeldes und andererseits die Bewältigung qualitätssichernder, administrativer und interdisziplinärer Aufgaben in den unterschiedlichen institutionellen Strukturen des Gesundheitswesens. Zusätzliche Handlungsrollen können die Betreuung von PraktikantInnen, die Lehrtätigkeit in der Aus- und Weiterbildung sowie konzeptionelle bzw. forschende Tätigkeiten betreffen (vgl. ÖBIG 2003).
Die Kernkompetenzen in der Ergotherapie beruhen auf ergotherapeutischen Theorien über die menschliche Handlungsfähigkeit (vgl. Hagedorn 2000) und der Notwendigkeit der Bewältigung klinischer Problemstellungen (vgl. ÖBIG 2003; Marotzky/Jerosch-Herold/ Hack/Weber 1999; Willard/Spackman 2003). Der Prozess der Bewältigung klinischer Problemstellungen wird in der Fachsprache als „klinisches Schlussfolgern“ (clinical reasoning) bezeichnet und beschreibt „den gedanklichen Prozess, mit denen sich TherapeutInnen ein Bild von einem Fall machen und darüber entscheiden, was zu tun ist“ (Marotzky/Jerosch-Herold/Hack/Weber 1999, S. 33). Im klinischen Schlussfolgerungs-prozess kommen die Fachkompetenz in Form von medizinischem und ergotherapeutischem Grundlagenwissen, die Methodenkompetenz in Form von Problemlösefähigkeiten und der kritischen Erwägung verschiedener therapeutischer Zugänge, die personale Kompetenz in Form von ethischen Überlegungen und die soziale Kompetenz in Form von interaktiven und kommunikativen Fähigkeiten zum Ausdruck (vgl. Rogers/Holm 1991; Mattingly/Flehming 1994).
Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen drücken sich in der Durchführung des Therapieprozesses aus, der durch die ergotherapeutischen Grundprinzipien sowie den physischen Einsatz geeigneter therapeutischer Methoden und Mittel geleitet ist (vgl. Moyers/Hinojosa 2003, S. 481).
Aktivitäts- und umsetzungsorientierte Kompetenzen werden ebenso für die Bewältigung von qualitätssichernden Maßnahmen wie der laufenden Dokumentation (vgl. MTD-Gesetz 1992/96), der Evaluierung der mit den KlientInnen erstellten Therapieziele, der Erstellung von Aufnahme, Verlaufs- und Abschlussberichten (vgl. ÖBIG 2003) sowie einer evidenz-basierten Therapieplangestaltung unter Heranziehung von Literatur und Effektivitätsforschung (vgl. Braveman/Kielnhofer 2006; Powell/Case-Smith 2003) benötigt. Kompetenzen im Bereich des Managements sind z.B. für die Durchführung der gesamten Terminkoordination sowie sämtliche administrative Tätigkeiten gefordert, zeigen sich jedoch abhängig von den strukturellen Bedingungen der jeweiligen Gesundheitseinrichtung (vgl. ÖBIG 2003; McCormack/Jaffe/Goodman-Lavey 2003). Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit verschiedenen Professionen, die beratenden und anleitenden Aufgaben in- und außerhalb des Gesundheitswesens sowie die Öffentlichkeitsarbeit erfordern ebenso Fach-, Methoden-, Sozial- und Personalkompetenz.
Eine laufende Kompetenzentwicklung ist als unumgänglich anzusehen, um den vielfältigen beruflichen Handlungsrollen gewachsen zu sein und sich den neuen Herausforderungen im Zuge des Strukturwandels im Gesundheitswesen anpassen zu können. Das Ziel ist die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Betreuung der KlientInnen sowie die Erhaltung und Stärkung der Position des Berufsstandes innerhalb des Gesundheitswesens (vgl. Braveman 2006, S. 171). Um laufende Weiterbildung von ErgotherapeutInnen zu gewährleisten, müssen Motivationsfaktoren berücksichtigt werden, die das Aufgreifen von Weiterbildungsabsichten und Lernprozessen leiten und unterstützen.
Da es „nicht möglich ist, nicht zu lernen““, greift das Konzept lebenslanges Lernen vor allem aktive und selbstorganisierte Lernprozesse im Erwachsenenalter auf (vgl. Reiserer/Mandl 2001, S. 3). Die Ermöglichung und Unterstützung von lebenslangem Lernen bedarf der Berücksichtigung von Motivationsprozessen, die durch die Lebensspanne sowie durch kognitive und emotionale Faktoren beeinflusst sind (vgl. Reiserer/Mandl 2001; Wolf 1985; Schugurensky 2003).
Es wird vielfach betont, dass das Lernen Erwachsener im Gegensatz zum schulischen Lernen durch einen hohen Grad an Selbstbestimmung (vgl. Deci/Ryan 1993), Selbststeuerung (vgl. Mandl/Friedrich 1997) und durch Kompetenzerleben geprägt ist (vgl. Reiserer/Mandl 2001). Das Lernen in institutionellen Kontexten nimmt ab und ist mehr an natürliche, alltägliche Kontexte wie der Arbeitswelt und soziale Netzwerke gebunden (vgl. Dohmen 1996; Reiserer/Mandl 2001).
Mit zunehmendem Alter wird Lernen schwieriger aber effektiver. In diesem Zusammenhang wird von fluider und kristalliner Intelligenz gesprochen (Baltes 1990 zit.n. Reiserer/Mandl 2001, S. 6). Fluide Intelligenz betrifft die Leistungsfähigkeit des neurophysiologischen Apparates und die Prozesse der Informationsverarbeitung, die die kognitive Verknüpfungsfähigkeit und die Wahrnehmungsgeschwindigkeit beinhalten. Die kristalline Intelligenz wird in Auseinandersetzung des Individuums mit seiner Umwelt erworben und beruht auf den vielfältigen Lebenserfahrungen. Die fluide Intelligenz nimmt mit zunehmendem Alter ab, die kristalline jedoch zu (vgl. Reiserer/Mandl 2001, S. 6).
Obwohl es zu einer Relativierung des Einflusses des Alters auf die Lernleistung gekommen ist, ist es doch unbestritten, dass es zu starken individuellen Lernunterschieden im Lebenslauf kommt. Diese scheinen durch lebensgeschichtliche und soziokulturelle Einflussfaktoren begründet (vgl. Siebert 2003; S. 30ff.). Das Erlernen neuer Inhalte benötigt jedoch auch das Aufgeben und Anpassen alter Wissensbestände (Baxter/Dole 1990; Lyndon 2000). Das heißt, dass die durch Lebenserfahrung gefestigten Einstellungen, Werte und Meinungen auch zu Lernbarrieren für Neues, Unbekanntes und nicht schnell Verstandenes führen können (vgl. Siebert 2003 S. 17). Neue Inhalte können dadurch erschwert zugelassen werden, wenn sie von früher Gelerntem abweichen oder diesem entgegenstehen. Dieser als „proaktive Hemmung“ bezeichnete Prozess wird als eine natürliche, unwillkürliche Reaktion des Organismus angesehen, der das Ziel hat, altes Wissen zu schützen (vgl. Baxter/Dole 1990; Lyndon 2000).
IIn der pädagogischen Psychologie werden aufgrund des veränderten Lernverhaltens im Erwachsenenalter intentionale Lernprozesse für die Aneignung von neuem Wissen und Verhalten betont. Intentionale Lernprozesse sind von inzidentiellen Lernprozessen abzugrenzen, welche einen beiläufigen Wissenserwerbsprozess ohne bewusst-reflexive Vergegenwärtigung betreffen (vgl. Reiserer/Mandl, S. 4). Bei intentionalen Lernprozessen herrscht eine explizite Zielausrichtung vor, die zu geplanten Lernaktivitäten führt. Es werden motivationale Vorgänge wirksam, die den Lernprozess aktivieren und die Teilnahme an Lernaktivitäten leiten (vgl. Siebert 2003, S. 192).
Als Determinanten von Motivationsprozessen werden in der pädagogischen Psychologie das Motiv, der Anreiz und kognitive Prozesse unterschieden (vgl. Edelmann 2000, S. 240ff.).
Motive sind „richtungsgebende, leitende und antreibende psychische Ursachen des menschlichen Handelns“ (vgl. Stangl 2005). Ein Motiv kann als angeborenes Bedürfniss (vgl. Maslow 1977 zit.n. Edelmann 2000, S. 257) oder als gelerntes Persönlichkeitsmerkmal (vgl. McClelland/Atkinson/Clark/Lowell 1953 zit.n. Edelmann 2000, S. 252ff.) wirksam werden.
Die Intensität eines Motivs wird durch die Erfolgsaussichten, situativen Anregungen sowie den subjektiven Wert eines Ziels bestimmt (vgl. Stangl 2006). Situative Anregungen werden als Anreize bezeichnet, deren Wirksamkeit sich durch emotionale und kognitive Werthaftungen ergibt.
Die Motivation selbst ist der Zustand des „Motiviertseins“ und stellt die Gesamtheit aller in einer Handlung wirksamen Motive dar, die das Verhalten des Individuums aktivieren und regulieren. Vier Merkmale kennzeichnen daher das Phänomen Motivation:
– Aktivierung als der Prozess, in dem Verhalten in Bewegung gesetzt wird.
– Richtung als der Prozess, in dem die Aktivität auf ein bestimmtes Ziel gerichtet wird und solange aktiv bestehen bleibt, bis das Ziel erreicht ist bzw. bis ein anderes Motiv vorrangig ist.
– Intensität als der Prozess, der die Länge und die Gründlichkeit der Aktivität bestimmt.
– Ausdauer als der Prozess, der die Beständigkeit des Motivs bestimmt, auch wenn Schwierigkeiten und Hindernisse auftreten (vgl. Stangl 2005).
MMotive selbst führen noch zu keiner Lernhandlung. Es müssen Willensprozesse wirksam werden, um eine motivierte Handlung einzuleiten und auszuführen. Willensprozesse beziehen sich auf die Entscheidungsfindung, die Kosten-Nutzen-Abwägung, das Abschätzen der Erfolgswahrscheinlichkeit und die Evaluierung der Handlungsergebnisse. Die Überprüfung dient als Grundlage für weitere Motivations-, Willens- und Handlungsprozesse (vgl. Heckhausen 1980).
In der Erwachsenenpädagogik wird vor allem zwischen intrinsischer und extrinsischer Lernmotivation unterschieden (vgl. Reiserer/Mandl 2001; Deci/Ryan 1980/93; Deci 1996; Prenzel 1988).
Bei der intrinsischen Motivation wird die Ausführung der Handlung selbst als Belohnung erlebt. Sachinteresse, Neugier, Flow-Erleben (vgl. Csikszentmihalyi 1990) und die erwartete Erfolgswahrscheinlichkeit wirken motivierend (vgl. Edelmann 2000, S. 258). Intrinsisch motivierte Lernhandlungen führen nach Biggs (1999) zu einer tiefgründigen Auseinandersetzung mit den Lerninhalten und zu höheren Lernerfolgen.
Bei der extrinsischen Motivation ist die Ausführung der Handlung an äußere Belohnungen oder bei Nicht-Ausführung an Bestrafungen geknüpft (vgl. Edelmann 2000, S. 258). Da in der Regel nicht nur ein Motiv handlungsbestimmend ist (vgl. Reiss 2000), lassen sich extrinsische und intrinsische Motivation nur analytisch trennen. Es kann zu einer wechselseitigen Beeinflussung und auch zum Auftreten versteckter extrinsischer Motive hinter vordergründig intrinsischen Motiven kommen (vgl. Stangl 2006).
Von einer wechselseitigen Beeinflussung kann bei der Leistungsmotivation ausgegangen werden. Leistungsmotivationstheorien definieren Bedürfnisse bzw. Bedürfniskonfigurationen als Resultate von Lernprozessen, welche das menschliche Verhalten beeinflussen. Es erfolgt eine Unterteilung der Grundbedürfnisse in Leistungsbedürfnis als Erfolgsstreben oder Kompetenzerleben, in Zugehörigkeitsbedürfnis und in Machtbedürfnis (vgl. McClelland/ Atkinson/Clark/Lowell 1953 zit.n. Edelmann 2000, S. 252ff.).
Die intrinsische bzw. extrinsische Lernmotivation Erwachsener wird auch durch Selbstwirksamkeitsüberzeugungen beeinflusst (vgl. Bandura 1997). Diese betreffen die subjektiv gebildeten Überzeugungen bezüglich des erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Einsatzes eigener Fähigkeiten. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen entstehen durch frühere Lernerfahrungen, Vorbilder sowie durch soziale Rückmeldungen über Lernerfolge (vgl. Reiserer/Mandl 2001; Jerusalem 1992).
Für den Weiterbildungsbereich in der Ergotherapie lässt sich feststellen, dass der Weiterbildungsbedarf sowohl durch das Berufsprofil sowie durch den Professionalsierungsprozess festgelegt ist. Der Strukturwandel im Gesundheitswesen sowie in der Erwachsenenbildung prägt den beruflichen Weiterbildungsbereich in der Ergotherapie. Das Berufsfeld der Ergotherapie erfordert umfassende Kompetenzen. Die Teilnahme an lebenslangen Lernprozessen benötigt die Einbeziehung motivationstheoretischer Überlegungen, die auf das Erwachsenenalter bezogen sind.
IIn folgender Studie soll das Weiterbildungsverhalten von ErgotherapeutInnen in Österreich unter Einbeziehung von theoretischen Überlegungen zugänglich gemacht und diskutiert werden.
Laufende Kompetenzentwicklung kann in der Ergotherapie als berufliche Notwendigkeit angesehen werden. Wie ErgotherapeutInnen in Österreich zu dieser Themenstellung stehen und wie sich Einstellungen konkret im beruflichen Alltag ausdrücken, kann als nicht geklärt angenommen werden.
In der vorliegenden Untersuchung sollen daher folgende Fragen geklärt werden:
– welche Motive leiten ErgotherapeutInnen, sich beruflich weiterzubilden
– was beeinflusst die Weiterbildungsmotivation
– welche Weiterbildungsaktivitäten werden vorgenommen
– welche beruflichen Veränderungen ergeben sich durch Weiterbildung
– welche Zukunftswünsche sind vorhanden
HHauptanliegen und Ziel der Untersuchung ist es, die für Weiterbildung relevanten Motivations- und Einflussfaktoren zu fokussieren und diese in Hinblick auf die Entwicklung des ergotherapeutischen Berufes in Österreich zu beleuchten. Die Untersuchung soll Ansätze für die Gestaltung der Weiterbildungslandschaft und die Einschätzung der Bedeutung von Weiterbildung für eine professionelle Entwicklung der Ergotherapie bieten.
Die folgende Untersuchung richtet sich auf die Erfassung subjektiver Einstellungen und Deutungsmuster von ErgotherapeutInnen, wobei die qualitative Sozialforschung einen adäquaten Zugang bietet (vgl. Flick/Kardoff/Steinke 2005). Das Ziel ist, die Sicht des handelnden Menschen zu erfassen, welche als Reflexionsfläche der sozialen Wirklichkeit angenommen werden kann (vgl. Hopf 2005, S. 350). Die soziale Wirklichkeit selbst kann als Ergebnis sozialer Interaktionen aller im Prozess Beteiligten verstanden werden, welche durch Kommunikation und Fokussierung auf das im Alltag subjektiv Erlebte zugänglich gemacht werden kann. Zur Ermittlung von Expertenwissen und als Zugang zum Forschungsfeld wurde daher das Experteninterview gewählt.
Das Experteninterview kann als geeignetes Instrument für die Erhebung von subjektiv vorhandenem, spezifischem Wissen angesehen werden (vgl. Bogner/Littig/Menz 2005).
Ein Experte ist nach Sprondel (1979) durch ein Sonderwissen gekennzeichnet, das, „ im Gegensatz zum Allgemein- und Laienwissen, komplex integrierte Wissensbestände umfasst und außerdem konstitutiv auf die Ausübung eines Berufes bezogen ist “ (vgl. ebd. zit.n. Bogner/Littig/Menz 2005, S. 42). Wenngleich kritisiert wird, dass „ die ungeschriebenen Gesetze und Entscheidungsmaximen in den spezifischen Funktionsbereichen der Experten“ nicht unbedingt explizit und unmittelbar zur Verfügung stehen müssen, kann doch „ein Wissensvorsprung und spezifischer Wissensbestand angenommen werden “ (vgl. Bogner/Littig/Menz 2005, S. 42). Mit dem Experteninterview ist die Erfassung der Komplexität zusammenhängender Aspekte von Expertenwissen möglich, wobei neue Fragen und Themen aufgeworfen werden können, die in der Theorie noch nicht aufscheinen. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass „ Erkenntnisse über soziale Phänomene nicht aus eigener Kraft emergieren, sondern Konstruktionen des Forschers von Anfang an sind“ (vgl. Meinefeld 2005, S. 269).
EErgotherapeutInnen werden hier als die ExpertInnen für den Untersuchungsgegenstand angenommen und die verschiedenen Ausprägungen des Expertenwissens, das im Moment der Forschung im Bereich der Weiterbildung von ErgotherapeutInnen in Österreich existiert, sollen erhoben und miteinander verglichen werden (vgl. Flick 2005, S. 255).
In der Auswahl der Stichprobe geht es in den wenigsten Fällen um den Anspruch von den untersuchten Fällen auf eine bestimmte Population schließen zu können, sondern es wird eine theoretische Generalisierung angestrebt (vgl. Flick 2005, S. 260). Es wurde daher in der Fallauswahl auf eine maximale Variation und auf Facettenreichtum geachtet (vgl. Patton in Merkens 2005, S. 291).
Für die Konstruktion des Falles wurden folgende Kriterien für ErgotherapeutInnen festgelegt:
– Weibliche und männliche TherapeutInnen in einer der Berufsgruppe angemessenen Relation (vgl. ÖBIG 2003).
– Wohnort und Berufstätigkeit in verschiedenen Bundesländern in Österreich, um eventuell vorhandene regionale Einflüsse von verschiedenen Ausbildungsstätten und ergotherapeutischen Landesgruppen auszuschließen.
– Unterschiedlicher Ausbildungsstatus, d.h. ErgotherapeutInnen mit Ausbildung an der Akademie für Ergotherapie und auch mit Absolvierung weiterer Studienrichtungen, um eine Variationsbreite an Aussagen über Weiterbildungsmotive auf verschiedenen Ebenen sicherzustellen (vgl. Schlögl/Schneeberger 2003; Schneeberger/Mayr 2004).
– Angestellungsverhältnisse in verschiedenen Einrichtungen des Gesundheitswesens, um die Einflüsse durch verschiedene strukturelle Bedingungen zu berücksichtigen.
– Berufstätigkeit in den ergotherapeutischen Fachbereichen Neurologie, Psychiatrie, Geriatrie, Pädiatrie und Orthopädie/Handtherapie, um eventuelle Abhängigkeiten von dem zu betreuenden Klientel miteinzubeziehen.
– Unterschiedliche Länge an Berufserfahrung und unterschiedliches Lebensalter, orientiert an Forschungen bezüglich Weiterbildungsbeteiligung (vgl. Schämann 2005; Dickerson/Wittmann 1999; Schlögl/Schneeberger 2003; Schneeberger/Mayr 2004) und Kompetenzentwicklung (vgl. Dreyfus/Dreyfus 1987; Rauner 2002).
– Ausschluss von ErgotherapeutInnen, die vorwiegend oder ausschließlich freiberuflich tätig sowie an den Akademien für Ergotherapie angestellt sind, da bei diesen andere Weiterbildungsmotive und Weiterbildungsinhalte anzunehmen sind.
Es wurde hauptsächlich ein primärer Feldzugang gewählt. Dies bedeutet, dass nach Fällen mit bestimmten Merkmalen (siehe oben) gesucht und diese gezielt ausgewählt wurden. Als Gatekeeper fungierten die in der Zeitschrift für Ergotherapie (VDEÖ 2006) angeführten Leitungen der ergotherapeutischen Landesgruppen oder Arbeitskreise, LehrtherapeutInnen an Akademien sowie der Forscherin bekannte ErgotherapeutInnen. Innerhalb von Einrichtungen wurde in wenigen Fällen die Schneeballmethode (vgl. Patton 1990 zit.n. Merkens 2005, S. 293) angewendet, d.h. dass die kontaktierten InterviewpartnerInnen weitere empfahlen bzw. Termine organisierten.