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Bachelorarbeit, 2012
37 Seiten, Note: 2,0
Einleitung
1. Frühe Kindheit
1.1 Bildung in der frühen Kindheit
1.2 Zusammenfassung
2. Spracherwerb
2.1 Entwicklungspsychologische Theorien zum Spracherwerb
2.2. Zusammenfassung
2.3 Voraussetzungen für einen gelungenen Spracherwerb
2.4 Der Spracherwerb in seinen einzelnen Phasen
3. Das Medium Fernsehen für Kinder
3.1 Geschichte des Kinderfernsehens
3.2 Merkmale des Kinderfernsehens
4. Analyse einzelner Fernsehangebote
4.1 Einleitung
4.2 Fernsehen für Säuglinge: „Baby-First“ - Das Programm
4.3 Fernsehen für Kleinkinder: „Teletubbies“ - Die Sendung
4.4 Sprachanalyse
4.5 Fernsehen für Vorschulkinder: „Sesamstraße“ - Die Sendung
5. Kritische Auseinandersetzung mit den Fernsehangeboten
5.1 Zusammenfassung
6. Bezug zur Sozialen Arbeit
7. Literaturverzeichni
8 Anhang
Fernsehen ist mittlerweile in der kindlichen Lebenswelt fest verankert. Dabei hat sich das Kinderfernsehen in den letzten 20 Jahren stark verändert. Seit wissenschaftlich belegt ist, dass Kinder im Alter von 0 - 3 Jahren mehr lernen, als in ihrem restlichen Leben, bilden Kleinkinder auch die neue Zielgruppe der Entwickler von Fernsehprogrammen mit einem immer weiter expandierenden Angebot. Mittels dieser Angebote können angeblich schon Säuglinge ohne elterliches Zutun besser sprechen und zählen lernen und so insgesamt in ihrer Intelligenzentwicklung gefördert werden Die Kontroverse um den fördernden Einfluss des Fernsehens ist dabei allgegenwärtig. Die Verknüpfung des Fernsehens mit dem Begriff der Bildung ist verwirrend, sodass es einer kritischen Reflexion und Hilfestellungen bedarf, wie die medialen Angebote einzuordnen sind.
Um dieser Auseinandersetzung näher zu kommen, wird im ersten Teil der Arbeit der komplexe Begriff der Bildung in der frühen Kindheit skizziert.
Damit im weiteren Verlauf der Einfluss des Fernsehens auf den Spracherwerb analysiert werden kann, sollen im zweiten Teil entwicklungspsychologische Theorien zum Spracherwerb vorgestellt und dann der Spracherwerb in seinen einzelnen Phasen erörtert werden. Nachdem die Phase der frühen Kindheit theoretisch dargestellt worden ist, geht es im dritten Teil um die geschichtliche Entwicklung des Kinderfernsehens und seine wesentlichen Merkmale.
Im Anschluss soll das Medium Fernsehen hinsichtlich seiner möglichen Einflussnahme auf frühkindliche Bildungsprozesse, insbesondere auf den Spracherwerb, untersucht werden. Es werden zunächst einzelne Programm-, und Sendungsangebote vorgestellt, die das Säuglings-, über das Kleinkind- bis zum Vorschulalter abdecken. Anhand einer exemplarischen Analyse einer Sequenz der „Teletubbies“ werden die wesentlichen Sprachmerkmale herausgefiltert. Der Einfluss wird weiter untersucht durch die kritische Auseinandersetzung mit den im Rahmen der Arbeit vorgestellten Fernsehangeboten. Die Frage nach der Relevanz dieses Themas für die Soziale Arbeit wird am Schluss stehen.
Die Bildungsdiskussion hat verstärkt den Bereich der frühkindlichen Pädagogik erfasst, denn hier erkennt man den größten Revisionsbedarf. Öffentliche, politische und wissenschaftliche Diskussionen, ausgelöst unter anderem durch Schulleistungsuntersuchungen wie die internationale PISA- oder IGLU-Studie, widmen sich dem Thema der frühkindlichen Bildung. Diese Diskussionen sind geleitet von der mittlerweile allgemein anerkannten Einsicht, dass Bildung mit der Geburt beginnt und dass in den ersten Lebensjahren die wesentlichen Voraussetzungen für alle späteren Bildungsprozesse gelegt werden. Während man früher das Neugeborene ausschließlich als schutzloses und passives Wesen gesehen hatte, so spricht man heute vom „kompetenten Säugling“, dessen Fähigkeiten lange unterschätzt wurden.
Die in der Renaissance gebahnte Vorstellung vom Kind wurde in der Epoche der Aufklärung durch die Philosophen Locke und Rousseau entfaltet. Nachdem die Kindheit als eigenständiger, lebensgeschichtlicher Abschnitt anerkannt worden war, widmeten sich Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen der Frage: „Wie lernen Kinder und wie können Erwachsene diesen Prozess fördern?“ So entstanden im Laufe der Zeit sozialisationstheoretische, pädagogische, psychologische und neurobiologische Ansätze, die sich dieser Frage widmeten.
Wie es zu der Begrifflichkeit und zu dem Verständnis von Kindheit kam, soll im Rahmen des ersten Kapitels nachvollzogen werden, um dann exemplarisch den entwicklungspsychologischen Ansatz Piagets und den pädagogischen Montessoris vorzustellen, da diese beiden Theorien das Bild vom Kind und das Verständnis von Bildung bis heute prägen. In vielen Ansätzen entsprechen diese Theorien aktuellen Auffassungen, was im Weiteren ebenfalls an einem Beispiel dargestellt wird.
Der Medienwissenschaftler Neil Postman (1931 - 2003) stellt in seinem Werk „Das Verschwinden der Kindheit“1 die These auf, dass die Institution Kindheit vom Verschwinden bedroht sei. Um dies zu belegen, widmet er sich der Fragestellung, woher die Idee der Kindheit stammt und wie sich eine Abgrenzung vom Erwachsenen zum Kind vollzog.
Im Mittelalter galt, dass mit dem Beherrschen der Sprache ab sieben Jahren die Phase der Kindheit mehr oder weniger abgeschlossen war und man sich in die verbale Welt der Erwachsenen begab. Laut Postman veränderte sich dieses Bild der Erwachsenen- und Kinderwelt durch die bahnbrechende Entwicklung des Buchdrucks. Es entstand eine neue Welt der Symbole, an der Kindern die Teilhabe per se nicht möglich war. Auf Grund dieser Exklusion der Kinder aus der Erwachsenenwelt entwarf man eine zweite, die Welt der Kindheit. Seitdem hat sich die Idee der Kindheit „[...] als soziale Struktur und als psychologisches Bedingungsgefüge […] bis in unsere Zeit weiterentwickelt.“2 Daraus folgt, dass „[…] das Kind zu einem Gegenstand der Achtung, zu einem besonderen Geschöpf mit andersartigem Wesen und andersartigen Bedürfnissen [wurde], das von der Erwachsenenwelt abgesondert und von ihr geschützt werden musste.“3 Diese abgesonderte Betrachtung wurde im Zeitalter der Aufklärung durch die Pilosophen John Locke (1632 - 1704) und Jean Jeaques Rousseau (1712 - 1778) weiter getrieben.
Letzteren kann man als Vater einer kindgerechten Pädagogik bezeichnen, da sich im Folgenden Philosophen und Wissenschaftler auf seine Beiträge bezogen, die zu einer wesentlichen Weiterentwicklung der Idee der Kindheit beitrugen. So sind zwei Gedanken von besonderer Relevanz: Dass Kindheit aus sich heraus wertvoll ist, was er mit seinem zweiten Gedanken begründet, dass „[...] Kindheit das Lebensalter ist, in dem der Mensch dem «Naturzustand» am nächsten steht.“4 Rousseau kritisiert die vorschnelle Vereinnahmung des Kindes als „Bürger“, während doch das Kind zunächst in seinem Naturzustand gewürdigt werden müsste. Es sollte freigestellt sein, um die Ausbildung seiner Sinne, Organe und Glieder von sich aus zu gestalten. Wenn ursprüngliche Bedürfnisse, Gefühle und Neigung zu früh durch unpassende Normen und Verbote unterdrückt werden, „[...] so bringe man einen entzweiten Menschen hervor und arbeite seinen Zielen zuwider.“5 Während für Rousseau Erziehung eher als ein Prozess des Abziehens, des Verminderns von Einflüssen war, entwarf Locke die Metapher einer unbeschriebenen Tafel für den Zustand des menschlichen Geistes bei seiner Geburt. Das Kind war somit ein Wesen, das durch das Vermitteln von Bildung, das Erlernen von Schreiben und Lesen und anderer Kulturtechniken, Beherrschung seiner selbst und das Empfinden von Scham zu einem Erwachsenen geformt wurde. Für Locke war somit in seiner Schlussfolgerung Erziehung ein Prozess des Hinzufügens. Diese beiden konträren Entwürfe stehen bis heute nebeneinander und es stellt sich die Herausforderung, eine Synthese herzustellen, zwischen der weitgehend unangefochtenen Ansicht Lockes, „[...] Kinder seien ungeformte Erwachsene, die es zu zivilisieren gelte, […]“6 „[…] ohne die von Rousseau und der Romantik geschilderten Vorzüge der Kindheit zu beeinträchtigen.“7
Ausgehend von der Gewissheit, dass die Welt der Kinder sich grundlegend von der der Erwachsenen unterscheidet, hat der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget (1896 - 1980) mit seiner ursprünglich biologischen Ausrichtung eine Theorie erarbeitet, welche die Denkprozesse der Kinder erfasst, eingeteilt in unterschiedliche Entwicklungsstufen. Laut Piaget konstruieren sich Kleinkinder ihr Wissen durch die aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt. Dabei erfassen Kinder neue Gegenstände in ihrer Umgebung durch generalisierende Einordnung und differenzierende Anpassung. Bei Kindern laufen Denkprozess aus „[...] der Perspektive ihrer eigenen unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung [...]“8 ab. Piaget teilt die kognitive Entwicklung in vier Stufen ein. So sammelt in den ersten beiden Lebensjahren das Kind Erfahrungen über die sinnliche Wahrnehmung und mittels Bewegungsvorgängen: „Die Ursprünge der Intelligenz sind nach Piaget auf der sensomotorischen Stufe zu finden, die mit der Geburt beginnt.“9 Ein Säugling „denkt“ in dieser Phase also vorwiegend sensomotorisch. Weitere Stufen der kognitiven Entwicklung sind das präoperationale Stadium, in dem das Kleinkind sich die Sprache aneignet und mit Begriffen, Vorstellungen und Symbolen umzugehen lernt. Es folgt die Stufe des anschaulichen Denkens, in der das Denken sich in inneren Bildern entfaltet, mittels derer bereits auch kausale Zusammenhänge hergestellt werden. Im folgenden Stadium der konkreten Operationen wird nicht mehr nur einseitig gedacht, sondern verschiedene Eigenschaften werden mit einem Gegenstand verknüpft. Das Kind ist nun in der Lage, vorauszudenken und rückblickend sein Handeln zu reflektieren. In der Stufe der formalen Operationen ist mit elf, zwölf Jahren die ausgereifte Form logischen Denkens erreicht. Der Jugendliche ist in der Lage, mit abstrakten Inhalten und Hypothesen gedanklich umzugehen und Probleme werden auf der Basis von Theorien analysiert. Es wird deutlich, dass innerhalb der einzelnen Entwicklungsstufen sich das Denken sich immer mehr vom konkreten Gegenstand und der sinnlichen Erfahrung löst, hin zu einer komplexeren Wahrnehmung und einer sich verstärkenden Abstraktionsfähigkeit. Den Ursprung des Lernens sieht Piaget eindeutig in der sensomotorischen Phase verankert, was dem heutigen Bild des fähigen Säuglings entspricht.10
Die Reformpädagogin Maria Montessori (1870 - 1952) entwickelte, abgeleitet von ihren Beobachtungen, die sie in den von ihr gegründeten Kinderhäusern sammelte, im Gegensatz zu dem wissenschaftlich begründeten Vorgehen Piagets, ein pädagogisches Handlungskonzept. Dieses ist geprägt durch den Gedanken der Erziehung des Kindes zur Selbstständigkeit, indem die Eigentätigkeit des Säuglings gefördert wird, was sie mit dem Satz: „Hilf mir es selbst zu tun!“ zusammenfasst. Die Bezugspersonen nehmen bei diesem Ansatz eine eher passive Rolle ein, da sie neben der physischen Versorgung vorwiegend ein geeignetes Umfeld schaffen sollen, indem das Kind sich mit seinem individuellen Tätigkeitsdrang frei entfalten kann. Dieses dem Kind von Natur aus angelegte Freiheitsstreben zu schützen und zu fördern, ist somit die Hauptaufgabe der Bezugspersonen. Montessori entwickelt das Bild vom Kind, dem die Vorstellung einer frei auswählenden und agierenden Persönlichkeit zugrunde liegt und das sich im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst bildet. Sie geht davon aus „[...] dass es bei den kleinen Kindern nicht um die Vermittlung von Kenntnissen geht, sondern vielmehr um das Erwecken und Entfalten der geistigen Kräfte.“11 Es entsteht der Gedanke der Selbstbildung, der in drei Entwicklungsbereiche eingeteilt wird, die alle gleichermaßen gefördert werden müssen, um die frühkindliche Bildung zu garantieren. Zu diesen Bereichen gehören der sensomotorisch-physiologische Bereich, der kognitiv-affektive, der sozial- affektive und der kulturelle Bereich. Ersteres meint die Erfüllung der Grundbedürfnisse wie Nahrung, Schlaf und Bewegung, wobei Bewegungsvorgänge im Säuglingsalter vor allem durch tastende Bewegungen der Arme und Hände geprägt sind. Der zweite Bereich steht für das Sammeln und Ordnen von Eindrücken, gepaart mit dem Bedürfnis, sich in der Welt teilnehmend zurechtzufinden. Letzteres meint Selbstbildung als einen Prozess, der abhängig von kulturellen und sozialen Gegebenheiten zu sehen ist.12 Montessori bezieht sich hier auf den sozialen Austausch ganz allgemein, aber zählt zu den „aktiven Umgangserfahrungen“ auch im Konkreten „Aufrichtigkeit und Lüge“, „Moral und Unvollkommenheit“ und die Erfahrung von „Tränen, Schmerzen und Unverständnis.“13 Die Entwicklung dieser Bereiche findet also zunächst aufgrund der Bemühungen der Säuglinge aus sich selbst heraus statt, gleichwohl in Abhängigkeit affektiver und kultureller Beziehungen. Montessori lässt hier noch den Gedanken der Übung einfließen: „Das Kind entwickelt sich von Natur aus, das ist wahr, aber eben deswegen bedarf es der Übung.“14
Aus Montessoris Theorie lässt sich, ähnlich wie bei Piaget, der Schluss ziehen, dass Bildung in ihrer Essenz stets ein subjektiver Vorgang ist, geprägt von der Sinnsuche, dem Wunsch nach Orientierung und Teilnahme in Abhängigkeit von der soziokulturellen Umwelt. Sowohl in Piagets als auch in Montessoris Ansätzen findet sich der Gedanke eines wachen Säuglings wieder, der auf Grund seines ihm angeborenen Aktivitätsdranges mit der Umwelt in Kontakt tritt und sich so selber ein Bild von dieser schafft.
Die Vorschläge des Erziehungswissenschaftlers Gerd E. Schäfer befassen sich aus aktueller Sicht mit dem Thema Bildung, nicht ohne sich dabei auch auf Piaget und Montessori zu beziehen. Sein Buch „Bildung beginnt mit der Geburt“15 unterliegt vor allem dem Bestreben, innerhalb der aktuellen Bildungsdiskussion Orientierung zu bieten. Für diese Arbeit ist der erste Teil relevant, in dem er sich aus heutiger Sicht der Frage widmet, was man unter frühkindlicher Bildung zu verstehen habe.
So gilt auch für Schäfer, dass Bildung in Prozessen der Selbstbildung stattfindet, in denen „[...] Handeln, Empfinden, Fühlen, Denken, Werte, sozialer Austausch, subjektiver und objektiver Sinn miteinander in Einklang gebracht werden müssen.“16 Es ist dabei von zentraler Bedeutung, sich zu vergegenwärtigen, dass Selbstbildung im Säuglingsalter, wie es auch schon Piaget und Montessori festhielten, in „[...] Form von Wahrnehmung, Nachahmung und Erkundung im Medium des Spiels und anderer Ausdrucksformen des Kindererlebens“17 stattfindet. Auf diesem Gedankengang aufbauend teilt Schäfer - ähnlich wie Montessori - Bildung in drei Unterkategorien ein: Bildung als selbstständiger Weltaneignungsprozess, Bildung als Prozess in Abhängigkeit kultureller und sozialer Gegebenheiten und frühkindliche Bildung als ästhetische Bildung.
Der Aspekt der Selbsttätigkeit setzt unmittelbar mit der Geburt ein, wie der Titel des Buches schon verlauten lässt. So nutzt der Säugling die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen, um seine Umwelt zu erschließen, sich zu orientieren und Regelmäßigkeiten festzuhalten: „Dabei benutzt das Kind die Mittel, die ihm seine Umwelt vorgibt, wie ein Bastler die Materialien in seinem Sinn verwandelt, die ihm zur Hand sind.“18 Der Säugling wird in seinen frühen Lebensmonaten also schon als ein forschendes, ein sich im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst ausbildendes Individuum verstanden, mit der Beschränkung, dass „[...] diese (Be-)Deutungen nicht im Sinne eines begründeten Denkprozesses verstanden werden können.“19 Vielmehr handelt es sich in der Formulierung Piagets um ein sensomotorisches Denken. Auch zu Montessori lassen sich hier Parallelen ziehen, die die Entwicklung der Selbständigkeit als kognitiv-affektive Entwicklung bezeichnet. Und auch ihre Theorie beinhaltet den Gedanken, dass der Prozess der Selbstbildung abhängig ist von äußeren sozialen und kulturellen Einflüssen und im Zusammenhang mit diesen zu sehen ist. Durch eigene Aktivität und im Kontakt zu seinen Bezugspersonen kann das Kind seine Umwelt erforschen: „Kinder brauchen Partner, die auf ihre Welt- und Selbsterfahrungen reagieren.“20
Da Kinder zunächst mittels sinnlicher Erfahrungen ihre Umwelt erforschen, ist ein weiterer Ansatz Schäfers, frühkindliche Bildung als ästhetische Bildung zu verstehen. Dieser Ansatz folgt der Beobachtung, dass Kinder eine „[...] Vorliebe für Gesichter, Figur-Grundverhältnisse, Größenkonstanten, Farb- und Strukturdifferenzierungen, für Muster oder bildhafte Darstellungsstile usw. [...]“21 haben. Ästhetische Bildung hat den bereits erwähnten Aspekt zur Grundlage, das Lernen mittels „[...] der wahrnehmenden Teilhabe an der Wirklichkeit und ihrer Inszenierung in Prozessen des Fantasierens, Spielens und Gestaltens [...]“22 geschieht. Bildungsprozesse finden, so stellt Schäfer deutlich heraus, im Kindesalter also vorwiegend über die sinnliche Erfahrung statt, die dabei nicht nur eine ordnende Funktion hat, sondern dem Wahrgenommen auch Sinn und Bedeutung verleiht. Letzteres wird über die Gefühlsebene vermittelt, die die Kinder befähigen, die Verhaltens- und Vorgehensweisen, Sozial- und Sachbezüge in ihrer Bedeutung zu verstehen. Mit dem Begriff der ästhetischen Bildung sind laut Schäfer einmal das Denken in Bildern und im Folgenden die weitere Ausgestaltung dieser gewonnenen Bilder gemeint. Da Kinder in diesem Stadium noch nicht der Sprache mächtig sind, ist das Denken in Bildern neben der sensomotorischen Erfahrung eine der elementaren Formen der frühkindlichen Bildung und Grundlage für alle folgenden Bildungsprozesse. Die Weiterentwicklung dieser Bilder wird durch das kreative Spiel, durch das Phantasieren und bildnerische Gestalten gefördert. Ästhetisches Denken und Bildung sind dabei grundsätzlich als subjektive Prozesse zu verstehen, mit denen das Kind auf die Wahrnehmungen reagiert, mit denen es konfrontiert ist.23
Aus den Vorüberlegungen lässt sich schließen, dass das Bild vom Kind geprägt ist durch die Vorstellung des Kindes als Individuum, dass seinen Bildungsprozess aktiv aus sich selbst heraus gestaltet. Dieses Bild findet aktuell Bestätigung durch neurobiologische Erkenntnisse, die belegen, dass intakte Nervenverbindungen im Gehirn zwischen einzelnen Neuronen vorwiegend in der Kindheit entstehen und zwar vor allem durch Lernvorgänge.24
Unter Berücksichtigung der hergeleiteten Definition von Bildung und dem Bild eines aktiven Säuglings werden nun zunächst entwicklungspsychologische Theorien, sowie Voraussetzungen für einen gelungenen Spracherwerb und dessen Phasen dargestellt.
Die Sprache dient im Wesentlichen zwei Aufgaben: Sie ermöglicht uns, mit anderen in Kontakt zu treten und uns auszutauschen, unsere Gefühle, Gedanken und Wünsche mitzuteilen. Sprache garantiert die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Andererseits dient die Sprache der Erkenntnis und der gedanklichen Erlebnisverarbeitung. Sie hilft uns, Gegebenheiten in immer neuen und verallgemeinernden Zusammenhängen zu betrachten. Durch die Versprachlichung der Welt werden Gegenstände und Sachverhalte erfasst, strukturiert und logisch miteinander verknüpft. Der Spracherwerb ist somit eine der besonders wichtigen Entwicklungsaufgaben, die innerhalb des gesamten Prozesses von frühkindlicher Entwicklung stattfindet. Beim Erwerb der Sprache kommen dabei die Gesichtspunkte Artikulation, Wortschatz und Grammatik zum Tragen, die sich parallel innerhalb der ersten vier Lebensjahre in einem beachtlichen Tempo entwickeln.25
Ähnlich wie für die Bildung in der frühen Kindheit gibt es verschiedene, teils sich widersprechende, teils sich ergänzende Spracherwerbstheorien, die sich mit der Entstehung der Sprache und der Frage beschäftigen, was Kinder zu dieser Entwicklung befähigt. Die wesentlichen Positionen sind dabei die behavioristische Skinners, die nativistische Chomskys, die interaktive Bruners und die kognitive Piagets.
Der Psychologe Burrhus Frederic Skinner (1904 - 1990) vertrat die zentrale These des behavioristischen Ansatzes des Spracherwerbs, dass Sprache im Wesentlichen durch die positive Verstärkung spontaner Lautäußerungen entsteht. Je häufiger eine Äußerung verstärkt wird, desto mehr festigt sie sich im Sprachrepertoire des Kindes. Spracherwerb basiert in seinen Worten also auf den drei Kategorien: Stimulus, Response und Verstärkung.26
[...]
1 Neil Postman: „Das Verschwinden der Kindheit“ Frankfurt am Main, S. Fischer Verlag, 3. Auflage,1983
2 Ebd. Neil Postman, a.o.O., S. 8
3 Ebd. Neil Postman, a.o.O., S. 49
4 Ebd. Neil Postman, a.o.O., S. 72
5 Ebd. J.-J. Rouesseau: „Emil oder über die Erziehung“ Paderborn, Schöningh Verlag, 13. Auflage, 1998, S. 6
6 Ebd. Neil Postman, a.o.O., S. 74
7 Ebd. Neil Postman, a.o.O., S. 84
8 Ebd. L. Fried, B. Dippelhofer-Stiem, M. Honig, L. Liegle: „Einführung in die Pädagogik der frühen Kindheit“ Berlin, Beltz Verlag, 2003, S. 33
9 Ebd. Celia Stendler-Lavatelli: „Früherziehung nach Piaget“ München/Basel, Ernst Reinhardt Verlag, 1976, S. 32
10 Vgl. Celia Stendler-Lavatelli, a.o.O., S. 32 - 45
11 Ebd. Hildegard Holtstiege: „Montessori-Pädagogik für 0-4 Jahre: Ganzheitliche Bildung in Familie, Kita und Kindergarten“ Freiburg, Herder Verlag, 2009, S. 50
12 Vgl. Hildegard Holtstiege, a.o.O., S. 11 - 55
13 Ebd. Hildegard Holtstiege, a.o.O., S. 55
14 Ebd. Hildegard Holtstiege, a.o.O., S. 55
15 Gerd E. Schäfer (Hrsg.): „ Bildung beginnt mit der Geburt: Ein offener Bildungsplan für Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen“ Mannheim, Cornelsen Verlag, 2. Auflage, 2007
16 Ebd. S. 30
17 Ebd. Gerd Schäfer (Hrsg.), a.o.O., S. 17
18 Ebd. S. 31
19 Ebd. S. 8
20 Ebd. S. 67
21 Ebd. S. 65
22 Ebd. S. 126
23 Vgl. Gerd E. Schäfer (Hrsg.), a.o.O., S. 9 - 127
24 Vgl. Petra Völkel, Susanne Viernickel (Hrsg.): Fühlen, bewegen, sprechen und lernen: Meilensteine der Entwicklung bei Kleinstkindern“ Troisdorf, Bildungsverlag, 1. Auflage, 2009, S. 25 - 27
25 Vgl. Petra Völkel, Susanne Viernickel (Hrsg.), a.o.O., S. 108 - 109
26 Vgl. Gisela Szagun: „Sprachentwicklung beim Kind: Eine Einführung“ Weinheim, Beltz Psychologie Verlags Union, 5. Auflage, 1993, S. 11, 79