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Bachelorarbeit, 2014
57 Seiten, Note: 1,0
Medien / Kommunikation - Public Relations, Werbung, Marketing, Social Media
1. Einleitung
2. Entwicklung des Männerbildes
2.1 Das Männerbild in der Gesellschaft
2.2 Das Männerbild in der Werbung
3. Methodische Überlegungen
3.1 Typologisierung des Mannes
3.2 Visual Culture - Die Macht der Bilder
3.3 Vorgehensweise der Untersuchung
4. Männerbilder in Werbespots von Under Armour
4.1 Repräsentativität des Untersuchungsmaterials
4.2 Under Armour Protect this house
4.3 Under Armour The new prototype
4.4 Under Armour Innovation
4.5 Auswertung der Analyseergebnisse
5. Zusammenfassung und Ausblick
6. Literaturverzeichnis
7. Abbildungsverzeichnis
„Eingebettet in die ständige Penetration der Massenmedien mit Erlebniswelten arbeitet der TV-Spot als eigene Abteilung in der „Traumfabrik“ Fernsehen. Statt bloßer Produktinfo werden Verhaltensmuster und Wertvorstellungen vermittelt, die auf kulturellen und sozialen Entwicklungstendenzen [basieren].“01 Das Männerbild wird zwangsläufig durch die Präsenz der Werbung in unserem Alltag mitgestaltet und verändert. Die soziale und kulturelle Wirkung der Werbung geht weit über den wirtschaftlichen Bereich hinaus und verstärkt den ständigen Wandel vom Bild des Mannes in der Gesellschaft und den Medien.02 Durch diesen Wandel verändern sich das Schönheitsideal von Frau und Mann in der Werbung.
Der Sportartikelhersteller Under Armour hat im letzten Jahrzehnt besonders interessante Darstellungen und Inszenierungen von Männerbildern in einigen Werbespots präsentiert. Sportartikelhersteller wie Nike, adidas, Puma und andere sind heute verstärkter Komplexität und einer immer größer werdenden Dynamik des Wirtschaftsgeschehens ausgesetzt. Die Anpassungen der Werbung an die Männerbilder aus der Gesellschaft ist zwar notwendig, aber längst nicht mehr ausreichend um im Wettbewerb zu bleiben.03 Eine genaue Analyse des Männerbildes in Werbefilmen eines Sportunternehmens, dass sich auf dem bereits dominierten Sportartikelsektor durchsetzen kann halte ich für besonders interessant.
Die Werbung kann aber nur in komprimierter Form ein Angebot darüber machen, wie Geschlechter sind und wie sie sich zu einander verhalten. Sie wählt dazu Wunschvorstellungen und Erfahrungen aus der Alltagswelt. Dabei muss sie mit ihrer Darstellung von Rollen und Stereotypen immer eine breite Masse ansprechen, um ihr Produkt verkaufen zu können, demnach werden Frauen und Männer meist stereotyp dargestellt. Das bedeutet, dass Frauen und Männer in der Werbung zeigen, was in der Realität als typisch gilt.
In dieser Arbeit soll untersucht werden, wie der Mann in der Werbung von Under Armour dargestellt wird. Es soll jeweils ein Überblick über das Männerbild in der Gesellschaft und in der Werbung von der Vergangenheit bis heute gegeben werden. Traditionelle Bedeutungen und moderne Sichtweisen werden hierbei erörtert, verschiedene Männerbilder vorgestellt und es wird herausgearbeitet, inwieweit die Werbung gesellschaftliche Stereotype aufgreift und diese verändert, übernimmt oder weiterentwickelt. Drei exemplarische Werbespots von
Under Armour werden untersucht und zum Vergleich mit dem Männerbild in unserer modernen Gesellschaft herangezogen. Hierbei soll auch die Entwicklung des Männerbildes über die Jahre in diesen Spots betrachtet und die Darstellung von Frauenbildern zum Vergleich herangezogen werden. In der Fernsehwerbung gibt es derzeit eine Tendenz zur Darstellung des Mannes als Vater und im Sportbereich stehen oft unbedenklichere Sportarten, Spiel und Spass im Vordergrund. Der männliche Körper nimmt oft weichere Züge an, mit denen die Härte und Männlichkeit abnehmen. Die Werbespots von Under Armour bieten teilweise ein eher gegensätzliches Bild mit sehr rauen und dunklen, fast beängstigenden, szenischen Umsetzungen. Kann eine solche Inszenierung heute noch positiv besetzt sein? Was kommt nach dem androgynen Mann?
Werbung verstärkt in der Regel vorherrschende Grundströmungen und kann Modelle für typisches und zeitgemäßes Verhalten (hier des Mannes) liefern.04 Die schematische Analyse setzt ein Augenmerk darauf, welche Rolle dem Mann hier zugeordnet wird. Diese Arbeit liefert außerdem einen Abriss über den Forschungsstand der Visual Culture und geht speziell auf die kinematographische Inszenierung und Verwendung visueller Werkzeuge im Untersuchungsmaterial ein. Greifen die Werbespots von Under Armour bei ihrer Darstellung des Mannes auf einen existierenden Stereotyp zurück oder bieten sie Alternativen bzw. Ausstiegsrollen an? Schafft die Werbung vielleicht sogar neue Trends in ihrer Darstellung des Mannes?
„ Vieles ist in der Krise; die Männer sind es auch. Ihre Vorherrschaft ist mehr als gefährdet, ihr Selbstbild geschwächt, ihre Tradition ausgehöhlt ihre Identität ist brüchig. “05 Walter Hollstein beschreibt 1991 sehr treffend den Wandel des Männerbildes in der damaligen Gesellschaft. Es geht um eine Entwicklung die heute, 22 Jahre später, zwar mit Sicherheit fortgeschritten ist, aber noch keinen Abschluss gefunden hat. Das Geschlechterverhältnis, und damit das Männerbild, befindet sich in einem kontinuierlichen Wandel. Früher gab es eine klassische Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen. Der Mann war das Oberhaupt der Familie und dafür zuständig diese zu versorgen und zu beschützen. Er war der Patriarch. Die Frau kümmerte sich um die Kinder und das Zuhause. Heute gibt kein klares bzw. eindeutiges Bild davon, was einen modernen Mann ausmacht. Stattdessen gibt es eine Vielfalt von Identitätsund Verhaltensmustern aus denen das ausgeprägte Bedürfnis nach Orientierung, Sicherheit und Stabilität wächst.06 Es gibt keine genaue Vorstellung darüber, wie Männer sich verhalten sollen oder an welchen Vorbildern sie sich orientieren sollen um ihrer Rolle als Mann gerecht zu werden. Wie haben sich Männer gegenüber anderen Männern oder Frauen zu verhalten? Wie verhält sich ein Mann richtig im Beruf, wie im Privatleben? „Es fehlen entsprechende Rollenleitbilder“07 die diese Fragen beantworten könnten.
Die Entwicklung vom Leitbild zum „Leidbild“ hängt unter anderem mit der Emanzipation der Frau und dem damit verbundenen gesellschaftlichen Wandel in der Geschichte zusammen. Unter Berücksichtigung der Absicht dieser Arbeit Werbespots zu untersuchen, sei angemerkt, dass der erste legale TV-Werbespot 1941 in den USA08 und 1956 in Deutschland gezeigt wurde. Demnach konzentriert sich nachfolgende Beschreibung auf die Entwicklung des Männerbildes ab diesem Zeitraum. Es sei dennoch erwähnt, dass die gesellschaftliche Relevanz der Beschäftigung mit dem Mannsein bereits früh begonnen hat. Klaus Theweleits zweibändige Untersuchung „Männerphantasien“ entstand im Kontext der Aufarbeitung des Nationalsozialismus und gilt als eines der ersten Werke der deutschen und internationalen Männerforschung. Die Fotografin Leni Riefenstahl hat das nationalsozialistische Männerbild insbesondere im Zusammenhang mit Filmen und Fotografien zu den Olympischen Spielen 1938 umgesetzt.
Diese Abhandlungen können uns später bei der Untersuchung des Under Armour Werbespots behilflich sein.
„Männlichkeit und Weiblichkeit sind soziale Schlüsselkategorien. Sie sind insofern untrennbar gekoppelt an gesellschaftliche Bedingungen - nicht nur der jüngeren Vergangenheit. […] Weil die 50er Jahre den Anfang einer Entwicklung markieren, deren Auswirkungen bis in die heutige Zeit hineinreichen.“09 Während der Wandel in den 50er Jahren gewissermaßen „unterhalb der Wahrnehmungsschwelle“10 erfolgte, war die Frauenbewegung der 70er Jahre ein wesentlicher Faktor für die gesellschaftlichen Entwicklungen der darauf folgenden Zeit.11 Eine entscheidende Beobachtung dabei ist, dass sich das Bild der Frau aktiv entwickelt hat, während die Entwicklung eines Männerbildes nicht als notwendig erachtet wurde und unterblieb. Es wurde kein neues Rollenbild für den Mann geschaffen, seine bisherige Rolle blieb aber. Die Erwerbstätigkeit der Frau wurde erstmals positiv bewertet, jedoch der Erwerbstätigkeit des Mannes und den Aufgaben in der Familie untergeordnet. Das Geschlechterarrangement der 70er Jahre ist gekennzeichnet durch Widersprüchlichkeit und ein „unverbundenes Nebeneinander traditioneller und durch die Emanzipationsbewegung inspirierter Auffassungen von Männlichkeit und Weiblichkeit“.12 Dieses Nebeneinander findet sich heute in verstärkter Form wieder. So beschreibt Ludwig Greven in einem Artikel der Zeitung „Die Zeit“ im Februar 2013, dass bei ihm zu Hause ein klassisches Rollenverhältnis gegeben war. Sein Vater ernährte die Familie und spielte den Patriarchen, genau wie es dessen Vater zuvor getan hatte. Die Mutter kümmerte sich als Hausfrau um die Kinder und den Haushalt und wagte es kaum ihrem Mann zu widersprechen.13 Ludwig Greven bestätigt im gleichen Artikel, auch dass ein Teil des klassischen Männerbildes weiter existiert. „Mann zu sein verspricht noch immer privilegierten Zugang zu den Chancen und zur Macht in der Gesellschaft.“14 Eine Bewegung des Männerbildes in die Richtung, welche die Emanzipation der Frau bestärkt beschreibt eine Studie des Sinus-Instituts von 2009. Darin werden die wichtigsten Eigenschaften des „sympathischen Mannes“ verbunden mit einem in die Familie eingebundenen Mann, der sich dieser Verantwortung bewusst ist, die Familie gut versorgt und liebevoll für seine Kinder da ist (früher Rolle der Frau).15
Die heutige Vielfalt von Identitäten und Verhaltensmustern wurde in den 80er und 90er Jahren weiter geprägt. Zustiege zitiert die Ergebnisse einer vom Emnid-Institut zwischen Anfang der 80er Jahre und Mitte der 90er Jahre durchgeführte Befragung, nach der sich die Eigenschaften des idealen Mannes tendenziell in Richtung auf mehr Gefühle verschieben, weniger Einkommen und Karriere, mehr sexuelle Treue und stärkere Überzeugungen.16 Verstärkt vermischen sich die klassischen Rollen. Anfangs war es neu, dass die Frau Aufgaben erfüllte, Interessen verfolgte und Positionen einnahm, die nur dem Mann zugesprochen waren. Dann kam hinzu, dass der Mann zunehmend in Rollen geschlüpft, ist die nur der Frau zugesprochen wurden. Heute tun sich viele Männer mit der Sexismus-Debatte schwer, weil sie sich ihrer eigenen Rolle unsicher sind.17 Sowohl für Frauen als auch für Männer ist die Gleichberechtigung der Frau kein Thema mehr, sondern Standard. Beide Geschlechter können heute gleichermaßen verschiedene Rollen einnehmen. Die Karrierefrau und der Hausmann sind keine Besonderheit in modernen Beziehungen. Wie Zustiege beschreibt: Die zunehmende Bildungsexpansion, die immer größer werdenden Wahlmöglichkeiten des Einzelnen, der Prozess der Individualisierung stellen die traditionellen Geschlechterrollen immer mehr in Frage.18 Man könnte formulieren, dass es keine Rollenbilder für Männer und Frauen gibt, sondern nur noch einzelne Stereotypen, Individuen oder Gruppen die einprägsam typologisiert sind.
„Die Gesellschaft entdeckt die Männer neu. Sie fordert Männer heraus, die Aufgaben und Möglichkeiten des Mann-Seins breiter als bisher zu sehen - einerseits unter dem Gesichtspunkt der Geschlechtergerechtigkeit, aber auch als Bereicherung für die Männer selbst.19 Nachdem sich das Männerbild sehr lange nicht weiterentwickelt und den neuen gesellschaftlichen und sozialen Ideologien nicht angepasst hat, sind wir jetzt an einem Zeitpunkt angelangt, wo dies nachgeholt wird. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass es ein neues Rollenleitbild gibt. Vielmehr lässt sich vermuten, dass weiterhin verschiedene Auslegungen von Männlichkeit parallel bestehen werden. Jedoch könnten diese möglicherweise klarer und deutlicher formuliert sein, so dass der Mann sich sicher sein kann, was typisch männlich ist.
„ Das Set klassisch-männlicher Eigenschaften hat bei einem großen Teil der Männer seinen Charme, seinen Leitbildcharakter verloren und ist zum Teil diskreditiert.“ Attribute wie „Härte“ und „Überlegenheit“ werden, nach der Studie des Sinus-Institut aus 2009, von der Minderheit der Männer als sympathisch bewertet.20 Beides Eigenschaften, die besonders bei der späteren
Betrachtung der Sport-Werbeclips im Hinterkopf behalten werden sollten.
Sehr vorausschauend schreibt Zustiege 1998: „Aus sozialisationstheoretischer Perspektive lassen sich im wesentlichen zwei Grundmuster in der Entwicklung zur Männlichkeit herstellen:Abgrenzung [von derMutter] undExternalisierung [Handeln in äußerenBereichen].“21 Dieses Verhalten, welches dem eines Einzelkämpfers mit dem Ziel sich selbst zu verwirklichen gleich kommt, steht im Kontrast zu den Eigenschaften des Mannes, der sich dem neuen gesellschaftlichen Rahmen anpasst. In dieser Außenorientierung liegt ein erstes Indiz für die enge Verbindung von Massenmedien und der Konstruktion von Männlichkeit vor.22 Zurstieges Annahme bestätigt Martin Krauer (2006 New Business Director der Werbeagentur Leo Burnett) in einem Interview: „Wir haben herausgefunden, dass erfolgreiche Werbung dem Mann helfen muss, sich im Dilemma oder Spannungsfeld zwischen metrosexuellem Mann und Macho zurechtzufinden. Eine Bewältigungsstrategie wäre zum Beispiel das „Männer-Reservat“. Hierunter versteht man, dass sich gleichgesinnte Männer unter Ausschluss von Frauen zusammentun und ungestört sowie vor allem unbeobachtet einer Passion frönen, sei dies Fußball oder Sport.“23
Um die Rolle des Mannes in der Werbung zu untersuchen muss man sich zuerst vor Augen führen welches Ziel Werbung hat und wie Sie darstellt. Im Folgenden sollen Werbespots untersucht werden. Es muss daher erwähnt sein, dass der Werbespot nur einen Bestandteil aller werblichen Mittel darstellt, „ die innerhalb der gesamten Bewerbung eines Produktes, einer Dienstleistung, eines Images, einer Change, einer Partei, eines Rechts oder eines sozialen oder kulturellen Anliegens rezipiert werden können. Somit bedingt die folgende thematische Beschäftigung mit dem Männerbild in der Fernsehwerbung eine Ausgrenzung des TV-Spots aus dem Komplex aller Möglichkeiten werblicher Massenkommunikation.“24 Der Werbespot bietet durch seine audiovisuelle Form wohl die komplexeste Darstellungsmöglichkeit aller massenmedialer Mittel. In Bild, bewegten Bildern und Ton können Männerbilder selbstverständlich detaillierter und komplexer gezeigt werden als auf Plakaten, Anzeigen, Internet-Bannern oder in der Radiowerbung. „Medien stellen Männer und Frauen nicht bloß dar, sondern sie produzieren auch Vorstellungen darüber, wie Männer und Frauen ‚sind‘. Sie liefern Bilder von ‚richtigen‘ Männern und ‚attraktiven‘ Frauen. [...] Auf unterschiedliche Weise arbeiten die Medien daran mit, die Beziehungen der Geschlechter untereinander und zueinander ins Bild zu setzen, zu reglementieren, zu verändern, zu stabilisieren oder zu idealisieren.“25
In der eingängigen Literatur findet man verschiedene Positionen zum Zusammenhang von Werbung und Gesellschaft. Siegfried J. Schmidt und Brigitte Spieß schreiben 1994: „[Werbung] schafft Notwendige ebenso wie überflüssige Bedürfnisse und artikuliert vorhandene - insofern ist Werbung immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft.“26 In einem Ausstellungskatalog der Stadt Dresden von 2010 wird diese Position verstärkt indem gesagt wird, dass sich Werbung auch als ein eigenständiges gesellschaftliches Funktionssystem begreifen lässt. Diese würde nicht nur als Spiegel der Gesellschaft wirken, sondern gestalte darüber hinaus als Ab- und Vorbild zugleich das gemeinschaftliche Lebensgefühl eines sozialen Verbundes aktiv mit.27 Eine eher kritische Gegenposition umschreibt H . Landbeck mit eine Metapher: „[Werbung ist vielmehr] eine Brille, mit der wir unsere Welt betrachten sollen - allerdings eine sehr teure Brille [...].“28 Besonders zur Betrachtung des Männerbildes in der Werbung ist zu beachten, dass zum Beispiel nach Nils Borstnar die Rolle des Mannes in der Werbung erst seit den 90er Jahren wahrgenommen wird. Es existiert keine Forschungstradition der image of man - Forschung. Nils Borstnar beschreibt in der Einleitung seines Buches „Männlichkeit und Werbung“, dass die Analyse von Männlichkeit im Film (und damit in der Werbung) häufig bereits auf überindividuelle Strukturen und Themen verlagert sei.29 Das heisst es werden nicht Individuen betrachtet, sondern nur gängige Stereotypen untersucht. Es werden verschiedenen Typologisierungen von Männern gesucht und gefunden, ohne dass nach neuen Männerbildern geforscht wird, welche die Medien möglicherweise anbieten. Erving Goffman sagt, dass in der Werbung eindeutig keine kritische Reflexion von Rollenstereotypen zu erwarten sei.
Die Rolle des Mannes in der Werbung wird oft führend, schützend und übergeordnet dargestellt. Die gängigen Rollenbilder werden überzeichnet. Goffman verwendet den Begrif der „Hyper-Ritualisierung“.30 Dies macht auch Sinn, da Werbung stets ein breites Spektrum von Menschen ansprechen möchte und einen möglichst hohen Wirkungsgrad und eine große Überzeugungskraft erzielen will. „Werbung präferiert positive Themen, vernachlässigt Problem- behaftetes oder hält dafür zumindest eine Lösung parat. Wie kaum ein anderer Kommunikati- onstyp ist Werbung in der Lage, Gegensätzliches in Einklang miteinander zu bringen. Dies hat sich nicht nur bei der Überprüfung der Konflikthypothese [Die Hypothese stellt die Frage ob Werbung Konflikte löst.] gezeigt, sondern erweist sich [...] als durchgängiges Muster werblicher Männerdarstellungen.“31 Zurstiege beschreibt in seinen Untersuchungen wie eine Abwandlung des Männerbildes in der Gesellschaft zum Männerbild in der Werbung stattfindet. „Werbung produziert ein spezifisches Bild von Männlichkeit und eben kein Abbild“32. Um Aufmerksamkeit und Kaufbereitschaft zu erreichen, generiert Sie idealisierte, geglättete, emotional aufgeladene und zum Teil drastisch übersteigerte Bilder.33 Für Zurstiege stellt die Werbung somit keine tatsächliche Repräsentation des Mannes in den Medien bzw. in der Gesellschaft dar.
Neben der kritischen Hinterfragung von Werbung und deren Darstellungsformen bleibt es dennoch interessant das gezeigte Männerbild zu untersuchen, da eine stetige Wechselwirkung von Werbung und Gesellschaft nicht von der Hand gewiesen werden kann. [Werbung setzt] das intrasubjektiv geteilte Wissen voraus, was als männlich und weiblich gilt. [...] Auf der anderen Seite begründet Werbung mit jeder Darstellung eines Mannes [...] von neuem den Geschlechter- dualismus und fügt dabei der allgemeinen Geschlechterdifferenzierung immer wieder neue Unterscheidungen hinzu“.34
Es lässt sich in der Werbung eindeutig mitverfolgen wie die Darstellung des Mannes sich im Laufe der Zeit gewandelt hat. Parallel zur Entwicklung in der Gesellschaft wurden auch in der Werbung immer neue und breiter gefächerte Männerbilder benutzt um Produkte und Images zu bewerben. „Im Zeitverlauf zwischen 1955 und 1995 weitet sich die Darstellungsbreite von Männerdarstellungen aus.35 Der Mann in der Werbung wurde in seiner Rolle als Anführer und Ernährer bestärkt in dem er oft als Allwissender Produkte zeigte, lobpreiste und den Fachmann mimte. In den 60er Jahren wurde dies ergänzt durch den „einsame[n] Cowboy [der] in der Prärie dem Sonnenuntergang entgegen reite[t].“36 Nachdem in den 70er Jahren Klischees des dicken, alten und tollpatschigen Mannes hinzukamen, begann die Werbung in den 80er Jahren erste nackte oder leicht bekleidete Männer zu zeigen. „Natürlich dient die Frau nach wie vor - insbesondere in der Werbung für Männerprodukte - als Lustobjekt. Die Gleichberechtigungsbewegung hat allerdings dazu geführt, dass inzwischen auch bei Männern die Hüllen fallen.“37 Dieses Phänomen bestärkte die weitere Entwicklung in den 90er Jahren als der gleichberechtigten Darstellung beider Geschlechter eine größere Rolle zugeschrieben werden kann. Alte Klischees vom harten und coolen Malboro-Mann finden sich nach wie vor, haben aber nicht mehr den gleichen prägenden Einfluss für die Rolle des Mannes. Heute finden wir alle Klischees der Werbung nebeneinander. Neben dem starken Mann wird jetzt auch der modische, kindische, zärtliche und romantische Mann gezeigt. „Was früher als unmännlich galt, ist jetzt Trend.“38
Vielleicht kann man zum Teil sogar von einer Kompensation der bisherigen Frauenrolle sprechen. Roland Mischke beschreibt in einem Artikel des Hamburger Abendblatt von 2006 eine Studie des Österreichischen Sozialministerium: Demnach würden Männer in den Medien fast durchweg diskriminiert werden („Volltrottel in der Vaterrolle.“).39 Eine übersteigerte Gegenüberstellung von Mann und Frau in der Werbung scheint jedoch nicht zu funktionieren. „Ein verblödeter Mann neben einer attraktiven Frau veranlasst weibliche wie männliche Zuschauer zum Weiterzappen. [...] Beide Geschlechter bevorzugen den männlichen Helden“40
Zum aktuellen Stand der Rolle des Mannes in der Werbung kann man davon sprechen, dass - parallel zur Rolle des Mannes in der Gesellschaft - die Gleichstellung zur Frau zu einem Höhepunkt gekommen ist und eine Neuformung des Männerbildes begonnen hat. „Vor allem Neues kann die Aufmerksamkeit der Rezipierenden wecken; der neue Mann, die neue Frau der Werbung sind besser als ihre Vorgängerinnen und Vorgänger.“41 Die Werbemachenden probieren dahingehend auch neue Wege aus und bieten dem Konsumenten noch nicht dagewesene Bilder an. Im November 2013 strahlt Henkel einen Werbespot für deren neues Persil-Waschmittel, welches erstmalig nur mit einem Mann auskommt.42 Auch spielt der Mann hier keine erklärende Rolle beispielsweise als Wissenschaftler. Er berichtet, so wie allgemein mit einer Mutter/Frau in den bisherigen Waschemittel-Spots bekannt, wie perfekt er jetzt Wäsche waschen kann. „Die Aufteilung nach klassischen Männer- und Frauenprodukten ist bei einigen Werbetreibenden zwar noch zu spüren, bricht aber zunehmend auf [...].“43
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1, Henkel Persil Duo-Caps, 2013
Die Fachzeitung für Marketing, Werbung und Medien „Horizont“ schreibt in einem Artikel 2013: „[...]Zunehmend löst sich die Werbeindustrie von alten Klischees. Der ‚neue‘ Mann in der Reklame präsentiert sich nahbar, humorvoll und urban.“44 Martin Pahnke, geschäftsführender Gesellschafter von Pahnke Markenmacherei sagt im gleichen Artikel, dass es bei Männern um Omnipotenz ginge. Werbende müssten den Trieb des Mannes nach Handlung bedienen und zwar mit den gesellschaftlichen und sozial geprägten Bildern der jeweiligen Zeit.45 Der
Drang nach Handlung ist besonders bei der nachfolgenden Untersuchung interessant. Werbung von Sportartikelherstellern, oder Werbung in der Sport gezeigt wird, hängt natürlich stets mit dem aktiven Handeln zusammen. Außerdem sei an dieser Stelle noch einmal auf die erwähnte Verwendung des männlichen Körpers zu Reklamezwecken hingewiesen. „Die Konzepte von Männlichkeit sind unmittelbar an den männlichen Körper gekoppelt und erfahren vor allem in der zeitgenössischen Werbung eine massive Aufwertung.“46 Heute kennen wir viele Bereiche der Werbung, in denen der männliche Körper inszeniert wird. Jedoch finden wir zum größten Teil Männerkörper - und vor allem nackte oder wenig bekleidete - in Kosmetik- und Duftwerbungen. Es werden zwar geschönte und durchtrainierte Körper von Männern gezeigt, jedoch wird darauf geachtet, dass diese nicht zu extrem sind oder zumindest nicht zu extrem erscheinen. Analog zum Frauenkörper wird der Männerkörper zum Objekt der Begierde für Frauen oder funktioniert als Idol oder Vorbild für Männer. „ Wenn die Darstellung leicht oder gar nicht bekleideter Männer Gefahr läuft, bloß zu schocken, ggf. sogar Ablehnung hervorzurufen, ist die eigentliche Bühne für die Darstellung des männlichen Körpers der Sport.“47 Zurstieges Aussage lässt sich auf die Untersuchung dieser Arbeit anwenden. Das Thema Sport bezieht fast immer eine Verbindung zur Körperlichkeit mit ein und somit geben uns SportWerbespots mit Männern ein sinnvolles Feld für einen dezidierten Blick auf das Männerbild darin.
Natürlich ist es neben dem aktuellen Stand zur Rolle des Mannes in der Werbung besonders interessant, was in Zukunft für Männerbilder gezeigt werden könnten. Gehen wir weiter von der Annahme aus, dass Werbung und Gesellschaft in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, gibt uns eine Betrachtung der aktuellen Darstellung des Mannes in der Werbung auch Hinweise zur Entwicklung des Mannes in der Gesellschaft. So besetzt Werbung zumindest stets einen Grenzbereich zwischen Tradition und Innovation.48 Welche Perspektiven gibt es um Männer anzusprechen und welche Innovationen könnte es in der Inszenierung des Mannes geben? Martin Krauter gibt eine mögliche Antwort: „Das Erfolg versprechende Männerbild in der Werbung wird nicht gekennzeichnet sein von einer weitergehenden Angleichung der Geschlech- ter. Nach der Welle der Androgynität folgt eine Gegenwelle männlicher Differenzierung. Dies wird allerdings auf einem höherem Bewusstseinsniveau darüber erfolgen, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen. Das Interesse wird sich dann wieder auf Unterscheidungsmerkmale richten und den Mann als Zielgruppe verstärkt in den Fokus rücken.“49 Eine klare Abgrenzung des Mannes läuft zwar Gefahr alte Muster und überholte Rollen wieder hervorzuholen, aber bietet auch neue Chancen. Werbende könnten durch die mediale Darstellung des Mannes neue Idole und Vorbilder schaffen, welche dem Mann wieder eine klar definierte Rolle zuschreiben. Werbung schafft keine neuen Dogmen, dennoch soll auch dieser Innovations-Aspekt bei den Under Armour Werbespots geprüft werden, da der hohe Wirkungsgrad von Werbung unverkennbar bleibt.
[...]
01 Stefan Krohne, „It‘s a Men‘s World. Männlichkeitsklischees in der deutschen Fernsehwerbung“, in: Siegfried J. Schmidt, Brigitte Spieß (Hg.), Werbung, Medien und Kultur, 1995, S. 137.
02 Stefan Hardwig, „Die Verflechtungen von Werbung und Medien aus ökonomischer Sicht“, in: Medienimpulse, 11 (2002), S. 33.
03 Jan König, Sportmarken in der Fussball Bundesliga. Die Ausrüster und ihre Strategien, Hamburg 2011, S. 1.
04 G. Huster, Wilde Frische, Zarte Versuchung. Männer- und Frauenbild auf Werbeplakaten der fünfziger bis neunziger Jahre, Marburg 2001, S. 17.
05 Walter Hollstein, Nicht Herrscher, aber kräftig. Die Zukunft der Männer, Reinbek bei Hamburg 1991, S. 23.
06 C. Wippermann, M. Calmbach, K. Wippermann, „Männer: Rolle vorwärts, Rolle rückwärts.“, Stand: 09.01.2014, http://www.sinus-institut.de/uploads/tx_mpdownloadcenter/ Handout_Maenner_Rolle_vorwaerts_-_Rolle_rueckwaerts.pdf, S. 2.
07 Ebd., S. 2.
08 C.H. Sterling, J.M. Kittross, Stay Tuned. A History of Amercan Broadcasting, New Jersey 2001, S. 229.
09 Guido Zustiege, Mannsbilder. Männlichkeit in der Werbung, Wiesbaden 1998, S. 61.
10 Hannah Schissler, „Männerstudien in den USA“, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, Jahrgang 18 (1992), S. 213.
11 Zustiege, Mannsbilder, S. 67.
12 Ebd., S. 68 ff.
13 Ludwig Greven, „Wir Sandwich-Männer“, Stand: 09.01.2014, http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/ 2013-02/maennerrollen. S.1.
14 Ebd., S.2.
15 C. Wippermann, M. Calmbach, K. Wippermann, „Männer: Rolle vorwärts, Rolle rückwärts.“, Stand: 09.01.2014, http://www.sinus-institut.de/uploads/tx_mpdownloadcenter/ Handout_Maenner_Rolle_vorwaerts_-_Rolle_rueckwaerts.pdf, S. 1.
16 Zustiege, Mannsbilder, S. 73.
17 Ludwig Greven, „Wir Sandwich-Männer“, Stand: 09.01.2014,
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-02/maennerrollen.
18 Zustiege, Mannsbilder, S. 62.
19 C. Wippermann, M. Calmbach, K. Wippermann, „Männer: Rolle vorwärts, Rolle rückwärts.“, Stand: 09.01.2014, http://www.sinus-institut.de/uploads/tx_mpdownloadcenter/ Handout_Maenner_Rolle_vorwaerts_-_Rolle_rueckwaerts.pdf, S. 1.
20 C. Wippermann, M. Calmbach, K. Wippermann, „Männer: Rolle vorwärts, Rolle rückwärts.“, Stand: 09.01.2014, http://www.sinus-institut.de/uploads/tx_mpdownloadcenter/ Handout_Maenner_Rolle_vorwaerts_-_Rolle_rueckwaerts.pdf, S. 1.
21 Zustiege, Mannsbilder, S. 75.
22 Ebd. S. 77.
23 O.V., „Männer in der Werbung“, Stand: 09.01.2014,
http://media.oekotest.de/cgi/index.cgi?action=anz-media-mum-122006-titel.
24 Stefan Krohne, „It‘s a Men‘s World. Männlichkeitsklischees in der deutschen Fernsehwerbung“ in: Siegfried J. Schmidt, Brigitte Spieß (Hg.), Werbung, Medien und Kultur, 1995, S. 136.
25 Edgar J. Foerster, „Männlichkeit und Macht in der Werbung.“, in: Medienimpulse, 12. (1995), Seite 18.
26 Siegfried J. Schmidt, Brigitte Spieß, Die Geburt der schönen Bilder.
Fernsehwerbung aus der Sicht der Kreativen, 1994, S. 58.
27 Dr. Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah, „Kauf mich?! Frauen und Männer in der Werbung“, Stand: 09.01.2014, http://www.dresden.de/media/pdf/gleichstellung/Ausstellungskatalog.pdf, S. 5.
28 R. Klopfer, H. Landbeck, Ästhetik der Werbung. Der Fernsehwerbespot in Europa als Symptom neuer Macht, Frankfurt a.M. 1991, S. 221.
29 Nils Borstnar, Männlichkeit und Werbung. Inszenierung - Typologie - Bedeutung. Kiel 2002, S. 66 f.
30 Erving Goffman, Geschlecht und Werbung. Frankfurt 1981, S. 327.
31 Zustiege, Mannsbilder, S. 188.
32 Guido Zustiege, „Im Reich der großen Metapher. Männlichkeit und Werbung.“, in: P. Döge & M. Meuser (Hrsg.), Männlichkeit und soziale Ordnung. Neuere Beiträge zur Geschlechterforschung, S. 204.
33 Ebd., S 209.
34 Zustiege, Mannsbilder, S. 192.
35 Ebd., S. 190.
36 O.V., „Report: Zielgruppe Männer - Neues Rollenbild hält Einzug in die Medien“, Stand: 09.01.2014, http://www.horizont.net/aktuell/report/pages/protected/Report-Zielgruppe-Maenner--Neues-Rollenbild-haelt-Einzug-in-die-Medien_115350.html.
37 Anja Steinbeck, „Das Bild der Frau in der Werbung - Spiegelbild oder Zerrbild?“, Stand: 09.01.2014, www.djb.de/static/common/download.php/save/172/frauenundrecht.pdf, S. 389.
38 Ebd., S. 390.
39 R. Mischke, „Väter sind Volltrottel“, Stand: 09.01.2014,
http://www.abendblatt.de/kultur-live/article429475/Vaeter-sind-Volltrottel.html.
40 Edb.
41 Dr. Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah, „Kauf mich?! Frauen und Männer in der Werbung“, Stand: 09.01.2014, http://www.dresden.de/media/pdf/gleichstellung/Ausstellungskatalog.pdf, S. 6.
42 Miriam Hebben, „Persil-Werbung mal anders: Henkel macht sich an die Männer ran“, Stand: 09.01.2014, http://www.horizont.net/aktuell/marketing/pages/protected/Persil-Werbung-mal-anders-Henkel-macht-sich-an-die-Maenner-ran_118055.html.
43 O.V., „Männer in der Werbung“, Stand: 09.01.2014,
http://media.oekotest.de/cgi/index.cgi?action=anz-media-mum-122006-titel.
44 O.V., „Report: Zielgruppe Männer - Neues Rollenbild hält Einzug in die Medien“, Stand: 09.01.2014, http://www.horizont.net/aktuell/report/pages/protected/Report-Zielgruppe-Maenner---Neues-Rollenbild-haelt-Einzug-in-die-Medien_115350.html.
45 O.V., „Report: Zielgruppe Männer - Neues Rollenbild hält Einzug in die Medien“, Stand: 09.01.2014, http://www.horizont.net/aktuell/report/pages/protected/Report-Zielgruppe-Maenner---Neues-Rollenbild-haelt-Einzug-in-die-Medien_115350.html.
46 Borstnar, Männlichkeit und Werbung, S. 75.
47 Zurstiege, Mannsbilder, S.190.
48 Ebd., S.190.
49 Martin Krauter, „Männer in der Werbung“, Stand: 09.01.2014, http://media.oekotest.de/cgi/index.cgi?action=anz-media-mum-122006-titel.