Bachelorarbeit, 2015
45 Seiten, Note: 1,1
1 Einleitung
2 Materialkunde der aktuellen Kiteausrüstung
3 Basistechniken des Kitesurfens und potentielle Gefahren
3.1 Vor dem Kitesurfen
3.2 Während des Kitesurfens
3.2.1 Vorbereitungsphase
3.2.2 Startphase
3.2.3 Hauptphase
3.2.4 Landephase
4 Analyse der Unfallstatistiken
4.1 Vorstellung der Studien
4.2 Vergleich und Diskussion der Studien
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
7 Anhang
Tab. 1: Zusammenfassung der Studienergebnisse von Petersen (2005) und Nickel (2004)
Tab. 2: Zusammenfassung der Studienergebnisse von Kwiatkowski (2009)
Tab. 3: Zusammenfassung der Studienergebnisse von Lundgren (2011c)
Tab. 4:Übersichtüber das genutzte Sicherheitsmaterial
Tab. 5: Zusammengefasste Darstellung der relevanten Studienergebnisse für die Bachelorarbeit
Abb. 1: Tubekite & Verknüpfungspunkte
Abb. 2: Softkite & Leinensystem
Abb. 3: Bar- & Leinensystem
Abb. 4: Eingehängter Kite in den Trapezhaken
Abb. 5: Reaktion des Kites beim Auslösen des Quick-release-systems
Abb. 6: Zugaufbau/-abbau im Kite durch die Veränderung der Barposition
Abb. 7: Boardtypen
Abb. 8: Aufgebauter Kite mit verknüpften Leinen im Lee
Abb. 9: Das Windfenster
Abb. 10:„Start- und Landeprozedere für Tubekite“
Abb. 11:„Start- und Landeprozedere für Tubekite“- stufenweiser Aufstieg
Abb. 12: Front- und Rückansicht beim Wasserstart
Abb. 13: Mögliche Bindungen für ein Board
Abb. 14: Ein unhooked Rotationssprung
Das Kitesurfen1 ist eine populäre Trendsportart mit wachsender Nachfrage. Die Sportart definiert sich durch das Surfen auf einem Board, während der Kitesurfer mit einem Drachen verbunden ist, wobei der Drache die Windgeschwindigkeit in Vortrieb transferiert und damit den Kitesurfer auf dem Board zum Gleiten oder zu unterschiedlichen Sprüngen befähigt. An immer mehr ehemals reinen Windsurfоrten sind Kitesurfer zunehmend vorzufinden.
Wie jede andere Sportart fing auch Kitesurfen mit einer kleinen Sportlergruppe von ca. 50 Perso- nen 1998 an und wuchs in elf Jahren auf geschätzte 200.000 Kitesurfer (vgl. Bryja, 2008). Kristen (2009) geht von einer jährlichen Wachstumsrate der Kitesurfer von 30 Prozent in den letzten Jah- ren aus. Aus der Statistik des VDWS (Verband Deutscher Windsurfing und Wassersportschulen) lassen sich weitere Daten zum Sportlerzuwachs ableiten. Im Jahr 2000 wurden die ersten 66 und im Jahr 2013 bereits 270 Instruktoren ausgebildet. Dadurch hat sich die Anzahl der auszubilden- den Instruktoren pro Jahr vervierfacht. Die Ausstellung von Basis-Lizenzen bei Anfängern hat sich von 2001 bis 2013 von 3.090 auf 10.120 Lizenzen pro Jahr verdreifacht (vgl. Weinhardt, 2015). Die erhöhte Anzahl der ausgestellten Basis-Lizenzen spiegelt die erhöhte Nachfrage nach Kitesurfleh- rern vor allem für Anfängerschulungen wieder, welche jährlich zunimmt. Exadaktylos, Sclabas, Bla- ke, Swemmer, McCormick und Erasmus (2005) führten in ihrem Aufsatz auf, dass 2004 das Kite- surfen zu der neusten Trend-Outdoor-Sportart in Südafrika erklärt wurde. Das Kitesurfen hatte hier das Windsurfen überholt (vgl. Exadaktylos et al., 2005).
Doch was macht das Kitesurfen zu einer so besonderen Sportart mit einer solch hohen Nachfrage? Das Kitesurfen verbindet mehrere Sportarten miteinander - das Wellensurfen, Wind- surfen, Wakeboarden und Paragliding. Diese Verbindung ergänzt sich, da so die jeweiligen Beson- derheiten der einzelnen Sportarten zusammen geführt werden. Das Kitesurfen ermöglicht den Wunsch vom Fliegen, von hohen Geschwindigkeiten und der Bewegungsfreiheit, der bereits nach kürzester Lernzeit erreichbar ist. Sprünge bis zu 10m Höhe und 250m Weite sowie Geschwindig- keiten von 100km/h sind mit einem Kite erreichbar. 2010 stellte Roby Douglas einen Geschwindig- keits-Weltrekord von 10km/h auf (vgl. Guinness World Records, 2014). Die Interessenten lockt je- doch nicht nur die Höhe und die Geschwindigkeit, sondern auch die Umsetzung der Sportart be- reits bei einer schwachen Brise (ca. 15km/h) bis zu einem orkanartigen Sturm (105 - 115km/h), so- wie die Einsatzmöglichkeit beim Flachwasser oder bei hohen Wellen (vgl. Deutscher Wetterdienst). Die Vielfalt der Umsetzungsmöglichkeiten der Sportart bei unterschiedlichen Wind- und Wasserge- gebenheiten führte zu mehreren Wettkampfdisziplinen, unter anderem zum Speed-, Race-, Wave- kitesurfing und Freestyle.
Darüber hinaus ist mit dem Kitesurfen ein besonderer Lifestyle verbunden. Die Freiheit, die Gelas- senheit, das gegenseitige Beibringen neuer Tricks, aber auch der Gebrauch der Konsummittel wie Drogen und Alkohol prägt das Leben vieler Kitesurfer (vgl. Knoll, 2005). Wegner und Wegner (2012) untersuchten in diesem Zusammenhang den Effekt des Sensation Seekings für die Sportart Kitesurfen. Das Sensation Seeking beschreibt die Suche nach neuen Erlebnissen und den Reiz zur Risikobereitschaft. Die hierfür eingegangene Gefahr wird mit gewonnener Erfahrung belohnt. Wegner (2012) fand heraus, dass 94,9% der Kitesurfer, die an seiner Studie teilnahmen, einen ho- hen bis sehr hohen TSA („Thrill and Adventure Seeking: Tendenz zu risikoreichen Aktivitäten in Sport und Freizeit mit hohen Erlebniswert“) (Wegner et al., 2012, S. 123) hatten.
Wie bereits beschrieben kann man die Sportart Kitesurfen bei unterschiedlichen Wetterbedingun- gen ausüben. Diese Flexibilität der Sportart verlangt differenziertes Material für unterschiedliches Fahrniveau, Körpergewicht, Geschlecht, Disziplinen, Naturbedingungen und für individuelle Ziel- setzung. Aufbauend auf dieser Erwartung an das Material von den Sportlern, Schulen und Gesell- schaft verzeichnet sich eine steigende Weiterentwicklung in den genannten Bereichen. Doch trotz alledem wurde von einigen Todesfällen und schweren Unfällen vor allem zu Beginn des 21. Jahr- hunderts berichtet, woraufhin einige Wissenschaftler die Sportart Kitesurfen unter anderem auf das Risikopotential und auf typische Verletzungsvorgänge hin untersuchten (siehe Kapitel 4) (vgl. z.B. Exadaktylos et al., 2005; Nickel, Zernial, Musahl, Hansen, Zantrop & Petersen, 2004; Scheibe, Lig- nitz, Hinz & Scheibe, 2009; uvm.). Die Analyse der Unfallvorgänge sollte unter anderem die Schwachpunkte der Kiteausrüstung herausstellen.
In der folgenden Ausarbeitung soll die rasante Entwicklung der Sportart Kitesurfen mit Hilfe von medizinischen Unfallstatistiken untersucht werden. Hierzu wird zu Beginn ein grober Einblick in das aktuelle Sportmaterial mit den unterschiedlichen Auswahlmöglichkeiten, Funktionen und Pro- blemen gegeben. Damit der Einsatz des Materials beim Kitesurfen verständlich wird und eine Grundvorstellung der Bewegungs- bzw. Handlungsabläufe beim Kitesurfen vermittelt werden kann, wird das Starten, das Landen sowie das Fahren des Kites beschrieben. Alle weitere Techniken des Kitesurfens werden hier nicht weiter erläutert, da die Basiselemente bereits ausreichend den ho- hen koordinativen Anspruch an den Sportler und die Komplexität der Sportart aufzeigen. Die Ar- beitsweise des Kitesurfens wird mit unfallstatistischen Daten belegt, um einen besseren Zusam- menhang zwischen den einführenden Kapiteln und der Analyse der Unfallstatistiken herzustellen. In der Analyse werden vorhandene deutsch- und englischsprachige Studienergebnisse im Hinblick auf mögliche erkennbare Tendenzen zur Widerspiegelung der vor allem materiellen Entwicklung im Kitesurfen untersucht und anschließend kritisch betrachtet. Abschließend werden die wichtigsten Tendenzen zusammengefasst und die aktuell notwendigen Unfallpräventionsmaßnahmen aufge- führt.
Die Sportart Kitesurfen verbindet wie in der Einleitung beschrieben die Sportarten Wellenreiten, Windsurfen, Wakeboarden und Paragliding. Aus diesen vier Wasser- und/oder Windsportarten wurden bestimmte Aspekte für das Kitesurfen abgeleitet. Vom Wellenreiten wurde das Surfbrett, aus dem Windsurfen das Verständnis der Aerodynamik sowie der Einsatz der Schlaufen und Fin- nen übernommen. Aus dem Wakeboarden wurde das auftriebsgeringe Board, mit welchem es möglich ist, in beide Boardrichtungen ohne einen Fußwechsel zu fahren, und aus dem Paragliding der Grundgedanke des Lenkdrachen übernommen. Neben den Grundmechanismen des Materials wurden auch bestimmte technische Aspekte für die Ausführung abgeleitet, die jedoch in dem Zu- sammenhang dieser Analyse irrelevant sind.
Der Ursprung des Drachens für das Kitesurfen findet sich im Ende des 20 Jahrhunderts. 1984 bauten die Brüder Bruno und Dominique Legaignous aus Frankreich einen Drachen. Das besondere an diesem Kite war, dass die aufblasbaren Luftkammern einen Wiederstart (Relaunch) des Drachens aus dem Wasser ermöglichen. Dieser Drache wurde unter dem Namen WIPIKA (Wind Powered Inflatable Kite Aircraft) patentiert. Robby Naish erwarb kurze Zeit später die Lizenz für das von den Brüdern Legaignous patentieren WIPIKA-System und produzierte anhand dessen seine Kites (vgl. Stuber, 2011). Naish ist heute die meist verkaufte Kitemarke auf der Welt. Und trotz der rapiden Entwicklung der Sportart und des Sportmaterials in den letzten 20 Jahren orientieren sich weiterhin alle Kiteproduzenten an dem WIPIKA Grundgedanken.
Um zu verstehen, wie Kitesurfen nun genau funktioniert, welche Möglichkeit das Material dem Kitesurfer bietet und welche Entwicklungen und Probleme damit verbunden sind, muss ein Überblick über das Bauprinzip und die Funktionsweise des aktuellen Materials gegeben werden. Für das Kitesurfen sind folgende sechs Materialien unentbehrlich: der Kite, die Leinen, die Bar, die Sicherheitssysteme, das Board und das Trapez. Des Weiteren können weitere Ausrüstungsgegenstände wie Boardleash, Helm, Neoprenanzug und Prallschutz-/Schwimmweste für ein erfolgreiches und sicheres Kitesurfen notwendig sein.
Bauprinzip und Funktion des Kites
Es gibt zwei Kitetypen, die eine Verwendung im Kitesurfen finden: Der am häufigsten genutzte Kite ist der Tubekite (Prototyp des WIPIKAs). Hierbei werden vier Profile (Shape) unterschieden: C- Kite, Bowkite, Deltakite und Hybridkite. Alle diese Kites haben ein Schlauchsystem, das durch das Aufpumpen eine stabile Form mit dem jeweiligen Shape einnimmt. Die Form des Kites ist ein drei- dimensionales C. Die vorne sichtbare Seite besteht aus einem durchgehenden Luftschlauch (Fronttube), der mittels einer Pumpe aufgeblasen werden kann. Das Aufblas- und Ablasssystem ähnelt dem Prinzip einer Luftmatratze. Damit der Kite hohen Kräfteeinwirkungen standhalten kann und seine Form nicht verliert, gibt es von der Kitegröße und -form abhängig weitere kleinere Luft- schläuche (Struts), die in einem rechten Winkel von der Fronttube über die z-Achse verlaufen (Abb.1). Zwischen der Fronttube und den Struts ist ein Tuch gespannt, das mit der spezifischen Form des Kiteshapes den Wind einfängt und so einen Auftrieb ausübt. Die aufblasbare Fronttube ermöglicht ein Relaunch auch nach einer längeren Zeit und kann sogar als Schwimminsel und als großes Wiedererkennungszeichen dienen.
An dem Kite sind zudem Anknüpfpunkte für die Leinen vorhanden, die oft bestimmten Einstel- lungsmöglichkeiten aufweisen. Grundsätzlich gibt es zwei Verknüpfungsstellen, die an dem Kiteende links und rechts angebracht sind. Die daran verknüpften Leinen werden als Steuer- leinen (Backlines) bezeichnet. Sie ermöglichen das Lenken des Drachens. Mindestens zwei weitere Leinen (Frontlines) sind mit den Ver- knüpfungsstellen an der Fronttube befestigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Tubekite & Verknüpfungspunkte; Verände- rung der Grafik durch Beschriftung
(http://www.naishkites.com/product/park/;Zugriff am 06.01.15; 12:05)
Die Frontlines ermöglichen im Allgemeinen in der Kombination mit den Backlines eine Ver- stärkung oder eine Reduzierung der Zugkraft
des Kites und stellen eine Verbindung zu dem Kitesurfer her. Dieses Prinzip wird in den Kapiteln
2.3 und 3.2.2 genauer erläutert. Manche Kitemodelle sind jedoch für insgesamt fünf Leinen gebaut. Bei einem 5-Leinerystem wird die fünfte Leine in der Mitte der Fronttube befestigt. Die Kitemodelle Bow-, Delta- und Hybridkite haben zwischen den Verknüpfungsstellen an Fronttube und Leinen zu- dem noch Waageleinen eingebaut, die die einwirkende Kraft des vor allem böigen Windes auf die Lenkstange (Bar) reduzieren. Außerdem können sie die Zugkrafteinwirkung der Leinen auf den Kite verteilen. Die unterschiedlichen Kitetypen und Leinensysteme haben bestimmte Vor- und Nachteile, wodurch einige Kitetypen eher für Anfänger und andere widerum für höheres Fahrni- veau passend sind.
Ein Softkite (Abb.2) ähnelt stark dem Gleitschirm. Der Haupteinsatz des Softkites beim Kitesurfen findet in den ersten Stunden der Anfängerschulungen auf dem Land oder bei sehr leichten Wind auch beim fortgeschrittenen Fahren auf dem Wasser statt. Der Softkite besteht aus zwei überein- ander liegenden Tüchern, zwischen den weitere Zwischenwände eingenäht sind. Alle Tücher sind auf der hinteren Seite, der sogenannten Abrisskante, zusammen genäht. Dieses Design kann den Wind an der Vorderseite des Kites (Anströmkante) in den Kammern auffangen. Der Kite bläst sich auf und bekommt hierdurch seine Form (Abb.2). Durch die Druckausgleichsöffnun- gen zwischen den einzelnen Kammern wird ein gleichmäßiger Luftdruck erreicht. Die Besonderheit der zusammen genäh- ten Kammern an der Abrisskannte ist, dass sich der Kite bei einem Absturz ins Wasser nicht sofort mit Wasser füllt, wo- durch die Benutzung diesen Kites auf dem Wasser möglich ist. Es verlangt jedoch von dem Sportler eine schnelle und siche- re Handhabung des Softkites, vor allem beim Relaunchen. Befindet sich der Softki- te zu lange im Wasser, saugen sich die Kammern voll mit Wasser und der Kite fängt an zu sinken. Hiermit verzichtet der Kitesurfer auf sei - ne Schwimminsel und bringt sich dadurch in andere potentielle Gefahren. Des Weiteren hat der Softkite im Vergleich zum Tubekite drei oder vier Anknüpfpunkte für die Leinen, die nach dem gleichen Prinzip wie die Leinenverknüpfung beim Tubekite funktionieren. Je eine Steuerleine ist an dem Eckpunkt der Abrisskante und die andere bzw. die anderen zwei Frontlines sind an der Front - tube angebracht. Alle Softkites verfügen über mehrere Waageleinensysteme, die auch hier zwischen dem Kite und den Leinen angebracht sind (Abb.2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Softkite & Leinensystem ;Veränderung der Grafik durch Beschriftung
(http://www.hw-shapes.de/UEUNGSKITE-KITE-MATTE- BAR-LENKMATTE-LERNKITE; Zugriff am 06.01.15; 12:00)
Neben dem unterschiedlichen Bauprinzip der beiden Kitetypen und der Kiteshapes werden die Ki- tes in unterschiedlichen Größen hergestellt, von 1,5 m² bis 20 m². Die Kitegröße wird nach dem Fahrniveau des Kitersurfers, nach den Windbedingungen und dem Körpergewicht ausgewählt. Für Anfänger, im Vergleich zu professionelleren Kitesurfern, die vor allem noch am Erlernen der Grundprinzipien sind, empfiehlt es sich, einen kleineren Kite entsprechend der Windbedingungen auszuwählen. Dieser übt einen geringeren Zug aus, wodurch das Risiko eines Aufpralls bei häufi- gen Fehlern der Anfängerschulung vermindert wird. Bei Übungen der Kitegewöhnung können viel kleinere Kitegrößen eingesetzt werden. Grundsätzlich soll die Kitegröße bei zunehmender Windstärke reduziert werden.
Zusammengefasst kann der Kite, unabhängig ob Soft- oder Tubekite, aufgrund seiner Form und seines Aufbaus, mithilfe des Windes nach oben steigen, einen Vortrieb erzeugen und das Gewicht des Kitesurfers verringern. Diese Gewichtsreduzierung des Kitesurfers ermöglicht dem Sportler die Fortbewegung auf dem Wasser.
Aufbau und Funktion der Bar mit den Leinen
Für den Tubekite werden 4- oder 5-Leinersysteme und für den Softkite 3- oder 4-Leinersysteme verwendet.
Das 4-Leinersystem besteht aus zwei Backlines und aus zwei Frontli- nes. Die beiden Backlines sind an den äußeren Verbidnungsstellen der Abrisskante des Kites geknüpft und ermöglichen die Steuerung nach links und rechts sowie das Abbremsen des Kites aufgrund der Leinen- spannung in die entgegengesetzte Richtung. Bei dem Softkite sind die Backlines über ein Waageleinensystem an den Kite gebunden (Abb. 2). Die Frontlines werden an die Waageleinen der Bow-, Delta-, Hyb- rid- und Softkites oder direkt an die Fronttube der Anströmkante des C- Kites verbunden und geben dem Kitesurfer die Möglichkeit, den An- stellwinkel des Kites und somit die Zugkraft des Kites zu verändern. Alle vier Leinen sind mit der Bar verknüpft. Dabei sind die beiden Backlines jeweils links und rechts mit den Barenden verbunden. Die Frontlines werden je nach dem Kitemodell nach einer bestimmten Ent- fernung zum Kite zusammengeführt und laufen durch die Bar, d.h. die Bar besitzt in der Mitte ein Loch, durch welches die beiden Frontlines durchlaufen. Somit sind die Frontlines nur indirekt mit der Bar verbun- den. Die Frontlines enden in einem Hartgummiring (Cickenloop) und mit einem Sicherheitssystem, dem Quick-release (Abb.3). Mit Hilfe der Bar, die von dem Kitesurfer in den Händen gehalten wird, kann der Kite gesteuert werden, hierbei werden die vom Kitesurfer einwirkende Kräfte und Bewegungen der Bar auf den Schirm übertragen. Zu ergän- zen ist noch, dass der Cickenloop die direkte Verbindung zum Kitesur- fer bildet. Der Chickenloop ist ein im Durchmesser ca. 15 cm großer Ring, der in das Trapeze ein- gehakt werden kann (Abb.4).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Bar- & Leinensys- tem: 2. Frontlines, 3. Backlines, 6. Adjuster, 7. Schwimmer, 8. Depowerli- ne, 9. Bar, 10. Chicken- loop mit Depowerline & Quick-release, 11. Safety- leash, 12. Chickendick (http://www.kitesurfshop24.com/kitesurfen/ersatzteil e/core-carved/core-esp- bar-system.html; Zugriff am 06.01.15; 12:10)
Wie bereits im Kapitel 2 - Bauprinzip und Funktion des Kites dargelegt, unterschei- det sich das 5-Leinersysteme von dem 4-Leinersystem dahin gehend, dass eine weitere Leine vorhanden ist, die über ein Y-Waageleinensystem mittig an der Front- tube befestigt wird. Die anderen vier Leinen sind wie bei den 4-Leinersystem mit dem Kite verknüpft. Diese vier Leinen haben die gleiche Funktion und sind genau- so mit der Bar verbunden wie bei einem 4-Leinersystem. Die fünfte Leine trifft mit den anderen beiden Frontlines zusammen, geht durch die Bar hindurch und endet in dem Chickenloop. Während des Fahrens ist diese fünfte Leine entspannt und hat somit keinen Einfluss auf die Bar oder Krafteinwirkung, sie kann aber beim Re- launchen des Kites aus dem Wasser das Starten erleichtern und liefert eine höhere Stabilität des Kites bei böigen Wind. Somit bietet die fünfte Leine mehr Sicherheit, bringt jedoch auch einige Nachteile mit sich, da sie bei Stürzen die Mitte des Kites umschlingen kann. Das Tuch kann aufgrund der umschlungenen Leine beim Druckaufbau durchgerissen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Ein-gehängter Kite in den Trapezha- ken
(http://www. kitecoach.d e/cmsms/in dex.php/kite-surf-lexikon.html; Zugriff am06.01.15;12:10)
Das 3-Leinersystem ähnelt dem 5-Leinersystem und wird überwiegend bei Softkites eingesetzt. Wie bei allen anderen Leinensystemen gibt es auch bei dem 3-Leinersystem eines Softkites zwei Leinen, die über Waageleinen mit dem Kite links und rechts verbunden sind und das Lenken des Softkites ermöglichen. Die beiden Steuerleinen sind auch hier mit den Barenden verbunden. Die dritte Leine ist eine Sicherheitsleine, mit der der Kite vor allem gelandet werden kann. Verbunden ist die dritte Leine genauso wie die fünfte Leine des 5-Leinersystems in der Mitte der Anströmkante und endet im Chickenloop oder in einer Handgelenkschlaufe. Aufgrund der fehlenden Frontlines kann die Zugkraft des Kites nicht manipuliert werden.
Die standardisierte Leinenlänge liegt zwischen 19 und 26m. Der Einsatz von kurzen Leinen mit z.B. 6m bis zu einer Verlängerung der Leinen auf 30m kann bei bestimmten Windbedingungen und Einsatzzielen sinnvoll sein. Die Veränderung der Leinenlänge hat einen Einfluss auf die Steuerung und Kontrolle des Kites.
Aufbau der Sicherheitssysteme
Standesgemäß gibt es zwei Sicherheitssysteme für den Kite, zum einen das Quick-release und zum anderen die Safetyleash.
Vorab das Bauprinzip und die Funktion des Chickenloops, da in diesem das Quick-release einge- baut ist: Der kreis- bzw. oval förmige Hartgummiring, in den die Frontlines (plus die fünfte Leine) hinein laufen, kann an den Hacken des Trapezes eingehängt werden. Damit der Chickenloop bei einem zu starken oder geringen Zug nicht wieder ausgehängt wird, ist an dem Chickenloop ein Stift (Chickendick) angebracht, der unter dem eingehakten Chickenloop durch den Trapezhaken geschoben wird (Abb.4). Hiermit wird ein ungewolltes Trennen vom Kite verhindert. Was geschieht, wenn eine schnelle Trennung vom Kite vor allem in einer Gefahrensituation erforderlich ist. Das Herausziehen und Aushaken des Kites würde in einer gefährlichen Situation zu lange dauern oder aufgrund des starken Kitezuges gar nicht möglich sein. Das Quick-release System er- möglicht die schnelle Trennung vom Kite, da dieses System in den Chicken- loop integriert ist (Abb.5, Nr.2). Das Auslösen erfolgt über eine Zug-, Druck- oder eine Druck-Drehbewegung, die den Chickenloop öffnet. Nach dem Be- nutzen des Quick-release-systems ist der Kitesurfer von dem Kite getrennt und befindet sich erst einmal in Sicher- heit, doch der Kite fliegt mit dem Wind unkontrolliert mit und kann andere Menschen verletzen. Entgegenwirkend erfüllt eine elastische Leine (Safety- leash), die den Kite mit dem Kitesurfer verbindet, hier ihre Wirkung. Die Safe- tyleash ist heutzutage mit einem Ende an dem Trapez angebracht und das andere Ende wird an dem hierfür ange- brachten Metallring verbunden. Mit die- sem Metallring ist auch eine Frontleine befestigt und in das Quick-release-system eingebaut (fol- gende Beschreibung weicht von der Abb. 5 ab, aufgrund der materiellen Weiterentwicklung). Diese Sicherung dient dazu, ein unkontrolliertes Wegfliegen des Kites zu verhindern. In Gefahrensituatio- nen oder beim Kitekontrollverlust kann das Quick-release genutzt werden. Da jedoch eine Frontlei- ne an der leicht dehnbaren Safetyleash verknüpft ist, bleibt der Kite mit dem Sportler verbunden, der Kite befindet sich hierbei jedoch auf Entfernung zum Sportler selbst. Des Weiteren hat die Ver- bindung der Frontleine mit der Safetyleash den Effekt, dass die Bar an der weiterhin verbundenen Leine zum Sportler von ihm wegrutscht. Drei Leinen, die beiden Backlines und eine Frontleine, sind in diesem Zustand entspannt. Aufgrund einer Zug-Druck-Disbalance zwischen der gespann- ten Leine auf einer Hälfte des Kites und des weitergehend drückenden Windes gegen den Kite, dreht sich der Kite seitwärts zum Wind, wodurch in dieser Position das Einfangen des Windes im Kite minimiert oder verhindert wird (Abb.5, Nr.3). Sollte jedoch das Auslösen der Safetyleash nicht ausreichen, kann die Safetyleash selbst vom Sportler durch eine Zug- oder Druckbewegung ge- trennt werden. Hier entsteht erneut eine potentielle Gefahrenquelle von dem frei fliegenden Kite. Das Auslösen der Safetyleash sollte daher nur dann vorgenommen werden, wenn das Auslösen des Quick-releases nicht ausreicht um eine Fremdgefährdung zu vermeiden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Reaktion des Kites beim Auslösen des Quick-release-systems
(http://kitesurfwindsurfmallorca.com/de/tag/edmkpollensa-com/; Zugriff am 06.01.15; 12:15)
Nach Ziaja und VDWS-Kitesurf-Lehrteam (2013) gibt es eine weitere Si- cherheitsmaßnahme, die jeder Tubekite besitzt und die einen Zugaufbau bzw. eine Zugreduzierung (Power & Depower) im Kite hervorrufen kann. Dieser Power bzw. Depower erfolgt durch eine höhere oder tiefere Posi- tion der Bar an den zusammengeführten Frontlines (Depowerleine). Au- ßerdem gilt es zu beachten, dass die Frontlines durchgehend gespannt sind und die Kraft des Kites auf den Kitesurfer übertragen. Eine tiefere Position der Bar auf der Depowerleine führt zu einer erhöhten Leinen- spannung der Backlines, welche die Abrisskante in den Wind neigt, wo- durch der Kite einen erhöhten Vortrieb bekommt (Abb.6). Die höhere Po- sition der Bar auf der Depowerleine führt dementsprechend zu einer Ent- spannung der Backlines und verändert den Anstellwinkel des Kites zum Wind, wodurch hier der Kite an Zugkraft verliert. Diese Funktion ist die Voraussetzung für ein kontrolliertes Kitesurfen und für die Durchführung von Sprüngen und Tricks. Auch das Quick-release-system und die Safetyleash ermöglichen ein kontrolliertes Kitesurfen. Deren Einsatz findet jedoch vermehrt in Gefahrensituationen statt, wenn die Sicherheitsmaßnahme Power und Depower nicht ausreicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Zugaufbau/-abbau im Kite durch die Veränderung der Barposion
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1 Alle Fachbegriffe werden im Anhang in einem Glossar aufgeführt.
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