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Bachelorarbeit, 2014
44 Seiten, Note: 1,7
1 Einleitung
2 Heterogenität in Berufsschulklassen
2.1 Definition und Dimensionen der Heterogenität
2.2 Konsequenzen der Heterogenität
3 Differenzierung und Individualisierung
3.1 Definition
3.2 Formen der Differenzierung
3.2.1 Äußere Differenzierung
3.2.2 Innere Differenzierung
3.2.3 Möglichkeiten zur Binnendifferenzierung
3.3 Projektunterricht in der kaufmännischen Berufsausbildung
3.4 Individualisierung als Höchstform der Differenzierung
4 Die traditionelle Lehrperson
4.1 Die ideale Lehrerrolle
4.2 Frontalunterricht
5. Die Lehrperson im binnendifferenzierten Unterricht
5.1 Lehrerprofessionalität und Kompetenzanforderung
5.1.1 Allgemeine Kompetenzen
5.1.2 Didaktisch-Methodische Kompetenz
5.1.3 Diagnosekompetenz
5.1.4 Beratungskompetenz (Lernprozessberatung)
5.2 Die innere Einstellung
5.3 Leistungsbeurteilung
5.4 Lehrer-Schüler Beziehung
5.5 Schwierigkeiten eines individualisierten Unterrichts aus Lehrersicht
5.6 Team Teaching als Entlastungsmöglichkeit
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Sind die Lehrer mechanische Arbeiter, so drücken sie den Geist der Jugend unfehlbar um so mehr, je größere Amtstreue sie in ihrem Berufe beweisen wollen. Der Lehrer muß Geist ha- ben, um den Gedanken des Schülers freie Bewegung geben zu können (Herbart o.J.: o.S.)
Der Beruf des Lehrers1 und die ihm zuteilwerdenden Aufgaben sind nicht erst seit unserer heutigen Zeit von besonderer Bedeutung. Lehrer begleiten die jungen Menschen von ihrem frühen Kindesalter an über viele Jahre ihres Lebens hinweg und haben somit einen nicht unbeträchtlichen Einfluss auf die Entwicklung ihrer Schüler (vgl. Seitz 2007: 72). Wie Herbart in seinem Zitat schon vor langer Zeit deutlich machte, können Lehrkräfte nicht nach einem starren Verhaltensmuster agieren, welches ihnen von höherer Instanz auferlegt wurde. Viel- mehr müssen sie durch die Gestaltung ihres Unterrichts, den Lernenden ermöglichen auf ihre individuelle Weise, den abverlangten Stoff zu erlernen und ihnen helfen zu handlungsfä- higen Individuen heranzuwachsen. Binnendifferenzierung im Unterricht ist ein aktuelles, aber nicht neues Thema. Leugnen wird die Erfordernis differenzierender und individualisierender Maßnahmen, bedingt durch die heterogenen Klassenzusammensetzungen, sicherlich kaum jemand. Dennoch scheint die Umsetzung eine große Herausforderung an die Beteiligten zu stellen, denn erforderliche Schritte werden zum heutigen Zeitpunkt viel zu selten getan. (vgl. Teschner 1971: 7f.) Lehrkräfte in kaufmännischen Berufsschulklassen sind auf besondere Weise von diesem Thema betroffen, da hier die Heterogenität der Schülerschaft oftmals auf- fällig stark ausgeprägt ist. (vgl. Kapitel 2.2) Sie sind aufgefordert, ihren Unterricht nicht länger nach einem mittleren Leistungsniveau auszurichten, sondern auf die sehr verschiedenen bzw. heterogenen Bedürfnisse der Schüler zu reagieren. Eine praxisorientierte Ausbildung, welche den Auszubildenden nicht nur das notwendige Theorie- bzw. Fachwissen vermitteln soll, sondern auch alle notwendigen Kompetenzen, die mit der Erreichung von beruflicher Handlungskompetenz zusammen hängen, verlangt auch von der unterrichtenden Person verschiedenartige Kompetenzen und Verhaltensweisen ab. Chancengleichheit durch das Schaffen von optimalen Lernmöglichkeiten für alle Schülerinnen und Schüler ist dabei das Ziel und der Kerngedanke von Binnendifferenzierung und die Schaffung dieser Gerechtigkeit die Pflicht jedes Lehrers (vgl. Klafki 1996 175). Innerhalb des Differenzierungsgedankens geht es in erste Linie um die Lernenden und deren Bedürfnisse. Fakt ist allerdings, dass es die Lehrenden sind, die die Umsetzung erforderlicher Maßnahmen in der Hand haben und mit allen Schwierigkeiten konfrontiert werden, welche die Umsetzung mit sich bringt. Infolge- dessen soll es in dieser Arbeit um die Lehrerperspektive des Themas Binnendifferenzierung gehen um besser zu verstehen, warum sich diese Ansätze in der Realität noch nicht durch- setzen konnten. Es soll erarbeitet werden, welche Veränderungen für Lehrkräfte im Vergleich zum traditionellen Frontalunterricht entstehen. So ergibt sich für diese Bachelorthesis folgen- de Fragestellung:
Wie verändern sich Aufgaben und Rolle einer Lehrperson kaufmännischer Berufsschulklassen durch binnendifferenzierten Unterricht?
Zur Beantwortung dieser Fragestellung ist zunächst notwendig, die Begrifflichkeiten rund um das Thema Differenzierung zu definieren und zu erläutern, sowie den theoretischen Rahmen zu bestimmen. Dazu soll in Kapitel 2.1 zunächst genauer auf den Begriff der Heterogenität und seine möglichen Dimensionen eingegangen werden, um anschließend in Kapitel 2.2 die Konsequenz, welche die Verschiedenartigkeit der Schüler mit sich bringt, zu erarbeiten. Da- rauf folgt in Kapitel 3.1 eine ausführliche Erläuterung des Terminus Differenzierung. Hier ist es notwendig, äußere und innere Differenzierung genau voneinander abzugrenzen, um den Verantwortungsbereich der Lehrkräfte genauer abzustecken und so Möglichkeiten zur Bin- nendifferenzierung aufzuzeigen. Anschließend wird im Abschnitt 3.2 der Projektunterricht als eine wichtige Möglichkeit für Lehrende in kaufmännischen Berufsschulklassen erläutert, die zuvor beschriebenen Maßnahmen zur Binnendifferenzierung umzusetzen. Darauffolgend wird in Abschnitt 3.3 Individualisierung als Höchstform der Differenzierung beschrieben, um festzustellen, ob und wo Grenzen innerer Differenzierung erreicht werden. In Kapitel 4 soll auf das Bild der traditionellen Lehrperson eingegangen werden um einen besseren Vergleich zu den neuen Anforderungen, welche binnendifferenzierter Unterricht mit sich bringt, zu ge- währleisten. Dazu wird neben der Lehrperson an sich, in Abschnitt 4.2 Frontalunterricht als die klassische Unterrichtsvariante betrachtet. Im fünften Kapitel dieser Arbeit soll die Lehr- person im binnendifferenzierten Unterricht in den Fokus gerückt werden. Neben einer kurzen Beschreibung der Lehrerprofessionalität werden in Abschnitt 5.1 die Kompetenzanforderun- gen, welche durch die Umsetzung binnendifferenzierten Unterrichts für jede Lehrperson zwingend notwendig sind, dargelegt. So sollen die Anforderungen und Aufgaben, welche diese Art zu unterrichten mit sich bringt, verdeutlicht werden. In Abschnitt 5.2 wird die Leis- tungsbeurteilung der Auszubildenden erörtert, da sich diese Aufgabe unter den Ansprüchen binnendifferenzierter Maßnahmen ebenfalls ändern würde bzw. müsste. Im darauffolgenden Teil geht es um die veränderte Lehrer-Schüler Beziehung und das Verhalten, welches von einer unterrichtenden Person im binnendifferenzierten Unterricht, gegenüber den Lernenden optimal wäre. In Abschnitt 5.4 werden die Probleme, die aus Lehrersicht auftreten, in Anleh- nung an den vorangehenden Teil der Arbeit dargelegt, um besser zu verstehen, wo sich die Probleme für eine Lehrkraft in diesem wohlbegründeten Ansatz konkret verbergen. Ab- schließend wird in Teil 5.5 Team-Teaching als Vorschlag für Berufsschullehrer betrachtet, innere Differenzierung in kaufmännischen Berufsschulklassen, trotz begründeter Gegenar- gumente, umzusetzen. In einem abschließenden Fazit sollen die wichtigsten Erkenntnisse dieser Arbeit noch einmal aufgeführt werden, um die Fragestellung zu beantworten und sonstige Erkenntnisse aufzuführen.
Im folgenden Abschnitt soll der Begriff der Heterogenität erläutert werden, um ein besseres Verständnis davon zu schaffen, womit Lehrpersonen im alltäglichen Unterrichtsgeschehen konfrontiert werden und warum speziell in kaufmännischen Berufsschulklassen diese Thematik besonders berücksichtigt werden muss (vgl. Franke 1982: 7).
Der Begriff "Heterogenität" ist kein Trend der neuzeitlichen Pädagogik und Didaktik. Es han- delt sich vielmehr um einen Begriff, dessen Wurzeln sich bis zum altgriechischen Terminus heterogenés, welcher sich aus heteros, was verschieden bedeutet und gennáo, was erzeu- gen, schaffen meint, zusammen setzt (vgl. Prengel 2005: 20). Auch in der Pädagogik selbst existieren seit mehr als 200 Jahren Debatten über die Verschiedenheit der Lernenden (vgl. Kiper 2008: 88). Dennoch ist den nicht zufriedenen stellenden Ergebnissen der vergangenen PISA Studien zu verdanken, dass die Begrifflichkeit "Heterogenität" welche in den letzten Jahrzehnten mal mehr mal weniger diskutiert wurde, wieder mehr in den Mittelpunkt bil- dungspolitischer Debatten gerückt ist (vgl. von der Groeben 2001: 26). Im pädagogischem Kontext spricht man von Heterogenität, wenn die Schüler und Schülerinnen sich hinsichtlich mindestens eines Merkmales unterscheiden (vgl. Scholz 2012: 9).
Es existiert eine enorme Vielfalt an Merkmalen, welche zu einem hohen Grad an Verschie- denartigkeit führen. Eine erste Unterscheidung bilden die horizontale- und die vertikale Hete- rogenität. Während sich die horizontale Heterogenität über die verschiedenen Interessen, Lernwege und Zugangsweisen ergibt, die jedes Individuum mit sich bringt, bestimmt sich die vertikale Heterogenität über die Unterschiede im Leistungsniveau. (vgl. ebd.: 9f.) Diese Di- mensionen enthalten wiederum Merkmale, die dazu führen, dass eine schlichte Jahrgangs- klasse keine homogene Lerngruppe darstellen kann (vgl. Klafki 1996: 175). So benennen Altrichter und Hauser weitere Aspekte, wie soziale, kulturelle und nationale Unterschiede, verschiedene Erziehungsstile der Eltern und die daraus resultierenden Einstellungen und Werte, Konzentrationsvermögen, die Fähigkeit zum abstrakten und logischen Denken, künst- lerische Fertigkeiten, sportliche Eigenschaften, Durchhaltevermögen, Ehrgeiz und die Ein- stellung zu bestimmten Fächern etc. (vgl. Altrichter / Hauser 2007: 6). In der Literatur lassen sich viele verschiedene detaillierte und weniger detaillierte Beschreibungen der Dimensionen von Heterogenität finden. Letztendlich laufen aber alle darauf hinaus, dass Handlungsbedarf seitens der Schulen und letztendlich der Lehrer besteht, um Chancengleichheit im Bildungs- system zu gewährleisten.
Ob die nicht zu leugnende Heterogenität nun negative Konsequenzen mit sich zieht, hängt von der Art und Weise ab, mit ihr umzugehen. Problematisch wird die Situation dann, wenn Heterogenität nicht genug durch entsprechende pädagogische Maßnahmen gewürdigt wird (vgl. Paradies et al. 2011: 44). So müsste bei gängiger Unterrichtspraxis im Sinne des leh- rerzentrierten Unterrichts, eine Homogenisierung, wie sie durch die Aufteilung in Jahrgangs- klassen und die verschiedenen Schulformen angestrebt wird, viel konsequenter und detail- lierter hinsichtlich der oben genannten Merkmale betrieben werden, um möglichst gleiche Lernvoraussetzungen für die Schüler und Schülerinnen zu schaffen. Dieser Versuch wäre aber so gut wie nicht in die Tat umsetzbar, da die Anzahl verschiedener Merkmale, die je- weils in verschiedenen Kombinationen auftreten können, einfach zu groß ist (vgl. Klafki 1996: 176ff.). Letztendlich wäre Einzelunterricht die einzige Option, alle Merkmale jedes Individu- ums zu berücksichtigen (vgl. Michael 1976: 7). Einzelunterricht ist aber hinsichtlich dem obersten Ziel jeder Berufsausbildung, nämlich der Entwicklung beruflicher Handlungskompe- tenz kaum erstrebenswert (vgl. Handreichungen der Kultusministerkonferenz 2007:10).
Diese wird hier verstanden als die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten. Handlungskompetenz entfaltet sich in den Dimensionen von Fachkompetenz, Humankompetenz und Sozialkompetenz (ebd. 2007:10).
Besonders Human- und Sozialkompetenz könnten durch Einzelunterricht kaum entwickelt werden und somit auch keine berufliche Handlungskompetenz. Zudem ist Einzelunterricht ökonomisch gesehen äußerst unrealistisch (vgl. Nuhn 1979: 98).
Desweiteren ist Heterogenität in Berufsschulklassen noch weniger zu vermeiden, wie in all- gemeinbildenden Schulen, da die Betriebe ihre Auszubildenden selbst einstellen. Auch wenn ein Betrieb beispielsweise nur Auszubildende mit Fachhochschulreife einstellt und seine Auszubildenden nach bestimmten Kriterien wählt, wird ein anderer Betrieb Auszubildende einstellen, die mittlere Reife haben, oder einen Hauptschulabschluss. Besonders in den Ausbildungsberufen der Kaufleute im Einzelhandel sowie der Industriekaufleute fällt auf, dass Auszubildende aller drei Bildungsabschlüsse vertreten sind. (vgl. Zielke / Popp 1997: 18ff.) Manche Auszubildenden haben vielleicht schon eine andere Ausbildung absolviert o- der ein Studium begonnen und bringen bereits Kenntnisse über wirtschaftliche und kauf- männische Sachverhalte mit, während andere absolutes "Neuland betreten". In kaufmänni- schen Berufsschulklassen ist die vertikale Heterogenität hinsichtlich der Vorbildung also oft besonders stark ausgeprägt. Das heißt Kompetenz- und Leistungsniveaus unterscheiden sich sehr stark voneinander (vgl. Mathes 2011: 400f.). Auch bezüglich der Karriereinteres- sen, der Motivation sowie der Leistungsbereitschaft, ergeben sich gerade in Berufsschul- klassen große Unterschiede. Während ein Auszubildender nur eine Stelle in einem Ausbil- dungsberuf zweiter oder dritter Wahl bekommen hat, absolviert ein anderer die Ausbildung vielleicht als Grundlage für ein Studium oder um den Familienbetrieb zu übernehmen. Dar- aus ergibt sich eine besonders große Herausforderung für Berufschullehrer hinsichtlich der Organisation des Unterrichts. (vgl. Rauner / Piening: 2010: 9) Man kann sagen, dass die Lehrpersonen in kaufmännischen Berufsschulklassen mit einer extremen Variante der Hete- rogenität konfrontiert werden.
Lehrer erkennen den Handlungsbedarf durchaus, doch Konsequenzen werden zum heutigen Zeitpunkt eher selten gezogen. Die meisten gehen schlicht von einem mittleren Leistungsni- veau ihre Schüler aus und halten sich an das Lernen im Gleichschritt (vgl. Scholz 2012: 13). Auch wenn auf den lehrerzentrierten Unterricht, oder auch Frontalunterricht zu einem späte- ren Zeitpunkt genauer eingegangen werden soll, so sei bereits gesagt, dass diese Form des Unterrichts nicht konsequent beibehalten werden kann, wenn eine Lehrkraft angemessen auf Heterogenität reagieren will (vgl. Buck 1976:12). Es kann also für die Lehrerschaft nicht da- rum gehen, der Heterogenität auszuweichen oder zu versuchen sie gar nicht erst aufkom- men zu lassen, was wie bereits erwähnt, weder möglich noch erstrebenswert wäre, sondern ihr mit geeigneten pädagogischen und didaktischen Maßnahmen gerecht zu werden. „Unter- richt ist eine Veranstaltung, die bei Lernenden lernen bewirken soll. Er hat also immer eine Dienstfunktion, ist nie Selbstzweck (etwa: Darstellung von Lerninhalten, gar Selbstdarstel- lung von Lehrenden!)” (Bönsch 2011:18). Dieses erste Axiom didaktischen Denkens bringt die Problematik prinzipiell schon auf den Punkt. Es geht in erster Linie um die Schüler und nicht um die Lehrperson. Die Lehrenden stehen somit in der Pflicht, ihr Bestmögliches zu tun, um den Anforderungen der heterogenen Schülerschaft gerecht zu werden. "Ihr Best- mögliches" sollte hierbei wörtlich genommen werden.
Wird im Schulpädagogischen Kontext über Heterogenität gesprochen, so werden unweigerlich die Themen Differenzierung und Individualisierung zur Sprache kommen und können als Konsequenz der Heterogenität betrachtet werden (vgl. Eberle et al. 2011: 4). Somit liegt die Begründung der nachfolgenden Punkte dieser Arbeit in der Heterogenität selbst.
Durch das äußerst heterogene Klientel in kaufmännischen Berufsschulklassen ist eine Diffe- renzierung des Lernangebots zwingend notwendig. Die Bildungsansprüche haben sich in den vergangenen Jahrzenten auch in der Berufsschule massiv verändert und werden es auch weiterhin tun. (vgl. Pahl 2009: 255) Die Forderung, auch in der Berufsschule mehr auf leistungsschwächere und leistungsstärkere Schüler einzugehen, sind deutlich und die Be- gründung durch die starke Heterogenität nicht von der Hand zu weisen (vgl. Rauner / Piening 2010: 7). In den folgenden Punkten geht es darum, Differenzierung und Individualisierung als Möglichkeiten für Lehrkräfte zu betrachten, der Heterogenität in kaufmänischen Berufsschulklassen gerecht zu werden. Lehrer müssen der Verschiedenheit ihrer Schüler jedoch grundsätzlich wohlgesonnen gegenüber stehen, um die verschiedenen Möglichkeiten zum Umgang mit ihr umsetzen zu können (vgl. Bönsch 2011: 31).
Dahllöf zitiert in seinem Aufsatz "Grundbegriffe der Differenzierungsdiskussion" von 1967 den schwedischen Pädagogen Torsten Husén, der Differenzierung wie folgt auffasst: „Diffe- renzierung meint alle die Maßnahmen, die getroffen werden müssen, um allen Schülern ei- nen ihren jeweiligen individuellen Voraussetzungen angepaßten Unterricht zu bieten” (Dahl- höf 1967: 45). Bönsch beschreibt Differenzierung als ein Bündel von Maßnahmen, das Ler- nen der Schüler und Schülerinnen in fachlicher, organisatorischer, institutioneller, sozialer und individueller Hinsicht zu optimieren und so Lernprozesse optimal zu gestalten. Somit müsste ein unterschiedliches Vorgehen in der Darbietung und Bearbeitung von Lerninhalten erfolgen, um jedem Lernenden gerecht zu werden. (vgl. Bönsch 2009:14) Diese beiden De- finitionen zeigen erneut, dass der Fokus hier auf den Lernenden liegt und nicht etwa auf der Lehrperson und den Aufgaben und Schwierigkeiten, die sich für Sie oder Ihn ergeben, wenn die Forderungen die Husén und Bönsch, sowie zahlreiche weitere Autoren stellen, umge- setzt werden sollen. Man könnte sagen, die Aufgaben der Lehrer ergeben sich aus den Be- dürfnissen der Schüler.
Der Begriff der Differenzierung kommt immer dann zur Sprache, wenn über bestimmte Sachverhalte oder Konstellationen zu allgemein geurteilt wurde. Folglich müssen mehr Un- terschiede betrachtet werden, um die Thematik fachkundig und geeignet zu behandeln. So tritt das Erfordernis der Differenzierung in kaufmännischen Berufsschulklassen lediglich auf, weil man davon ausgehen kann, dass die Bedürfnisse, Voraussetzungen und Leistungsni- veaus der Lernenden seitens der Lehrenden nicht ausreichend berücksichtigt werden. (vgl. Buck 1976:12 ) Differenzierung ist allerdings ein zu allgemeiner Begriff, um weiter mit ihm arbeiten zu können, daher sollen zunächst die Unterschiedlichen Varianten und Möglichkei- ten erläutert werden.
Differenzierung lässt sich in zwei Hauptarten unterscheiden, die äußere Differenzierung und die innere Differenzierung, oder auch Binnendifferenzierung2 genannt.
Äußere Differenzierung kann als der Versuch angesehen werden, "Ordnung" in die hetero- gene Schülerschaft zu bringen. Ziel ist es demnach, die Lernenden in eine Art System zu gliedern, um möglichst gleiche Eigenschaften im Sinne der verschiedenen Merkmale und in Bezug auf Leistungsniveau und Interessen zu gewährleisten. Die erste Differenzierung findet bereits bei der Einschulung in die Grundschule statt. Kinder einer Altersgruppe werden in sogenannten Jahrgangsklassen eingeschult. (vgl. Linser / Paradies 2010: 17f.) Diese Form der Differenzierung wurde bereits von Comenius im 17. Jahrhundert eingeführt (vgl. Knoll- müller 2005:17). Klafki versteht unter äußerer Differenzierung die Aufteilung der Schüler und Schülerinnen in Gruppen nach Leistungsniveaus oder unterschiedlichen Interessen. Der Un- terricht findet dabei räumlich getrennt und zu verschiedenen Zeiten oder von verschiedenen Lehrkräften unterrichtet statt. (vgl. Klafki 1996: 173) Eine Differenzierung der Schüler durch die verschiedenen Schulformen, wie Gesamt-,Haupt- und Realschulen, sowie Gymnasien und spezielle Förderschulen ist in unseren Schulsystem gang und gäbe. Auch innerhalb der Schulformen existieren weitere Unterschiede, welche aber hier nicht weiter ausgeführt wer- den können3. Diese sogenannte Leistungsdifferenzierung erweckt zunächst den Anschein, die Lernenden in wohlüberlegte Gruppen eingeteilt zu haben und es nun mit einer relativ homogenen Schülerschaft zu tun zu haben. Doch in der Regel werden schnell große Unter- schiede unter den Lernenden sichtbar, die noch zu oft unbeachtet bleiben. Im beruflichen Schulwesen findet ebenfalls eine Form der äußeren Differenzierung statt, indem Berufsschü- ler gleicher Ausbildungsberufe in einer Klasse zusammen unterrichtet werden. (vgl. Bönsch 2009:14 ff.) Dies ist natürlich gerade in Bezug auf die praxisorientierten Fächer nicht ver- meidbar. Innerhalb der allgemeinbildenden Fächer wäre eine strengere Differenzierung theo- retisch denkbar. Eine äußere Differenzierung könnte hier nach dem Beispiel der Leistungs- differenzieung an integrierten Gesamtschulen erfolgen. Ein spezifisches Modell ist das "Set- ting", damit ist eine fachspezifische Leistungsdifferenzierung gemeint, die auch als ABC- und FEGA Modell bekannt ist (vgl. ebd. 20). Dabei wird auf integrierten Gesamtschulen der Lehr- plan für Realschulen, um den Gymnasiallehrplan erweitert, oder um den Lehrplan für Haupt- schulen reduziert. Im sogenannten Kernunterricht findet eine Angebotsdifferenzierung statt, welche verschiedene Formen der inneren Differenzierung berücksichtigen soll, um die ver- schiedenen Leistungsniveaus der Lernenden zu berücksichtigen. Desweiteren findet eine Anforderungsdifferenzieung statt. In Fachleistungskursen werden die Schüler hier nach den Anforderungen der Hauptschulen in C- oder G Kursen, nach den Anforderungen der Real- schulen in B- Kursen, oder nach den Anforderungen der Gymnasien in A- oder E Kursen unterrichtet. (vgl. Hessisches Kultusministeriums 2014: 2ff.) Dabei können die Schüler durch eine "Gleitende Differenzierung" unproblematisch die Kurse wechseln, wenn sich Ihre Leis- tungen verändern (vgl. Bönsch, 2009: 22 f.). Für die extrem ausgeprägte Heterogenität in kaufmännischen Berufsschulklassen wäre diese Möglichkeit der äußeren Differenzierung eine Option, besser auf die verschiedenen Leistungsniveaus in allgemeinbildenden Fächern der Berufsschüler eingehen zu können, ohne dabei von der Lehrkraft erwarten zu müssen, Lernende mit verschiedenen Abschlüssen gleichzeitig zu unterrichten. Diese Begebenheit stellt bei einer Klassengröße von ca. 25-30 Schülern und bei mehreren Klassen, extreme Anforderungen an die Lehrkraft dar.
Eine weitere Möglichkeit, besser auf die Lernbedürfnisse von Schülern in kaufmännischen Berufsschulklassen eizugehen, wäre die Interessendifferenzierung. Diese Möglichkeit wird den Lernenden die Chance bieten, in einem bestimmten Rahmen, nach ihren eigenen Inte- ressen zwischen bestimmten Lernangeboten, zum Beispiel in Form von Wahlpflichtkursen, zu wählen. Dabei würde es sich um ein systematisches Konzept themenverwandter, zusätz- licher Lernangebote handeln. So könnten Interessen und Fähigkeiten, aber auch Schwächen der Auszubildenden berücksichtigt werden. Interesse ist von großer Bedeutung für den Ver- lauf der Berufsausbildung und die Grundlage für Lernwilligkeit und Leistungsfähigkeit. (vgl. Pahl 2009: 255)
Auch wenn im nächsten Punkt "Innere Differenzierung" als eine weitere Form der Differen- zierung dargestellt wird, schließen sich diese beiden Varianten keinesfalls aus (vgl. Klafki 1996: 174). Es ist vielmehr wünschenswert, dass beide Formen genutzt werden, um optima- le Lernbedingungen für die Auszubildenden zu schaffen und das gesamte Repertoire an Möglichkeiten zu nutzen, um so bessere Lern-, aber auch Lehrbedingungen zu schaffen.
Da äußere Differenzierung also nur bis zu einem bestimmten Grad der Heterogenität der Lernenden gerecht werden kann, müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden. Zudem ist auch anzumerken, dass es sich bei äußerer Differenzierung um schulorganisatorische Aspekte handelt, also nicht direkt die Lehrpersonen und ihren Entscheidungsbereich betreffen. (vgl. Riedl: 2008: 2) Äußere Differenzierung schafft erst den Rahmen für innere Differenzierung und somit die Grundlage für die Aufgaben der Unterrichtenden.
Wie schon bei der äußeren Differenzierung, sind die Ziele innerer Differenzierung, den un- terschiedlichen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Voraussetzungen der jungen Erwachsenen gerecht zu werden (vgl. Scholz 2010: 27). Im Rahmen äußerer Differenzierung muss dazu ergänzend eine gruppeninterne Differenzierung vorgenommen werden, die dann im Optimal- fall, durchgeführt nach bestimmten Kriterien, individuelle Bedürfnisse der Lernenden berück- sichtigt (vgl. Bönsch 2009: 31). Bei Binnendifferenzierung handelt es sich nicht um eine kon- krete Unterrichtsmethode, wie es bei einem Rollenspiel, oder einer Projektarbeit der Fall ist, auch eine bestimmte Sozialform ist nicht vorgegeben. Vielmehr fungiert Binnendifferenzie- rung als ein Unterrichtsprinzip, welches alle organisatorischen, didaktischen und methodi- schen Maßnahmen, die innerhalb des Unterrichts getroffen werden beinhaltet, um die Ver- schiedenheit der Individuen optimal zu berücksichtigen. Die Lehrkraft ist aufgefordert Metho- den und Sozialformen so zu wählen, dass innere Differenzierung ermöglicht wird. Es kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass eine bestimmte Methode automatisch zu innere Differenzierung führt, oder diese grundsätzlich ausschließt. (vgl. Heymann 2011: 2) Von Lehrern verlangen Maßnahmen zur Binnendifferenzierung viel ab und sind im Vergleich zu äußeren Differenzierung, die mehr auf schulorganisatorischer Ebene stattfindet, stark von der Motivation und dem Engagement der Unterrichtenden abhängig (vgl. Pahl 2009: 256). Binnendifferenzierung beginnt bei der Lehrkraft und wird erst durch diese ermöglicht, wes- halb der Blick aus der Lehrerperspektive besonders wichtig ist.
Desweiteren unterscheidet sich innere Differenzierung in zwei Formen: geschlossene und offene Formen. Bei einer geschlossenen Differenzierung wird dem Lernenden durch den Lehrenden ein auf ihn, individuell abgestimmter Lernweg zugewiesen. Diese Zuweisung er- folgt auf Grundlage einer individuellen Diagnose. Geschlossene Differenzierung erfordert eine hohe Diagnosekompetenz seitens des Lehrers, um den Schülern auch wirklich passen- de Lernwege zuzuweisen. Innerhalb einer offenen Differenzierung finden die Lernenden ih- ren optimalen Lernweg selbst. Dazu wird seitens der Lehrkraft ein klarer Rahmen vorgege- ben, der durch festgelegte Regeln, Aufgaben etc. bestimmt wird. Durch aktives Handeln in diesem Rahmen und sozialer Interaktionen mit den Mitschülern, entwickeln die Lernenden ihren persönlichen Lernweg im Laufe des Prozesses. Hier ist die Aufgabe des Lehrers weni- ger die Diagnose des Lernverhaltens, sondern das bereitstellen einer optimalen, anregungs- reichen Lernumgebung, die den Schülern ermöglicht, sich voll und ganz zu entfalten. Der Lehrer muss sich im klaren sein, das er so ein großes Stück seiner Kontrolle verliert und sich auf die Gewissenhaftigkeit seiner Schüler verlassen muss. Bei beiden Formen der inneren Differenzierung handelt es sich um Idealtypen, daher werden in der Praxis eher Mischformen zu finden sein. Ob sich ein Lehrer eher in Richtung offener oder geschlossener Differenzie- rungsformen bewegen kann, hängt vom kognitiven Niveau, Leistungsvermögen und der Me- thodenkompetenz der Schüler ab. (vgl. Heymann 2011: 3)
Bönsch zählt eine Reihe von Differenzierungskriterien auf, die sicher nicht ausschöpfend sind, aber die wichtigsten Punkte berücksichtigen, hinsichtlich welcher Lernende große Un- terschiede aufweisen. Dabei handelt es sich um die Lerngeschwindigkeit, Arbeitsmenge, Leistungshöhe oder auch das Leistungsniveau, Lernschwierigkeiten, Arbeitsweisen bzw.
Lerntypen, persönliche Interessen und das Vermögen zur Kooperation. (vgl. Bönsch 2009:
31) Andere Autoren, wie Bräu, Klafki und Scholz konkretisieren Möglichkeiten, welche eine Lehrperson hat, innere Differenzierung im Unterricht unter Berücksichtigung der benannten Kriterien zu realisieren. Angelehnt an die erwähnten Autoren, sollen nun konkrete Maßnah- men aufgeführt werden, die eine Lehrkraft nutzen kann, um auf die von Bönsch genannten Differenzen der Lernenden einzugehen und so den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Differenzierung durch Umfang des Lernstoffes
Ziel ist es, die Lern- bzw. die Arbeitsgeschwindigkeit der Schüler zu berücksichtigen und die Arbeitsmenge flexibel zu halten. Dieses Erfordernis resultiert daraus, dass manche Schüler schneller bei der Bearbeitung bestimmter Aufgaben sind als andere. Um zu vermeiden, dass diese Schüler anfangen zu stören und die langsameren Lernenden sich nicht mehr konzent- rieren können, sollte die Lehrkraft Zusatzaufgaben vorbereiten. (vgl. Scholz 2010: 29) Die Aufgaben werden in eine für alle zu bearbeitende Basis, das sogenannte Fundamentum und in einen Zusatzbereich, das Additum gegliedert. Das Additum kann eine inhaltliche Erweite- rung darstellen, Lernziele auf einem höheren kognitiven Niveau beinhalten, oder sich mit einer ganz anderen Thematik befassen. Das Additum an sich sollte im Umfang variabel ge- halten werden, um das Ziel dieser Differenzierung nicht zu verfehlen. Die Durchlässigkeit zwischen Fundamentum und Additum muss seitens der Lehrkraft so groß wie möglich gehal- ten werden, das heißt, alle Lernenden sollten motiviert werden Aufgaben im Bereich des Additum zu bearbeiten (vgl. Bräu 2005: 134 & Klafki 1996: 182ff.). Das setzt voraus, dass schwächere Schüler Hilfen zur Verfügung gestellt bekommen um eine Chance zu haben, Aufgaben des Additums bearbeiten zu können. Das führt zu einer weiteren Möglichkeit der inneren Differenzierung.
Differenzierung durch Bearbeitungshilfen
Als Ziel kann hier die Berücksichtigung von Lernschwierigkeiten angesehen werden. Nicht alle Auszubildenden sind in der Lage Aufgaben ganz und gar selbständig und ohne Hilfe zu bearbeiten. Je nach Umfang der Aufgabe (handelt es sich um ein ganzes Projekt oder um eine kürzere Aufgabe), benötigen manche Schüler mehr Strukturierungshilfen und müssen kleinschrittiger an die Problemstellung herangeführt werden als andere. Auch klarere Anwei- sungen sind gegebenenfalls nötig, gerade wenn die Lernenden noch nicht viel Erfahrung im Umgang mit einem hohen Grad an Selbständigkeit gemacht haben. (vgl. Bräu 2005: 134)
[...]
1 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in Zukunft auf die Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Die unterschiedlichen Personenbezeichnungen gelten grundsätzlich für beide Geschlechter.
2 Die Begriffe Binnendifferenzieung und innere Differrenzieung werden in dieser Ausarbeitung synonym benutzt.
3 Einen Überblick bietet hierzu Ingevelde Scholz in "Pädagogische Differenzierung" von 2010