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Masterarbeit, 2016
191 Seiten, Note: 1,0
Abstract
1.. Einleitung
1.1 Stress
1.1.1 Was ist Stress?
1.1.2 Arten von Stresskonzepte
1.1.3 Psychologisch gerichtete Stresskonzepte
1.1.4 Biologisch gerichtete Stresskonzepte
1.1.5 Beziehung zwischen Stress und Sympathischem Nervensystem
1.1.6 Beziehung zwischen Stress und der HPA-Achse
1.1.7 Stressauslöser
1.1.8 Stress und Gesundheit
1.1.9 Beziehung zwischen Stress und Geschlecht
1.2. Soziale Unterstützung
1.2.1 Was ist Soziale Unterstützung?
1.2.2 Arten der Sozialen Unterstützung
1.2.3 Messmethoden Sozialer Unterstützung
1.2.4 Effekte der Sozialen Unterstützung auf Gesundheit und Stress
1.2.5 Wirkmechanismen Sozialer Unterstützung auf Gesundheit und Stress
1.2.6. Neuroendokrinolgische Korrelate zwischen Sozialer Unterstützung und Stress
1.2.7 Beziehung zwischen Geschlecht und Sozialen Unterstützung
1.3 Schlaf
1.3.1 Was ist Schlaf?
1.3.2 Der Schlafzyklus
1.3.3 Regulatoren des Schlafes
1.3.4 Die Neurobiologie der Schlafregulation
1.3.5 Was ist gesunder Schlaf?
1.3.6 Beziehung zwischen Schlaf und Stress
1.3.7 Beziehung zwischen Schlaf und Soziale Unterstützung
1.3.8 Beziehung zwischen Schlaf und Geschlecht
1.4 Psychische Störungen
1.4.1 Was sind psychische Störungen?
1.4.2 Epidemiologie psychischer Störungen
1.5. Fragestellung und Hypothesen
1.5.1 Fragestellung
1.5.2 Hypothesen
2 Methodik
2.1 Erhebung
2.2 Stichprobe und Einschlusskriterien
2.3 Screeningmaterialien
2.4. Versuchsmaterialien
2.4.1 Stressinduktion: Trier-Social-Stress-Tests
2.4.2 Messung Physiologische Stressparameter
2.4.3 Messung Psychologischen Stressparamter
2.4.4 Messung Psychologischer Schlafparameter
2.5 Versuchsablauf
2.6 Untersuchungsdesign
2.7 Methoden der Datenauswertung
2.8 Methoden der Hypothesentestungen
3. Ergebnisse
3.1 Inferenzmessung der Stichproben
3.2 Inferenzmessung der Hypothesen
3.2.1 Testung: Erste Hypothese
3.2.2 Testung: Zweite Hypothese
3.2.3 Testung: Dritte Hypothese
3.2.4 Testung: Vierte Hypothese
4 Diskussion
4.1. Hypothesen spezifische Diskussion
4.1.1 Erste Hypothese
4.1.2 Zweite Hypothese
4.1.3 Dritte Hypothese
4.1.4 Vierte Hypothese
4.2 Stärken und Schwächen der Studie
4.3 Ausblick
4.4 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Danksagung
Abbildung 1: Transaktionales Stressmodell Modifiziert nach Schwarzer (1996)
Abbildung 2: Allgemeines Anpassungssyndrom nach Selye (1936)
Abbildung 3: HPA-Achse mit Feedbackkreislauf
Abbildung 4: Modell der Unterstützungsinteraktion
Abbildung 5: Pufferhypothese und Haupteffektmodell der Effekte der sozialen Unterstützung
Abbildung 6: Beteiligte Hirnregionen beim Schlafen
Abbildung 7: Schlaf-Wach Regulation System
Abbildung 8: Beziehungsmodell von Schlafgesundheitsfaktoren
Abbildung 9: Darstellung eines TSST - Modifiziert nach von Dawans et al. (2011)..
Abbildung 10: Darstellung des Ablauf des TSST, Salivette®
Abbildung 11: Mittelwerte derCortisolkonzentrationen und Bedingungen der Sozialen Unterstützung
Abbildung 12: Mittelwerte der Herzraten und Bedingungen der Sozialen Unterstützung
Abbildung 13: Mittelwerte derVAS-Nervosität und Bedingungen der Sozialen Unterstützung
Tabelle 1: Schlafstadien bei Erwachsenen nach AASM 2007
Tabelle 2: Einfaktorielle Varianzanalysen ohne Messwiederholungen mit den Faktoren Stichprobe, Alter, Größe, und Gewicht
Tabelle 3: Zweifaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung mit den Faktoren Soziale Unterstützung und Cortisolmesszeitpunkt
Tabelle 4: Zweifaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung mit den Faktoren Soziale Unterstützung und Herzrate
Tabelle 5: Effekte der einfaktorielle Varianzanalyse mit den Faktoren soziale Unterstützung und Herzrate
Tabelle 6: Einfaktoriellen Varianzanalysen mit Messwiederholungen mit den Faktoren Soziale Unterstützung und VAS-Skalen
Tabelle 7: Einfaktorielle Varianzanalyse mit dem FaktorVAS-Skala Nervosität
Tabelle 8: Zweifaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung mit den Faktoren Soziale Unterstützung und STAI-S
Tabelle 9: Einfaktoriellen Varianzanalysen ohne Messwiederholungen mit den Faktoren Soziale Unterstützung, AUCi und AUCg
Tabelle 10: Einfaktorielle Varianzanalysen mit der unabhängigen Variable soziale Unterstützung und den abhängigen Variablen PASA-Skalen
Tabelle 11: Pearson Korrelationen, Mittelwerte, Standartabweichungen zwischen ausgewählten Schlaf und Stress Variablen
Tabelle 12: Pearson Korrelationen, Mittelwerte, Standartabweichungen zwischen ausgewählten Schlaf Variablen
Tabelle 13: Pearson Korrelationen, Mittelwerte, Standartabweichungen zwischen
Tabelle 14: Multiplen linearen Regressionen derAUCs als Prädiktor sowie PSQI, FIRST, FEPSII als Kriterium
Tabelle 15: Einfaktoriellen Varianzanalyse mit Messwiederholung mit den Faktoren Zeit und den Schlaftagebuch Variablen
Tabelle 16: Effekte und Deskriptive Darstellung der multiplen linearen Regressionen der Schlaftagebüchervariablen zum Testtag als Prädiktor sowie AUCi und AUCi als Kriterium
Anhang A: Probanden Information
Anhang B: Erstkontakt E-Mail
Anhang C: Personenbezogene Screeningfrage
Anhang D: Screening- und Versuchsmethoden
Anhang E: 1. StandardisierterVorsitzleitfaden
Anhang F: Berufsliste
Anhang G: Beispiel Berufsanforderungsprofil
Anhang H: 2. StandardisierterVorsitzleitfaden
Anhang I: Schlaftagebücher
Anhang J: Assessment Center Tipps
Anhang K: Checkliste TSST-Soziale-Unterstützung
Anhang L: AUCi & AUCg - Formel
Inhalt: Zahlreiche Studien liefern Hinweise dafür, dass unterschiedliche Soziale Unterstützungsarten sich förderlich auf Stressverarbeitung auswirken können. Weiterhin konnte eine enge Beziehung zwischen Schlaf- und Stressfaktoren nachgewiesen werden. Das Ziel der bestehenden Untersuchung lag darin, sowohl den Effekt von unterschiedlichen Unterstützungsarten auf einen sozialen Stressor zu erheben, als auch ob eine Interaktion zwischen Schlaf- und Stresserleben in diesem Kontext besteht.
Methode: 62 gesunde Frauen wurden randomisiert in zwei Interventionsgruppen, mit Massage (emotional Unterstützung Unterstützung) und Tipps für ein Vorstellungsgespräch (instrumentale Unterstützung) eingeteilt. Innerhalb dieser Gruppen wurden sowohl objektive (Speichel Cortisol, Herzrate) als auch subjektive (Visuelle Analogskalen, State-Trait-Angstinventar, Primary Appraisal Secondary Appraisal Skala) Stressparameter erhoben. Sowohl vor als auch nach der Testung wurden auch das subjektive Schlaferleben erfasst (Ford Insomnia Response to Stress Test, Fragebogen zur Erfassung allgemeiner und spezifischer Persönlichkeitsmerkmale Schlafgestörter II, Schlaftagebuch).
Ergebnis'. Es konnte unteranderem gezeigt werden, dass eine emotionale Unterstützung (Massage) im Vergleich zur instrumentellen Unterstützung (Information) stärker protektiv Auswirkung sowohl auf psychische als auch auf physische Stressparameter hat. Des Weiteren konnten einige Zusammenhänge zwischen Schlaf- und Stresserleben beobachtet werden.
Fazit: Das vorliegende Experiment erweiterte die noch dünne Forschungslandschaft bezüglich unterschiedlicher Wechselwirkung zwischen Schlaf- und Stressvariablen, im Hinblick auf soziale Unterstützungsarten im Rahmen eines akuten sozialen Stressors. Die Studie konnte weiterhin das gängige Bild bestätigen, dass der erwähnte Stressor erhöhte somatische- und psychologische Stressreaktionen mit sich bringt.
Der bekannte Mediziner und Stressforscher Hans Selye (1907 - 1982) prägte den Satz: “Without stress, there would be no life” (Latham 12.01.2015 ). Genauso unstrittig steht fest, dass der Mensch ohne Schlaf über längere Zeit nicht lebensfähig ist. Weiterhin ist aus der Empirie mittlerweile bekannt, dass Stress unter bestimmten Bedingungen antagonistisch auf den Schlafzyklus wirkt. Wie lassen sich diese augenscheinlich gegensätzlichen Aussagen miteinander in Beziehung setzen? Wie stark beeinflussen sich diese zwei lebenswichtigen Komponenten tatsächlich? Und unter welchen Bedingungen kann man dem gelegentlich destruktiven Effekt des Stresses auf den Schlaf entgegenwirken? Diesem Thema wird sich die vorliegende Abhandlung kritisch nähern.
„Ohne Stress durch die Nacht” (Süddeutsche Zeitung 03.01.2015, 17.12.2014); „Forscherkongress - Zunehmender Stress führt zu mehr Schlafstörungen“ (Spiegel 03.01.2015, 18.10.2013); „Der große Schlafreport - So (schlecht) schläft Deutschland“ (Bild 03.01.2015, 21.11.2014); „Mit Sorgen bis zum Morgen (Stern 03.01.2015 ); “Wenn Stress im Beruf zum Schlafkiller wird” (Die Welt 03.01.2015, 28.04.2014). Wie exemplarisch an diesen Schlagzeilen aus deutschen Leitmedien dargestellt wird, scheint die Beziehung zwischen Stress und Schlaf nicht nur in der medizinischen- und psychologischen Forschungslandschaft ein stark präsenter und diskutierter Bereich zu sein., Es kann daher angenommen werden, dass diese Thematik auch in der deutschen Bevölkerung aktuell ist.
Diese Entwicklung ist jedoch nicht weiter verwunderlich, da jeder Mensch phasenweise vielen Arten von Stressoren ausgesetzt ist. Sie reichen von alltäglichen berufsbezogenen bzw. universitären Anforderungen über mögliche Rollenkonflikte innerhalb der sozialen Gemeinschaft, kritischen und traumatischen Lebensereignissen, bis hin zu sozialen oder familiären Belastungen. In Abhängigkeit von Faktoren wie der Persönlichkeit, dem Wohlbefinden, gewissen biologischen Determinanten, lerntheoretischen Aspekten und der Erfahrungen, unterliegt die Wahrnehmung, Bewertung und Stärke des ausgelösten Stresses einer großen individuellen Varianz.
Wie schon seit längerem bekannt, beeinflussen sich Schlaf und Stress gegenseitig, unter anderem, weil sie durch ähnliche psychische und physische Determinanten beeinflusst werden, wie z.B. durch die Hypothalamus-Hypophysen- Nebennierenrinden-Achse oder dem sympathischen Nervensystem.
Dementsprechend kann ein direkter Zusammenhang zwischen den beiden beobachtet werden (Sadeh, Keinan, & Daon, 2004). Da der Schlaf einen nicht unwesentlichen Teil unseres Lebens ausmacht, lohnt sich eine nähere Betrachtung dieses Faktors in Bezug auf einen akut erlebten Stressor.
Schon Lazarus (1966) postulierte, dass z.B. ein erhöhter chronischer Stresspegel (vor allem der sog. Distress) eine Vielzahl von negativen psychischen und physischen Effekten auslösen kann. Ebenso führt ein pathologisches Schlafverhalten über kurz oder lang zu massiven körperlichen und geistigen Einbußen (Sivertsen et al., 2006). An diesem Punkt stellt sich nun die Frage, welche präventiven bzw. positiven Einflussfaktoren diese beiden Faktoren moderieren können. Die Treatmentbandbreite würde von möglichen Medikationstheraphien, Entspannungstechniken, diversen psychotherapeutischen Interventionen, Umstellung der Lebensgewohnheiten bis hin zur Veränderung des sozialen Umfeldes- reichen.
In dieser Studie wird der Schwerpunkt jedoch eher auf mögliche soziale Unterstützungsarten gelegt, denn ihr Einfluss auf psychische und physiologische Parameter spielt vor allem in der heutigen Zeit eine große Rolle. Mit der fortschreitenden Technisierung unserer Umwelt und der stetigen Entwicklung unseres sozialen und ökonomischen Umfeldes stellt die Gesellschaft immer höhere und komplexere Ansprüche an die Menschen. Unter diesem Gesichtspunkt spielt die Unterstützung durch Mitmenschen eine Schlüsselrolle bei der erfolgreichen und gesunden Anpassung an die oftmals widrigen und komplexen sozialen Umstände. Die erfolgreiche Einbindung in tiefgreifende soziale Beziehungen hat eine nicht zu unterschätzende Konsequenz für die Gesundheit und ist oftmals eine Voraussetzung für das Überleben eines Individuums (Berkman, Glass, Brissette, & Seeman, 2000). Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich unweigerlich die Frage, welche Form der Unterstützung die effektivste und praktikabelste für unsere heutige Gesellschaft ist.
In der vorliegenden experimentellen Studie werden zu Anfang die Grundkonzepte und ein Abriss des aktuellen Forschungsstandes in Bezug auf die drei Hauptthemengebiete Stress, soziale Unterstützung und Schlaf erläutert. Das Konzept der psychischen Störungen wird als Ausschlusskriterium für die Studienteilnahme kurz umrissen. Im weiteren Verlauf wird die Forschungsfrage behandelt, welche Effekte die unterschiedlichen sozialen Unterstützungsarten (emotionale und instrumentelle Unterstützung) auf das Schlaf- und Stressempfinden von Frauen haben. Die Fokussierung auf das weibliche Geschlecht wurde u.a. zur Vorbeugung möglicher
geschlechtsspezifischer psychischer und physischen Verzerrungen vorgenommen.
Die vorliegende Forschungsfrage wird innerhalb mehrerer Hypothesen mittels diverser psychologischer und physiologischer Parameter getestet. Die verschiedenen angewandten Methoden und Ergebnisse werden im Anschluss vorgestellt. Die daraus gewonnen Erkenntnisse werden danach kritisch diskutiert und es wird ein möglicher Forschungsausblick auf die Thematik gewährt. Abschließend wird ein Resümee zur Qualität der durchgeführten Studie gezogen.
Wie aus der Einleitung ersichtlich ist, kann Stress massivste Auswirkungen auf unsere Leben und auf das soziale Miteinander, haben. Allerdings wird der Begrifft Stress in der Gesellschaft oft zu pauschal benutzt (Stress gleich Burnout, Stress auf der Arbeit und in der Ausbildung, Stress in der Beziehung, Stress mit der Familie etc.). Um dieser Vermischung von Lebenseinflüssen zuvor zukommen, wird in den kommenden Kapiteln vor allem erst einmal nahe gebracht was die Forschungslandschaft unter dem Konzept des Stress versteht bzw. ob eine klare Abgrenzung überhaupt möglich ist.
Dementsprechend werden einige Entstehungskonzepte des menschlichen Stresses vorgestellt. Weiterhin wird in diesem Zusammenhang die Rolle des vegetativen Nervensystems und der HPA-Achse in der Stressverarbeitung dargelegt. Am Ende werden einige Stressauslöser beschrieben und es wird auf geschlechtsspezifische Unterschiede des Stressempfindens eingegangen.
Wie aus den nun nachfolgenden Kapiteln ersichtlich wird, ist eine einheitliche Definition von Stress kaum zu leisten. Vielmehr existieren unterschiedliche Perspektiven, worunter dieses Konstrukt betrachtet werden kann und daher gibt es auch keine einheitliche Definition was nun Stress tatsächlich ist. „Everybody knows what stress is and nobody knows what it is“ (Selye, 1973 p. 692). Aus diesem Zitat von dem bekannten Stressforscher und Mediziner Hans Selye lässt sich wunderbar die Problematik des vorliegenden Konstrukts ableiten. Die meisten Menschen haben eine mehr oder minder genaue Vorstellung von diesem Begriff.
Auch im Alltag und in den Medien scheint der Begriff des Stresses immer präsenter zu sein. Nichtsdestotrotz fällt eine eindeutige und klare Definition dieses Konzeptes sehr schwer. Die Hauptursache für diese Problematik liegt wohl darin, dass das Wort Stress mit zu vielen Bedeutungen aufgeladen ist (McEwen & Wingfield, 2003). Im alltäglichen Sprachgebrauch steht Stress oft gleich mit Situation und Reaktion (McEwen, 2000). Die wissenschaftliche Terminologie verwendet hingegen eine klare Trennung zwischen Reaktion und Auslöser. Der „Stress“ wird in der Forschung mit der Reaktion bzw. dem Zustand des Organismus gleichgesetzt und die stressauslösenden Ereignisse werden vielmehr als „Stressoren“ bezeichnet (McEwen &Wingfield, 2003). Unter diesem Gesichtspunkt kann also Stress, z.B. als ein allgemein sehr starker, unangenehmer Spannungszustand erlebt werden, der nach einer aversiven Situation auftritt und dessen Vermeidung stets als subjektiv wünschenswert erlebt wird (M. A. Wirtz, 2015).
Eine weitere sehr vereinfachte Definition von Stress kann z.B. auch lauten, dass Stress lediglich die Antwort des Körpers auf alle Arten von Beanspruchung ist (Thiel, 2001). Wenn man eher eine biologisch gerichtete Beschreibung zu Rate zieht, dann stellt Stress eine Gefährdung der Homöostase dar, d.h. es stellt eine Bedrohung unseres Gleichgewichts innerhalb unseres Körpersystems dar (Wittchen & Hoyer, 2011). Wie an diesen drei kurzen Beschreibungen klar wird, existieren viele nebeneinanderstehende (gleichwertige) Stressdefinitionen. Um nun weitere genauere Abgrenzungen zu dieser Thematik zu ermöglichen, werden im folgenden Kapitel verschieden Perspektiven (die im Rahmen des Stresskonstrukts beforscht werden) vorgestellt.
Wie aus dem vorherigen Kapitel hervorgeht ist es nicht möglich das „Stresskonzept“ auf eine Definition oder eine Theorie zu reduzieren. Vielmehr kann man sie mittels Modellen und Beschreibungen in verschiedene Richtungen/ Perspektiven einteilen. Eine rudimentäre Gliederung der Stresstheorien wäre, die Konstrukte in eher psychologische und eher biologische Richtungen einzuteilen. Eine etwas Ausführlichere Einteilung schlägt unteranderem Schwarzer (1996) vor, nach ihm kann der Stress vielmehr aus drei verschiedenen Perspektiven betrachtet werden (innerhalb dieser gibt es kein richtig oder falsch, alle drei haben ihre Daseinsberechtigung).
Die eher biologisch orientierten Systeme sind hierbei die reaktionsorientieren Stresskonzepte und das etwas neuere Modell der Homöostase. Die dritte Perspektive, das transaktionale Stressmodell fußt hingegen vor allem auf psychologischen Komponenten, da es nämlich sowohl Bewertungs-, Wahrnehmungs- und Bewältigungsfaktoren beinhaltet. Wenn man von Stress als eine Belastungsreaktion des Körpers (reaktionsorientier Ansatz) ausgeht, sollte man sich an den Arbeiten von Walter Canon (1914) und Hans Selye (Selye & Fortier, 1950) orientieren.
Zusammengefasst sehen sie Stress als ein Output d.h. die Umwelt wirkt unspezifisch auf die Person ein und diese Erlebt den Reiz als eine Stressreaktion. Wenn Stress hingegen mehr als ein belastender Umweltreiz (Stimulus-bzw. reizorientierte Sichtweise) gesehen wird, gilt vor allem das Konzept der Homöostase von McEwen (1998). Diese Theorie geht davon aus, dass Stress hierbei als ein Input (von Umweltreizen) auf die zu beanspruchende Person wirkt. D.h., äußere Anforderungen, z.B. in Form von kritischen/ schädigenden Lebensereignissen führen zu einer Belastung innerhalb unseres Lebens.
Abschließend kann Stress, als ein transaktionales Geschehen verstanden werden. Dieser Grundgedanke geht auf das transaktionale Stressmodell von Lazarus und Folkman (1984) zurück. Zusammenfassend wird hier der Stress nicht auf Output oder Input runtergebrochen, vielmehr liegt eine Wechselbeziehung zwischen einem Individuum und einer Situation vor und weiterhin sind kognitive Bewertungen und deren Einfluss auf die Stressbewältigung ein integraler Bestandteil. Stress ist also das Ergebnis eines eigenen Bewertungsprozesses und damit stellt es eine Transaktion von der Umwelt und einem Reiz dar. (Lazarus & Folkman, 1984).
Da die bestehende Studie das Konzept Stress sowohl anhand psychologischer als auch physiologischer Marker erhebt, wird in dem Folgekapitel ein tieferer Einblick in die biologischen, als auch in die psychologischen Stressreaktionen und Stressauslöser, gewährt. Es bestehen zwischen diesen beiden Komponenten diverse Wechselwirkungen und es ist bis Dato nicht genau geklärt welche kausalen Zusammenhänge zwischen ihnen existieren. Dies bedeutet, der Entstehungsprozess von Stress steht immer im Zusammenhang mit dem Geist und dem Körper und er kann (muss aber nicht) diese beiden massiv beeinflussen bzw. schädigen.
Wenn psychologisch ausgerichtete Stresstheorien betrachtet werden fällt auf, dass bei diesen der Stress stets in Zusammenhang mit einem Stimulus und eigenen spezifischen Aspekten steht. Das transaktionale Stressmodell von Lazarus und Folkman (1984) zählt hierbei zu den wichtigsten Vertretern dieser Art (Zapf & Semmer, 2004) und für die Herangehensweise an das Konstrukt „Stress“ scheint dieses Modell für die vorliegende Arbeit sehr dienlich. In dieser Studie wird nämlich Stress durch einer künstlich (über)fordernden Situation (mittels eines Trier Social Stress Test - TSST) erzeugt und die Bewältigungsstrategien werden innerhalb einer experimentellen Bedingung moduliert. Aufgrund dieser Tatsachen wird diese Theorie im Folgenden etwas näher erörtert und in einem Schaubild vorgestellt (Abbildung 1).
Das transaktionale Stressmodell sieht Stress als ein Effekt, der aus Inkongruenz von der Anforderung seitens der Umwelt und den eigenen Bewältigungsressourcen, hervorgeht. Das heißt der Mensch ist nicht in der Lage der Anforderung zu begegnen oder es herrscht ein Ungleichgewicht zwischen den unterschiedlichen Angeboten der Situation und den eigenen Interessen/ Bedürfnissen (Lazarus & Folkman, 1984). Hierbei stehen also zwei Prozesse im Vordergrund, zum einem die kognitive Beurteilung und die Bewältigung, diese dienen als Mediatoren der Stressbeladenen Personen-Umwelt-Beziehung und ihrer sofortigen oder langfristigen Auswirkung (Folkman, Lazarus, Gruen, & DeLongis, 1986). Die verschiedenen Situationen werden hierbei zuerst anhand einer primären Beurteilung (Primary appraisal) nach dem Grad von potentieller Schaden/ Gefahr (negativ), Herausforderung (positiv) oder Bedeutungslosigkeit (neutral) eingeteilt, für eine weitere Bewertung ist allerding lediglich die Gefahr von Bedeutung (Folkman et al., 1986).
Die weitere Einteilung erfolgt mittels eines subjektiven Bewertungsprozesses, in dem ein Abgleich von den jeweiligen unterschiedlichen Situationsanforderungen und den existierenden Ressourcen gemacht wird. Diese sekundäre Beurteilung (Secondary appraisal) umfasst alle individuellen Eigenschaften, wie z.B. unsere sozialen Ressourcen, Fähigkeiten und die Persönlichkeit. Wenn nun diese Ressourcen nicht ausreichend vorhanden sind, folgt ein Stresserleben. Als Reaktion auf den wahrgenommenen Stress erfolgt jetzt die Auswahl einer neuen Bewältigungsstrategie (Copingstil), diese kann z.B. je nach der eigenen Persönlichkeit, den Lernerfahrungen, der Situation und der eigenen Wahrnehmung, variieren (ebd.). Dementsprechend beeinflusst dieser aktualisierte Copingstil die erneute Interaktion zwischen der Situation und dem Individuum und daher ist eine erneute Beurteilung (Reappraisal) der Situation vonnöten.
Wie aus dieser Erklärung ersichtlich sein sollte, bedeutet Coping nicht sofort, das auch eine “erfolgreiche Bewältigung” (mastery) der Belastungssituation stattfindet. Vielmehr muss jede Auseinandersetzung mit dem Stressor als eine Bewältigung angesehen werden und das Ergebnis dieser kann dann erfolgreich (Stresserleben verschwindet bzw. nimmt ab), oder weniger erfolgreich ausfallen (Stresserleben bleibt erhalten bzw. steigert sich) (Lohmann-Haislah, 2012). Zusammenfassend bedeutet dies, dass wenn die Einschätzung der Situation negativ ausfällt und wenn die verschiedenen Anforderungen an die Situation höher sind als das Vorhandensein der eigenen wahrgenommenen Ressourcen, es dadurch zu einem Stressempfinden kommen kann. Das vorliegende Konzept wird in Abbildung 1 noch einmal zusammenfassend dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Transaktionales Stressmodell Modifiziert nach Schwarzer (1996)
Auch wenn man dieses und alle anderen eher psychologisch ausgerichteten Stresskonzepten kritisieren kann, dass sie einige somatisch relevante Stressreaktionen in ihren Betrachtungen ausklammern, zeigen sie dennoch klar, dass dem Stress wesentliche psychologische Komponenten innewohnen und dass dieser nicht nur auf biologische Phänomene reduziert werden darf. Die Manifestierung des Stresses ist also verkürzt gesprochen eine psychische Reaktion, die durch spezifische Reize ausgelöst wird, die die Person als bedrohlich und ressourcenüberlastend wahrnimmt. Erwähnenswert scheint im Weiteren doch auch die Tatsache zu sein, dass das transaktionale Modell vor allem für die laborexperimentelle Forschung von hoher Relevanz sein kann, weil nach diesem Konzept nicht alle eingesetzten Stressoren automatisch zu einer individuellen Stresswahrnehmung führen.
Die eher biologisch ausfallenden Theorien analysieren Stress aus der physiologischen Richtung und sie sehen ihn als einen unabhängigen Faktor, der weniger mit psychologischen Reaktionen in Verbindung steht. Auch diese biologisch gerichteten Ansätze müssen genauer geschildert werden, da in der vorliegenden Studie sowohl psychologische als auch biologische Stressvariablen betrachtet/ erhoben werden.
Ein wichtiger Vertreter dieser Richtung ist die sog. reaktionsorientierte Perspektive. Ihr Ursprung wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Walter Canon (1914) geprägt. Seiner Meinung nach erfüllt die Stressreaktion vor allem das Ziel, einem Organismus ausreichend Energie bereitzustellen, um auf möglich Situationen/ Bedrohungen ausreichend zu reagieren. Dementsprechend lag sein Forschungsschwerpunkt vor allem auf der sympathische Aktivierung innerhalb des vegetativen Nervensystems (ausgelöst durch Stress) und damit einhergehenden Sekretion von Noradrenalin und Adrenalin. Vor allem durch das sympathische Nervensystem kann der Körper die zur Verfügung stehende Energie nutzen, um situationsabhängig zu fliehen oder zu kämpfen (fight-or-flight).
Nach Cannon (1929) reagiert jeder Organismus auf Stress vorhersehbar mit Flucht oder Kampf. Während dieses Stresserlebens werden daraufhin Neuronen im Hypothalamus und im Hirnstamm aktiviert, diese haben einen modellierenden Einfluss auf das Herz- und Nebenierenmark und im Anschluss führt dies zu eine Erhöhung des sympathisch regulierten Herz-Kreislaufsystems und einer verstärkten Freisetzung von Nebennieren-Katecholaminen (Jansen, van Nguyen, Karpitskiy, Mettenleiter, & Loewy, 1995). Hans Selye (1950) erweitert diesen bestehenden Ansatz mit der Hinzunahme der Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHN-Achse, HNNA oder die häufige angloamerikanische Terminologie HPA). Damit es im weiterem zu keinen Unstimmigkeiten kommt wird in Zukunft die Abkürzung HPA gebraucht, da sie in der Forschungslandschaft die wohl häufigste Bezeichnung für die Hypophysen- Nebennierenrinden-Achse darstellt (Kirschbaum, 2001).
Selye postuliert in seinen Arbeiten, dass der somatischen Stressreaktion zwei Basis Faktoren zugrunde liegen. Zum einen ist die Stressreaktion nicht spezifisch und sondern allgemein, dies bedeutet der Stress tritt unabhängig von der Stressorkategorie auf. Diese Erkenntnisse gehen auf Tierversuche zurück, bei denen er beobachten konnte, dass die Tiere auf unterschiedliche Stressoren (Bakterien, emotionale Irritation, Drogen oder physikalische Verletzungen) stets mit einer (Über-) Aktivierung der HPA-Achse reagierten (Selye, 1936). Zum anderen besitzt die Stressreaktion eine adaptive Komponente. Hierbei wird Stress, als ein biologischer Anpassungsprozess (reaktion) bzw. als ein Syndrom, das physiologische Veränderungen (general adaption syndrom - GAS) mit sich bringt, angesehen (Abbildung 2).
In diesem allgemeinen Anpassungssyndrom (AAS) folgt der Organismus drei Phasen: Zuerst tritt eine Alarmreaktion in Kraft. Hierbei handelt es sich um eine physische Reaktion auf einen Stressor und sie beinhaltet reversible und kurzanhaltende Funktions- und Organveränderungen. Als nächstes folgt eine Wiederstandsphase. Durch den erzeugten Widerstand versucht sich der Körper auf einem mittleren bzw. Normalniveau zu halten. In dieser Phase kehrt der Körper zu seiner ursprünglichen Ausgangslage (vor dem Stressor) zurück und die Körperprozesse normalisieren sich allmählich (vorausgesetzt der Stress nimmt ab). Letzen Endes, wenn der Stressor jedoch nicht abnimmt, folgt final die Erschöpfungsphase. Hierbei treten erneut ähnliche Reaktionen wie in der Alarmphase auf und auch die Widerstandsenergie nimmt nun immer weiter ab. Final kann die letzte destruktive Phase zu irreparablen Organschäden (z.B. Geschwüre im Magen-Darm, Vergrößerung der Nebennieren) führen. Diese pathologischen Auswüchse können sogar den Tod herbeiführen (Goldstein & Kopin, 2007).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Allgemeines Anpassungssyndrom nach Selye (1936)
Auch wenn die körperliche Fokussierung der soeben vorgestellten beiden Theorien der reaktionsorientierten Stresskonzepte sich etwas unterscheidet, so haben diese zwei Vertreter gemeinsam, dass die Stressreaktion bei ihnen als unspezifisch gilt. Das größte Manko an beiden Ansätzen ist jedoch, dass sowohl Selyes als auch Cannons Arbeiten rein auf Tierversuchen beruhen und dementsprechend hier eine direkte Übertragung auf den Menschen sehr schwer fällt. In ihren Arbeiten werden auch auslösende Reize und vermittelnde Prozesse nicht berücksichtigt und somit kann strenggenommen “nur” von Stressreaktionen gesprochen werden und der Stress muss außen vor bleiben (Nitsch, 1981). Ein weiterer Nachteil ist, dass beide in ihren Versuchen primär physische Stressoren (Hitze, Lärm und vermindert Bewegung ect.) nutzten, zwar betonen sie des Öfteren die psychologischen Aspekte als wichtigen Einflussfaktoren aber sie gehen auf ihre Bedeutung nicht näher ein (Cannon, 1935; Selye, 1976). Nichtsdestotrotz gelten die Arbeiten von Selye und Cannon als existentielle Wegbereiter für die weitere Stressforschung.
Einige dieser Kritikpunkte gleicht das Konzept der Homöostase von McEwen aus, und somit schlägt es einen Konsens zwischen den ausschließlich orientierten biologischen- und psychologischen Stresskonzepten (McEwen, 1998; McEwen & Wingfield, 2003). In dieser Theorie stellt Stress ein Ereignis dar, indem der Stress als eine Bedrohung wahrgenommen wird und daraufhin folgt eine somatische Stressreaktion. Bei der vorliegenden Theorie spielen individuelle Unterschiede innerhalb der Stressreaktionen eine gewichtige Rolle und diese individuellen Reaktionen lassen sich auf folgende zwei Faktoren zurückführen. Zum einen spielt die körperliche Verfassung eine große Rolle. Zum anderen haben unterschiedliche Bewertungen und Interpretationen einen Einfluss auf die Stressreaktion. Dies bedeutet, dass lediglich die Reize die von uns als gefährlich eingestuft bzw. überhaupt erkannt werden, zu einer Verhaltensänderung bzw. zu einer körperlichen Reaktion führen (McEwen, 1998). In seinem Modell werden des Weiteren zwei verschiedene Arten vornStressoren unterschieden. Es gibt Stressoren die psychischer Natur sind, diese stellen keine primäre körperliche Gefährdung dar und es existieren physische Stressoren, diese haben einen direkten negativen Einfluss auf unsere Homöostase (McEwen & Wingfield, 2003).
Unter der Homöostase versteht man in diesem Kontext ein Stadium in dem der Organismus sich in einem gesunden Gleichgewicht befindet. Hierbei bezieht man sich auf lebenswichtige Körperfunktionen wie dem Blutsauerstoffgehalt, der Temperatur des Körpers oder dem Urin- und Blut- pH-Wert usw. Zur Aufrechterhaltung dieser Homöostase bedient sich der Körper selbstregulierender, flexibler Systeme, durch diese kann er schnell und zuverlässig auf alltägliche Belastungssituationen reagieren und dadurch ist für einen gewissen Zeitraum die Selbstregulation der einzelnen Organsysteme gewährleistet. (z.B. verändert sich der Blutdruck während einer sportlichen Aktivität). Diese Adaptionsfunktion bezeichnet man auch als Allostase (Goldstein & McEwen, 2002). Dieser Zustand hat jedoch nur kurzfristig einen positiven Effekt, langfristig wirkt es sich negativ auf den Körper aus. Dieser destruktive Einfluss, der auch Allostatische Last genannt wird, entsteht durch sogenannte Belastungsakkumulationen und die einzelnen selbstregulierenden Systeme werden dadurch gestört (McEwen, 1998).
Diese Allostatische Last kann in folgenden zwei Fällen auftreten: Zum einen, wenn die Person über einen lang anhaltenden Zeitraum massive Beanspruchung (wiederholte Aktivierung) erfährt, oder auch wenn die somatische Stressreaktion beim häufigen Wiederleben derselben Beanspruchung nicht reduziert wird (Ausbleibende Anpassung). Zum anderen, wenn die somatischen Stressreaktionen bei den Betroffenen zu schwach oder gar nicht auftreten (Ausbleibende Aktivierung) oder zu stark (Dauerhafte Aktivierung) ausfallen (McEwen, 1998). Neben der Allostase wird noch die Allostatische Überladung unterschieden (McEwen & Stellar, 1993; McEwen & Wingfield, 2003). Diese kann in folgenden zwei Ausprägungen vorliegen: Der Typ 1 wird durch physische Stressoren hervorgerufen, diese allostatische Überladung entsteht (aufgrund der dauerhaften Stressreaktion), wenn die Energienachfrage das existierende Angebot übersteigt. Im Typ 2 der allostatischen Überladung, spielen nun auch psychische Stressoren eine Rolle. In dieser Form existiert zwar genug Energie (oder sogar ein Überschuss), allerdings wird der Energieverbrauch begleitet durch soziale Konflikte bzw. andere soziale Dysfunktionen.
Neben dem Transaktionalen Stressmodell stellt die Theorie der Homöostase wohl das umfassendste Stressmodell dar. Es verbindet nicht nur biologische und psychologische Faktoren (Stress ist das Produkt aus biologischen und psychologischen Stressoren), sondern es unterscheidet auch unangepasste und angepasste Folgen der Stressreaktion und es bietet eine Systematik zur Genese der Folgen. In den vorherigen beiden Kapiteln wurden nun die wohl einflussreichsten und für diese Arbeit relevanten Stresstheorien vorgestellt. Selbstverständlich hat die Forschung weitere prominente Modelle hervorgebracht, allerdings können diese Modelle nicht alle einzeln erörtert werden und viele Theorien fokussieren ihren Blickwinkel auf einen spezifischen Aspekt vom Stressgeschehen. Daher wird an dieser Stelle auf einige Übersichtarbeiten verwiesen, diese erörtern sehr ausführlich weitere Stresskonzepte und für eine weitere Vertiefung in die Thematik können diese Quellen zur Rate gezogen werden (Busse, Plaumann, & Walter, 2006; Mark & Smith, 2008). Da in dieser Arbeit auch physiologische Stressreaktion wie die Herzfrequenz und das sog. Stresshormon Cortisol erhoben wurden, werden in den nächsten beiden Folgekapiteln zuerst die sympathischen Stressreaktionen beschrieben und im Anschluss wird auf die Entstehung des Cortisols eingegangen.
Wie aus dem vorangegangen Kapitel ersichtlich ist, handelt es sich bei der körperlichen Stressreaktion um ein Mittel, dass bei der Verarbeitung/ Bewältigung einer Situation, inder ein Körper einen stressauslösenden Reiz empfindet, helfen soll. Wie aus dem obigen Homöostasenmodell hervorgeht, dient also diese Stressreaktion, im Rahmen der Allostase, zur Aufrechterhaltung der Homöostase (De Kloet, E Ron, Joëls, & Holsboer, 2005). Wie aus den Arbeiten von Hans Selye (1950) und Cannon (1929) ersichtlich ist, lässt sich dieser Mechanismus vor allem auf die folgenden zwei Systeme zurückführen: Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) reagiert auf Stress mit einer verstärkten Aktivierung und es folgt im weiteren eine erhöhte Reaktion des sympathischen Nervensystems (SNS).
Das sympathische Nervensystem stellt, neben dem parasympathischen Nervensystems (PNS) und dem enterisches Nervensystem (ENS), einen Teil des autonomen Nervensystems (ANS) dar (Neuhuber, 2009). Das ANS steuert mit Hilfe der glatten Muskulatur alle vegetativen Funktionssysteme, darunter fallen z.B. die Regulierung des Herzschlags, des Blutkreislaufes und der Verdauung (ebd).
Durch soeben erwähnte Inanspruchnahme des sympathischen Nervensystems kann der Körper sehr schnell auf einen wahrgenommenen Stressor reagieren und es stellt auch die erste somatische Reaktion dar (De Kloet, E Ron et al., 2005). Wenn also eine Aktivierung des SNS erfolgt, werden im Nebennierenmark die Katecholamine Noradrenalin und Adrenalin in die Blutlaufbahn ausgeschüttet und diese wiederum stimulieren den Vagusnerv. Durch diese Aktivierung und durch weitere komplexe biologische Verschaltungen (u.a. im Lokus Coeruleus und in der Amygdala), kann somit die Bluthirnschranke umgangen werden und es kann vermehrt Noradrenalin im zentralen Nervensystem (ZNS) freigesetzt werden (De Kloet, E Ron et al., 2005; Roosevelt, Smith, Clough, Jensen, & Browning, 2006).
Durch die Inanspruchnahme des SNS, folgt weiterhin eine verstärkte Blutzirkulation im gesamten Körper. Diese wird benötigt, um die Muskeln, das Gehirn und das Herz mit mehr Glukose und Sauerstoff zu versorgen, um adäquat auf eine gefahren Situation bzw. einen Stressor zu reagieren. Diese erhöhte Sauerstoff- und Glukosezufuhr ist maßgeblich dafür zuständig, dass wir die bekannten körperlichen Stressymptome erleben, wie z.B. schwitzen oder erhöhte Herzfrequenz. Wie durch die obige Erläuterung ersichtlich ist, stellt die sympathische Inanspruchnahme eine schnelle Stressreaktion dar. Neben diesem Prozess existiert noch die langsame Stressverarbeitung innerhalb der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse, in der Literatur werden auch noch oft die Abkürzungen HHNA oder HHN- Achse gebraucht). Da dieses Konstrukt eine Sonderstellung innerhalb des Stressprozesses einnimmt, werden wir diese im Folgekapitel näher betrachten.
Die HPA besteht aus einer dreigegliederten Hormonachse, sie besteht aus dem hypophysären Peptidhormon ACTH (Adrenocorticotropes Hormone), aus dem hypothalamischen Peptidhorm CRH (Corticotropin-Releasing Hormone) und aus dem Nebennierenrinden-Steroid Cortisol (Kirschbaum, 2001). Durch mehrere negative Rückmeldeschleifen ist es der Achse möglich die Regulation der Bildung und Ausschüttung der soeben erwähnten Botenstoffe zu gewährleisten. Wenn der Körper spührt, dass die Homöostase aus dem Gleichgewicht kommt, wird die HPA aktiviert. Die hormonellen Kaskade der HPA beginnt durch eine stressprojektion im Hypothalamus (Jacobson, 2005). Die psychischen Stressoren werden wohl im präfontalen Cortex verarbeitet und von dort aus werden die Stresssignale zum Hypothalamus weitergeleitet (Herman, Prewitt, & Cullinan, 1996). Die physischen Stressoren hingegen werden durch viscerosensorische, osmosensorische oder somatosensorische Pfade über das Diencephalon oder den Hirnstamm an den Hypothalamus weitergeleitet (Herman et al., 2003).
Der Hypothalamus reagiert auf diese Stresssignale mit der Ausschüttung von Corticotropin-freisetzendem Hormon (Corticotropin-Releasing-Hormon, CRH) an und auf dem Hypophysenvorderlappen beginnt dadurch die Abgabe von adrenocorticotrophen Hormonen (ACTH). Das ACTH bewirkt innerhalb der Nebennierenrinde unteranderem die Erzeugung bzw. Freisetzung von Cortisol und diversen Corticosteroiden (Charney, 2004; De Kloet, E Ron et al., 2005; Goldstein & Kopin, 2007). Das freigesetzte CRH wirkt zu Anfang in Sekunden auf verschiedene Gehirnbereiche (Joëls & Baram, 2009) wie z.B. auf die Amygdala (Gallagher, Orozco- Cabal, Liu, & Shinnick-Gallagher, 2008). Eine etwas verzögerte Anpassungsreaktion (vor allem nach 1 Stunde) wird später vom Cortisol eingeleitet und gemeinsam mit dem CRH führt dies zu einer Reihe von kognitiven, psychologischen und immunologischen Veränderungen (Goldstein & Kopin, 2007).
Wenn nun eine ausreichende Freisetzung des Cortisols und CRH beim Menschen erfolgt und damit adäquat auf eine Stressreaktion reagiert wird, muss die HPA Aktivierung beendet werden bzw. sie wird in einen ruhenden Zustand versetzt. Hierbei wirkt das Cortisol (Endhormon dieser Hormonachse) selbst dann über eine Feedbackschleife hemmend u.a. auf die Ausschüttung von CRH (im Hypothalamus) und auf die ACTH-Ausschüttung (an der Hypophyse) (Jacobson, 2005). Die HPA Aktivierung bzw. Deaktivierung wird in der unteren Abbildung 3 noch einmal skizzenhaft dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: HPA-Achse mit Feedbackkreislauf
Wenn nun keine adäquate Stressbewältigung einsetzt, folgt eine Erschöpfung und diese kann zu lebenslangen pathologischen (epigenetischen und neuronalen) Veränderungen führen (Joëls & Baram, 2009; Lupien, McEwen, Gunnar, & Heim, 2009). Diese Einflüsse können die HPA-Aktivität dahingehenden beeinflussen, dass sie z.B. generell erhöt oder geringer Cortisol auschüttet, oder ihre Reaktivität (d.h. verminderte oder verstärkte Effektivität bei der Feedback Regulation des Cortisolevels) beeinträchtigt ist (Wasserman, Wasserman, & Sokolowski, 2010). Zu beachten ist, dass die HPA relativ anfällig ist gegenüber Einflussfaktoren. Kudielka, Hellhammer und Wust (2009) konnten z.B. in einer Übersichtsarbeit folgende Einflussfaktoren diskriminieren; Rauchverhalten, Alter der Personen, Tageszeitpunkt, Schwangerschaft, Alkohol und Koffein.
Da wir nun zahlreiche physiolgsche Stressreaktionen vorgestellt haben, scheint es nun relevant welche Stressoren sowohl im Laborsetting als auch im freien Feld Stressauslösen können. Vorallem, weil die vorliegende Studie in einem Labor Stressinduziert, scheint die Abklärung von validen Stressoren existenziell. Im Folgekapitel wird sich neben dieser Thematik auch noch der Frage gewidmet, ob Stressaulöser, die im Labor „funktionieren”, auch noch im laborfreien Raum (Alltag) zuverlässig Stressinduzieren.
Einen ersten ausführlichen Vergleich zwischen unterschiedlichen psychischen Stressoren sowohl im Tierexperiemntellen als auch im Humanbereich, nahm Mason (1968) vor. Nach ihm geht eine erhöhte Stressantwort vor allem auf folgende drei Faktoren zurück: Eine Situation muss neu sein, sie muss unvorhersehbar sein und zu guter Letzt kommt es drauf an, wie persönlich relevant die Situation für den einzelnen ist. Diese Aussage konnten u.a. Dickerson und Kemeny (2004) in einer Meetanalyse von über 208 Labosrstudien, bestätigten. Im Rahmen ihrer Arbeit bezüglich Laborstressoren, entwickelten sie ein Modell, in dem sie postulierten, dass jeder Stressor eine Bedrohung des menschlichen sozialen Selbsts darstellt.
Im Wesentlichen geht das Modell der sozialen Selbsterhaltung davon aus, dass das Individum, als ein soziales Wesen, mit all seinem Streben darauf aus ist, sein eigenes soziales Selbst aufrecht zu erhalten. Das soziale selbst setzt sich hierbei aus allen Eigenschaften und Fähigkeiten zusammen, die andere Menschen der eigenen Person zuschreiben. Das bedeutet also, dass das soziale Selbst die eigene Stellung und Wertigkeit in einer Gesellschaft definiert. Das soziale Selbst kann sowohl positiv als auch negativ bewertet werden, ersteres ist mit einer erhöhten gesellschaftlichen Wertschätzung und einem besseren sozialen Status verbunden und letzeres steht mit einer Reduktion der Wertschätzung und einem (potentiellen) Verlust des sozialen Status in Verbindung.
Neben dem Erhalt der körperlichen Gesundheit gilt somit auch die Aufrechterhaltung des sozialen Selbsts als eine menschliche Kernmotivation. Wenn nun eine Situation eintritt, wo die Person die eigenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und individuellen Eigenschaften einsetzen/ vorführen muss und wenn diese bewertet werden, bedeutet dies, dass das soziale Selbst einer Gefahr ausgesetzt ist. Zur Bewältigung dieser Gefahrensituation greift ein System ein, das aus diversen verhaltensbezogenen, physischen und psychischen Reaktionen besteht. Auch die im Vorfeld eröterte HPA ist ein Teil dieses Systems und hat das Endziel, die vorhandene Bedrohung des sozialen Selbsts zu mindern bzw. Im Idealfall zu lösen. Durch das am Anfang erwähnte, weitere Situationsmerkmal, Unkontrollierbarkeit einer Situation, kann das soziale Selbst weiter bedroht werden. D.h wenn eine Situation nicht von uns beeinflusst werden kann, wird sie verstärkt als Gefahr für unser soziales Selbst wahrgenommen (ebd.).
Die beforschten Stressoren wurden von Dickerson und Kemeny (2004) hierbei in folgende fünf Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe umfasste sogenannte emotionale Induktionsverfahren d.h. es wurden Materialen präsentiert, die bei den Betrachtern Gefühle auslösen sollten (z.B. durch Filme oder durch das Nacherleben/ Nachfühlen von vorangegangen emotional aufgeladenen erlebten Situationen). Eine weitere Klasse war Lärm d.h. den Teilnehmern wurden intermittierend oder kontinuierlich laute Geräusche präsentiert. Zwei weitere Gruppen setzten sich aus kognitiven Aufgaben (z.B. Strooptest, Kopfrechnen, Rekationstest) und freiem Reden (z.B. Rede halten, Interview, Diskussion) zusammen. Und die letzte Klasse kombinierte das freie Reden und die kognitiven Aufgaben d.h. die Teilnehmer mussten in der selben experimentellen Sitzung nacheinander eine Rede halten und danach kognitive Aufgaben lösen.
Entscheidend für diese Gruppen um als valider Stressoren zu gelten bzw. um eine Bedrohung des Selbsts auszulösen (operationalisiert anhand Cortisolkonzentration im Speichel oder im Plasma), war, dass sie eine Kombination von einem der drei folgenden Kriterien auftraten: Der Teilnehmer musste im Glauben sein, dass er durchgehend aufgezeichnet wird (z.B. durch Tonband oder Videoband für eine spätere Auswertung). Es musste eine wertende Person während des Experiments im Raum sein (min. eine Person neben dem Experimentleiter) und es musste ein negativer sozialer Vergleich vorhanden sein (Der reale oder der potenzielle Leistungsoutcome wird mit anderen Teilnehmern oder Verbündeten verglichen).
Je mehr dieser drei Merkmale also auftraten, desto höher ist auch der Stressoutcome bzw. die soziale Bedrohung und somit führen alle fünf Stressorklassen zu einer Aktivierung der HPA. Die stärkste Stressreaktion stellt sich, wie zu ertwarten bei einer Kombination von freiem Reden und kognitiven Aufgaben, ein. Interessant ist auch, dass es wohl absolut notwendig scheint, dass eine sozial bewertende Instanz vorhanden ist, wenn nämlich eine negative soziale Evaluierung ausbleibt (eine Person ist im Raum aber sie wertet die Aktionen des Teilnhemers nicht) zeigt sich auch keine Veränderung im Cortisolhaushalt (Dickerson, Mycek, & Zaldivar, 2008).
Zusammenfassend kann also gefolgert werden, dass die soeben erwähnten Stressoren, im Laborkontext eine valide und reliable Methode zur Erzeugung von physioligischen Stressreaktionen (Cortisollevel) darstellen (Dickerson & Kemeny, 2004). In zahlreichen Arbeiten zeigte sich deutlich, dass die von Hans Selye (1956) postulierte Annahme, dass jeder Stressor die selbe HPA Aktivierung mit sich bringt, nicht mehr haltbar ist. Vielmehr zeigt sich eine individuelle Aktivierung der HPA (und dementsprechend unterschiedlich starke Cortisolsekretion) in Abhängigkeit des Stressors (Mason, 1974; McCarty, Horwatt, & Konarska, 1988). Wie man also feststellen kann, können Personen auf ein und denselben Reiz verschieden reagieren. Trotz dieser individuellen Unterschiede gibt es, wie man an den obigen untersuchten Stressoren gesehen hat, Konstellationen die bei den meisten Menschen Stressauslösen (Zapf & Semmer, 2004).
Eine solche Konstellation stellt der sogenannt Trier Social Stress Test (TSST) von Kirschbaum, Pirke, & Hellhammer (1993) da. Dieses experimentelle Verfahren, das ein Vorstellungsgespräch nachspielt, gilt als ein sehr valides künstliches Standardverfahren (sowohl bei Gesunden als auch bei Kranken) um sozialen Stress zu induzieren (Dickerson & Kemeny, 2004; Hellhammer, 2011; Williams, Hagerty, & Brooks, 2004). Er stellt also auch eine sog. endogene Manipulation da um die Cortisolkonzentration im Blut zu erhöhen (Fechtner 2010). Durch eine Aktivierung der HPA führt dieser soziale Stressor (im Vergleich zu einer Ruhebedingung) bei 70% - 80% der Teilnehmer zu einer zwei- bis dreifachen Erhöhung des Cortisolspiegels (Dickerson & Kemeny, 2004; Kudielka, Hellhammer, Kirschbaum, Harmon-Jones, & Winkielman, 2007).
Nach Dickerson und Kemeny (2004) ist der TSST wohl auch deshalb so effizient, da er unteranderem die zwei wichtigsten Stressauslöser, freie kognitive Aufgaben und Redesituationen kombiniert. Mittels dieses Verfahrens ist es möglich, die neuroendokrinen Stressreaktionen zwischen z.B. Alten vs. Jungen (Kudielka, Buske-Kirschbaum, Hellhammer, & Kirschbaum, 2004), Frauen vs. Männern (Kirschbaum, Klauer, Filipp, & Hellhammer, 1995; Kudielka & Kirschbaum, 2005), Kranken vs. Gesunden (Ahrens et al., 2008; Buske-Kirschbaum, Geiben, Höllig, Morschhäuser, & Hellhammer, 2002; Gaab, Rohleder, Nater, & Ehlert, 2005; Rohleder, Wolf, & Kirschbaum, 2003; Stones, Groome, Perry, Hucklebridge, & Evans, 1999; Vente, Olff, van Amsterdam, Kamphuis, & Emmelkamp, 2003) und hellhäutigen vs. dunkelhäutigen Menschen (Chong, Uhart, McCaul, Johnson, & Wand, 2008) zu unterscheiden. Ein weiterer Ansatz zur Nutzung des TSST stellt das Induzieren von Stress dar, um daraufhin zu testen, wie sich die psychologischen und biologischen Reaktionen auf kognitiver oder affektiver (Hidalgo, Almela, Villada, & Salvador, 2014; Kuhlmann, Piel, & Wolf, 2005; Schoofs, Preuß, & Wolf, 2008) oder physiologischer (Nater et al., 2006) Ebene auswirken. In dieser Studie strebte man allerdings einen Vergleich zwischen emotionaler und instrumenteller Unterstützung an.
Wie der TSST genau aufgebaut ist bzw. wie die modifizierte Version des Testes in unserer Studie aussieht wird im Methodenteil näher erläutert (siehe Kapitel 2.4.1 Stressinduktion TSST). Zu beachten ist, das der TSST nicht nur die HPA Aktivität erhöht und es somit zu einer verstärkten Cortisolsekretion kommt, vielmehr beeinflusst dieser starke psychosoziale Stressor auch Stress- und Stimmungs-Ratings (Nater et al., 2007; Payne et al., 2006). Eine sehr ausführliche und aktuelle Gesamtdarstellung vom TSST, bezüglich seiner Durchführung, Einsatzgebieten, somatischen und psychologischen Einflüssen, Vorteilen und Schwächen, zeigen die Review-Artikel von Frisch, Häusser und Mojzisch (2015) und Kudielka, Hellhammer, Kirschbaum, Harmon-Jones und Winkielman (2007).
Da nun ausführlich Stressoren im Kontext von Laborexperimenten geschildert wurden, scheint es nun von Interesse zu sein, welche Stressoren im Feld/ im realen Leben beobachtet werden können. Neben den naheliegenden Bereichen wie Beruf, Partnerschaft, Familie hat eigentlich jede Situation das Potential, in uns Stressauszulösen, sofern sie unsere Homöostase bedroht. Wenn man z.B. Selbstauskunftsstudien betrachtet zeigt sich, dass in Deutschland als häufigste Stressfaktoren Belastungen am Arbeitsplatz, im Studium und in der Schule angegeben werden (TK, 2009). Aber auch Hausarbeit, finanzielle Probleme, Arbeitslosigkeit und Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen werden oft genannt (ebd.).
Im Folgenden werden exemplarisch einige Situationen vorgestellt die bei den meisten Menschen als Stressoren fungieren (ermittelt durch den physiologischen Parameter Cortisol). Unteranderem gehören dazu z.B. Segelfahrten (Liberzon, Abelson, King, & Liberzon, 2008), chronische Arbeitsüberbelastung (Schlotz, Hellhammer, Schulz, & Stone, 2004), mündliche und schriftliche Prüfungssituationen (Loft et al., 2007; Stowell, 2003) oderWettbewerbssituationen (Kivlighan, Granger, & Booth, 2005; Rohleder, Beulen, Chen, Wolf, & Kirschbaum, 2007), Wartezeit vor einer Operation (Fell et al., 1986) und ein möglicher Verlust eines Haustieres, der Arbeit, oder eines Angehörigen (Keddie, 1977; McCleery, Bhagwagar, Smith, Goodwin, & Cowen, 2000; Ockenfels et al., 1995; Parkes & Brown, 1972).
Dabei fällt auf, dass besonders die Prüfungssituationen sich besonders gut als naturalistische Stressoren eignen, da sie dieselben Merkmale wie Laborstressoren (insbesondere TSST) aufweisen. Sie beinhalten eine Gefahr für das soziale Selbst, zeigen ein hohes Maß an Unvorhersagbarkeit und Unkontrollierbarkeit auf und man ist persönlich stark involviert (da der Drang besteht, die Prüfung zu bestehen). Zu beachten ist aber, dass hierbei die Befunde nicht ganz klar sind, zum einen unterscheiden sich Prüfungen oft von ihrer Wichtigkeit (z.B. Modulprüfungen, Immatrikulationsprüfungen, Examen, etc.), von ihrem Setting (z.B. mündliche Prüfungen, praktische Prüfungen, schriftliche Prüfungen) und die Stärke ihrer stressauslösenden Faktoren kann variieren (Schoofs, Hartmann, & Wolf, 2008; Spangler, 1997). Es liegt z.B. nahe, dass mündliche Prüfungen eine höhere Gefahr für das soziale Selbst darstellen als anonyme schriftliche Prüfungen. Insgesamt kann geschlussfolgert werden, dass innerhalb und außerhalb des Laborkontexts zahlreiche unterschiedliche stressauslösende Situationen identifiziert wurden und all diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Effizienz.
Die kritisch stressauslösenden Ereignisse sind für das Laborsetting schon recht klar definiert, offen steht immer noch, welchen tatsächlichen Einfluss die im Laborkontext gefunden Faktoren, auf naturalistische Stressoren haben bzw. ob sie auf den Alltag übertragbar sind (Preuß, 2009). Insgesamt sollte die externe Validität von Feldstudien höher eingestuft werden, da die Realstressoren ein stärkeres Potential haben die HPA zu aktivieren, allerdings muss auch beachtet werden, dass die erwähnten Studien anfälliger gegenüber Verzerrungen sind (Het, 2009). Insgesamt wurden nun Feld- und Labormethoden zur Erzeugung von Stress beschrieben. Innerhalb dieser Thematik ist daher noch wichtig abzugrenzen was man unter den beiden Begriffen akutem- und chronischem Stress versteht.
Der akute Stress bezeichnet einen vorübergehenden Zustand. Die oben beschriebenen (Labor und Feld) Auslöser beziehen sich alle auf den akuten Stress. Auch die vorliegende Arbeit hat das Thema des akuten Stresses. Der chronische Stress wird hingegen grob beschrieben als ein beständiger, mehrmonatiger bzw. mehr jähriger oder stetig wiederkommender quälender Zustand. Wichtig ist sich klar zu machen, dass keine festen Grenzen zwischen chronischem und akutem Stress existieren. Jedoch gilt der Faktor zeitliche Beständigkeit als ein wichtigstes Merkmal für die Beschreibung des chronischen Stresses und das bedeutet auch, dass die leidende Person denkt, dass der Stress nicht aufhört (Het, 2009). Vor allem diese Stressart ist mit der psychischen und physischen Gesundheit des Menschen verknüpft (Cohen, Janicki-Deverts, & Miller, 2007).
In Tierexperimentellen Untersuchungen wird der chronische Stress vor allem operationalisiert dadurch, dass die Tiere über Wochen/Monate Elektroschocks erhalten oder ihr Lebens-/ Auslaufbereich wird durch enge Kisten minimiert (Conrad, Am Galea, Kuroda, & McEwen, 1996; Kim, Lee, Han, & Packard, 2001). Auch stellt die häufige Konfrontation mit einem anderen dominanten Versuchstier im selben Käfig eine wirkungsvolle Methode zur chronischen Stresserzeugung da (Fuchs et al., 2001). Solch ein Vorgehen lässt sich beim Menschen aus naheliegenden ethischen Gründen nicht durchführen. In diesem Rahmen zeigen chronische Stressstudien generell ein quasiexperimentelles Design. Innerhalb dieser Methodik erfassen sie den Stress mittels standardisierten Interviews, Selbstauskünften oder psychometrischen Skalen und ein weiteres beliebtes Mittel in den Humanstudien stellt der sog. Life-Event-Ansatz da.
Nach Het (2009) werden innerhalb der Life Event Forschung primär Personen untersucht, die einen Verlust einer wichtigen Bezugsperson verkraften mussten (Carroll, Phillips, Ring, Der, & Hunt, 2005), die über einen langen Zeitraum kranke Menschen pflegen müssen (Bauer et al., 2000; Pinquart & Sörensen, 2003), die Gewalt erfahren haben (Heim et al., 2000; Murali & Chen, 2005) die diskriminiert werden wegen ihrer Religion oder Kultur (Haeri et al., 1996; Tartaro, Luecken, & Gunn, 2005), die massive berufliche Belastung oder starken Alltagsstress durchleben müssen (Faragher, Cass, & Cooper, 2005; Steptoe, Cropley, Griffith, & Kirschbaum, 2000; van Eck, Berkhof, Nicolson, & Sulon, 1996) oder die auf nur unzureichende soziale Ressourcen/ Unterstützung zurückgreifen können (Nausheen, Gidron, Gregg, Tissarchondou, & Peveler, 2007). Auch existieren Untersuchungen die zeigen, dass psychisches (Ahrens et al., 2008; Bremner et al., 2004) oder physisches (Lundström & Fürst, 2003) Leiden und die eigenen Persönlichkeitsausprägungen (Fichera & Andreassi, 2000) chronischen Stress bedingen.
Es wurden nun einige Stressauslöser und die Unterschiede von chronischem und akutem Stress thematisiert. Um sich aber die mögliche Tragweite (vor allem von chronischen Stress) vor Augen zu halten, wird im Folgekapitel kurz auf mögliche gesundheitliche Folgen durch einen zu hohen und andauernden Stresspegel eingegangen.
Aus dem Weltgesundheitsbericht der WHO aus dem Jahre 2001 geht hervor, dass Stress stark das Wohlbefinden und die Lebensqualität beeinträchtigt und er wird als eines der wichtigsten Gesundheitsprobleme des 21. Jahrhunderts angesehen (Haden & Campanini, 2001). Auch konnte zum Beispiel eine repräsentative Studie in Deutschland von 2009, die von der Techniker Krankenkasse (TK, 2009) in Auftrag gegeben wurde, zeigen, dass über 80% der Deutschen ihr Leben insgesamt als stressbelastend ansehen und jede dritte Person empfindet Dauerstress. Auch zeigte sich, dass diese Problematik über alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen (größter Druck lag allerding bei den 30- bis 39 Jährigen) hinweg bestand.
Zwei Drittel der Befragten die unter Dauerstress litten, berichteten auch über verstärkte Rückenschmerzen und Muskelverspannung. Bei dieser Gruppe traten auch doppelt so viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf, als bei den wenig oder gar nicht Gestressten. Auch Symptome wie Angst, Kopfschmerzen, Nervosität, schlechtere Stimmung und Schlafstörungen stellten sich vermehrt bei den stärker Gestressten ein. Allerdings ist hier zu beachten, dass durch diese Befragung keinerlei kausale Rückschlüsse zwischen Stress und psychischer und physischer Gesundheit gezogen werden dürfen. Nichtsdestotrotz konnte schon häufig gezeigt werden, dass wenn die Intensität und die Häufigkeit der Stressbelastung die eigenen Copingstrategien übersteigen, es zu einer chronischen Überforderung (chronischer Stress) kommen kann. Dieser chronischer Stress hat einen Einfluss auf unseren Stoffwechsel, unser Immunsystem und unser kardiovaskuläre System und kann somit auch unsere Schlaf, Lern-, Aufmerksamkeit- und Gedächtnisprozesse beeinflussen und es schein auch so, dass der Stress einen wichtigen Faktor bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Störungen darstellt. (Chrousos, 2009; Hapke et al., 2013; Wolf, Schommer, Hellhammer, McEwen, & Kirschbaum, 2001).
Solche Erkrankungen, wo Stress eine wichtige Rolle bei der Entstehung oder Aufrechterhaltung von? spielt, wären z.B. Angststörungen, Panikstörungen, Affektive Störungen, auch vor allem internistische Krankheiten wie anhaltende Immun-, HerzKreislauf- oder gastrointestinale Erkrankungen, bei denen Stress bzw. dessen physiologische Korrelate zur Entstehung, Auslösung oder Aufrechterhaltung beitragen (Chrousos, 1998; Hapke et al., 2013; Siebertz, 2014). In einer Metaanalyse von über 300 empirischen Arbeiten konnte z.B. Segerstrom und Miller (2004) beobachten, dass naturalistische Stressoren (wie z.B. Prüfung) oft auch mit einer Unterdrückung von zellulärer Immunität einhergehen.
Neben den erwähnten negativen Gesundheitseffekten kann pathologisches Stresserleben sogar mit einer erhöhten Mortalitätsrate zusammenhängen (Taylor, Repetti, & Seeman, 1997) wieder vor kurzem z.B. konnte eine großangelegte Metaanalyse von 10 prospektiven englischen Kohortenstudien mit fast 70.000 Teilnehmern aus der Allgemeinbevölkerung nachweisen, dass das Mortalitätsrisiko (alle Todesursachen) in Assoziation mit psychosozialem Stress um 21% steigt (Russ et al., 2012).
Insgesamt wurde nun hinreichend die Entstehung und Auswirkung von Stress beleuchtet, sowie einige seiner möglichen gesundheitlichen Folgen. Da die vorliegende Studie eine geschlechtshomogene weibliche Stichprobe besitzt, widmen wir uns nun der Frage, wie Frauen Stresseleben bzw. damit umgehen.
Mittlerweile steht klar fest, dass es einen Geschlechtsunterschied bei der Verarbeitung und Wahrnehmung von Stress gibt (Kudielka & Kirschbaum, 2005; Tamres, Janicki, & Helgeson, 2002). Wenn man zuerst ein Augenmerk auf den Erlebnis-Aspekt richtet zeigt sich z.B., dass Frauen in Deutschland häufiger angaben, dass sie einer starken Stressbelastung ausgesetzt sind als Männer (Hapke et al., 2013). Auch die Reaktion auf Stress unterscheidet sich klar. Wenn man stressassoziierte Störungen betrachtet, fällt auf, dass Frauen im Schnitt häufiger an Depressionen, Phobien, Angststörungen und Panikstörungen erkranken (Bebbington, 1996b; Kelly, Tyrka, Anderson, Price, & Carpenter, 2008; Weich, Sloggett, & Lewis, 2001a). Sie erkranken fast doppelt so häufig an diesen Störungsbildern (Gater et al., 1998; Weiss, Longhurst, & Mazure, 1999). Neuere Untersuchungen konnten nachweisen, das Stress auch als ein Risikofaktor für Essstörungen bei Frauen fungieren kann (Het et al., 2015).
Insgesamt kann gefolgert werden, dass Frauen wohl eine gesteigerte Stressvulnerabilität besitzen, dementsprechend konnte häufig nachgewiesen werden, dass sie auch ein subjektiv stärkeres Stressempfinden besitzen (Bebbington, 1996a; Weich, Sloggett, & Lewis, 2001b). Alle diese soeben erörterten Unterschiede gehen u.a. auf die Geschlechtsvariationen der Neurobiologie (z.B. Hormone und Gene) (Seeman, 2014; Silberg et al., 1999) und der psychosozialen Verarbeitung (z.B. soziale Verstärkung, Emotionsregulationsstrategien) (Chambless & Mason, 1986; Thomsen, Mehlsen, Viidik, Sommerlund, & Zachariae, 2005) zurück.
Nichts destotrotz muss beachtet werden, dass diese Geschlechtsunterschiede nicht immer ganz konsistent sind. Zum Beispiel wollte Kelly et al. (2008) in einer TSST- Untersuchung den Nachweis erbringen, dass Frauen sich in ihrem Stressverhalten (Cortisolreaktivität und Reaktion des vegetativen Nervensystems) von Männern unterscheiden. Eine zuverlässige Diskrimination scheiterte jedoch. Allerdings konnte die Studie nachweisen, dass Wahrnehmungsunterschiede existierten z.B. berichteten Frauen (im Vergleich zu Männern) von mehr Angst, Reizbarkeit, Verwirrung und weniger Glück nach dem TSST.
Auch wenn es mittlerweile als erwiesen gilt, dass Frauen durchschnittlich auf psychosoziale Stressoren mit mehr negativen Gefühlen reagieren, als ihr männliches Pendant (ebd), sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der physiologischen Reaktivität bezogen auf Stress-Situationen jedoch immer noch nicht einheitlich. Das bedeutet, die sog. Cortisol Reaktivitäten (erhöhter Cortisolspiegel bei erhötem Stressempfinden) und andere autonome somatische Reaktionen können nicht immer zuverlässig zwischen den Geschlechtern getrennte werden (Kelly et al., 2008; Kirschbaum, Kudielka, Gaab, Schommer, & Hellhammer, 1999; Kirschbaum, Wüst, & Hellhammer, 1992; Stoney, Davis, & Matthews, 1987).
Auch zeigten Frauen unterschiedliche Bewertungen hinsichtlich stressiger Lebensereignisse. Z.B. bezeichneten sie häufiger Familie und Gesundheit als stressig, hingegen berichteten Männer mehr Probleme innerhalb ihrer Beziehung, Finanzen und Arbeit (Matud, 2004). Allerdings gab es hierbei wohl keine Unterschiede in der Häufigkeit der erlebten stressigen Lebensereignisse, nichtsdestotrotz berichteten Frauen von einer negativeren Belastung durch diese Ereignisse und sie nahmen sie auch alsunkontrollierbarerwahr, als ihre männlichen Kollegen (ebd.).
Insgesamt wurde exemplarisch dargestellt wie vor allem Frauen Stress wahrnehmen. Wie sie nun damit individuell umgehen wird im Folgenden knapp dargestellt. Eine weitere ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik wird im späteren Kapitel (1.2.7 - Beziehung zwischen Geschlecht und Soziale Unterstützung) vorgenommen.
Frühere Studien zeigten z.B., dass Männer ein direkteres problemzentrierte Bewältigungsverhalten an den Tag legen oder sie leugnen bzw. vermeiden den Stressor eher als Frauen (Pearlin & Schooler, 1978; Stone & Neale, 1984). Des Weiteren konnte auch nachgewiesen werden, dass Frauen als Stressbewältigung vermehrt auf emotionsorientierte Verhaltensweisen und soziale Unterstützungen zurückgreifen (Billings & Moos, 1981; Folkman & Lazarus, 1980; Hamilton & Fagot, 1988; Matud, 2004). Auch erbrachten Strauß, Muday, McNall und Wong (1997) den Nachweis, dass unabhängig vom Stressor Frauen vermehrt grübeln, Männer hingegen lenken sich mehr vom Stressgeschehen ab. Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass Frauen wohl häufiger und auf ein breiteres Spektrum von Unterstützungsangebote zurückgreifen und dabei sie wohl vor allem die sog. emotionale Unterstützung präferieren (Tamres et al., 2002). Eine nähere Erläuterung dieses Mechanismus wird im nachfolgenden Hauptkapitel dargelegt.
Es gilt als eine gesicherte Annahme, dass unterschiedliche Stressverarbeitungen zwischen der Geschlechter herrschen, dennoch muss immer im Hinterkopf behalten werden, dass diese Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden sollten, da viele Studien in diesem Bereich geringe Effektstärken aufzeigen (Tamres et al., 2002) und sie auch methodisch nicht immer einwandfrei sind und auch die Bewältigungsstrategien zwischen den Geschlechtern sich wechseln können (Mirowsky & Ross, 1995). Ben-Zur und Zeidner (1996) konnten z.B. beobachten, dass während der Golfkriegskrise plötzlich israelische Frauen vermehrte aktiver und problemfokussierter auf Stress reagierten und Männer hingegen stärker emotionsorientiert handelten. Dieser Effekt löste sich aber nach der Krise wieder auf. Nichtsdestotrotz gilt es als allgemein anerkannt, dass Frauen mit ihrer emotionsorientierten Bewältigung eher maladaptiver auf Stress reagieren, als Männer, die mit ihrem problemorientierten Ansatz, adaptiver auf Stress reagieren können (Billings & Moos, 1981; Pearlin & Schooler, 1978).
In diesem Abschnitt wurden lediglich ausgewählte Geschlechtsunterschiede berichtet, die für das Verständnis dieser Arbeit relevant zu sein scheinen. Es gibt Zahlreiche weitere geschlechtsspezifische Unterschiede beim Stressempfinden und innerhalb seiner psychologischen und physiologischen Verarbeitung. Für einer weitere tiefergehende Behandlung dieser Thematik können die am Ende aufgeführten Metaanalysen und Review-Artikel zur Rate gezogen werden (Kajantie & Phillips, David I W, 2006; Kudielka & Kirschbaum, 2005; Tamres et al., 2002; Tamres et al., 2002; Tolin & Foa, 2006). Unteranderem aufgrund der soeben erörterten Ergebnisse, wurde sich in dieser Arbeit dazu entschlossen, den Forschungsschwerpunkt vor allem auf die sozialen Unterstützungsarten im Rahmen einer homogenen Frauenstichprobe zu legen. In den nachfolgenden Kapiteln wird dementsprechend zuerst einmal beschrieben, was die Forschung allgemein unter dem Konzept der sozialen Unterstützung versteht.
Das Konstrukt der Sozialen Unterstützung (social support), welches aus dem Begriff des sozialen Netzwerks bzw. der Gemeindepsychologie hervorgeht, findet seit den 1970er erhöhte Aufmerksamkeit seitens der empirischen psychologischen Forschung und die wissenschaftliche Evidenzbasis erhielt seit dem eine stetige Zuwachsrate (Klauer, Knoll, & Schwarzer, 2007). In den folgenden Kapiteln soll der Frage nachgegangen werden, weshalb sich diese Studie gerade dem Konzept der sozialen Unterstützung als möglichen Einflussfaktor/ Copingfaktor gegenüber pathologischem Stresserleben bedient. Es wird eine Begriffsbestimmung vorgenommen und die unterschiedlichen Arten der sozialen Unterstützung und deren generelle psychische und physische Einflüsse werden beschrieben. Falls bei dieser Darstellung Geschlechtsunterschiede, auftauchen werden diese auch dargestellt. Im letzten Unterkapitel wird auf den interaktionären Einfluss der sozialen Unterstützung und des Stresserlebens eingegangen.
Die Grundvoraussetzung einer sozialen Unterstützung besteht in einem intakten sozialen Netzwerk, ohne dieses könnte soziale Unterstützungsleitung gar nicht erst stattfinden (Kienle, Knoll, & Renneberg, 2006). Unter dem Konzept des sozialen Netzwerks ist ein alltägliches und informelles Hilfesystem gemeint, das durch Freunde, Verwandte, Eltern und andere, getragen wird, diese Gemeinschaft variiert hinsichtlich ihrer Größe, Kontakthäufigkeit mit den Netzwerkmitgliedern und ihrer Struktur (ebd.).
An dieser Stelle wird nun eine ausführlichere und sehr prägnante Beschreibung von Klauer (2009) bezüglich der sozialen Unterstützung vorgestellt. Innerhalb dieses Konzepts steht das unterstützende Handeln von Bezugspersonen (Unterstützungsquellen) gegenüber einem leidenden Empfänger (Rezipienten) im Mittelpunkt. Die primären unterstützenden Handlungen seitens der Bezugsperson sind dabei materielle und alltagspraktische Hilfen (instrumentelle Unterstützung), die Dämpfungen von Belastungsaffekten wie Niedergeschlagenheit und Angst durch Trösten und aktives Zuhören (emotionale Unterstützung) und die Vermittlung von lösungsrelevanten Bewertungen und Informationen (informationelle Unterstützung). Soziale Unterstützung grenzt sich von nahestehenden Begriffen wie „sozialer Integration“ oder „sozialen Netzwerken“ also vor allem durch seine qualitativen Aspekte vom positiven sozialen Miteinander zwischen zwei Personen ab (Knoll & Kienle, 2007). Nach Schwarzer (2000) liegt das eigentliche Ziel von sozialer Unterstützungsleistung darin, das Leiden des Betroffenen, dass durch eine gewisse Problemsituation hervorgerufen wird, zu verändern bzw. erträglich zu machen. Für das gesamte Verständnis der sozialen Unterstützung wird im folgenden Kapitel auf weitere gängige Kategorisierungen eingegangen.
Einer der ersten funktionalen Differenzierungen der sozialen Unterstützung wurde Anfang der 90er Jahre von Schwarzer und Leppin (1991) gemacht. Dabei werden die Unterstützungen in emotionale U.(Beruhigen), konkrete U. (spenden von Waren), instrumentale U. (Personen bei einem Problem helfen) und in informative U. (Beratung) eingeteilt. Barerra und Ainlay (1983) klassifizierten soziale Unterstützung hingegen in vier Dimensionen: in direkte U., indirekte U., positive soziale Interaktion., konkrete Hilfe. Die meisten aktuellen sozialen Unterstützungskonzepte bauen auf einer Subsumierung der genannten Faktoren auf und sie unterscheiden mindestens folgende zwei Formen: Eine praktische oder instrumentelle Unterstützung (diese wird oft als Hilfe oder Beratung verstanden) und eine psychische oder emotionale Unterstützung (unter ihr versteht man eine Beurteilung oder non-verbale Unterstützung wie z.B. umarmen oder Hand halten) (Ditzen & Heinrichs, 2014). Die erste Konstellation wird in der bestehenden Studie im Rahmen eines TSST Versuchs durch eine Massage und letztere mittels Informationszetteln (Assement Center Tipps) operationalisiert.
Neben dieser Einteilung ist für die Interpretation von Forschungsergebnissen die Einteilung in antizipierte bzw. erwartete Unterstützung und tatsächlich erhaltener Unterstützung bedeutsam. Unter der wahrgenommenen Unterstützung wird eine generelle Erwartung verstanden, unterstützt zu sein (Laireiter, 1993; Sarason, Sarason, &Shearin, 1986). Eine Aussage diesbezüglich könnte lauten „Wenn ich Trost und Mitleid benötige, wäre meine Familie für mich da“. Da die Erwartung über mehrere Jahre stabil bleiben kann, sehen Sarason, Sarason und Pierce (1990) darin sogar einen Teil des menschlichen Selbstkonzeptes (Persönlichkeitseigenschaft).
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