Diplomarbeit, 1996
81 Seiten, Note: 2,25
Vorwort
Einleitung
1. Arbeitslosigkeit global betrachtet
2. Arbeitslosigkeit im europäischem Wirtschaftsraum
2.1. Europäische Betrachtungsweise der Arbeitslosigkeit
2.2. Die Regelung des Vertrages von Maastricht
2.3. Europäische Initiativen
2.4. Europäische Strukturpolitik für den Deutschen Wirtschaftsraum
3. Zwei Arten der Arbeitslosigkeit
3.1. Die konjunkturelle Arbeitslosigkeit
3.2. Die natürliche Arbeitslosigkeit
4. Die Arten der natürlichen Arbeitslosigkeit
4.1 Die saisonale Arbeitslosigkeit
4.1.1. Von saisonaler Arbeitslosigkeit Betroffene
4.1.2. Maßnahmen um die saisonale Arbeitslosigkeit zu verringern
4.2. Die friktionelle Arbeitslosigkeit
4.2.1. Gründe der friktionellen Arbeitslosigkeit
4.2.2. Die Bedeutung der friktionellen Arbeitslosigkeit
4.2.3. Möglichkeiten zur Verringerung
4.3. Die strukturelle Arbeitslosigkeit
4.3.1 Ursachen der strukturellen Arbeitslosigkeit
4.3.2. Die regional-strukturelle Arbeitslosigkeit
5. Zahlen zur Arbeitslosigkeit
6. Ordnungspolitische Reagenten aus dem Arbeitsmarkt
6.1. Leistungen des Arbeitsamtes
6.2. Die Rolle der privaten Arbeitsvermittlung
7. Weitere Gründe natürlicher Arbeitslosigkeit
7.1 Technologische Arbeitslosigkeit
7.2. Ökologie und natürliche Arbeitslosigkeit
8. Spezielle Gruppen von Arbeitslosen
8.1. Jugendarbeitslosigkeit
8.2. Die besondere Stellung der Frauen
8.3. Altersarbeitslosigkeit
9. Strukturen die die arbeitsmarktpolitischen Reaktionen beeinflußen
9.1. Langzeitarbeitslosigkeit
9.2. Arbeitszeiten und Regularien
9.3. Güternachfrage und Arbeitslosigkeit
9.4. Pendler und Arbeitslosigkeit
10. Neue Gedanken zur Organisation auf dem Arbeitsmarkt
Erläuterungen zu den genannten Bildungsträgern
Literaturverzeichnis.
Die Arbeitslosigkeit ist eines der drängendsten Themen innerhalb der Europäischen Union. Die Zahlen sind besorgniserregend. Besonderen Grund zur Nachdenklichkeit gibt der Vergleich der Beschäftigungsquoten in der Union und außerhalb in einem Zeitraum über mehrere Jahrzehnte. Hierbei ist auffällig, daß beispielsweise Japan seit 1970 seinen Anteil der Beschäftigten in der Bevölkerung von gut 70 Prozent auf beinahe 75 Prozent steigern konnte. In den Vereinigten Staaten war dieser Trend noch stärker. Dort wurde die Quote der Beschäftigung von etwa 62 Prozent auf etwa 70 Prozent gesteigert. In Europa hingegen fielen die Zahlen von dem ohnehin schon niedrigen Ausgangsniveau von circa 63 Prozent zu Beginn der Siebziger auf unter 60 Prozentpunkte Anfang der Neunzigerjahre. Dramatisch an dieser Entwicklung ist zum einen, daß bei uns im Gegensatz zu den anderen beispielhaft genannten Ländern der Trend rückläufig ist, zum anderen geht dieser Trend sogar noch von einem niedrigeren Niveau aus.
Deutlich wird aber auch, daß das geringe Beschäftigungsniveau in Europa keinem weltweiten Trend unterliegt, vielmehr müssen wir uns bewußt werden, daß wir innerhalb unserer Gemeinschaft Probleme haben, die in anderen Staaten nicht in einem so starken Maße auftreten oder denen von diesen mit besseren Rahmenbedingungen oder wirksameren politischen Mitteln begegnet wird.
Die derzeit wichtigsten Konkurrenten der europäischen Wirtschaft sind die bereits angeführten Vereinigten Staaten und Japan. Die drei Wirtschaftsräume Japan, USA und Europa sind gekennzeichnet von starken Unterschieden in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Einer dieser Unterschiede soll an dieser Stelle etwas näher beleuchtet werden: die Währung. Während die fernöstlichen und die nordamerikanischen Mitbewerber eine gemeinsame Währung haben, leisten sich die Europäer immer noch unterschiedliche Währungen. Diese Tatsache führt dazu, daß die Unternehmen der europäischen Union beim intraeuropäischen Handel höhere Transaktionskosten zu bezahlen haben als ihre oben zitierten Konkurrenten.
Ferner sind bei längeren Lieferzeiten auch Wechselkursschwankungen mit einzuberechnen. Um eine gewisse Sicherheit bei der Kalkulation für das eigene Produkt zu haben, werden je nach Risikopotential Käufe und Verkäufe am Devisenmarkt abgesichert. Daß für ein solches Handeln eine Risikoprämie verlangt wird, ist selbstverständlich. Diese Prämie wird der Unternehmer in seine Preiskalkulation aufnehmen und damit sein eigenes Produkt verteuern müssen. Der Druck auf die Preise ist enorm groß, manchmal sind es weniger als Pfennigbeträge, die für den Zuschlag für einen Auftrag entscheidend sind. Die Aufträge sind es aber, die über die Beschäftigungssituation bestimmen.
Der „Euro“ als gemeinsame europäische Währung kann Arbeitsplätze sichern und mittel- und langfristig sogar neue Arbeitsplätze schaffen. Dies gilt insbesondere für Deutschland. Die häufigen Dollarkursschwankungen haben immer wieder zu einer Flucht in die DM geführt und damit zu einer Überbewertung der deutschen Währung – bei Unterbewertung anderer europäischen Währungen – mit allen damit verbundenen Wirkungen auf die Arbeitsplätze in Deutschland.
Die hiesigen Gastwirte stellten plötzlich fest, daß nach der Abwertung von Escudo und Lira ausländische Kundschaft wegblieb, weil die deutsche Mark zu teuer geworden war.
Der Maschinenbau bemerkte, daß er im Wettbewerb mit Italien wegen der billigen Lira nicht mithalten konnte. Der letztliche Grund für die Wettbewerbsfähigkeit war nicht mehr die effiziente Produktion, sondern eher der Wechselkurs der Währungen. Schnelle Orientierung von einem Lieferanten zu einem anderen unter starker Berücksichtigung der Währungsunterschiede führt auch zu einer stärkeren Schwankung in der Höhe der Beschäftigung, die auf Überstunden und Aushilfskräfte hinausläuft und weniger auf Dauerarbeitsverhältnisse.
Eine gemeinsame Währung wird nur dann von der Bevölkerung akzeptiert, wenn sie Vorteile mit sich bringt. Es muß sich um eine starke Währung handeln, sonst würden sich die Starkwährungsländer nicht von ihrer Währung trennen. Aber auch die Schwachwährungsländer benötigen einen Anreiz, um ihre alte, gewohnte Währung einzutauschen. Für sie ist die Stabilität ebenso wichtig.
Die Konvergenzkriterien des Vertrages von Maastricht haben die Stabilitätspolitik zu einem gemeinsamen Ziel aller europäischen Regierungen werden lassen. Die damit verbundenen notwendigen Einsparungen werden zwar von der Bevölkerung als schmerzhaft empfunden. Sie wären aber auch ohne den Vertrag von Maastricht notwendig gewesen. Das Beispiel Schweden führt eindrucksvoll vor Augen, daß hohe soziale Absicherung nur eine gewisse Zeit für einen Staat finanzierbar ist. Die Konvergenzkriterien bilden daher eine Voraussetzung für Wachstum, aus dem Arbeitsplätze entstehen können.
Eine gemeinsame europäische Währung kann auch dazu beitragen, das Gleichgewicht im Weltwährungssystem zu verbessern. Die europäische Wirtschaft ist heute sehr stark abhängig von der Entwicklung des Dollars.
In den vergangenen Jahren konnten wir erleben, daß ein schwacher Dollar immer wieder Spannungen im europäischen Währungssystem verursacht hat. Für die europäische Wirtschaft ist es auch nachteilig, daß viele wichtige Rohstoffe und Vorprodukte auf Dollarbasis gehandelt werden. Dadurch sind sie preislich von den Währungsschwankungen abhängig. Dies gilt insbesondere für Öl, Großflugzeuge und Metalle.
Sobald der Dollar steigt, werden wir feststellen müssen, daß Benzin und Heizöl teurer werden und dies nicht deswegen, weil etwa die Kosten für die Erzeugung und Vermarktung dieser Produkte gestiegen wären, sondern ausschließlich wegen der Entwicklung im Währungsbereich. Ein schwacher Dollar bedeutet einen außerordentlich starken Wettbewerbsnachteil des europäischen Airbus gegenüber den amerikanischen Boeing-Flugzeugen und damit einen starken Wettbewerbsnachteil europäischer Arbeitsplätze gegenüber amerikanischen.
Natürlich wäre es kurz gegriffen, würde man das Problem der Arbeitslosigkeit in Europa auf das Fehlen einer gemeinsamen Währung reduzieren. Dieses Vorwort sollte dennoch dazu dienen, das Thema auch ein wenig aus der währungspolitischen Sicht zu beleuchten.
Dr. Karl von Wogau, MdEP
Diese Arbeit ist ein Ergebnis einer nahezu 10jährigen Recherche im sozialpolitischen Bereich. Sie spiegelt auch einige persönliche Erfahrungen des Autors wider.
Die angegebenen Daten und Fakten wurden bis zum Sommer 1995 gesammelt und in diese Arbeit eingebracht.
Selbst wenn die Aktualität der Angaben verloren geht, so ist doch das Schema der natürlichen Arbeitslosigkeit nicht zu novellieren.
Der eigentliche Sinn, über organisatorische Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu informieren und eine Diskussion über eventuelle Änderungen in Gang zu setzen, behält daher seine Gültigkeit.
Das Verhältnis von Arbeitskräfteangebot und Arbeitsplatzangebot wird durch die globale Konjunktur- und Wachstumspolitik beeinflußt. Durch die Stimulierung oder Dämpfung der Nachfrage oder des Angebots wird indirekt auf das Beschäftigungsniveau Einfluß genommen.
Entscheidend für das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ist die Arbeitsmobilität.
In der Literatur wird sie als eine potentielle und faktische Beweglichkeit der Arbeitskräfte hinsichtlich der Arbeitsaufnahme und des Arbeitsplatzwechsels betrachtet.
Ein größeres Angebot muß nicht unbedingt größere Nachfrage nach sich ziehen. Mobilität kann durch ein größeres Angebot an verfügbaren Verkehrsmitteln erhöht werden, das Transferströme von Arbeitskräften steigern kann. Ist diese Infrastruktur gegeben und sind die Mobilitätshemmnisse beseitigt, können arbeitsmarktpolitische Maßnahmen auf internationaler Ebene greifen.
Durch die Verbesserungen des freien internationalen Welthandelssystems wurden bereits neue Wege geebnet, um das Arbeitsmarktangebot international zu steigern. Durch die Gründung der Welthandelsorganisation WTO und den Abschluß des GATT wird nun ein gemeinsamer Markt geschaffen, damit die Transferströme auf dem internationalen Arbeitsmarkt, wo die Arbeitsplatznachfrager auf die Arbeitsplatzanbieter treffen, an Effizienz zunehmen.
Neue Technologien und ein Konzept an Verkehrswegeverbindungen können dies möglich machen.
Die Arbeitslosigkeit ist das größte Problem der Europäischen Union. Von 1990 bis 1995 erhöhte sich die Arbeitslosenquote von 9,3 auf 10,9 Prozent. Etwa jeder neunte Europäer, der arbeitswillig und arbeitsfähig ist, geht keiner Beschäftigung nach.
Am schlimmsten ist die Situation auf dem spanischen Arbeitsmarkt: dort gibt es für fast ein Viertel der Erwerbstätigen keine Arbeit. Fast sorgenfrei ist die Lage hingegen in Luxemburg, wo weniger als vier Prozent aller Erwerbsfähigen als Arbeitslose registriert sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1
Die Abbildung 1 zeigt die neuesten Zahlen (Stand 5/95) der International Labour Office und des OECD, welche den internationalen Vergleich der Arbeitslosen prozentual zeigt.
Das Beispiel USA zeigt, daß eine Senkung der Arbeitslosigkeit durchaus erreicht werden kann. Hier sind seit 1983 über 23 Millionen neue Arbeitsplätze entstanden, dies war bei fast konstanten Arbeitskosten möglich. Die Amerikaner setzen hierbei im Wesentlichen auf die Dienstleistungen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat das amerikanische Beschäftigungswunder untersucht. Dabei stellte es sich heraus, daß vor allem die wesentlich höhere Flexibilität und Beschäftigungsintensität des US-Arbeitsmarktes Grund für die Stellenexplosion sind. Im direkten Vergleich mit der Situation in Deutschland stellte man fest, daß in den USA die im Wachstumsprozeß entstehenden Einkommensspielräume vor allem in mehr Beschäftigung umgesetzt wurden, während sie in Deutschland vorwiegend den Arbeitsplatzbesitzern in Form höherer Realeinkommen zugutekamen.
Die Nachfrager und Anbieter des Wirtschaftsgutes Arbeit bewegen sich in einem räumlich meist begrenzten Markt. Die den Arbeitsmarkt fördernden wirtschaftspolitischen Mechanismen können daher nur in einer bestimmten Region wirken. Meist sind es bestimmte Regularien, die es nicht zulassen, daß ein Gut wie die Arbeitskraft in einem anderen Land verwertbar ist.
Diese Mobilitätshemmnisse sind nicht nur die räumliche Distanz; auch Hemmschwellen wie unterschiedliche Löhne, differierende Arbeitszeiten oder unterschiedliche Kaufkräfte wirken hier hinderlich.
Die Europäische Gemeinschaft bietet hier durch die Errichtung des gemeinsamen Binnenmarktes neue Möglichkeiten und Wege der Harmonisierung auf dem Arbeitsmarkt.
„Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern, die in der Gemeinschaft zusammengeschlossen sind“(von Wogau, 1988, S.33).
Bringt die Zukunft in einem gemeinsamen Binnenmarkt wirklich mehr Arbeitsplätze? Dieser Frage ist die EG-Kommission durch eine wissenschaftliche Untersuchung, die sie bereits 1988 veröffentlichte, nachgegangen.
Das wirtschaftliche Potential, welches im EG-Binnenmarkt herrscht, kann mittelbar und unmittelbar mindestens 1,8 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Eine 5-prozentige Steigerung des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Gemeinschaft würde solche Auswirkungen mit sich bringen, daß 5 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Durch den entstandenen EG-Binnenmarkt verfügt die Gemeinschaft über weit mehr als 320 Millionen Verbraucher und rangiert hier an erster Stelle der Welt noch vor den USA (ca. 250 Millionen). Diese starke Kaufkraft (über 2 Billionen) hat auf den wirtschaftlichen Prozeß und den europäischen Arbeitsmarkt eine Akzelerationswirkung.
In dem Vertragstext von Maastricht wurden einige Regularien getroffen, denen sich die Europäische Gemeinschaft verpflichtet fühlt (Läufer, 1992, S.53ff.). Besonders relevant für diese Arbeit sind die folgenden zwei Artikel des Vertragstextes:
„Art. 118 Zusammenarbeit in sozialen Fragen“
Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen hat die Kommission entsprechend ihrer allgemeinen Ziele die Aufgabe, die enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in sozialen Fragen zu fördern, insbesondere auf den Gebieten
- der Beschäftigung,
- des Arbeitsrechts und der Arbeitsbedingungen,
- der beruflichen Ausbildung und Fortbildung,
- der sozialen Sicherheit,
- der Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten,
- des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit,
- des Koalitionsrechts und der Kollektivverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Zu diesem Zweck wird die Kommission in enger Verbindung mit den Mitgliedstaaten durch Untersuchungen, Stellungnahmen und der Vorbereitung von Beratungen tätig, gleichviel ob es sich um innerstaatliche oder um von internationalen Organisationen gestellte Probleme handelt. Vor Abgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Stellungnahmen hört die Kommission den Wirtschafts- und Sozialausschuss.“
Art. 57 Richtlinien zur gegenseitigen Anerkennung von Diplomen, Zeugnissen
Die EG-Richtlinien regeln die Anerkennung von Diplomen und Mindestausbildungsbedingungen für zahlreiche Berufe. Für eine Reihe von Hochschulstudiengängen sind Einzelrichtlinien in Kraft getreten. In diesen Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft wird die Anerkennung der deutschen Fachhochschulausbildung mit eingeschlossen.
Nahezu 18 Millionen Erwerbsfähige sind in den Mitgliedstaaten von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Europäische Gemeinschaft wird versuchen, die strukturellen Schwächen der europäischen Wirtschaft zu beseitigen.
Die nachstehenden Daten illustrieren den Stand der Arbeitslosigkeit 1992. Die Beschäftigungslage hat sich 1993 weiter verschlechtert.
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Abbildung 2 zeigt diese Zahlen in Prozent an.
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Abbildung 2
Die Gemeinschaft trifft zudem die folgenden Maßnahmen zur Verringerung der natürlichen Arbeitslosigkeit:
- den Aufbau leistungsfähiger Verkehrs- und Fernmeldenetze;
- die Einrichtung eines europäischen Informationsraums durch Entwicklung und Förderung von Telekommunikation, Datenverarbeitung und optische Fasern;
- eine tiefgreifende Umstellung der Bildungssysteme, beispielsweise durch Anleitung zu lebenslangem Lernen;
- die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen durch Umweltschutz, Förderung der Lebensqualität und entsprechende steuerliche Regelungen;
- eine aktive Arbeitsmarktpolitik mit neuen Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten.
Die Strukturpolitik der EU, die zur Verringerung der europäischen Arbeitslosigkeit führen soll, konzentriert sich auf bestimmte Räume. Ziel dieser Strukturpolitik ist es, durch eine Umverteilung innerhalb der EU schwächere Regionen von den stärkeren profitieren zu lassen. Der Binnenmarkt, offene Grenzen, freier Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr: diese Maßnahmen alleine machen die Union jedoch nicht zu einem wirtschaftlich und sozial stabilen Gefüge mit einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 1994, S.22f.).
Die europäische Strukturpolitik sieht eine Gliederung nach Regionen vor, die je nach Priorität und Notwendigkeit der Förderung mit Kategorie Ziel 1 beginnt.
Bis zur Wiedervereinigung im Jahre 1989 gab es in der Bundesrepublik Deutschland keine Regionen, die in die erste Sparte einzuordnen wären und somit die höchste Förderstufe zugewiesen bekämen. Weiterhin sieht die Kategorie Ziel 2 eine Unterstützung für Regionen mit rückläufiger industrieller Entwicklung vor.
In Ziel 3 und Ziel 4 Regionen geht es um Jugendarbeitslose und Benachteiligte am Arbeitsmarkt. Die Ziel 5b Kategorie sichert die Strukturanpassungshilfen für den ländlichen Raum.
Der Strukturfond der Europäischen Union unterstützt im Einzelnen folgende Maßnahmen zur Reduzierung der natürlichen Arbeitslosigkeit:
- die berufliche Eingliederung von Langzeitarbeitslosen durch Beschäftigungsbeihilfen;
- die Ausbildung, berufliche Weiterbildung und Umschulung;
- die Berufsberatung;
- die Entwicklung neuer Ausbildungs- und Beschäftigungsstrukturen;
- die Chancengleichheit für Männer und Frauen;
- Studien zur Entwicklung des Arbeitsmarktes;
- die Verbindungen zwischen Ausbildungseinrichtungen und der Wirtschaft;
- die Förderung der Regionen an den Binnen- und Außengrenzen der EU;
- die Verbesserung der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse;
- die Verbesserung der landwirtschaftlichen Berufsbildung;
- forstwirtschaftliche Maßnahmen;
- Umstrukturierung und Erneuerung sowie Modernisierung von Fischereiflotten.
Ist die Summe der Arbeitsplatzanbieter und Arbeitsplatznachfrager auf dem europäischen Arbeitsmarkt insgesamt gleich groß, können die erwerbsfähigen Arbeitssuchenden, welche über genügend Mobilität verfügen, die folgende Einrichtung nutzen: ein europaweites Informationsnetzwerk, an dem sich alle öffentlichen Arbeitsverwaltungen der Europäischen Union beteiligen. Berater in der ganzen EU und der Bundesanstalt für Arbeit informieren über Lebens- und Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Staaten und haben Zugang zu einem zentralen Stellenangebotspool. Über EDV haben sie den direkten Zugriff auf die entsprechenden Datenbänke in Luxemburg und Brüssel. Sowohl Arbeitgeber, die Arbeitskräfte aus anderen Mitgliedstaaten nachfragen, als auch Arbeitnehmer, die sich für eine Beschäftigung im Ausland interessieren, können diesen Service nutzen.
„Stabilität und Wachstum sind eine ständige und unausweichliche Herausforderung unserer modernen Gesellschaft“
Nach diesem Zitat (Schiller, 1967, S.1) unseres ehemaligen Bundeswirtschaftsministers, Prof. Dr. Karl Schiller, muß sich die moderne Volkswirtschaft ständig neuen Anforderungen stellen. Die Produktion von Gütern und Dienstleistungen bildet die Grundlage wirtschaftlichen Handelns. Bei der Herstellung von Gütern wirken die volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren zusammen (Schneeweiß, 1987, S1). Grundsätzlich spielt der Faktor Arbeit eine der zentralen Rollen. Ziel jeglichen wirtschaftspolitisch und wachstumsorientierten Handelns muß es deshalb sein, den Faktor Arbeit optimal einzusetzen und dadurch den Produktionsprozeß zu fördern. Die Umsetzung des Faktors Arbeit im Produktionsprozeß kommt letztendlich durch den Menschen zustande. Er steigert durch das Verrichten von Tätigkeiten das wirtschaftliche Wachstum. Hat ein Erwerbsfähiger keine Chance im Produktionskreislauf mitzuwirken, kann das Wachstum nicht gesteigert werden. Man spricht dann von einer fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit für einen arbeitsfähigen und arbeitsbereiten Arbeitnehmer. Der im Produktionsprozeß wirkende Faktor Arbeit kann dann wegen fehlender Beschäftigungsmöglichkeiten nicht zu einer uneingeschränkten Erhöhung des volkswirtschaftlichen Wachstums beitragen.
Ein weiteres Ziel gilt der Erfüllung des Stabilitätsgesetzes. Dieses Gesetz vom 08. Juni 1967 nennt vier Ziele, die es umzusetzen gilt. Eines der dort verankerten Ziele ist die Errichtung eines hohen Beschäftigungsstandes (Geigant, Sobotka, Westphal, 1987, S.253). Die Verfasser dieses Gesetzes betrachten die konjunkturelle Arbeitslosigkeit als Gefährdung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Diese tritt als Folge konjunktureller Schwankungen auf und ist in der Regel mit einer nur teilweisen Auslastung des Kapitalstocks verbunden. Durch eine Veränderung der wirtschaftlichen Situation wird die konjunkturelle Arbeitslosigkeit zu einem schwerwiegenden Problem (Gabler, 1988, S.304). Unabhängig von diesen konjunkturellen Gründen gibt es jedoch strukturell bedingte Ordnungsschwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt.
Die konjunkturelle Arbeitslosigkeit wird bestimmt durch die Ausschläge konjunktureller Schwankungen.
Unterschiedliche Konjunkturphasen beeinflußen die Reagenten auf dem Arbeitsmarkt. Zu Zeiten der Hochkonjunktur nimmt die Zahl der Arbeitslosen in der Regel ab, in der Rezession nimmt sie in allen Wirtschaftszweigen zu (Brockhaus, 1966, S.670). Ausschlaggebend für die Konjunkturschwankungen ist die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Konsumgütern und Dienstleistungen. In Zeiten der Rezession tritt ein Bedarfswandel auf, der zu einem Rückgang der Güternachfrage in einem bestimmten Bereich führt und damit auch zu einer Verringerung der Produktion dieser Güter (Staatslexikon, 1985, S.275).
Durch einen zu geringen Auslastungsgrad von Produktionsstätten werden Arbeitsplätze frei. Da aber aus unterschiedlichsten sozialen Gründen nicht so viele Arbeitskräfte freigestellt werden können, müssen teilweise die Preise angehoben werden, um den Erhalt des Arbeitsplatzangebots zu finanzieren. Treten lediglich Preiserhöhungen auf, ohne daß genügend Einzelpreise in anderen Wirtschaftsbereichen gesenkt werden, führt dies zu einer Erhöhung des Preisniveaus und zu einem Anstieg der Inflationsrate (Gabler, 1988, S.528). Die Erhöhung der Inflationsrate kann Anleger kleinerer Beträge mehr schädigen als Anleger größerer Beträge. Großanleger investieren in Sachanlagen wie Grundstücke, da in Zeiten der Inflation durch eine höhere Nachfrage nach der Geldmenge M1 der eigentliche Wert des Geldes gemindert wird. Also können diejenigen zu den Geschädigten gehören, die ihr Vermögen in Geld oder geldwerten Titeln in Erwartung von Preisniveaustabilität oder von Zinssätzen, die unter der tatsächlich eingetretenen liegen, anlegen. Die Schuldner können jedoch im Gegensatz dazu zu den Gewinnern der Inflation gehören.
Die Interdependenzen zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit werden in der von dem englischen Statistiker A.W. Phillips (1958) entwickelten und von P.A. Samuelson und R.M. Solow modifizierten Phillips-Kurve, Abbildung 3, veranschaulicht (Woll, 1990, S.503).
Diese modifizierte Form der Phillips-Kurve zeigt die Verbindung zwischen Lohn- und Arbeitslosensätzen. In der Abbildung 3 wird hier gezeigt, daß bei einer Inflationsrate von 0 eine prozentuale Nominallohnerhöhung von 3% möglich wäre.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3
Stärkere Lohnanhebungen führen zur Inflation, deren Rate um 3% unter dem Anstieg der Nominallöhne liegt. Bei einer höheren Inflationsrate ist die in Prozenten ausgedrückte Arbeitslosenquote geringer als bei einer niedrigeren Inflationsrate. In diesem Schema lässt sich auch die zuvor behandelte Preiserhöhung zur Arbeitsplatzsicherung wiederfinden.
Der technische Fortschritt ist ein weiteres Problem der konjunkturellen Arbeitslosigkeit. Durch neue Verfahren und Produkte werden Arbeitskräfte von ihrem bisherigen Arbeitsplatz freigesetzt. Die technischen Neuerungen führen dazu, dass Arbeitsplätze ersetzt und nicht mehr benötigt werden. Der Prozeß des technischen Fortschritts birgt aber auch Wachstumschancen und nicht zuletzt Möglichkeiten, Arbeitsplätze in neuen Bereichen zu schaffen. Somit ist der technische Fortschritt zum einen eine Gefahr für den Arbeitsmarkt, zum anderen eine Chance, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Wirtschaftswissenschaftler befaßten sich bereits in den 30er Jahren damit, zutreffende Ursachen für das Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Sie stellten unter anderem fest, daß sich die Zahl der abhängigen Erwerbspersonen aus der Summe der Beschäftigten und der Arbeitslosen zusammensetzt. Als arbeitslos bezeichneten Sie diejenigen Arbeitnehmer, die zu den bestehenden Löhnen arbeiten würden, jedoch keinen Arbeitsplatz finden. Sie stellten fest, daß es eine Zahl von freiwilligen oder unechten Arbeitslosen gibt, die zu den bestehenden Löhnen nicht arbeiten wollen. Da diese Zahl statistisch nicht unterschieden und definiert wird, d.h., daß man die Zahl der echten von den unechten Arbeitslosen nicht trennt, ist es schwierig, die Zahl der freiwilligen Erwerbslosen als Zielgruppe arbeitsmarktpolitischer Bemühungen einzubeziehen.
Betrachtet man die Definition der natürlichen Arbeitslosigkeit, so muß man feststellen, daß sie als Vollbeschäftigungsarbeitslosigkeit gedeutet wird (Gabler, 1988, S.538), die unter Berücksichtigung der Unvollkommenheit des Arbeitsmarktes als Vollbeschäftigung gesehen wird. Weiter betrachtet man dort die natürliche Arbeitslosigkeit als einen Umstand, der nicht bekämpft werden müsse.
Die natürliche Arbeitslosigkeit sei nicht exakt zu bestimmen, daher bestünde die Gefahr, daß jede Art von Arbeitslosigkeit als natürliche Arbeitslosigkeit angesehen werden könne. Auf keinen Fall, so die allgemeine Definition weiter, handele es sich um eine stabile, eindeutig meßbare und definierbare Größe.
Man muß feststellen, daß man, sollte die Größe der Arbeitslosigkeit (KA), die nur aufgrund konjunktureller Schwankungen zustande kommt, bekannt sein, diese Zahl von der Summe der gesamten Arbeitslosen (GA) abziehen könnte. Den Restwert kann man als Zahl der natürlichen Arbeitslosen (X) betrachten.
Dies sei mit folgender Formel erläutert:
X = GA - KA X = NA = Natürliche Arbeitslosigkeit
Jedoch unterscheidet die Statistik des Arbeitsamtes nicht zwischen der Zahl der gesamten Arbeitslosen und der Zahl konjunkturell bedingter Arbeitsloser. Als Arbeitslose werden arbeitssuchende Erwerbspersonen, die arbeitsfähig und bereit sind, wöchentlich mindestens 19 Stunden zu arbeiten, angesehen (Gabler, 1988, S.300). Als arbeitslos erfaßt werden in der Arbeitsmarktstatistik Personen, die aus unselbständiger und mithelfender Tätigkeit ausgeschieden sind. Schulentlassene, die sich erfolglos bei der Arbeitsvermittlung um Arbeits- oder Ausbildungsstellen beworben haben, sowie Nichterwerbstätige, die sich beim Arbeitsamt als Arbeitsuchende melden, gelten außerdem als arbeitslos. Die Zahl der Arbeitslosen und deren Gründe sind somit Voraussetzung für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.
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