Bachelorarbeit, 2013
23 Seiten, Note: 1,9
Vorwort
1.) Einleitung
2.) Die Anfänge und die Vorgeschichte
3.) Von Darwin zu Sozialdarwinismus
4.) Sozialdarwinismus von 1870 bis
5.) Die ethisch-moralische Sichtweise des Sozialdarwinismus
6.) Schlusswort
Literaturverzeichnis
In der vorliegenden Arbeit wird das Thema „Sozialdarwinismus“ im Allgemeinen erläutert und aufgezeigt von der geschichtlichen Seite, wie von der ethisch-moralischen. Die Entwicklungsgeschichte dieser wichtigen Strömung hat Europa, neben anderen Kontinenten, massiv beeinflusst und im Folgenden nachhaltig verändert. Diese Wandlung vollzieht sich zu der Zeit in all möglichen Sphären der Gesellschaft. Der Sozialdarwinismus drückt seinen Stempel allen Lebensbereichen auf, selbst dem philosophischen Denken der vorherrschenden Zeit.
Diese Bewegung ist ziemlich bahnbrechend und innovativ gewesen und sie erschuf das Menschenbild von Grund auf neu. Ihre Wurzeln liegen natürlich in der Vorgeschichte, die ich besonders durch diese Arbeit hervorheben möchte. Ich verweile mehr in den Anfängen des Sozialdarwinismus und erläutere, wie es dazu gekommen ist, dass die Lehre von Charles Darwin die Denkweise der Menschen so einmalig verändert hat.
Das Menschenbild in der Naturwissenschaft wird von keinem so gravierend und folgereich geprägt, wie von Charles Darwin (1809-1882). Er ist derjenige gewesen, der den Menschen nicht als einen Schöpfungsakt Gottes auffasste, sondern der Meinung war, dass der Mensch durch eine natürliche Entwicklung und Selektion bzw. Evolution aus den vorhandenen Tierarten entstanden ist.[1]
Diese weitere Desillusionierung, wie es seit der „Kopernikanischen Wende“ der Fall ist, als der Mensch eine Art von Bild von sich entworfen hatte, wird im Folgenden in der modernen Biologie weiter ausgearbeitet. Ihr Einfluss auf die philosophische Anthropologie des 20. Jahrhunderts ist enorm gewesen. Die Erkenntnisse der Naturwissenschaft haben dazu geführt, dass es kein geschlossenes und einheitliches Menschenbild mehr gibt, sondern dass die Fragen des Menschendaseins aus verschiedenen Seiten betrachtet werden können.[2]
Charles Darwin ist das Symbol einer geistigen Revolution und sein Werk ist eins der bedeutendsten geworden für die Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts. Viele Wege aus der Geschichte der vorherigen Jahrzehnte münden im Darwins Werk, es ist quasi das Resultat des damaligen Standes. Daraus entsteht ein neuer Zweig in dem Bereich der Biologie. Er wird mit Newton verglichen, was den Einfluss seiner Arbeitsergebnisse angeht. Seine Hypothese über den Ursprung der Gattung wird später auf anderen Gebieten angewandt und missbraucht. Darwin selbst betrachtet diese Abwandlung in seiner Lebenszeit mit gemischten Gefühlen. Er konnte sich nicht wirklich für seinen „Darwinismus“ bzw. den nachfolgenden „Sozialdarwinismus“ entscheiden. Schlussendlich bleibt er neutral allem gegenüber, wodurch er die Zwiespältigkeit des Ganzen nur vertieft hat.[3]
Das darwinistische Ideengut war stets mit den anderen Geistesströmen verbunden und es hatte große Auswirkungen auf sich gezogen, sowohl auf der politischen Ebene, wie auch im gesellschaftlichen Denken der damaligen Zeit. Das Ausmaß, mit dem sich Darwins Lehre verbreitet hat, ist dabei ein wichtiger Faktor gewesen. Eins steht fest, seine Theorie war auf allen Gesellschaftsebenen populär. Als Reaktion auf die Französische Revolution und unter der wachsenden Industrialisierung, den aufkommenden Technologien und dem Glauben an den Fortschritt der Naturwissenschaften rücken die Empirik und die naturrechtlichen Theorien auf den ersten Platz. Eigentlich wird das Naturrecht durch den „wissenschaftlichen Beweis“ ersetzt und somit bekennt man sich zu den Naturwissenschaften und zur Technik, mit der Konsequenz, dass der Liberalismus, wie er noch von Locke begründet wurde, einfach bei Seite geschoben wird.[4]
Dem Liberalismus fehlt aber, um auf Dauer bestehen zu können, immer noch eine systematisch ausformulierte Lehre. Als eine politische Bewegung kann sie einfach nicht der Opposition trotzen. In den unterschiedlichen Ländern äußert er sich sehr differenziert. Im Wesentlichen fehlt aber dem Liberalismus der Link zur sozialen Realität, der damals vorherrschenden Zeit. Man hätte schon vorher auf die Interessen der Klassen aufmerksam werden sollen. Die moderne Industriegesellschaft wächst zu dem Moment schneller, als der Liberalismus sich anpassen und modifizieren kann, z. B. beschützt er nicht die individuellen Rechte vor Willkür und Exzess. Also, um eine effektive politische Macht bleiben zu können, hätte man vieles vorher schon bewegen müssen.[5]
Es liegt nahe, dass die Idee des Fortschritts aus der Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert, in der biologisch beweisbaren Evolutionstheorie mündet. Es ist eine logische Schlussfolgerung des nachfolgenden Jahrhunderts, wie auch die Moralphilosophie, die aus der Weltanschauung der französischen Aufklärung wuchs. Der Glaube an den Fortschritt beeinflusst alle wesentlichen philosophischen und sozialen Denkstrukturen jener Zeit: den deutschen Idealismus, den britischen Utilitarismus, den französischen Positivismus, den amerikanischen Pragmatismus und schlussendlich auch den Sozialismus, wie den von Karl Marx.[6]
Die Essenz der Fortschrittsidee ist der Glaube gewesen, dass die Menschheit sich schon immer in die Richtung bewegt hatte, in der sie ihre ethischen Normen erfüllt. Daraus folgt die Frage nach der Qualität der bereits vorherrschenden ethischen Normen und nach deren Wandelbarkeit. Natürlich gibt es zu dieser Zeit sehr viele unterschiedliche Definitionen des Fortschrittsbegriffs. Laut Tocqueville besteht der Fortschritt in der unaufhaltsamen Bewegung der menschlichen Gesellschaft zurMenschengleichheit. Herbert Spencer geht von einem anderen Standpunkt aus, nämlich dass:
„Die Entwicklung zumidealen Menschenist logisch sicher – so sicher wie jede logische Schlußfolgerung, der wir unseren uneingeschränkten Glauben schenken können.“[7]
Für Spencer ist der Fortschritt notwendig, aber er ist nicht immer da oder regelmäßig zu sehen oder irgendwie konstant. Nichtsdestotrotz haben viele dieser verschiedenen Deutungen eine Besonderheit gemeinsam, sie setzten bei ihren Erklärungen alle Wert auf den Mechanismus und weniger auf das Ergebnis desselben, d.h. es steht nicht der perfekte Mensch im Vordergrund oder die ideale Menschengesellschaft.[8]
Die Evolutionstheorie wird beliebt weil sie die Evolution im Tierund Pflanzenreich als einen Mechanismus des ewigen Fortschritts präsentiert. Wenn man dies auf die politische oder soziale Ebene überträgt, kann man mit ihr die innenund außenpolitischen Haltungen rechtfertigen. Wenn also das Wachstum der Nation durch die wirtschaftliche und territoriale Expansion erklärt wird, dann nimmt man zur Hilfe die Gesetzmäßigkeit des Entwicklungsprozesses, worin klar wird, dass naturgemäß nur die Fähigsten überleben. Durch diese natürliche Auslese steht man dementsprechend im Gegensatz zu den Naturrechten eines Individuums. So etwas wie eine Chancengleichheit gibt es also von vorne rein nicht.[9]
Der evolutionäre Optimismus erreicht bei Darwin den Höhepunkt der Geschichte. Der besagte Optimismus dieser Zeit scheint überall allgegenwärtig zu sein, in der Gesellschaft, im Staat und in den Köpfen. Darwins Fortschrittsideologie liefert einfach den praktischen „wissenschaftlichen Beweis“, nach dem sich viele gesehnt haben. Darwins Prinzipien nehmen eine entscheidende Rolle an in der Gesellschaftstheorie und der Sozialethik. Sie werden zu einer Doktrin, zum Ausdruck einer sich aufklärenden Epoche, worin die Theorie der natürlichen Auslese zum zentralen Modell des Ganzen wird. Diese Vorstellung landet im sozialen und politischen Denken. Mit anderen Worten ausgedrückt, wird aus der freien Konkurrenz zwischen den Menschen der Begabteste ausgesondert. Das Gleiche passiert dann auch auf der Ebene von Kollektiven, Klassen, Völkern und Rassen.[10]
Eben auf der oben geschilderter Vorstellung basiert bzw. beruft sich der spätere Altruismus. Er ist der eine von vielen ersten Anzeichen gewesen, die zu einer Herrschaft der Herrenrasse „aufrufen“. Darwin personifiziert die Naturwissenschaft, die die höchste Autorität seiner Zeit ist. Wie es Hofstadter einst feststellt:
„ […] aus der empirisch aufweisbaren Verschiedenheit von Menschengruppen ein starres Ungleichheitsund Ungleichwertigkeitsdogma abzuleiten und den Anspruch der Individuen auf soziale und politische Chancengleichheit zu verneinen. Der auf Mobilität hin tendierenden Industriegesellschaft, in der sich das soziale Leben demokratisierte, stemmte man sich entgegen und geriet damit auf einen sozialreaktionären Kurs, auf dem die Bereitschaft wachsen mußte, in der Durchsetzung rassenbiologischer Forderungen auf Kosten individueller Freiheitsrechte mindestens ein notwendiges Übel zu sehen.“[11]
Natürlich gibt es evolutionstheoretische Ansätze noch vor Darwin. Thomas Robert Malthus (1766-1834) zum Beispiel vertrat die Meinung, dass der Mensch dazu tendiere sich im Übermaß zu vermehren und von daher von seiner physischen Umwelt stets in Schach gehalten wird. Damit die Population nicht den Rahmen sprengt, gibt es immer Faktoren, die diesen Prozess regulieren würden, wie z.B. Knappheit, Not, Hunger etc…[12]
Der Gedanke des Wohlstands und der entgegengesetzte über das Elend der Armut münden alle in den Sozialreformen der Zeit, worin sie an die Naturgesetze der Ökonomie stoßen. Laut Malthus bringen „Reformen von oben“ nichts als Probleme, von daher schlägt er vor, der Natur den freien Lauf zu lassen und nicht die gegebene Harmonie der Schöpfung zu stören. Und wenn man nicht im Elend leben möchte, solle man hart arbeiten, so dass die Wirtschaft und die Zivilisation voranschreiten. Das Leiden der Armen ist von daher ein wichtiges Mittel zum Zwecke der Perfektion der Menschheit, es treibt voran. Der Mensch hat von daher immer die freie Wahl sich entweder für das Glück oder für das Leid zu entscheiden. An dieser Stelle gibt es also noch den freien Willen. Aber gleichzeitig erscheint das Bild eines Utilitaristen, wo das Individuum die Chance bekommt ein Kalkül aufzustellen, worin er oder sie alles abwägen kann. So etwas wie die Fragen: Soll ich jetzt meinen sexuellen Trieben folgen, schnell heiraten und Kinder bekommen oder doch lieber erst abwarten, arbeiten gehen, etwas Geld sparen und vielleicht dann (wenn man ein Haus und etwas Wohlstand hat) irgendwann mal heiraten etc…[13]
Die Malthussche Theorie ist bedeutend für die Entwicklung der klassischen politischen Ökonomie gewesen. Er zeigt nämlich auf, dass der Arbeitsmarkt durch das freie Handeln recht sinnvoll, zusammenhängend und eigentlich ganz ausbalanciert ist.[14]
Seine Bevölkerungstheorie ist eine soziale Theorie, die mit Naturfaktoren argumentiert. Die Natur als solche ist aber nicht in der Reichweite eines Menschen. Die Existenz und die Reproduktion ist eine Angelegenheit der Vorsehung, nicht die der Moral oder der Politik.[15]
Darwin setzt mit seinen Überlegungen dort an, wo Malthus aufhört, sozusagen. Eigentlich interessiert er sich zunächst für die Bildung organischer Muster in der Natur, die aber nach demselben Prinzip funktionieren und sich anordnen, wie bei Malthus. Beide sagen aus, dass ein Überangebot an Individuen dazu führt, dass man anfängt in der Gruppe zu „überleben“. Das System stabilisiert und organisiert sich von daher von alleine. Bei Malthus überleben diejenigen, die gewisse geforderte Fähigkeiten aufweisen bzw. wichtige soziale Eigenschaften vorweisen können. Bei Darwin überlebt man, wenn man die nötigen organischen Eigenschaften besitzt, die das Überleben in der physischen Umwelt ermöglichen, von daher ist eine Selektion an dieser Stelle unvermeidlich. Nur die geeignetsten Individuen können da noch standhalten.[16]
DasIndividuum à la Darwinist nicht dem anderen Individuum gleich. Einer ist der besser Ausgestattete und der andere nicht. Stichwort Wettbewerb, nicht Chancengleichheit. Darwin formuliert seine Theorie zur Erklärung des Ursprungs und des Übergangs der Arten. Diese sind also nicht mehr, wie im 18. Jahrhundert, als fixe Entitäten zu sehen, sondern als sich stets wandelnde, nicht mehr identische Elemente. Die Umwelt filtert durch ihre Naturfaktoren immer die aus, jene nicht mehr mithalten können, egal auf welchem Gebiet. Daher ergibt sich irgendwann mal eine Folge von fest etablierten Arten, die überleben bzw. überlebt haben. Betrachtet in der Retrospektive ist der ganze Prozess ein Weg zur Vervollkommnung und gleichzeitig genau der Zustand, den man Fortschritt nennt.[17]
Darwin untermauert die weit verbreitete Fortschrittsvorstellungen seiner Zeit, aber sein „Darwinismus“ beruht noch überwiegend auf dem Lamarckismus, dessen Grundlage es ist, dass die neugewonnene Erfahrung im Leben sich in der schnellen Anpassung an die Umwelt und die darauf folgende Niederlegung für die Nachkommen äußert. Die Lernprozesse werden also an die nächste Generation weiter gegeben.[18]
Der eigentliche Kern Darwins Theorie besteht aber in der Selektionstheorie. Ohne sie jetzt hier im Detail zu betrachten steht eins fest, sie postuliert keine teleologische Tendenz, sondern einen Prozess von organischer Selbstorganisation, der allein von den Umweltbedingungen abhängt. Das Ergebnis ist aber kein Chaos oder Ähnliches, sondern ein sich bemerkbar machender Muster, wie ein Ökosystem oder eine Biozönose.[19]
Im 19. Jahrhundert hat man nun mal angenommen, dass die Evolution auf die Höherentwicklung abziele, dass es auf jeden Fall eine Steigerung darstelle oder eben den Fortschritt. Viele der Zeitgenossen haben einfach nicht realisiert, dass der Fortschritt, die Evolution und das Starksein einfach nicht dasselbe sind, wie z.B. bei Nietzsche: „der „berühmte Kampf ums Dasein“ könne nicht der einzige „Gesichtspunkt“ sein, „aus dem das Fortschreiten oder Stärkerwerden eines Menschen, einer Rasse erklärt werden kann“, sondern die „Veredlung“ erfolge gerade über eine „Entartung“, eine Schwächung des Typus, die Innovationen ermöglicht.“ (Schlechta I, 583f.)[20]
Man denkt zuerst vielleicht Nietzsche kritisiert hier die Selektionstheorie, aber er spricht genau das Gegenteil aus. Das Ziel der Evolution sei also doch die Stärkung für ihn, womit man die Schwäche automatisch als einen Umweg sieht. Dabei wollte diese Theorie zunächst einfach sich ergebene Muster erkennen und aufzeigen und nicht für „die Stärke“ ein Plädoyer halten.The survival oft the fittestwird zum Maßstab und Prinzip im Darwinismus. Das Potential seiner Theorie bekommt Ausmaße, von denen selbst Darwin überrascht ist.[21]
Darwin hat die Werke von Malthus gelesen und er hat sie einfach weiter ausgearbeitet bzw. weiter durchdacht. Malthus beeinflusste ihn am Meisten bei seiner Arbeit:
„Sobald ich diese Idee ganz verstanden hatte, erkannte ich nach dem Lesen von Malthus‘ Essay über die Bevölkerungsvermehrung, daß das Prinzip der natürlichen Auslese die unausweichliche Konsequenz des rapiden Wachstums aller organischen Existenz sei. Denn durch langes Studium der Gebräuche der Tierwelt war ich darauf vorbereitet, das Prinzip des Kampfs ums Dasein richtig einzuschätzen.“[22]
Die Aussage, dass nur der Stärkste überlebt, versucht man offensichtlich damit zu rechtfertigen, dass dieser Zustand offensichtlich logisch ist und eigentlich selbsterklärend. Das ist nachgewiesen, also ist es so, daher muss es wohl auch so sein. Aber ist es allein dadurch bzw. deshalb gleichzeitig richtig?
Hierbei wird besonders deutlich, wie man versucht aus einem Sein-Zustand einen Soll-Zustand zu kreieren. Was an dieser Schlussfolgerung, dass allein die beste Art überlebt, wo zunächst alles doch recht logisch klingt, ist eigentlich falsch? Man schließt von der Beobachtung einer Tatsache (der Stärkste überlebt) darauf, was als Konsequenz moralischer Art zu sehen ist (nur der Stärkste ist der Beste).[23]
Es liegt ein logischer Fehler vor, denn der Beobachtung wird etwas zugefügt, was außerhalb der beobachteten Tatsache liegt. Aus einer Aussage über ein Sein wird also eine Aussage über ein Soll abgeleitet. Dazu schreibt der Philosoph David Hume (1711-1776) in seiner„Abhandlung über die menschliche Natur“(1739–1740) folgenden Grundsatz auf. Man kann aus den Prämissen, die sagen was war oder sein wird, nicht schlussfolgern, was sein soll. Damit will er zeigen, dass moralische Unterscheidungen nicht durch die Vernunft erfasst, sondern gefühlsmäßig getroffen werden. Da wir aber unsere Welt mit Hilfe der Vernunft erforschen, analysieren wir die Natur mit dem Anspruch, sie genauso erfassen zu können, wie sie auch tatsächlich ist. Dies lässt sich aber nur erreichen, wenn wir von uns als den moralischen Beurteilern absehen. Leider tun wir es in der Regel nicht, sondern verbinden es gleich mit einer (moralischen) Wertung. Das Gute und das Böse finden wir aber nicht in den Gegenständen unserer Betrachtung vor, sondern in uns selbst.[24]
Diesen kritischen Gedanken in der Analyse unserer moralischen Urteile führt George Edward Moore (1873-1958) später weiter aus. Er fragt erst mal nach der Definition des Wortes „gut“ und ob es sich überhaupt so leicht festzulegen lässt. In der Geschichte der Philosophie gibt es viele Ansätze dieser Art. Für einen Hedonisten ist das Gute das Lustvolle, für den Utilitaristen ist es das Nützliche. Moore lässt diese Aussagen durchaus zu, allerdings nur wenn sie als Handlungsanweisungen zu verstehen sind, z.B. lebe lustvoll. Zur festen Definition taugen sie aber nicht, weil sich das Gute, seiner Meinung nach, nicht definieren lässt. Für Moore ist „gut“ ein nicht weiter zerlegbarer Begriff. Es ist wie das Wort „rund“, es bringt einen bei der Festlegung von komplexen Begriffen einfach nicht weiter.[25]
Für Moore ist „gut“ einfach „gut“, wie das „rund“ einfach „rund“ ist, aber wenn man behauptet, dass „gut“ gleich sei wie “der Stärkste“, so begehe man einen naturalistischen Fehlschluss. Dabei macht man den Fehler, in dem man „das Gute“ komplett mit „der stärkste Mensch“ gleich setzt. Für das ethische Argumentieren bedeutet dies, dass man vorsichtig gegenüber Wahrheitsansprüchen moralischer Art sein soll. Plus dazu haben ethische Werturteile und Sollenansprüche eine andere Qualität, als deskriptive Aussagen. Moore, wie auch Hume, sind der Auffassung, dass ethische Urteile eine rein subjektive Sache sind und demnach ist die Objektivität in der Ethik nicht möglich, ganz anders als es in der Wissenschaft der Fall ist.[26]
Zur Entstehungsgeschichte gehört auch das Konzept von Spencers Sozialphilosophie. Die Werke von Herbert Spencer (1820-1903) waren längst vor Darwins Schriften veröffentlicht und waren mit ihren hohen Auflagen sehr verbreitet gewesen.[27]
Spencer war ein politischer und sozialwissenschaftlicher Theoretiker, dessen Einfluss auch ohne Darwin zu seinen Lebzeiten herausragend war. Er war mehr von den Moralphilosophien geprägt, also von Naturwissenschaften. Die Grundlagen der Evolutionstheorie waren ihm weniger bekannt, aber über das Prinzip der natürlichen Auslese konnte er einfach nicht hinweg sehen.[28]
[...]
[1]Nink Hermann (Hg.):Standpunkte der Ethik.Oberstufe, Schöningh Verlag, Paderborn7 2005, S. 147
[2]Vgl. Ebd.
[3]Koch W. Hannsjoachim:Der Sozialdarwinismus. Seine Genese und sein Einfluss auf das imperialistische Denken, Bd. 97, C.H. Beck Verlag, München 1973, S. 13
[4]Vgl. Ebd. S.13ff.
[5]Ebd. S.17
[6]Ebd. S. 19
[7]Ebd. S.19f.
[8]Ebd. S.20
[9]Ebd.
[10]Ebd. S.21
[11]Ebd. S.22f.
[12]Sieferle Rolf Peter:Die Krise der menschlichen Natur.Zur Geschichte eines Konzepts. Bd. 567, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1989, S. 35
[13]Vgl. Ebd. S. 35f.
[14]Ebd. S. 37
[15]Ebd. S.38f.
[16]Vgl. Ebd. S. 40
[17]Ebd. S. 41
[18]Ebd. S. 41f.
[19]S. 44
[20]S. 46
[21]Vgl. Ebd. S. 46-49.
[22]Koch W. Hannsjoachim: Der Sozialdarwinismus. Seine Genese und sein Einfluss auf das imperialistische Denken, Bd. 97, C.H. Beck Verlag, München 1973, S. 50f.
[23]Nink Hermann (Hg.): Standpunkte der Ethik. Oberstufe, Schöningh Verlag, Paderborn7 2005, S. 44
[24]Vgl. Ebd.
[25]Nink Hermann (Hg.): Standpunkte der Ethik. Oberstufe, Schöningh Verlag, Paderborn7 2005, S. 44f.
[26]Vgl. Ebd. S. 45
[27]Koch W. Hannsjoachim: Der Sozialdarwinismus. Seine Genese und sein Einfluss auf das imperialistische Denken, Bd. 97, C.H. Beck Verlag, München 1973, S. 68
[28]Vgl. Ebd. S. 38
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