Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Bachelorarbeit, 2016
36 Seiten
1. Einleitung
2. Begriffsdefinitionen
2.1 Wohnungslosigkeit
2.2 Prävention
2.3 Beratung
3. Fachlich- Methodische Ausarbeitung
3.1 Einordnung der Präventionstheorie in die Praxis der Wohnungslosenhilfe
3.2 Aufsuchende Hilfen in der Wohnungssicherung
3.3 Möglichkeiten und Grenzen einer Beratung im aufsuchenden Setting
4. Prävention in der Praxis - Die „Mobile Mieterhilfe“
4.1 Die „MMH“ zwischen den Stühlen
5. Fazit und Ausblick
I. Literaturverzeichnis
Abbildung I: Kontaktaufnahme
Abbildung II: Durchgeführte Hausbesuche
Abbildung III: Anmerkungen zu Erfolg/Misserfolg der MMH
Die folgende Arbeit befasst sich mit den Möglichkeiten und Grenzen von Beratung im aufsuchenden Setting der Wohnungssicherung. Es soll eruiert werden, ob und inwiefern Beratungsangebote in Form von aufsuchenden Hilfen ein adäquates Mittel zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit sind.
Interessant ist an dieser Stelle, dass in der Literaturrecherche keinerlei eingehende Auseinandersetzungen mit aufsuchenden Hilfen im Hilfefeld der Wohnungslosenhilfe vorzufinden waren. Bilden aufsuchende Hilfen doch eine lange Tradition innerhalb Sozialer Arbeit, so werden zwar in vielerlei Werken präventive Maßnahmen Sozialarbeitender in der Praxis des Hilfefeldes erwähnt, sowie bereits vorhandene Präventionsangebote evaluiert, mit Blick auf fachliche Standards oder klare Konzeptionen gestaltete sich die Recherche jedoch als schwierig. Wenn überhaupt etwas vorzufinden war dann meist in Form eines Artikels in einer Fachzeitschrift.
Auffallend war allerdings auch, dass obwohl präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit kein neues Phänomen sind und diese eben gerade den Verlust von Wohnraum als Ziel innehaben, sich die Auseinandersetzungen jedoch häufig auf bereits eingetretene Wohnungslosigkeit, zum Beispiel von Form von „Streetwork“, beziehen. Diesbezüglich werden in der vorliegenden Arbeit hauptsächlich Aspekte von Auseinandersetzungen aus anderen Hilfefeldern, wie etwa der Familienhilfe Verwendung finden.
Das persönliche Interesse des Autors bezüglich dieser Thematik fußt in den Erfahrungen, die während eines Praktikums in einer Einrichtung gemacht wurden, in der sich eben genau dieser Methodik bedient wurde. Nach praktischen Erfahrungen mit aufsuchender Beratung ist es nun spannend zu schauen, inwiefern sich diese auch fachlich begründen und analysieren lässt. Auch der Blick auf die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Methodik ist von großer Bedeutung. Ziel der Arbeit ist nun die Beantwortung der Frage, inwiefern Beratung in aufsuchender Form im Hilfefeld der Wohnungssicherung ein praktikables Mittel erweist und ob das Ziel, der (nachhaltige) Erhalt des Wohnraums, damit leichter erreicht werden kann.
Hierzu wird im ersten Teil zunächst ein Überblick über die grundlegenden Begriffe der vorliegenden Arbeit gegeben.
Im zweiten Teil sollen diese nun auf das Hilfefeld der Wohnungslosenhilfe nach §§67- 69 SGB XII angewandt und analysiert werden. Diesbezüglich wird zunächst die Begrifflichkeit der Prävention in das Hilfefeld eingeführt. Danach soll geschaut werden wie sich diese praktisch gestaltet. Abschließend werden dann die Möglichkeiten und Grenzen von Beratung im präventiv aufsuchenden Setting eruiert.
Im dritten Schritt soll dann die Konzeption, der bereits erwähnten Einrichtung, benannt und mit Blick auf die Ergebnisse der vorherigen Teilschritte analysiert werden.
Die Arbeit schließt mit dem vierten Teil in Form eines Fazits, sowie Ausblicks.
Um zu einem einheitlichen Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit dem Thema der vorliegenden Arbeit zu gelangen, wird im Folgenden eine allgemeine Übersicht über die grundlegenden Begriffe gegeben.
Wenn es um die Prävention von Wohnungslosigkeit gehen soll, so ist es sinnvoll zunächst die Begrifflichkeiten der Wohnungslosigkeit zu definieren.
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden zwei Begriffe, welche sich der Problematik des individuell nicht vorhandenen Wohnraums annehmen, verwandt: die Begriffe der „Obdachlosigkeit“ und „Wohnungslosigkeit“. Da sich diese beiden Begriffe in der historischen Entwicklung, sowie in den rechtlichen Sachverhalten, als auch in den individuellen Auswirkungen auf die Lebenssituationen von Menschen unterscheiden ist es von Bedeutung sie differenziert zu betrachten.
Die FEANTSA (European Federation of National Organisations working with the Homeless) entwickelte im Jahre 2005, auf Hinweis der Europäischen Kommission, , erstmalig eine europäische Definition der Begrifflichkeiten - die „European Thypology of Homelessness and housing exclusion“(ETHOS).1 Diese unterscheidet die Problematik wohnungsloser Menschen, je nach ihrer Lebenssituation, in vier folgenden Kategorien: „Obdachlosigkeit“ (rooflessness), „Wohnungslosigkeit“ (houseless), „ungesichertes Wohnen (insecure living) sowie „ungenügendes Wohnen“ (inadequate living).2 Die Kategorisierungen werden im Folgenden nun eingehend differenziert.
- „Obdachlosigkeit“
„Als obdachlos gelten Menschen, die auf der Straße leben, an öffentlichen Plätzen wohnen, ohne eine Unterkunft, die sich in Verschlägen, Parks oder unter Brücken etc. aufhalten. Obdachlos sind aber auch Menschen in Notunterkünften, die keinen festen Wohnsitz haben und in Wärmestuben, Notschlafstellen oder anderen niederschwelligen Einrichtungen übernachten.“3
- „Wohnungslosigkeit“
„Als wohnungslos gelten Menschen, die in Einrichtungen wohnen, in denen die Aufenthaltsdauer begrenzt ist und in denen keine Dauerwohnplätze zur Verfügung stehen, wie z.B. Übergangswohnheime, Asyle und Herbergen, aber auch Übergangswohnungen.“4
- „ungesichertes Wohnen“
„Menschen, die temporäre Unterkunft bei Freunden, Bekannten oder Verwandten finden ohne einen Hauptwohnsitz zu haben oder ohne Rechtstitel (also ein vertragliches Mietverhältnis), und die vom guten Willen anderer Menschen abhängig sind, sowie solche, die durch illegale Land- oder Hausbesetzung zu Wohnraum kommen, leben in ungesicherten Wohnverhältnissen.“5
- „ungenügendes Wohnen“
„Als ungenügendes Wohnen wird betrachtet, wenn Menschen in Behausungen leben, die für konventionelles Wohnen nicht gedacht sind, die notdürftig zusammengebaut oder wie Wohnwägen und Zelte nur als vorübergehend bewohnbar konzipiert sind. Zu solchen Wohnprovisorien zählen auch Garagen, Keller, Dachböden, Abbruchhäuser etc.“6
Wie Busch- Geertsema ausführt, dienen diese Kategorisierungen den Ländern der Europäischen Union als grundlegender Referenzrahmen für individuell angepasste und den sozialen Gegebenheiten des jeweiligen Landes entsprechende Definitionen: „ETHOS is widely accepted and frequently quoted in almost all Europaen countries. […] almost everywhere national definitions are set in relation to ETHOS.”7
So hat etwa der Fachverband der Wohnungslosenhilfe in Deutschland, die „Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V.“, auf Grundlage der ETHOS Typologie eine eigene Definition der Begrifflichkeit entwickelt, diese jedoch allgemeiner verfasst: Jeder Mensch, der „[…] nicht über einen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügt“8
Deutlich wird bei dieser Definition, sowie bei der ETHOS, dass es vornehmlich um die Thematik der Wohnung geht, sie wird somit zum zentralen Aspekt der Kategorisierung. Komplexe Entstehungszusammenhänge und damit erste Erklärungsversuche, wie etwa psychische oder soziale Faktoren, werden nicht berücksichtigt.
Anders ist es dagegen bei Betrachtung der §67- 69 des SGB XII. Hier werden eben genau diese Faktoren impliziert. So heißt es in §67 SGB XII:
„Leistungsberechtigte Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, sind Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind. Soweit der Bedarf durch Leistungen nach anderen Vorschriften dieses Buches oder des Achten Buches gedeckt wird, gehen diese der Leistung nach Satz 1 vor.“9
Als besondere Lebensverhältnisse sind hierbei unter anderem fehlender Wohnraum, bzw. Wohnungs- oder Obdachlosigkeit zu verstehen.
Ausgehend von den zu Beginn geschilderten Definitionen sollen nun für die vorliegende Arbeit die Begrifflichkeiten und Definitionen nach ETHOS verwendet werden, da diese, klare Definitionen des sozialen Problems darstellen ohne weitere thematische Inhalte bereits im Voraus zu implizieren. Der Einfachheit halber, soll sich hierbei allerdings auf die Begrifflichkeiten der Wohnungslosigkeit, sowie der Obdachlosigkeit beschränkt werden.
Der Begriff Prävention, welcher seinen Ursprung in dem lateinischen Wort praevenire besitzt und mit dem Wort „zuvorkommen“ übersetzt werden kann, ist im Kontext der Sozialen Arbeit „[…] kein neues Thema“10. Im Allgemeinen besteht Konsens darüber, dass sich der Definition von Prävention mit „vorbeugendem Eingreifen“, welche das Ziel der Verhinderung von möglichen Gefahren und Schädigungen verfolgt, genähert werden kann.11 Lindenberg und Ziegler definieren es als „dem Eintritt eines antizipierten, unerwünschten Phänomens zu vor […] kommen.“12 Prävention ist im allgemeinen Sprachgebrauch durch Intervention, als „nachgehenden Eingriff“ - eine Reaktion auf bereits vorhandenen Schaden - abzugrenzen.13 Diese vermeintlich eindeutige Abgrenzung lässt allerdings einige Fragen aufkommen.
„Wo soll wann interveniert werden? Was sind die Interventionsbasen oder Bedingungsfaktoren für die präventiven Eingriffe? Soll den Manifestationen im Subjektbereich oder den Auswirkungen von Objektbereichen zuvorgekommen werden?“14
Michael Galuske formuliert in diesem Zusammenhang zunächst einige Voraussetzungen präventiven Handelns in der Sozialen Arbeit.
Zum einen muss eine klare Vorstellung von „gefährlichem“ Verhalten auf der Einen und „normalem“ Verhalten auf der anderen Seite bestehen. „Hinter jeder Präventionsabsicht der Abwendung von Schaden steht eine normative Vorstellung von richtigem und falschem Verhalten.“15
Eine weitere Voraussetzung ist die „Prognosefähigkeit“.16 Die Fähigkeit zu Prognostizierungen fordert von Sozialarbeiter*Innen ein hohes Maß an Wissen, welches gleichbedeutend mit der Vorstellungskraft bezüglich möglicher Konsequenzen auf gewisse aktuelle Lebensumstände und Lebensereignisse der Klient*in, die Basis bilden.
Die dritte und letzte Voraussetzung nach Galuske, ist die Unabdingbarkeit von „erprobten und wirksame[n] Instrumenten“, welche der Vermeidung von Gefahren dienen.17
Ausgehend von diesen Grundlagen ist es nun möglich, die verschiedenen Dimensionen und Formen von Prävention zu beleuchten.
Eine erste Differenzierung ist mit Betrachtung der Zielorientierung präventiver Handlungsstrategien vorzunehmen. Herriger unterscheidet hierbei in zwei Kategorien: den „personenbezogenen“, sowie den „strukturbezogenen“ Präventionsangeboten.18 Eine ähnliche Einteilung liegt auch Galuske zu Grunde. Er unterscheidet hierbei zwischen den Begriffen der „Verhaltenspräventionen“, welche das Ziel der Verhaltensveränderung von normabweichenden Verhaltensweisen verfolgen, sowie der „Verhältnispräventionen“, der Veränderung von Lebensumständen, die zu einer eventuellen Gefahr für die Betroffenen werden könnten.19
Eine weitere Form der Kategorisierung von Präventionsansätzen, welche sich eher auf den Zeitpunkt der einsetzenden Maßnahmen bezieht, ist die Unterscheidung in primären, sekundären und tertiären Maßnahmen.20
Unter primärer Prävention werden alle Maßnahmen zur Reduktion des Vorkommens eines spezifizierbaren Problems verstanden.21 Das Ziel dieser ist somit eine „vernünftige“ Verhaltensregulation im Vorfeld von Schadensfällen.22 In Kontext Sozialer Arbeit kann dies vor allem durch Aufklärung, Anleitung und Beratung geschehen.
Mit sekundärer Prävention sind dagegen all die Maßnahmen gemeint, die bei bereits erkennbaren Gefährdungen, Risiken und abweichenden Verhaltensweisen einsetzen. Sie sind durch Angebote zur Früherkennung und frühzeitigen Beratung gekennzeichnet.23 Sekundäre Prävention richtet sich an konkrete Risikogruppen bzw. Personen, die bereits auffallendes Verhalten gezeigt haben. Es „soll die Verfestigung abweichenden Verhaltens verhinder[t] [werden].“24
Maßnahmen zur Nacherziehung, Besserung und Resozialisierung, welche der Vermeidung von zukünftigen Normverstößen dienen sollen, werden unter dem Begriff der tertiären Prävention zusammengefasst.25 Hierbei handelt es sich somit um die Verhütung der Verschlimmerung eines Verhaltens.
Betrachtet man nun sämtliche vorausgehende Einteilungsversuche des Präventionsbegriffs, so wird deutlich, dass Prävention in einer klaren Abhängigkeit von allgemein gesellschaftlich anerkannten Werten und Normen steht. Sie besitzt somit die Funktion der Vermeidung von normabweichendem Verhalten. Herriger definiert diesbezüglich den Präventionsbegriff wie folgt:
„Der gemeinsame Bezugspunkt des P.-Begriffs ist der Rückgriff auf ein verbindliches Inventar an Normalitätsstandards, das die normativen Grenzlinien zwischen normalen und akzeptablen Verhaltensweisen auf der einen und abweichenden und damit unerwünschten Verhaltensweisen auf der anderen Seite markiert. Auf der Grundlage dieser normativen Grenzziehung bezeichnet der Begriff der Prävention dann die Summe jener Maßnahmen, die die Übereinstimmung der Gesellschaftsmitglieder mit diesen Normalitätsstandards sichern und so Störungen der gesellschaftlichen Ordnung im Vorgriff ausschließen.“26
Mit Blick auf die Theorien der Sozialen Arbeit lässt sich an dieser Definition allerdings Kritik üben.
Erster Kritikpunkt ist das negative Welt- und Menschenbild was der Definition zu Grunde liegt. Prävention wird als Verhinderung von normabweichendem und unerwünschtem Verhalten betrachtet - sie ist somit eher defizitorientiert. Eine Orientierung nach den Ressourcen eines jeden Menschen lässt sich nicht erkennen. Es kann hier somit der Vorwurf der „Verhinderung“ an Stelle von „Ermöglichung“ gemacht werden.27
Des Weiteren findet auch die Theorie der Lebens- und Alltagsorientierten Sozialen Arbeit28, welche die Individualität des Menschen in den Fokus rückt, keinerlei Bedeutung. Die Bedürfnisse des Individuums werden exkludiert und stehen hinter den, nicht hinterfragten und gesamtgesellschaftlich anerkannten, Normen- und Wertvorstellungen.
„Der gesellschaftlich anerkannte Normenkontext, in den hinein vorbeugend integriert werden soll, bleibt unhinterfragt und gilt insofern als nicht zu problematisierende Zielkategorie präventiver Strategien.“29
Ausgehend von dieser Kritik lässt sich nun sagen, dass zur Grundlage der vorliegenden Arbeit eine eigene Definition mit Blick auf von Galuske formulierte Einteilung von „Verhaltensprävention“ und „Verhältnisprävention“ geschaffen wird. Der Autor der vorliegenden Arbeit ist der Auffassung, dass Prävention sich in erster Linie auf die Verbesserung der Lebensumstände, sowie einer Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten des Individuums beziehen sollte. Er stellt somit die Kontrollfunktion Sozialer Arbeit bezüglich der Wahrung gesellschaftlicher Normen und Werte in den Hintergrund und betont den Auftrag der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit. Prävention existiert jedoch nicht ohne die Bedingung der Berücksichtigung von Ressourcenorientierung, sowie der lebensweltlichen Gegebenheiten, verbunden mit dem Fokus auf die Individualität der Bedürfnisse eines jeden Menschen.
Ein erster, sehr ungenauer Definitionsansatz wurde von Thiersch, Frommann und Schramm unternommen. Sie bezeichnen Beratung als ein Handeln „, das[s] auf die Änderung eines - wie auch immer verursachten - Zustandes der Hilfsbedürftigkeit, auf eine Krise gerichtet ist. Dieser Zustand soll mit dem Ziel geändert werden, die Hilfebedürftigkeit zu beseitigen oder wenigstens zu reduzieren.“30
Betrachtet man die Begrifflichkeit des Wortes Beratung - was so viel meint wie „einen Rat geben“ oder „jemanden beraten“- so wird deutlich, dass Beratung ein „integrierendes Moment [jeglicher] Kommunikation“31 ist. Beratung steht somit mitten im alltäglichen Kontext eines jeden Menschen. Ob in der Familie, mit Freunden oder im Beruf, durch Kommunikation werden Informationen ausgetauscht sowie Sichtweisen und Wertungen der Kommunikationspartner*innen deutlich. Dies kann bestimmend für die Entscheidungsfindung in gewissen Situationen sein. In Unterhaltungen innerhalb der Alltagswelt gibt es unzählige Beratungsmomente, welche in „[…] sehr unterschiedlichen Formen von Sorgfalt, Verbindlichkeit, Intensität und Absicht“32 auftreten können.
In Anbetracht dieses Ausgangspunktes stellt sich nun die Frage was eine professionelle Beratung im Kontext der Sozialen Arbeit von einer alltäglichen Beratung unterscheidet.
Als erstes Unterscheidungsmoment werden nach Nestmann, Engel und Sickendiek die Kompetenzen der beratenden Person gesehen. Sie muss nicht nur Fachwissen - wie zum Beispiel rechtliche Grundlagen - besitzen, sondern sollte auch noch über weitere Kommunikations - und Beratungskompetenzen verfügen.33 Dazu gehören diverse Beratungsmethoden, sowie Kommunikationsmodelle.
Dies kann in klarer Abgrenzung zu einer nicht - professionellen Beratung, zum Beispiel durch ein Familienmitglied, gesehen werden. Hier liegt der Fokus der ratsuchenden Person zunächst auf der Anerkennung der Misslage durch die rat gebende Person. Des Weiteren ist im alltäglichen Setting keine klare Rollenverteilung gegeben. Die rat gebende Person kann im Verlauf des Gesprächs zur ratsuchenden Person werden.
Ein weiteres Kriterium zur Unterscheidung ist bei Betrachtung der Beziehung zwischen der beratenden Person und der ratsuchenden Person zu erkennen. Während bei einer nicht - professionellen Beratung eine persönliche Nähe zwischen den beiden Personen besteht, so ist in der professionellen Beratung die Beseitigung der Misslage, sowie die Krisensituation der ratsuchenden Person oftmals der einzige Berührungspunkt beider Akteur*innen. Die beratende Person greift in die Krise der betroffenen Person ein und verfolgt somit ein klares Ziel. Es besteht eine professionelle Distanz. Deutlicher wird dies noch durch Blick auf die Erwartungen der ratsuchenden Person in Bezug auf die Kompetenzen der Rat gebenden Person. In der alltäglichen Beratung hat sich die beratende Person durch praktische Bewährung am Beratungsgegenstand in den individuellen Lebensvollzügen als kompetent erwiesen. In der professionellen Beratung wird die Kompetenz dahingegen über fachlich - wissenschaftliche Qualifizierung gemessen.34
Desweiteren dient auch Zeitpunkt beider Beratungsformen zur Unterscheidung.
[...]
1 Vgl. Paegelow 2009, S. 12
2 Ebd.
3 http://www.bawo.at/de/content/wohnungslosigkeit/definitionen.html; Stand: 19.07.16
4 Ebd.
5 Ebd.
6 Ebd.
7 Busch- Geertsema 2010, S. 21
8 http://www.bagw.de/index2.html; Stand: 19.07.16
9 §67 SGB XII
10 Böllert 1995, S. 105
11 Vgl. Böllert 2005, S. 1964
12 Lindenberg/Ziegler 2005, S. 611
13 Vgl. Huber/ Schlottke 1986, S. 669
14 Hellerich 1988, S. 94
15 Galuske 2013, S. 317 - 318
16 Vgl. Galuske 2013, S. 318
17 Vgl. Galuske 2013, S. 318
18 Vgl. Herriger 1996, S. 371f.
19 Vgl. Galuske 2013, S. 319
20 Vgl. Caplan 1964, S.26 - 113
21 Vgl. Goetze 2001, S. 86
22 Vgl. Galuske 2013, S. 321
23 Vgl. Sting / Blum 2003, S. 38
24 Böllert 2005, S. 1394
25 Vgl. Böllert 1995, S. 108
26 Herriger 1996, S. 371
27 Vgl. Galuske 2013, S. 326
28 Nach Thiersch bezieht sich alltags -und lebensweltorientierte Soziale rbeit „[͙ auf die Bewältigungs - und Verarbeitungsformen von Problemen in der Lebenswelt der AdressatInnen gewissermaßen auf die Spielregeln, in denen die Vorgaben, Themen und Strukturen bearbeitet werden, die sich aus der gesellschaftlichen Situation, den biographisch geprägten Lebenserfahrungen und den normativen nsprüchen ergeben.“ (Thiersch 1993, S.12)
29 Böllert 1995, S. 109
30 Thiersch / Frommann / Schramm 1977, S.101
31 Ebd., S.95
32 Ebd.
33 Vgl. Nestmann / Engel / Sickendiek 2007, S. 35
34 Vgl. Thiersch / Frommann / Schramm 1977, S. 102