Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Masterarbeit, 2016
67 Seiten, Note: 2,3
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Fragestellung
1.3 Struktur und wissenschaftlicher Ansatz
2 Theoretische Grundlagen und aktueller Stand des Projektmanagements
2.1 Definition und Strukturierung von Projekten
2.2 Verschiedene Sichtweisen auf Projekte
2.3 Definition und Elemente des Projektmanagements
2.4 Klassisches Projektmanagement
2.5 Agiles Projektmanagement
2.6 Herausforderungen und Anforderungen im Projektmanagement
3 Darstellung der Achtsamkeit in der heutigen Zeit
3.1 Theoretische Grundlagen und Bedeutung von Achtsamkeit
3.2 Neurowissenschaftliche Erkenntnisse
3.3 Schulung und Etablierung von Achtsamkeit
3.4 Nutzen von Achtsamkeit
3.5 Achtsamkeit im beruflichen Kontext
4 Anwendung der Achtsamkeit im Projektmanagement
4.1 Das integrale Modell der Achtsamkeit im Projektmanagement
4.2 Achtsame Haltung
4.3 Achtsames Verhalten
4.4 Soziale Achtsamkeit
4.5 Organisationale Achtsamkeit
4.6 Zusammenfassung
5 Kritische Würdigung
5.1 Bewertung und Kritik
5.2 Ausblick
5.3 Fazit
6 Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Abbildung 2: Integrales Modell der Organisation (vgl. Deeg, et al., 2010 S. 138)
Abbildung 3: Funktionale Sichtweise des Projektmanagements (angepasst aus Dechange, et al., 2015 S. 230)
Abbildung 4: Prozessgruppen des Projektmanagements (Project Management Institute, 2013 S. 42)
Abbildung 5: Individuelle und organisationale Achtsamkeit im integra- len Modell (auf Basis von Deeg, et al., 2010 S. 138)
Abbildung 6: Das integrale Modell der Achtsamkeit (eigene Darstel- lung in Anlehnung an (Deeg, et al., 2010 S. 138))
Tabelle 1: Zusammenfassung der Herausforderungen und Anforderungen an das Projektmanagement (eigene Darstellung)
Tabelle 2: Verschiedene Definitionen und wesentliche Merkmale von Achtsamkeit (eigene Darstellung)
Tabelle 3: Abgleich der Anforderungen mit dem integralen Modell der Achtsamkeit (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Arbeiten in Projektform ist in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen und nimmt in Unternehmen einen immer größeren Stellenwert ein (vgl. Bea, et al., 2011 S. 4ff.; Larson, et al., 2011 S. 3ff.; Crawford, et al., 2006 S. 175). Demzufolge implementieren Unternehmen vermehrt ein professionelles Projektmanagement. Hierzu gehören u.a. standardisierte Prozesse, Methoden und Instrumente, einheitliche Vorlagen sowie gut ausgebildetes Personal (vgl. Project Management Institute, 2013). Der erhöhte Leistungsdruck in Unternehmen erfordert auch neue Ansätze in Projekten, die den Menschen weiter in den Vordergrund rücken lassen bzw. an diesem ausgerichtet sind. Hier sind insbesondere agile und integrale Ansätze (vgl. Bea, et al., 2011 S. 429ff.; Dechange, et al., 2015 S. 236; Beck, et al., 2001), Ansätze zum lateralen Führen (vgl. Becker, 2015 S. 7; Kühl, et al., 2009), Entwicklungsmodelle für Projektmanager (vgl. Project Management Institute, 2012; Gareis, 2005 S. 602f.; Larson, et al., 2011 S. 602ff.) sowie Ansätze zum Gesundheits- und Stressmanagement (vgl. Reichart, et al., 2014) zu nennen. Auf der anderen Seite ist die Quote der nicht erfolgreichen Projekte immer noch sehr hoch (vgl. Hanisch, 2013 S. 20ff.).
Die Achtsamkeitslehre und -forschung ist in der westlichen Welt in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen (vgl. Brown, et al., 2015 S. 2; Williams, et al., 2013). Diese Entwicklung wird z.B. durch die gestiegene Anzahl wissenschaftlicher Literatur zum Thema Achtsamkeit deutlich (vgl. Brown, et al., 2015 S. 2). Die Anzahl der vom National Institute of Health geförderten achtsamkeitsbasierten Studien hat sich allein von 2003 bis 2008 versechsfacht (vgl. Shapiro, et al., 2011 S. 82). Ebenfalls in den letzten Jahren findet das Thema Achtsamkeit im beruflichen Kontext eine größere Bedeutung (vgl. Andrews, et al., 2014 S. 495ff.; Tan, 2012; Reb, et al., 2015). Achtsamkeit im Betriebskontext kann sowohl auf der individuellen als auch auf der organisationalen Ebene stattfinden (Becke, 2011 S. 37ff.). Die individuelle Achtsamkeit in der Berufswelt ist dabei häufig mit dem Begriff der Personalführung verknüpft (vgl. Sauer, et al., 2011; Basler, et al., 2014).
Achtsamkeit im Projektmanagement ist bisher noch unerforscht. So liefert die Abfrage von wissenschaftlichen Datenbanken (Technische Universität Dortmund und Fachhochschule Dortmund) sowie von Google Scholar keine relevanten Ergebnisse bei der Suche der Begriffskombination „Achtsamkeit und Projektmanagement“ bzw. „mindfulness and project management“.
Diese Arbeit stellt die Bedeutung von Achtsamkeit im Projektmanagement dar und bewertet diese kritisch vor dem Hintergrund der Integration, der Anwendung und des Nutzens.
Ziel der Arbeit ist es, das Thema Achtsamkeit im Hinblick auf ihre Bedeutung, insbesondere die Anwendung, die Integration und den Nutzen im Projektmanagement zu untersuchen und achtsamkeitsbasierte Elemente, wie Verhaltensweisen, Instrumente oder Methoden zu identifizieren, zu strukturieren und zu bewerten.
Die Arbeit untersucht nur Elemente des Einzelprojektmanagements und grenzt sich von Elementen des Multiprojektmanagements, wie Programmen, Projektportfolios, Projektmanagement Offices (PMO) ab. Darüber hinaus ist die Untersuchung auf die Projektorganisation beschränkt, welche aus dem Projektleiter und seinem Kernteam (Teilprojektleiter oder Arbeitspaketverantwortliche), den Projektmitarbeitern sowie dem Projektauftraggeber(team) besteht (vgl. Gareis, 2005 S. 97ff.).
Dabei sollen in diesem Rahmen folgende Fragen beantwortet werden:
- Welche Herausforderungen und Anforderungen stellt heutzutage das Projektmanagement an das Individuum und die Organisation?
- Wo und wie kann Achtsamkeit das Projektmanagement unterstützen?
- Welche achtsamkeitsbasierten Interventionen können im Rahmen des Projektmanagements angewandt werden?
- Welcher Nutzen ergibt sich im Projekt durch die Integration von Achtsamkeit?
Um das Ziel dieser Arbeit zu erreichen, werden im Anschluss an die Einleitung im zweiten Kapitel relevante Grundlagen und Elemente des Projektmanagements beschrieben. Dabei sollen die o.g. Ansätze und Entwicklungen (Projekt als soziales System, agiles Projektmanagement, Stressmanagement in Projekten, laterale Führung etc.) im Hinblick auf Herausforderungen und Anforderungen untersucht werden.
Die Achtsamkeit wird im dritten Kapitel allgemein und insbesondere im Kontext der Führung in Betrieben auf individueller und organisationaler Ebene dargestellt.
Im vierten Kapitel wird die Achtsamkeit vor dem Hintergrund der Anwendbarkeit im Projektmanagement anhand des integralen Models strukturiert, diskutiert und bewertet. Dabei werden auf Basis der ermittelten Anforderungen an das Projektmanagement und dem Nutzen der Achtsamkeit Lösungsansätze identifiziert und strukturiert.
Die Arbeit schließt mit der kritischen Würdigung und einem Ausblick.
Die folgende Abbildung verdeutlicht zusammenfassend den logischen Aufbau sowie die Kapitelstruktur der Arbeit mit den entsprechenden Themen innerhalb der Kapitel.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Die Recherche erfolgt literaturgestützt auf Basis aktueller Forschungsergebnisse in deutsch- und englischsprachiger Literatur. Die Herleitung von Anforderungen und Lösungsansätzen basiert auf einer qualitativen Analyse der vorliegenden und in der Arbeit genannten Quellen.
Zur besseren Lesbarkeit wird durchgängig die männliche Form gewählt.
Darüber hinaus wird in dieser Arbeit der übergreifende Begriff „Betrieb“ verwendet, der sowohl die privatwirtschaftliche als auch die öffentliche Sicht beinhaltet (vgl. Wöhe, 2010 S. 29).
Sowohl vermehrte Expansionen als auch Konsolidierungen von Betrieben, die zunehmende Vernetzung von Betrieben, die Globalisierung sowie die steigende Anzahl von IT-Systemen erfordern von Betrieben immer mehr abteilungs- und funktionsübergreifende Arbeitsweisen in Projektform (vgl. Gassmann, 2006 S. 6; Sedlmayer, 2010 S. 3ff.). Vor diesem Hintergrund steigt die Anzahl von Projekten sowie die Bedeutung und die Inanspruchnahme eines professionellen Projektmanagements (vgl. Sedlmayer, 2010 S. 3ff.; Thomas, et al., 2008 S. 304ff.). Nach einer im Jahre 2012 durchgeführten Umfrage des Hamburger Trendbüros unter ca. 600 Unternehmen ersetzen mehr als 2/3 der Unternehmen Routinetätigkeiten durch übergreifenden Projektarbeit (vgl. Hanisch, 2013 S. 15).
Auf der anderen Seite ist immer noch die Mehrzahl der Projekte hinsichtlich ihrer Ziele bzgl. Umfang, Qualität, Zeit und Kosten nicht erfolgreich (vgl. Hanisch, 2013 S. 20). Die Universität Oxford und das Beratungsunternehmen McKinsey untersuchten über zwei Jahre 1.500 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 170 Mio. US-Dollar. Dabei zeigte sich, dass mehr als 75 % der untersuchten Projekte den Kostenplan um durchschnittlich 27 % und den Zeitplan um durchschnittlich 55 % überstiegen. Jedes sechste Projekt hatte sogar den Kostenplan um 200 % massiv überschritten und den Zeitplan um 70 %. Darüber hinaus wurden auch branchenspezifische Unterschiede belegt. So überschritten IT Projekte zwei- bis dreimal häufiger die Planvorgaben als Bauprojekte (vgl. Budzier, et al., 2011). Diese Zahlen werden auch von der Standish Group untermauert. In ihrer sog. Chaos Studie wurden weltweit bisher 40.000 IT Projekte seit 1994 untersucht, von denen 84 % als nicht erfolgreich hinsichtlich des Umfangs, der Kosten und / oder der Zeit bewertet wurden (vgl. Group, 2014 S. 3).
Die Bedeutung und das Scheitern von Projekten sind ein Aufhänger dieser Arbeit und werden in diesem Kapitel weiter beleuchtet. Hierzu wird nach einer Erklärung des Projektbegriffs und der verschiedenen Sichtweisen von Projekten das Projektmanagement mit seinen Ansätzen dargestellt. Die Sichtweisen und Ansätze dienen im weiteren Verlauf der Arbeit als Basis für weitere Ausarbeitungen. Die Gründe für die erfolglosen Projekte mit den zugrundeliegenden Herausforderungen und den daraus abgeleiteten Anforderungen werden in den folgenden Unterkapiteln herausgearbeitet. Sie stellen die Ausgangsbasis für die Bedeutung von Achtsamkeit im Projektmanagement dar.
Vor dem o.g. Hintergrund der steigenden Anzahl von Projekten und der damit verbundenen erhöhten Bedeutung des Projektmanagements haben sich verschiedene Standards zum Projektmanagement etabliert. Hierzu gehören der Project Management Body of Knowledge (PMBOK) des Project Management Institutes (PMI), Projects IN Controlled Environments (PRINCE2) vom britischen Office of Government Commerce (OGC), die Individual Competence Baseline (ICB) der International Project Management Association (IPMA) sowie die ISO 21.500 (vgl. Bea, et al., 2011 S. 402ff.).
Das Project Management Institute (PMI) definiert ein Projekt als „temporary endeavor undertaken to create a unique product, service or result“ (Project Management Institute, 2013 S. 3). Die International Project Management Association (IPMA) definiert ein Projekt in ähnlicher Weise: „A project is unique, temporary, multidisciplinar, and organised endevour to realize agreed deliverables within predefined requirements and constraints” (Association, 2015 S. 27).
Das OGC stellt die temporäre Organisation in den Vordergrund ihrer Definition. „A project is a temporary organisation that is created for the purpose of delivering one or more business products according to an agreed Business Case“ (Commerce, 2009 S. 3).
Die in 2012 erstmals erschienene ISO 21.500 knüpft an die Definition des PMI an und sieht das einmalige Ergebnis (Produkt oder Service), den Start und Endtermin als wesentliche Kriterien eines Projektes an (vgl. ISO, 2012 S. 3).
Allen Definitionen sind die zeitliche Befristung eines Projektes und die Einmaligkeit gemeinsam. Hieraus ergeben sich weitere wesentliche Projektmerkmale wie Zielvorgabe, Budget, Beanspruchung von unterschiedlichen Ressourcen (Personen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe etc.), Organisationseinheit übergreifende Ausrichtung und erhöhte Komplexität gegenüber Linientätigkeiten (vgl. Kerzner, 2008 S. 22; Project Management Institute, 2013 S. 3; Borgert, 2012 S. 9ff.).
Für diese Arbeit wird aufgrund des hohen Verbreitungsgrades und der umfassendsten Darstellung die o.g. Definition der ICB zugrunde gelegt. Damit beziehen sich alle weiteren Merkmale und Erklärungen auf diese Definition.
Projekte können in verschiedene Arten eingeteilt werden. Die Einteilung nach Projektarten erfolgt dabei häufig auf Basis der Projektgröße (z.B. kleine, mittlere, große Projekte), der Branche (z.B. Projekte im Anlagenbau, Handel, Technologie, Automobilbranche), der Unternehmensfunktion (z.B. Marketing-, Organisations-, HR-, IT- oder Entwicklungsprojekte) sowie des Kunden (interne vs. externe Projekte) (vgl. Turner, et al., 2010 S. 245ff.; Bea, et al., 2011; Schelle, et al., 2008 S. 35; Gareis, 2005 S. 83f.). In Abhängigkeit der Projektart können unterschiedliche Projektmanagementansätze, Methoden, Instrumente und / oder Vorlagen angewandt werden, die eine effizientere Bearbeitung zur Folge haben (vgl. Gareis, 2005 S. 83ff.; Schelle, et al., 2008 S. 35; Dechange, et al., 2013 S. 106). Darüber hinaus korreliert die Projektart ebenfalls mit unterschiedlichen Kompetenzprofilen von Projektleitern (vgl. Müller, et al., 2009 S. 446).
Die Sicht auf Projekte ist häufig unterschiedlich. Man kann ein Projekt z.B. aus der Erfolgsperspektive, der organisationalen, der menschlichen, der systemischen, der prozessualen Perspektive etc. betrachten (vgl. Turner, et al., 2010; Kolltveit, et al., 2005). Je nach Sichtweise wird ein Projekt damit auch unterschiedlich strukturiert, geplant und gesteuert. Zu den häufigsten Sichtweisen gehört das Projekt als soziales System und als temporäre Organisation (vgl. Turner, et al., 2010 S. 105 - 145 und148 - 176 ; Gareis, 2005; Borgert, 2012 S. 3ff.; Streich, et al., 2012 S. 62ff.).
Die Sichtweise der temporären Organisation ist ebenfalls in dieser der Arbeit zugrunde liegenden Definition verankert (s. Kap. 2.1). Eine Organisation wird in dieser Arbeit sowohl im institutionellem Sinne, d.h. als Personenzusammenschluss, als auch im instrumentellen Sinne als Gefüge von Regelungen verstanden (vgl. Deeg, et al., 2010 S. 7). Die temporäre Organisation ist gegenüber der permanenten Organisation durch die zeitliche Befristung charakterisiert (vgl. Gareis, 2005 S. 59). Da die temporäre Organisation (Projekt) eine Art parallele Organisation gegenüber der permanenten Organisation (Linienorganisation) darstellt, ist sie mit eigenen Kommunikations- und Organisationsstrukturen sowie entsprechenden eigenen Rollen und damit mit verkürzten und vereinfachten Kommunikations- und Eskalationswegen ausgestattet. Dieser Aufbau führt zu einem effizienteren Ablauf von Projekten (vgl. Turner, et al., 2010 S. 109).
Das Projekt als soziales System ist insbesondere bei der steigenden Komplexität und Unsicherheit eine wichtige Sichtweise und dient u.a. zur erfolgreichen Führung von Projektteams durch entsprechende Interventionstechniken (vgl. Turner, et al., 2010 S. 148 ff.; Gareis, 2005 S. 60ff.; Borgert, 2012 S. 3ff.; Streich, et al., 2012 S. 62f.; Thomas, et al., 2008 S. 307f.). Es wird über die Elemente (Projektbeteiligte) sowie die Strukturen (Regeln, Prozesse, Kommunikationsstrukturen etc.) dargestellt und durch die Umwelt (der Betrieb, die Stakeholder, Vorgaben etc.) abgegrenzt (vgl. Gareis, 2005; Turner, et al., 2010 S. 237). Soziale Systeme sind aufgrund ihrer Merkmale immer komplex und somit nicht komplett beherrschbar (vgl. Turner, et al., 2010 S. 237; Borgert, 2012 S. 59ff; Gareis, 2005 S. 60ff.). Die Zunahme der Komplexität und Unsicherheit ist u.a. durch die erhöhte Anzahl von Einflussfaktoren der Projektumwelt (Stakeholder, Gesetzgebungen, Partner, Lieferanten, Wettbewerb, Richtlinien etc.) begründet (vgl. Thomas, et al., 2008; Bandschuh, 2003 S. 15ff.).
Eine weitere Sichtweise kann durch das integrale Model der Organisation erfolgen. Dieses Modell ist für Organisationen im Allgemeinen anwendbar (vgl. Deeg, et al., 2010 S. 109ff.). Da ein Projekt eine temporäre Organisation darstellt (s.o.), kann das integrale Modell der Organisation ebenfalls auf Projekte angewandt werden.
Das integrale Model spannt anhand der zwei Achsen „Inneres vs. Äußeres“ und „Individuum vs. Kollektiv“ ein Vier-Quadranten Feld auf, das eine Organisation, d.h. in dieser Arbeit ein Projekt, mit den unterschiedlichen Bereichen beschreibt. Diese Bereiche sind zum einen die einzelnen Personen im Inneren (nicht sichtbarer Bereich, wie z.B. Werte, Einstellungen, Psyche) und im Äußeren (sichtbarer Bereich, wie z.B. Verhalten, Körperlichkeiten) und zum anderen das Kollektiv im Inneren (z.B. Kultur, Führung und Team) und im Äußeren (wie z.B. Prozesse, Strukturen, Ziele, Regeln, Anweisungen etc.). Dabei sind diese Bereiche alle miteinander verzahnt und beeinflussen sich gegenseitig. Damit stellt dieses Modell eine umfassende und integrale Betrachtung von Organisationen und damit von Projekten sicher (vgl. Deeg, et al., 2010 S. 167). Die Vier Quadranten haben im integralen Modell folgende Bezeichnungen:
1. Quadrant „Bewusstseinsbereich“, die sog. „Psyche“ oder kurz „Ich“ (Gedanken, Gefühle, Absichten, Werte, Visionen etc. des Individuums)
2. Quadrant „Verhaltensbereich“, der sog. „Agent“ oder kurz „Es“ (physischer Körper, Verhalten etc. des Individuums),
3. Quadrant „Kulturbereich“, die sog. „Gemeinschaft“ oder kurz „Wir“ (Beziehungen, Kultur, gemeinsame Bedeutungen etc.) sowie
4. Quadrant „Systembereich“, die sog. „Agentur“ oder kurz „Man“ (Ziele, Strategien, Strukturen, Systeme etc.) (vgl. Deeg, et al., 2010 S. 137ff.).
In der folgenden Abbildung ist das Modell schematisch dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Integrales Modell der Organisation (vgl. Deeg, et al., 2010 S. 138)
Im ersten Quadranten findet sich der Bewusstseinsbereich des Individuums wieder. Er ist der nicht sichtbare Bereich und umfasst u.a. Einstellungen, Werte und Sichtweisen eines Individuums. Der zweite Quadrant, der sich ebenfalls auf das Individuum bezieht, ist nach außen gerichtet und somit sichtbar. Das Verhalten und die Ausdrucksweise einer Person ist ein wesentliches Merkmal dieses Quadranten. Der dritte und vierte Quadrant umfassen das Kollektiv, d.h. die gesamte Projektorganisation. Der nicht sichtbare Bereich auf der kollektiven Ebene wird als „Gemeinschaft“ bezeichnet und enthält Elemente wie Kultur und Teamführung. Der vierte Quadrant heißt im Model „Agentur“ und umfasst die sichtbaren Elemente, wie Prozesse, Regeln und Ziele, die es ebenfalls in einem Projekt gibt und bereits oben in den anderen Modellen genannt wurden (vgl. Deeg, et al., 2010 S. 137ff.).
Projektmanagement ist die Anwendung von Wissen, Kompetenzen, Vorgehensweisen, Methoden und Instrumenten auf Projekte (vgl. Project Management Institute, 2013 S. 5; ISO, 2012 S. 4) oder bezogen auf die Definition des Managements ist es die Planung und Steuerung von Aktivitäten, um das Projektziel zu erreichen (vgl. Schelle, et al., 2008 S. 30).
Nach dem OGC ist Projektmanagement “the planning, delegating, monitoring and control of all aspects of the project, and the motivation of those involved, to achieve the project objective within the expected performance targets for time, cost, quality, scope, benefits and risks” (Commerce, 2009 S. 4).
Das Projektmanagement kann in sog. Funktionsgruppen eingeteilt werden. Diese stellen die einzelnen Elemente (Funktionen), die im Rahmen der Projektabwicklung gemanagt werden müssen, dar. Das PMI spricht hierbei von sog. Wissensgebieten (Knowledge Areas) (vgl. Project Management Institute, 2013 S. 60ff.), das IPMA von sog. Kompetenzgebieten (Competence Areas) (vgl. Association, 2006 S. 25ff.) und in der ISO 21.500 wird von Subjekt Areas gesprochen (vgl. ISO, 2012 S. 14ff.). Die einzelnen Funktionsgruppen umfassen die Zielsetzung des Projektes, den Projektumfang mit dem Projektergebnis und der Arbeit, die Qualität, die Zeit, die Kosten und Ressourcen, das Risiko und die Stakeholder sowie die Organisation und Kommunikation (vgl. Project Management Institute, 2013).
Die folgende Abbildung zeigt zusammenfassend die wesentlichen Funktionsgruppen des Projektmanagements.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Funktionale Sichtweise des Projektmanagements (angepasst aus Dechange, et al., 2015 S. 230)
Insbesondere das Element „Mensch/Organisation“ rückt immer weiter in den Mittelpunkt des Projektmanagements. In dieser Funktionsgruppe wird die Zusammenarbeit im Projekt und damit Aufbaustrukturen, Rollen inkl. Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen, sowie Kommunikationsstrukturen und Spielregeln im Team festgelegt (vgl. Gareis, 2005 S. 282ff.; Bea, et al., 2011 S. 82ff.; Dechange, et al., 2015 S. 231f.). In dieser Funktionsgruppe ist auch die Führung verankert.
Um Projektmanagement erfolgreich anzuwenden, wurden verschiedene Ansätze entwickelt. In den folgenden zwei Unterkapiteln werden die beiden wesentlichen Ansätze des klassischen sowie des agilen Projektmanagements dargestellt. Die Strukturierung nach Funktionen bzw. Wissensgebieten ist dabei für beide Projektmanagement Ansätze von Bedeutung, da in allen Ansätzen auf die einzelnen Funktionen Bezug genommen wird. Der Schwerpunkt ist je nach Ansatz ein anderer.
Der meist angewandte Ansatz ist das klassisches Projektmanagement nach dem Wasserfall Modell. Dieser Ansatz beschreibt eine phasenorientierte lineare Vorgehensweise bei der Projektabwicklung (vgl. Schelle, et al., 2008 S. 113ff.; Project Management Institute, 2013 S. 38ff.; Kerzner, 2008 S. 79ff.; Hesseler, 2007 S. 22f.; Bea, et al., 2011 S. 41ff.). Das klassische Projektmanagement teilt das Projektmanagement in verschiedene Phasen auf. Dabei folgen fast alle Standards und Quellen einer vier- bzw. fünfphasigen Struktur. An dieser Stelle wird die Phasenstruktur des PMBOK verwendet, das die Phasen „Initiierung“, „Planung“, „Durchführung“, „Monitoring und Controlling“ und „Abschluss“ verwendet. Es sei darauf hingewiesen, dass das PMBOK anstelle der gängigen Bezeichnung „Phase“ von „Prozessgruppen“ spricht, um hier die Möglichkeit von Überlappungen der u.g. Phasen zu verdeutlichen (vgl. Project Management Institute, 2013 S. 47f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Prozessgruppen des Projektmanagements (Project Management Institute, 2013 S. 42)
In der Prozessgruppe Initiierung wird eine Projektidee vorgestellt und auf grober Ebene geplant, um eine offizielle Genehmigung vom Management des Betriebs zu erhalten. In dieser Prozessgruppe wird der Pro-jektauftrag (Projekt Charter) erarbeitet (vgl. ISO, 2012 S. 18; Project Management Institute, 2013 S. 54f.). Die Prozessgruppe Planung umfasst die wesentlichen Planungselemente, wie Ziel, Ergebnis, Qualität, Zeit, Kosten, Risiko und Umfeld. Die Planung endet in der Regel mit der Genehmigung des sog. Projektplans, der die einzelnen Planungsergebnisse (Teilpläne) enthält (vgl. Project Management Institute, 2013 S. 55f.; ISO, 2012 S. 18). In der Prozessgruppe Durchführung findet aus Sicht des Projektmanagements im Wesentlichen die Führung der Mitarbeiter statt. Die Prozessgruppe Controlling enthält alle Projektmanagement Aktivitäten, Methoden und Instrumente, die zum Überwachen, Analysieren und Steuern des Projektes von Bedeutung sind. In dieser Prozessgruppe wird in der Regel der in der Planung entwickelte Projektplan auf Abweichungen überprüft und korrigierende Maßnahmen eingeleitet (vgl. Project Management Institute, 2013 S. 57; ISO, 2012). In der Abschluss-Prozessgruppe wird die finale Dokumentation erstellt, das Projekt offiziell geschlossen und vor allem die Reflexion des Projektes durchgeführt (vgl. Project Management Institute, 2013 S. 57; ISO, 2012).
Seit einiger Zeit entstehen neue Projektmanagementansätze, die spezifische Anforderungen an bestimmte Projektarten besser berücksichtigen, um somit die Erfolgsquote von Projekten zu erhöhen (vgl. Bea, et al., 2010 S. 429ff.; Svejvig, et al., 2015 S. 278). Der insbesondere in der Informationstechnik (IT) - und im Technologieumfeld verbreiteste Ansatz ist der Agile Projektmanagement-Ansatz.
Eine Zielsetzung des agilen Projektmanagements ist die schlanke und flexible Gestaltung des Projektes und dessen Management. Ein wesentliches Merkmal der Agilität (flink, beweglich) ist das adaptive Planen und die schnelle Abstimmung im Team (vgl. Bea, et al., 2011 S. 429ff.; Larson, et al., 2011 S. 582ff.; Schelle, et al., 2008 S. 124; Dechange, et al., 2015 S. 236f.).
Dieser Ansatz stützt sich auf das im Jahr 2001 entwickelte Manifest für agile Softwareentwicklung, das auf vier Werten basiert:
- „Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge
- Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation
- Zusammenarbeit mit dem Kunden mehr als Vertragsverhandlung
- Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans“ (Beck, et al., 2001).
Hierbei ist die Bedeutung des Menschen im Projekt ebenfalls zu erkennen (erster, dritter und vierter Punkt).
Ausgangspunkt für diesen Ansatz ist die Tatsache, dass viele Projekte, insbesondere im IT- und Technologieumfeld, hinsichtlich der Kosten, der Zeit und des Ergebnisses nicht planbar sind. Beim agilen Ansatz werden die Zeit und Kosten als fixe Parameter betrachtet und das Ergebnis als abhängige variable der beiden Größen entwickelt. Weitere wesentliche Merkmale, die das agile vom klassischen Projektmanagement unterscheiden sind, dass Änderungen bewusst in den Projektablauf eingebaut werden, nur grob skizzierte Ziele des Projektes am Anfang festgelegt werden (um eine Richtung vorzugeben) und mit einem stückweisen Voranschreiten und Anpassen des Lösungswegs im Projekt gearbeitet wird (Inkrement und Iteration). Des Weiteren hat das Individuum eine höhere Bedeutung und das Team muss sich selbst steuern (vgl. Bea, et al., 2011 S. 583ff.; Larson, et al., 2011 S. 582ff.; Pichler, 2008 S. 1).
Der hohe Anteil an nicht erfolgreichen Projekten hat verschiedene Gründe. Die häufigsten und wichtigsten Gründe sind unklare Ziele, Überforderung durch Komplexität und Unsicherheit, unzureichendes Personal (Quantität und Qualität), veraltete Führungsstile, schlechte Kommunikation, unangemessene Planung sowie Stress (vgl. Hanisch, 2013 S. 22ff.; Rietiker, et al., 2013; (GPM), et al., 2006; Kerzner, 2008 S. 61f.; Reichhart, et al., 2014 S. 28ff.). Die Ermittlung der Gründe ist auf Basis der Anzahl der Nennungen im Rahmen der angegebenen Quellen erfolgt. Dabei variieren die Gründe für verschiedene Projektarten (vgl. Rietiker, et al., 2013).
Bei vielen der angeführten Gründe ist der Mensch direkt oder indirekt Ursache als auch Leidtragender. Daher rückt beim Projektmanagement der Mensch immer mehr in den Blickpunkt von Betrieb und Wissenschaft. Im Folgenden werden aus den o.g. Herausforderungen (Gründe für das Scheitern) entsprechende Anforderungen an das Projektmanagement abgeleitet.
Ziele
Ziele sollten vollständig hinsichtlich des Inhalts, des Zeitbezugs, des Geltungsbereichs sowie des Ausmaßes beschrieben werden (vgl. Bea, et al., 2011 S. 117f.).
Komplexität und Unsicherheit
Projekte werden aufgrund der o.g. Rahmenbedingungen (Vernetzung, Globalisierung, IT-Systeme etc.) immer komplexer (vgl. Hesseler, 2007 S. 15f.; Sedlmayer, 2010 S. 4; Crawford, et al., 2006 S. 183; Schreyögg, 2008 S. 69f. u. 258). Dabei gilt als Komplexität die „Gesamtheit aller voneinander abhängigen Merkmale und Elemente, die in einem vielfältigen aber ganzheitlichen Beziehungsgefüge (System) stehen. Unter Komplexität wird die Vielfalt der Verhaltensmöglichkeiten der Elemente und die Veränderlichkeit der Wirkungsverläufe verstanden“ (Feess, 2016). Darüber hinaus ist jedes soziale System auch ein komplexes System. Aufgrund der Komplexität und Unsicherheit sind besondere Anforderungen an das Projektmanagement, die Führung und das Selbstmanagement in Projekten zu stellen, um diese erfolgreich abzuwickeln (vgl. Borgert, 2012; Thomas, et al., 2008 S. 307; Svejvig, et al., 2015 S. 283f.; Bandschuh, 2003 S. 13ff.).
Personal
Der quantitative und qualitative Engpass an Personal mündet in die Forderung nach mehr und besser ausgebildetem Personal.
Führung
Führung in Projekten ist eine wesentliche Herausforderung beim Projektmanagement und nimmt immer weiter an Bedeutung zu (vgl. Moussa, et al.; Kolltveit, et al., 2005 S. 6ff.). Zudem hat sie einen starken Einfluss auf den Projekterfolg (vgl. Yang, et al., 2011 S. 262f.). Aufgrund der Sichtweise eines Projektes als temporäre Organisation können hier ebenfalls moderne Ansätze, Stile und Kompetenzen der Führung aufgegriffen werden. Hierbei spielt die laterale Führung aufgrund der fehlenden Weisungsbefugnis (disziplinarische Verantwortung) des Projektleiters eine wichtige Rolle (vgl. Majer, et al., 2010 S. 81 ff.; Bea, et al., 2011 S. 57). Der Projektleiter ist zwar hinsichtlich Kosten, Zeit und Ergebnis für seine Projekte verantwortlich, aber meist mit weniger Befugnissen ausgestattet, wie ein Vorgesetzter in der permanenten Organisation. (vgl. Gareis, 2005; Bea, et al., 2011 S. 57f.). Dieser Umstand führt häufig zu Konflikten und Demotivationen bei der Projektleitung.
Im Rahmen der Führung spielt die kognitive Kompetenz bzw. Intelligenz (abgekürzt durch den sog. Intelligenzquotienten IQ) eine Rolle. Unter kognitiver Kompetenz wird die allgemeine Geschwindigkeit und Effektivität verstanden, mit denen Probleme verstanden und gelöst werden können (vgl. Roth, 2013 S. 27).
Im Rahmen der Entwicklung der Führungsansätze kommt der emotionalen Kompetenz (abgekürzt durch den sog. emotionalen Quotienten EQ) eine große Bedeutung zu (vgl. Dulewicz, et al., 2005; Urban, 2008). Die emotionale Kompetenz ist die Fähigkeit und Fertigkeit, seine eigenen und andere Gefühle wahrzunehmen, einzuschätzen und damit entsprechend umzugehen (vgl. Goleman, 1997 S. 56).
Darüber hinaus wird in den letzten Jahren von der sog. spirituellen Führungskompetenz (abgekürzt durch den sog. spirituellen Quotienten SQ) gesprochen, die mit dem Sinn der Arbeit oder auch der Weisheit verbunden wird und Elemente wie altruistische Liebe, Hoffnung und Schicksal enthält (vgl. Thomas, et al., 2008; Avolio, et al., 2005 S. 331). Wissenschaftlich fundierte Quellen oder Test fehlen hierzu aber (vgl. Avolio, et al., 2005 S. 331).
Insbesondere im Rahmen des Managements von Unsicherheit und Komplexität kommt der EQ und der SQ im Projektmanagement eine immer höhere Bedeutung zu (vgl. Thomas, et al., 2008 S. 309; Gareis, 2005 S. 143ff.).
Kommunikation
Schlechte Kommunikation erfordert die Verbesserung hinsichtlich der Sozialkompetenz der Projektleiter und Teammitglieder. Die Sozialkompetenz ist das kooperative Verhalten, das aus Teamfähigkeit, Empathiefähigkeit, Kooperations- und Konfliktlösungsbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit zusammengesetzt werden kann (vgl. Erpenbeck, et al., 2007 S. 159ff.). Im Rahmen des Projektmanagements wird zusätzlich die Fähigkeit des Erkennens und Ableitens von Handlungen aus der Veränderung des Projektsystems genannt (vgl. Majer, et al., 2010 S. 22).
Planung
Eine unangemessene Planung kann sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig an Planung bedeuten. Gerade in Verbindung mit der o.g. Komplexität entsteht häufig eine unpassende Methoden- und Instrumentenauswahl sowie –anwendung (vgl. Hanisch, 2013 S. 29f.). Eine verbesserte Planung sollte auf einem zum Projekt passenden Projektmanagement Ansatz basieren.
Stress
Das Thema Stress ist beim Projektmanagement ein weit verbreitetes Phänomen. Projektleiter fühlen sich im Vergleich zu anderen Führungskräften häufiger gestresst. Eine Studie aus dem Jahr 2014 der TU München am Centrum für Disease Management (CFDM), die von der GPM beauftragt wurde, untersuchte 965 Teilnehmer aus dem Projektmanagement Umfeld zum Thema Stress. Die Ergebnisse zeigen, dass neben den Anforderungen des Projektes als höchster angegebener externer Faktor (89 % der Befragten) der Anspruch an sich selbst und das Projektergebnis als interner Faktor zu Überforderung führen kann (> 80 % der Befragten) (vgl. Reichhart, et al., 2014 S. 28ff.). Deshalb ist das Selbstmanagement der Projektbeteiligten ein erfolgsrelevanter Faktor (vgl. Sedlmayer, 2010 S. 3ff.). Im beruflichen Kontext bedeutet Selbstmanagement neben der Bewältigung der Arbeitsanforderungen eine bewusste Steuerung der damit verbundenen psychischen Prozesse (vgl. Kuhrts, et al., 2012 S. 230). Das Selbstmanagement kann in mehrere Bereiche eingeteilt werden, die eine Person für sich managen sollte, um einen positiven Einfluss auf die Zufriedenheit zu haben, wie z.B. Ziele, Zeit, Optimismus, Gesundheit, Beziehungen, Wissen, Lernen und Konflikte (vgl. Braun, et al., 2003 S. 155ff.; Lehky, 2011 S. 188ff.). Das Selbstmanagement hat dabei einen großen Einfluss auf die Führungskompetenz und das Stressmanagement (vgl. Collins, et al., 2015).
Zusammenfassend sind die Herausforderungen, die im Wesentlichen die Gründe für das Scheitern von Projekten darstellen, und die daraus abgeleiteten Anforderungen aufgelistet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Zusammenfassung der Herausforderungen und Anforderungen an das Projektmanagement (eigene Darstellung)
Die ermittelten Anforderungen werden im vierten Kapitel als Basis für die Bedeutung von Achtsamkeit im Projektmanagement herangezogen.
Im Westen hat das Thema Achtsamkeit in den letzten Jahrzehnten im privaten als auch in den letzten Jahren im beruflichen Kontext an Bedeutung gewonnen (vgl. Weiss, et al., 2016 S. 12f.; Kabat-Zinn, 2013 S. 23f.; Stern, 2015 S. 254; Brown, et al., 2015 S. 2; Williams, et al., 2013 S. 7ff.).
Achtsamkeit hat heutzutage in vielen Bereichen des Lebens Einzug erhalten. Hierzu zählen der Wellness- und Gesundheitsbereich, die Medizin, die Psychologie und Psychotherapie, die Erziehungswissenschaft und die Betriebswirtschaft. Ferner sehen Menschen die Achtsamkeit als persönliche Entwicklung und Transformation (vgl. Williams, et al., 2013 S. 7f.; Höher, 2015 S. 37ff.). Ein weiterer Grund, welcher das Thema Achtsamkeit in den letzten Jahrzehnten populärer gemacht hat, sind achtsamkeitsbasierte Stressreduktionsprogramme, die aufgrund der gestiegene Zahl an Stress- (u.a. Burn-out) und Depressionsfällen, einen immer stärkeren Zulauf bekommen haben (vgl. Brown, et al., 2015 S. 1ff.; Kabat-Zinn, 2013).
Dieses Kapitel stellt das Thema Achtsamkeit hinsichtlich seiner Definition und Merkmale, seiner Bedeutung und des Nutzens dar. Es gibt darüber hinaus einen Überblick über mögliche Interventionen, die zu einer achtsamen Haltung sowie eines achtsamen Verhaltens beitragen.
Das Thema Achtsamkeit hat eine lange Historie, die insbesondere stark im Buddhismus verankert ist (vgl. Bodhi, 2013 S. 38ff.; Gethin, 2015 S. 9ff.).
Die Achtsamkeit reicht dabei von spiritueller Bedeutung wie Erleuchtung, Erwachen, Non-Dualismus bis hin zu psychologischen Zuständen und Haltungen, wie Bewusstsein, Präsentsein, Gewahrsein und Wissensklarheit (vgl. Salzberg, 2013 S. 308; Grossman, et al., 2013 S. 379). Unterschiedliche Bezüge und Facetten haben dem Begriff einen unspezifischen Charakter gegeben. Dabei wird die Achtsamkeit z.B. mit einer bestimmten Meditationspraxis (Achtsamkeitsmeditation) gleichgesetzt, sie kann mit einer Geisteshaltung aus dem Buddhismus verglichen werden. Auch wird sie mit einer Art inneren Grundhaltung gegenüber eigenen Erfahrungen in Bezug gesetzt oder im Rahmen der westlichen Psychologie als ein gesundheitliches Konzept gesehen (vgl. Schmidt, 2015 S. 33). Vor diesem Hintergrund gibt es eine Reihe von Definitionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
[...]