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Bachelorarbeit, 2015
37 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Werdegang Pacellis
2.1 Herkunft, Familie, Ausbildung
2.2 Pacelli als Nuntius in Deutschland und Vertreter der Friedensinitiative des Papstes
2.3 Pacelli als Kardinalstaatssekretär
2.3.1 Der Brief Edith Steins an Pius XI.
2.3.2 Die Beteiligung Pacellis am Reichskonkordat 1933
2.3.3 Die Beteiligung Pacellis an der Enzyklika „Mit brennender Sorge“
3. Papst Pius XII. und die „Judenfrage“
3.1 Pius XII. und die letzte Initiative seines Vorgängers
3.2 Eine Gewissensfrage: Reden oder Schweigen?
3.3 Der Protest der holländischen Bischöfe
3.4 Ist stille Hilfe besser als öffentlicher Protest?
3.5 Die Deportation römischer Juden 1943
3.6 Hat der Papst tatsächlich geschwiegen? Die Weihnachtsbotschaft von 1942
4. Der Protest von Bischof von Galen: Der Papst musste schweigen - deutsche Bischöfe durften reden?
5. Dank und Kritik der Juden an Pius XII. nach dem Krieg
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
Pius XII., der zur Zeit des Zweiten Weltkrieges sein Amt inne hatte, wurde zu Lebzeiten wie kaum ein anderer Papst vor ihm von den Gläubigen verehrt. Nach seinem Tod fiel es den Menschen schwer, sich einen würdigen Nachfolger für den Heiligen Vater vorzustellen.[1] Das Drama „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth aus dem Jahre 1963 stellte das positive Bild des Papstes auf den Kopf. Plötzlich wurde Pius XII. des Schweigens während des Holocaust beschuldigt. Unter anderem durch Hochhuths Drama wurde Pius XII. zu einer der umstrittensten Persönlichkeiten unserer Zeit.[2]
Diese Arbeit thematisiert die Frage, ob Pius XII. tatsächlich zum Holocaust geschwiegen hat und wenn ja, welche Gründe er dafür hatte. Zu diesem Zweck wird der Werdegang Eugenio Pacellis, dem späteren Papst Pius XII., dargestellt. Was für eine Ausbildung genoss er? Wie wurde er von seiner Familie geprägt? Anschließend wird Pacellis Karriere als Nuntius in Deutschland und seine Amtszeit als Kardinalstaatssekretär genauer betrachtet. Hier sind die Entscheidungen, die er traf, und die Erfahrungen, die er während dieser Zeit machte, von Interesse. Lassen sich deutsche und diplomatische Einflüsse, die er zu dieser Zeit erfuhr, in seinem späteren Handeln als Papst wiedererkennen? In Kapitel 2.3.1 wird der Brief Edith Steins beschrieben, welcher exemplarisch als einer der zahlreichen Bitten um päpstlichen Protest gegen die Judenverfolgung analysiert wird. Ab Kapitel drei, „Papst Pius und die ‚Judenfrage‘“, werden Pius´ XII. Vorgehen während des Zweiten Weltkrieges und die Gründe für sein Handeln dargelegt. Die wichtigsten Argumente seiner Kritiker und Verteidiger werden gegeneinander abgewogen. Hat der Papst tatsächlich zum Holocaust geschwiegen? Diese Frage findet in Kapitel 3.6 eine Antwort. Aufgrund der dargelegten Fakten kommt das Fazit zu einer Beurteilung von Pius‘ Verhalten während des Zweiten Weltkrieges.
Pius XII. war von 1939 bis zu seinem Tod 1958 das Oberhaupt der katholischen Kirche.[3] Geboren wurde der spätere Papst als Eugenio Pacelli am 2. März 1876 in Rom. Seine Eltern waren Filippo und Virginia Pacelli. Zur Zeit seiner Geburt war die Bevölkerung Italiens gespalten. Auf der einen Seite gab es Anhänger des modernen nationalliberalen Staates, auf der anderen Seite standen traditionell denkende, vatikantreue Menschen. Eugenio Pacellis Familie zeichnete sich dadurch aus, dass sie seit Generationen zu den sehr vatikantreuen Menschen gehörten.[4] Eugenio wurde streng in traditioneller katholischer Frömmigkeit erzogen. Der begabte Schüler besuchte das Liceo Ennio Quirino Visconti, das führende Gymnasium in Rom. Schon in seiner Kindheit war der spätere Papst katholisch fromm, eine Priesterschaft war bereits früh abzusehen.[5]
Ab 1894 nahm Pacelli sein Theologiestudium an der päpstlichen Universität Gregoriana, mit dem Wunsch Priester zu werden, auf. Am 2. April 1899 wurde er zum Priester geweiht, seiner ersten Messe wohnten Kardinäle und Bischöfe bei. Dies zeigt, wie die zuvor beschriebene Vatikantreue der Familie, die Nähe der Familie Pacelli zum Heiligen Stuhl. Der junge, hochbegabte und intellektuelle Mann promovierte im Jahre 1901 zum Doktor der Theologie. Im selben Jahr begann Pacelli seine berufliche Laufbahn als Mitarbeiter der Kongregation für Außerordentliche Kirchliche Angelegenheiten. Diese Kongregation arbeitete dem Kardinalstaatssekretär zu, wobei sie sich mit Themen wie Diözesangrenzen oder Bischofsernennungen befasste. Bereits in jungen Jahren wurde Pacelli auf diese Weise mit den außenpolitischen Aktivitäten des Vatikans vertraut gemacht. Als Minutant im päpstlichen Staatssekretariat erhielt er ab 1903 Einblicke in die Diplomatie und die Kurialverwaltung des damaligen Papstes Pius X.. Kardinal Gasparri, Sekretär der außenpolitischen Kongregation, der simultan Sekretär einer Kardinalskommission war, welche von Pius X. beauftragt wurde, ein neues Kirchengesetzbuch zu erstellen, wurde für Pacelli zum Mentor. Gasparri bezog Eugenio Pacelli sehr in seine Arbeit mit ein. 1904 stieg Pacelli zum Hausprälaten der Kongregation für Außerordentliche Kirchenangelegenheiten, 1911 zum Untersekretär und 1914 schließlich zum Sekretär selbst auf. Der sehr diplomatisch handelnde und staatskirchenrechtlich orientierte junge Mann konnte, vermutlich wegen seiner theologie-politischen Neutralität, ab 1914 unter Benedikt XV. ungehindert seine Karriere fortsetzen. Bereits in diesem Jahr beteiligte Pacelli sich an Konkordatsverhandlungen, wofür er eine Liste mit Richtlinien für ein korrektes und vollständiges Konkordat erarbeitete. Dabei orientierte er sich an dem Codex Iuris Canonici, welcher sich im Entstehungsprozess befand.
Mit nur 38 Jahren hatte Eugenio Pacelli die Karriereleiter des Vatikans steil erklommen. Währenddessen erhielt er Einblicke in die Arbeit des Papstes, welche Diplomatie erforderte, besonders bei der Auseinandersetzung mit außenpolitischen Belangen. Diese Prägungen lassen sich in seiner späteren Zeit als Pontifex wiederfinden.[6]
Während des Ersten Weltkrieges, welcher von 1914 bis 1918 geführt wurde, intervenierte Benedikt XV. regelmäßig intensiv, um den Krieg zu beenden. Dabei hielt sich der Papst strikt neutral, da er es als seine Aufgabe verstand, als Vermittler zum Frieden zu führen.[7] Auch für den damaligen Kardinalstaatssekretär Gasparri, „[…] war der Papst als Oberhaupt einer transnationalen Weltkirche zu strikter Neutralität verpflichtet.“[8] Unter keinen Umständen durfte der Papst Partei ergreifen, er hatte lediglich die Möglichkeit zu schweigen und, wenn nötig, abstrakte Kritik zu äußern, bei der er keine Nation beim Namen nennen durfte. Nur so konnte Benedikt XI. aus eigener Sicht allen Katholiken, für die er verantwortlich war, gerecht werden. Er sah die Eintracht der katholischen Weltkirche gefährdet, wenn er für ein Land Partei ergreifen würde. Zudem hätte eine Parteinahme die beabsichtigte Friedens- und Vermittlungspolitik des Pontifex unmöglich gemacht.[9]
Benedikt XV. und Kardinalstaatssekretär Gasparri planten eine neue Friedensinitiative über die Nuntien in Europa zu organisieren, da die Nuntien als Vertreter des Heiligen Stuhls in den einzelnen Ländern engen Kontakt zur Regierung pflegten. Zu diesem Zweck wurde der vielversprechende Diplomat Eugenio Pacelli als Nuntius nach München gesandt. Papst Benedikt weihte diesen am 13. Mai 1917 zum Bischof. Viele Personen bescheinigten Pacelli während seiner seit April 1917 bestehenden Nuntiatur in Bayern sein diplomatisches und kirchenrechtliches Verhalten.[10] Am 13. Juni erhielt Pacelli von seinem Mentor Gasparri Instruktionen für die Verhandlungen mit der deutschen Reichsleitung. Zum Zweck der Verhandlungen reiste Pacelli vom 26. bis 28. Juni nach Berlin. Die Unterredung mit dem deutschen Reichskanzler von Bethmann Hollweg und Kaiser Wilhelm II. waren aus Pacellis Sicht vielversprechend.
Der ohnehin schon diplomatisch eingestellte Pacelli wurde durch seine Arbeit als Friedensvermittler des Papstes erneut mit dem Gebot der Neutralität des Heiligen Stuhls konfrontiert. Doch Papst Benedikt formulierte am 1. August 1917 einen öffentlichen Friedensapell an alle Kriegsmächte, mit konkreten Vorschlägen für die einzelnen Länder. Er forderte beispielsweise den Rückzug Englands aus den deutschen Kolonien und die Abrüstung aller Länder. Damit gab er seine strikte Neutralität in gewisser Weise auf. Sein Friedensappell war erfolglos, da die kriegführenden Mächte sein Vermittlungsangebot entschieden zurückwiesen.[11] „Den Fehler seines Vorgängers, die unbedingte Neutralität und Überparteilichkeit des Heiligen Stuhls aufgegeben zu haben, wollte Pius XII. auf keinen Fall wiederholen.“[12] Diese Erkenntnis lässt sich in Pacellis Handeln als Pius XII. wiederfinden, der sich während des Zweiten Weltkrieges nicht von seiner neutralen Haltung abbringen ließ.
Am 22. Januar 1922 verstarb Benedikt XV., der am 6. Februar 1922 von Pius XI. ersetzt wurde. In Bayern arbeitete der Nuntius Eugenio Pacelli, nun unter Pius XI., maßgeblich am Konkordat zwischen Bayern und dem Vatikan mit, welches am 29. März 1924 zum Abschluss kam. Während seiner Nuntiatur in Deutschland erlebte er den Aufstieg des Nationalsozialismus hautnah mit. Seit 1923 konnte Pacelli beobachten, wie die verbalen kirchenfeindlichen Angriffe auf die Kirche von Seiten der Nazis zunahmen und wie sowohl Juden als auch Katholiken als Feinde Deutschlands deklariert wurden. Bereits in dieser Zeit erkannte der Nuntius die Bedrohung, die der Nationalsozialismus für die Kirche darstellte. Obwohl Pacellis Ernennung zum Berliner Nuntius schon am 25. Juni 1920 bekannt wurde, siedelte er erst am 20. August 1925 offiziell nach Berlin um. In Bayern hielten ihn besonders die Konkordatsverhandlungen, die er persönlich zum Abschluss bringen wollte.[13]
Pacellis Nuntiatur endete im Dezember 1929. Die Zeit in Deutschland genoss er sehr, er hegte eine große Bewunderung für Land und Leute. Dabei unterschied der spätere Papst jedoch zwischen dem katholischen und dem nationalsozialistischen Deutschland. Seine Deutschlandaffinität zeigte sich auch in der Wahl seiner Angestellten, zum Beispiel waren Schwester Pascalina, seine Haushälterin, und Robert Leiber, sein persönlicher Sekretär, beide Deutsche.[14]
Eugenio Pacelli hatte ab dem 9. Februar 1930 das Amt des Kardinalstaatssekretärs inne, welches zuvor von Kardinal Gasparri bekleidet wurde. Das Amt des Kardinalstaatssekretärs ist vergleichbar mit dem eines Außenministers, der internationale kirchliche Interessen der Katholiken zu vertreten hat. Der Kardinalstaatssekretär fungierte als Dreh- und Angelpunkt in der Kommunikation zwischen allen Ländern und dem Heiligen Stuhl. Zu seinem Tagesablauf zählten regelmäßige Audienzen beim Papst, bei denen sie sich über wichtige Angelegenheiten des Staatssekretariats austauschten.[15]
Während seiner Amtszeit gingen an Pacelli, bzw. das Kardinalstaatssekretariat, viele Bitten um einen öffentlichen Protest des Papstes gegen die Judenverfolgung ein. Es lag in Pacellis Ermessen, diese Briefe dem Papst vorzulegen oder nicht. Durch die Quellenlage ist davon auszugehen, dass Pacelli nur wenige Hilfegesuche dem Papst persönlich vorlegte. Die grundsätzliche Vorgehensweise bei Briefen an den Heiligen Stuhl mit dem Apell, die Stimme gegen die Verbrechen an Juden zu erheben, war, den Brief unbeantwortet zu lassen. Durch die Aufrufe der Betroffenen zum Protest wurde der Kardinalstaatssekretär bereits seit 1933 über die Verfolgung der Juden ins Bild gesetzt.[16] Zudem informierte der Berliner Nuntius Orsenigo ihn regelmäßig und detailiert über die fortschreitende Diskriminierung und Entrechtung der Juden. Orsenigo schätzte die Lage der Juden 1935 dramatisch ein. Bleibe Hitler länger an der Macht, sei die jüdische Bevölkerung dazu verurteilt aus Deutschland zu verschwinden. Trotz der offensichtlichen Dringlichkeit der Angelegenheit sprachen Pius XI. und sein Kardinalstaatssekretär nur selten über das Problem der Judenverfolgung. Die Devise lautete, sich herauszuhalten.[17]
Wie bereits geschildert trafen „[i]m Frühjahr und Sommer 1933 […] in Rom zahlreiche […] Bittgesuche an Pius XI. ein, in denen der Papst von jüdischen und nichtjüdischen Persönlichkeiten flehentlich gebeten wurde, seine Stimme zu erheben.“[18] Einer dieser Briefe wurde von Edith Stein geschrieben. Seit den Archivöffnungen 2003 ist der genaue Wortlaut des Briefes bekannt, den sie Anfang April 1933 für Pius XI. verfasste. Die am 12. Oktober 1891 geborene Frau wuchs in einem jüdischen Elternhaus auf, konvertierte 1922 jedoch zum Katholizismus. Ein Freund Edith Steins, Raphael Walzer, Erzabt von Beuron, leitete ihren Brief weiter an den Kardinalstaatssekretär, mit der Bitte, diesen Papst Pius XI. vorzulegen. Dies tat Pacelli tatsächlich. In ihrem Brief beschreibt Stein detailliert die Verfolgung und das Leid, welche die jüdische Bevölkerung erfahren musste. Verzweifelte Juden begingen Selbstmord, da sie wegen der Verbrechen des Regimes keinen anderen Ausweg mehr sahen.[19] „Aber die Verantwortung fällt doch zum großen Teil auf die, die sie so weit brachten. Und sie fällt auch auf die, die dazu schweigen.“[20] Hubert Wolf interpretiert Edith Steins Aussage an dieser Stelle als eine Mahnung an den Heiligen Stuhl, der sich durch sein Schweigen an Verbrechen gegen die Juden mitverantwortlich gemacht habe. Die konvertierte Katholikin drückt im weiteren Verlauf die Hoffnung der Menschen in aller Welt aus, dass Pius XI. seine Stimme gegen das Unrecht erhebe.[21] Alle Katholiken, „[…] die wir treue Kinder der Kirche sind und die Verhältnisse in Deutschland mit offenen Augen betrachten, fürchten das Schlimmste für das Ansehen der Kirche, wenn das Schweigen noch länger anhält. Wir sind auch der Überzeugung, dass dieses Schweigen nicht imstande sein wird, auf Dauer den Frieden mit der gegenwärtigen deutschen Regierung zu erkaufen.“[22] An dieser Stelle weist Stein auf die Tatsache hin, dass der Papst, alleine um das Ansehen der Kirche zu wahren, sprechen muss. Edith Stein findet in ihrem Brief besonders deutliche Worte und Argumente. Sie argumentiert entschieden dafür, einen öffentlichen Protest gegen die Verbrechen an Juden anzugehen. Trotz ihres leidenschaftlichen Appells war die Reaktion des Heiligen Stuhls ernüchternd. Erzabt Walzer, der Überbringer des Briefes, erhielt eine förmliche Antwort von Pacelli, in der dieser die Judenverfolgung und den Brief Edith Steins jedoch mit keiner Silbe erwähnte.[23]
Am 2. August 1942 wurde Edith Stein aus dem niederländischen Kloster der Karmelitinnen in Echt deportiert. Wenige Tage später starb die Katholikin jüdischer Herkunft im Konzentrationslager Auschwitz.[24]
Das Schicksal Edith Steins wirft die Frage auf, warum der Papst sich trotz eindringlicher Appelle aus der ganzen Welt nicht von seiner Devise zu schweigen abbringen ließ.
Hatten die deutschen Bischöfe vor Hitlers Regierungserklärung vom 23. März 1933 die Lehre des Nationalsozialismus deutlich verurteilt, so „[…] nahm der deutsche Episkopat [am 28. März] in aller Form seine Verbote und Warnungen gegenüber dem Nationalsozialismus zurück.“[25] In seiner Regierungserklärung hatte Hitler sich gegenüber dem Christentum entgegenkommend und versöhnlich gezeigt. Die Erklärung der Bischöfe der Fuldaer Bischofskonferenz vom 28. März war die Antwort auf Hitlers Entgegenkommen. Mit ihrer Erklärung erkannten die Bischöfe die Legitimität der neuen Regierung an.[26] Vor der bischöflichen Erklärung gaben einige Kirchenprovinzen Warnungen vor der Irrlehre sowie der Kirchenfeindlichkeit des Nationalsozialismus heraus. Zudem war es Geistlichen untersagt, die Arbeit der nationalsozialistischen Bewegung in irgendeiner Weise zu unterstützen. Verboten war es den Nationalsozialisten, in großen uniformierten Gruppen und mit Fahnen am Gottesdienst teilzunehmen. Die Zulassung von Nationalsozialisten zu den Sakramenten sollte der Einzelprüfung überlassen werden. Doch nun näherten sich Kirche und Staat an.[27]
Als Kardinalstaatssekretär fiel es in Pacellis Aufgabenbereich, ein Konkordat auszuhandeln. Nun, da die Nationalsozialisten als legitimierte Regierung anzusehen waren, waren Kaas, der Vorsitzender der Zentrumspartei in Deutschland, und Kardinalstaatssekretär Pacelli dazu entschlossen, die Rechte der Kirche im Deutschen Reich durch ein Konkordat zu sichern. Anfang April wurden daher erste Verhandlungen aufgenommen. Noch während der Verhandlungen begannen die Nationalsozialisten, Staatsbeamte der Zentrumspartei aus ihren Ämtern zu entheben, zudem trafen Hilfegesuche von diskriminierten Juden beim Vatikan ein. Die Entlassung der Staatsbeamten begründete Hitler mit der Überbesetzung des Verwaltungsapparates und verwies auf die schwierige Übergangsphase seiner neuen Regierung. Hitler versprach, das Deutsche Reich bald wieder zu Ruhe und Ordnung zu führen. Scheinbar ließen sich die Geistlichen mit dieser Erklärung beruhigen, doch es gab auch kritische Stimmen. Ende Mai 1933 sagte der Kölner Kardinal Schulte, mit einer Regierung wie Hitlers, die ohne Recht und Gesetzt arbeitet, könne man kein Konkordat schließen.[28] Aber in Pacellis Augen ‚„[…] blieb kein anderer Weg – um die Rechte und das Vorrecht der katholischen Kirche in einer so wichtigen Nation wie Deutschland zu sichern – als der eines Konkordats.‘“[29]
[...]
[1] Vgl. Vgl. Sánchez, José, Pius XII. und der Holocaust. Anatomie einer Debatte, Paderborn 2003, XI.
[2] Vgl. Vgl. Oschwald, Hanspeter, Pius XII. Der letzte Stellvertreter. Der Papst, der Kirche und Gesellschaft spaltet, Gütersloh 2008, 9.
[3] Vgl. Stehlin, Steward, Päpstliche Diplomatie im Zweiten Weltkrieg: Pius XII:, Deutschland und die Juden, in: Eichstätter Universitätsreden, Bd. 109, 5.
[4] Vgl. Unterburger, Klaus; Wolf, Hubert, Eugenio Pacelli. Die Lage der Kirche in Deutschland 1929 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte) Paderborn u.a. 2006, 26.
[5] Vgl. Unterburger; Wolf, Eugenio Pacelli, 26.
[6] Vgl. Besier, Gerhard, Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland. Die Faszination des Totalitären, München 2004, 14-22.
[7] Vgl. Besier, Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland, 24.
[8] Unterburger; Wolf, Eugenio Pacelli, 33.
[9] Vgl. Unterburger; Wolf, Eugenio Pacelli, 33-34.
[10] Vgl. Besier, Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland, 26-28.
[11] Vgl. Unterburger, Wolf, Eugenio Pacelli, 43-46.
[12] Unterburger, Wolf, Eugenio Pacelli, 46.
[13] Vgl. Besier, Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland, 61-71.
[14] Vgl. Hummel, Karl-Joseph, Der Nuntius, die Deutschen und der Papst. Zum Stand der Debatte um Eugenio Pacelli/Pius XII. nach Öffnung der Archive, in: Chenaux, Philippe u.a. (Hrsgg.), Opus Iustitiae Pax. Eugenio Pacelli-Pius XII. (1876-1958), Vatikan 2008, 58-59.
[15] Vgl. Feldkamp, Michael, Pius XII. und Deutschland, Göttingen 2000, 68-70.
[16] Vgl. Wolf, Hubert, Papst & Teufel. Die Archive des Vatikan und das Dritte Reich, München 2008, 217-223.
[17] Vgl. Wolf, Papst & Teufel, 231-132.
[18] Wolf, Papst & Teufel, 208-209.
[19] Vgl. Wolf, Papst & Teufel, 209-211.
[20] Wolf, Papst & Teufel, 212
[21] Vgl. Wolf, Papst & Teufel, 212-213.
[22] Wolf, Papst & Teufel, 213.
[23] Vgl. Wolf, Papst & Teufel. 214-216.
[24] Vgl. Endres, Elisabeth, Edith Stein. Christliche Philosophin und jüdische Märtyrerin, München² 1987, 9-12.
[25] Besier, Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland, 188.
[26] Vgl. Lewy, Guenter, Mit festem Schritt ins Neue Reich. Die katholische Kirche zwischen Kreuz und Hakenkreuz, 1965: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46169575.html, zuletzt aufgerufen 10.04.2015.
[27] Vgl. Besier, Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland, 143-144.
[28] Vgl. Besier, Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland, 191-193.
[29] Besier, Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland, 197.