Bachelorarbeit, 2014
38 Seiten, Note: 1,0
Zusammenfassung
1. Einleitung
2. Der Bewegungsapparat des Rumpfes
2.1 Die Funktionelle Anatomie der Wirbelsäule
2.1.1 Wirbel
2.1.2 Bandscheiben
2.1.3 Bänder
2.1.4 Rumpfmuskulatur
2.2 Die Biomechanik der Wirbelsäule
3. Der Bandscheibenvorfall als Ausdruck einer gestörten funktionellen Anatomie
3.1 Die pathologische Anatomie des Bandscheibenvorfalls
3.2 Symptome
3.3 Risikofaktoren
4. Möglichkeiten und Grenzen präventiver Maßnahmen
4.1 Präventive Maßnahmen und ihre strukturellen Auswirkungen auf die Bandscheibe
4.1.1 Bewegung
4.1.2 Ernährung
4.1.3 Ergonomie
4.2 Diskussion
5. Literaturverzeichnis
Die Aufgabe der Wirbelsäule ist es größtmögliche Stabilität bei bestmöglicher Bewegung zu gewährleisten. Das Erfüllen dieser scheinbar paradoxen Aufgaben wird durch ein gut aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel von bewegenden und stützenden Strukturen gesichert.
Die Bandscheibe ist eines dieser Elemente der Wirbelsäule. Sie gewährleistet sowohl eine stabile als auch eine bewegliche Verbindung zweier benachbarter Wirbel zueinander. Zusammen mit anderen Strukturen, die den Wirbel verbindenden, bildet sie eine funktionelle Einheit - das Bewegungssegment der Wirbelsäule. Erst die Summation der sich über die Wirbelsäule erstreckenden Bewegungssegmente ergibt die Gesamtmobilität der Wirbelsäule.
In jedem Bewegungssegment herrscht ein physikalisches Gleichgewicht, das bei Bewegungen kurzzeitig außer Kraft gesetzt und anschließend wieder hergestellt wird.
Wird dieses physikalische Gleichgewicht, z.B. durch eine veränderte funktionelle Anatomie dauerhaft gestört, kann dies mit Bewegungseinschränkungen einhergehen.
Der Bandscheibenvorfall ist ein Beispiel für eine gestörte funktionelle Anatomie im Bewegungssegment. Durch den engen topographischen Bezug der Bandscheibe zum Rückenmark, besteht bei einem Bandscheibenvorfall ein hohes Risiko der Rückenmarkskompression, die Beeinträchtigungen in der Funktion des Nervensystems zur Folge haben kann.
Da es keine Präventionsmaßnahmen, die sich direkt mit dem Krankheitsbild des Bandscheibenvorfalles beschäftigen, zu geben scheint, wurden im Rahmen dieser Arbeit Präventionsmaßnahmen zur allgemeinen Rückengesundheit auf das Krankheitsbild des Bandscheibenvorfalles übertragen.
Diese Übertragung fand ausschließlich auf struktureller Ebene statt und beschränkte sich auf die drei, in der Literatur am häufigsten genannten, Maßnahmen zur allgemeinen Rückengesundheit: Bewegung, Ernährung und Ergonomie.
Ergebnis dieser hypothetischen Übertragung ist, dass alle erörterten Maßnahmen zur allgemeinen Rückengesundheit in struktureller Hinsicht auch einen positiven Effekt im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der funktionellen Anatomie der Bandscheiben haben und somit zur Vermeidung von Bandscheibenvorfällen beitragen können.
„ Der gesunde Mensch ist sich der Vielfalt an Bewegungs- und Belastungsvorgängen im täglichen Leben nur selten bewusst. In der Eile des Alltags denkt er nicht an die Folgen einer vermehrten, meist einseitigen Beanspruchung der funktionellen Einheit von Knochen und Gelenken sowie Bändern, Muskeln und Sehnen. Erst wenn der harmonische Bewegungsablauf des Körpers durch Schmerz und Bewegungseinschränkung gestört ist, fühlt er sich im Wohlbefinden beeinträchtigt “ (Cotta 2001, S.113). Gerade im Bereich des Rückens bzw. der Wirbelsäule spielt dies eine große Rolle. Rückenschmerzen sind zur „Volkskrankheit“ (TK 2012, S.2) geworden und die Häufigkeit von lumbalen Bandscheibenschäden, die stationär behandelt werden mussten, stieg von 2000 auf 2007 um 40% (GEK 2009; Cotta 2001).
Neben den Folgen für die Betroffenen haben Bandscheibenschäden auch wirtschaftliche Folgen. Nach der Krankheitskostenrechnung des statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2008 knapp 9 Milliarden Euro für die Behandlung von Erkrankungen der Wirbelsäule und des Rückens (ICD-10: M45 bis M54), zu denen auch die Bandscheibenvorfälle zählen, ausgegeben (Statistisches Bundesamt 2014). Das sind rund vier Prozent der direkten Kosten für alle Krankheiten (Statistisches Bundesamt 2014). Die Gesamtkosten dürften allerdings noch sehr viel höher liegen, wenn man die indirekten Kosten, die durch Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung entstehen, mit berücksichtigt.
Sowohl die Folgen für die Betroffenen, als auch die wirtschaftlichen Folgen aufgrund eines Bandscheibenvorfalles belegen die Bedeutung der Prävention in diesem Feld. Vorbeugende Maßnahmen gegen Bandscheibenvorfälle scheint es jedoch nicht zu geben. Es ergibt sich nun die Frage, ob und inwieweit die vorhandenen Präventionsmaßnahmen zur allgemeinen Rückengesundheit auch auf die Prävention von Bandscheibenvorfällen übertragbar sind und inwieweit sie in Bezug auf die Vermeidung von Bandscheibenvorfällen erfolgreich sein können.
Das Skelett bildet das Stützgerüst des Körpers und wird zusammen mit seinen verbindenden Bindegewebsstrukturen als passiver Bewegungsapparat bezeichnet (KKH 2008). Um größtmögliche Stabilität bei gleichzeitig bestmöglicher Beweglichkeit zu gewährleisten, wird ein funktionell gut aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel von stützenden und bewegenden Bestandteilen benötigt (Niethard et al. 2003). Somit gibt es noch einen bewegenden Teil des Bewegungsapparates, der durch die Muskulatur gebildet wird und als aktiver Bewegungsapparat dem passiven Bewegungsapparat gegenüber gestellt wird (Schwegler 2006).
Der Rumpf im engeren Sinne (anatomisch: Truncus sensu strictu) bezeichnet den Stamm des Körpers. Sein passiver Teil wird durch die Wirbelsäule (Columna vertebralis), den Brustkorb (Thorax) den Bauch (Abdomen) und das Becken (Pelvis) gebildet. Die autochthone Rumpfmuskulatur bildet den aktiven Teil des Bewegungsapparates (Appell et al. 2008; Spektrum 2003; Cotta 2001).
Die Wirbelsäule (Columna vertebralis) bildet das axiale Stützsorgan des menschlichen Körpers (Tittel 2003). Die Funktionen der Stabilität und Bewegung sind ihre Hauptfunktionen, somit fällt der Columna vertebralis eine „zentrale Aufgabe im Bewegungssystem“ (Junghans 1968, S.33) zu. Eine weitere wichtige Funktion ist der Schutz des Rückenmarks, das im Wirbelkanal lokalisiert ist (Kapandji 2006).
Die Columna vertebralis lässt sich in unterschiedliche Abschnitte gliedern, wobei jeder Abschnitt eine zur benachbarten Region entgegengesetzte Krümmung in der Sagittalen aufweist. Die Halswirbelsäule ist durch eine Lordose geprägt, auf die nach kaudal die Brustkyphose, die Lendenlordose und die Sakralkyphose folgt (Faller et al. 2008). Die sich daraus ergebene Doppel-S-Form steigert die Widerstandfähigkeit bei axialen Druckkräften. (Appell et al. 2008; Faller et al. 2008; Kapandji 2008).
Jeder der Abschnitte weist einen ähnlichen Grundbauplan auf. Er besteht aus Wirbeln (Vertebrae), die durch Zwischenwirbelscheiben (Disci intervertebrales), Muskeln und Sehnen beweglich miteinander verbunden sind und damit eine funktionelle Einheit bilden (Appell et al. 2008). In Form und Funktion anders differenziert sind sowohl Atlas und Axis, als auch die Kreuzbein- und Steißbeinwirbel (Faller et al. 2008; Tittel 2003).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Schematische Darstellung der drei Säulen (aus KAPANDJI 2006, S.11).
Die Wirbel haben einen einheitlichen Grundbauplan gemeinsam. Beim Blick von oben auf einen Wirbel lässt sich dieser in zwei Hauptstrukturen unterteilen. Den größten und zugleich massivsten Teil bildet der Wirbelkörper (Corpus Vertebrae). Die zylindrische geformte Struktur wird als vorderer Pfeiler des Wirbels bezeichnet und fungiert als Tragstück (Appell et al. 2008; Faller et al. 2008; Kapandji 2006; Cotta 2001).
An diesen vorderen Pfeiler schließt sich der hintere Pfeiler des Wirbels an, der hauptsächlich eine dynamische Funktion erfüllt. Gebildet wird er durch den Wirbelbogen (Arcus vertebrae), der das Wirbelloch (Foramen vertebrale) umschließt, zwei kleine Einkerbungen (Incisurae vertebrales) am Übergang zum Wirbelkörper aufweist und insgesamt sieben Fortsätze trägt: die zwei nach lateral angelegten Querfortsätze (Process u s transversi), den nach dorsal gerichteten Dornfortsatz (Process u s spinosus) und die vier, jeweils paarig angelegten –oberen und unteren Gelenkfortsätze (Process u s articulares) (Appell et al. 2008; Faller et al. 2008; Kapandji 2006; Cotta 2001).
In ihrer Gesamtheit bilden die Wirbel über die Länge der Wirbelsäule durch Summation der Wirbellöcher den Wirbelkanal (Canalis vertebralis) der das Rückenmark schützend umgibt. Die Einkerbungen am Übergang zwischen Wirbelkörper und Wirbelbogen (Incisurae vertebrales) bilden das Zwischenwirbelloch (Foramen intervertebralis), durch das beidseitig die Spinalnerven austreten. Biomechanisch betrachtet lassen sich drei tragende Säulen voneinander unterscheiden (Abbildung 1). Die Summation der Wirbelkörper ergibt die vordere Hauptsäule, die Summation der Gelenkfortsätze formt die zwei Nebensäulen (Appell et al. 2008; Faller et al. 2008; Kapandji 2006).
Dieser Grundbauplan erfährt in den einzelnen Wirbelsäulenabschnitten spezifische Modifikationen. So nimmt zum Beispiel aufgrund der zunehmen Druckbelastung von kranial nach kaudal vor allem die Dimension der Hauptsäule zu (Appell et al. 2008; Kapandji 2006).
Die Bandscheiben (Disc i intervertebrales) sind mit den überknorpelten Wirbelkörperendplatten zweier benachbarter Wirbel synchondrotisch miteinander verbunden. Funktionell gesehen lassen sie sich in zwei Bestandteile untergliedern: Den peripheren Faserring (Anulus fibrosus) und den zentral gelegenen Gallertkern (Nucleus pulposus) (Appell et al. 2008; Kapandji 2006).
Der Anulus fibrosus besteht aus vielen, stark konzentrierten Fibrillenschichten, die sich in ihrem hauptsächlichen Faserverlauf kreuzen. Seine Innenzone weist eine faserknorpelige Struktur auf, die einzelnen Schichten der Außenzone sind aus Bindegewebe aufgebaut. Die Bindegewebsschichten der Außenzone bestehen zu 90% aus Kollagenfasern und zu 10% aus elastischen Fasern und weisen somit sehr zugfeste und dennoch teilweise elastische Eigenschaften auf (Hartmann et al. 2013; Kapandji 2006; Töndury et al. 2003).
Der Nucle u s pulposus, der durch den Anulus fibrosus von einer zugfesten Hülle umschlossen wird, ist hauptsächlich aus wasserbindenden Strukturen aufgebaut. Er steht durch seinen daraus resultierenden hohen Wassergehalt unter hydrostatischem Druck (Appell et al. 2008; Kapandji 2006).
Die Disciintervertebrales haben funktional gesehen unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Durch das Abfangen von Stoß- und Druckbelastungen erfüllen sie einerseits eine Pufferfunktion und tragen somit zur Stabilität der Wirbelsäule bei. Auf der anderen Seite ermöglichen sie den Wirbelkörpern durch die runde Form des Nucleus pulposus Bewegungen in unterschiedliche Richtungen (Appell et al. 2008; Kapandji 2006; Niethard et al. 2003).
Schematisch gesehen kann der Nucleus pulposus zusammen mit den zwei angrenzenden Wirbelkörperendplatten mit einer, von zwei Platten eingerahmten, Kugel verglichen werden (Abbildung 2a). Ein solches Konstrukt ermöglicht unterschiedliche Bewegungen. Torsionsbewegungen (Abbildung 2b) sind dabei genauso möglich wie Kippbewegungen (Abbildung 2c) und Translation (Kapandji 2006).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Schematische Darstellung der Bandscheibe und ihrer Bewegungen (aus KAPANDJI 2006, S.23). a) Bandscheibe als Kugellagerelement b) Torsion c) Kippbewegungen
Druckbelastungen auf die Bandscheiben können in zentrische und exzentrische Belastung unterschieden werden (Abbildung 3). Beide Belastungsformen werden in unterschiedlicher Weise kompensiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 Weiterleitung des Druckes vom Nucleus pulposus zum Anulus fibrosus (aus KAPANDJI 2006, S.25).
Bei einer zentrischen Belastung wird der Diskus insgesamt komprimiert und die axiale Druckkraft zu 75% direkt auf den Nucleus pulposus übertragen. Nur 25% der Druckbelastung werden direkt vom Anulus fibrosus kompensiert (Lit.). Hier spielt die strukturelle Zusammensetzung der beiden Anteile eine große Rolle. Abbildung 4 verdeutlicht, dass der hydrostatische und somit extrem druckbelastbare Nucleus pulposus diese Druckkräfte als Schubkräfte auf den zugfesten Anulus fibrosus überträgt, der ringförmig über die Ränder des Wirbelkörpers tritt. Die Belastung wird somit optimal abgefangen (Kapandji 2006; Schwegler 2006; Töndury et al. 2003).
Bei einer exzentrischen Druckbelastung wird der Diskus nicht gleichmäßig komprimiert. Die einseitige Kompression des Diskus führt zur Zugbelastung auf der entgegengesetzten Seite, zu der sich der Nucleus pulposus verlagert. Durch den hohen einseitigen Druck tritt ein Teil des Anulus fibrosus auf der mit Druck belasteten Seite über die Ränder des Wirbelkörpers (Kapandji 2006; Schwegler 2006; Töndury et al. 2003).
Druckbelastungen sind für die gesunde Bandscheibe nicht a priori schädlich. Im Gegenteil, die gesunde Bandscheibe ist in der Regel ab etwa dem vierten Lebensjahr gefäßfrei und ihre Ernährung erfolgt über Diffusion. Diese ist bei einem bradytrophen Gewebe, wie der Bandscheibe nur möglich, wenn das osmotische System einem ausreichenden Wechsel von Be- und Entlastung unterliegt. Abbildung 5 schematisiert die Bandscheibe als osmotisches System. In unbelastetem Zustand (Abbildung 5a) sind die Bandscheibe und ihr hydrostatischer Druck normal hoch, die Molekülverteilung im intra- und extradiskularen Raum ist ausgeglichen. Bei zentrischer Druckbelastung der Bandscheibe (Abbildung 5b) nimmt die Höhe der Bandscheibe insgesamt ab und der hydrostatische Druck steigt. Die niedermolekulare Flüssigkeit wird aus der Bandscheibe gepresst. Bei anhaltender Druckentlastung (Abbildung 5c) fließt aufgrund des osmotischen Gefälles niedermolekulare Flüssigkeit in die Bandscheibe hinein. Auf diese Weise kann ein Nährstoffaustausch im Bandscheibengewebe stattfinden (Appell et al. 2008; Schiebler et al. 2007; Niethard et al. 2003; Spektrum 2003; Tittel 2003; Cotta 2001).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 Der Discus intervertebralis als osmotisches System (aus TITTEL 2003, S.83). a unbelasteter Zustand b belasteter Zustand c Zustand nach Druckentlastung
Die hauptsächlich aus zugfestem Kollagen aufgebauten Bänder sorgen in ihrer Gesamtheit für eine stabile Verbindung der Wirbel untereinander. Die gegebene Stabilität bedingt eine Bewegungshemmung der Wirbelsäule, macht diese jedoch gleichzeitig mechanisch hoch belastbar (Appell et al. 2008; Kapandji 2006; Töndury et al. 2003; Junghans 1968).
Die Gesamtheit der Bänder kann in Wirbelkörperbänder und Wirbelbogenbänder unterteilt werden (Töndury et al. 2003). Die Wirbelkörperbänder (Längsbänder) umgeben den vorderen Wirbelsäulenpfeiler und werden in ein vorderes (Ligamentum longitudinale anterius) und hinteres Längsband (Ligamentum longitudinale posterius) untergliedert. Das Lig. longitudinale anterius, das sich von der Schädelbasis bis zum Sakrum erstreckt, ist mit der Vorderfläche der Wirbelkörper fest verbunden. Hierbei ziehen oberflächliche Faserzüge über vier bis fünf Wirbel hinweg, tiefe Faserzüge verlauf jeweils zwischen zwei benachbarten Wirbeln. Das Lig. longitudinale posterius verläuft an der Hinterseite der Wirbelkörper und erstreckt sich von der Schädelbasis bis in den Sakralkanal hinein. Zwischen dem Lig. longitudinale posterius und dem Anulus fibrosus der Disciintervertebrales besteht eine feste Verbindung. Zusammen stabilisieren die Längsbänder den vorderen Wirbelsäulenpfeiler und schützen diesen zum Beispiel vor Bandscheibenvorfällen und Wirbelgleiten (Appell et al. 2008.; Kapandji 2006; Schwegler 2006,; Töndury et al. 2003).
Schiebler (2007) unterteilt die Wirbelbogenbänder in elastische Bänder und Einzelbänder. Die elastischen Wirbelbogenbänder, die durch ihre gelbe Färbung als Ligg. flava bezeichnet werden, sind segmental zwischen den einzelnen Wirbelbögen gespannt. Sie kleiden den Wirbelkanal aus und grenzen diesen, abgesehen von den Foraminae intervertebralia nach außen hin ab. Bei gebeugter Haltung stehen sie unter Zug und unterstützen somit die Wiederaufrichtung der Wirbelsäule. Bei Drehbewegungen werden sie gedehnt und unterstützen aufgrund ihrer elastischen Fasern die Wirbelsäule dabei wieder in die Ausgangslage zurück zu kehren (Appell et al. 2008; Schiebler et al. 2007; Töndury et al. 2003).
Bei den Einzelbändern verspannen die Ligg. interspinalia und die Ligg. intertransversalia die Muskelfortsätze (i.S.v. Fortsätze, die der Muskulatur als Ansatzstellen dienen; Appell et al. 2008, S.30) und beugen übermäßiger Ventralflexion vor. Dabei sind die Ligg. interspinalia jeweils zwischen zwei benachbarten Dornfortsätzen und die Ligg. intertransversalia zwischen zwei benachbarten Querfortsätzen lokalisiert. Das Lig. supraspinalia, das zwischen den Spitzen der Dornfortsätze verläuft, spannt sich bei Vorbeugung auf Zug und begrenzt somit diese Bewegung (Appell et al. 2008; Schiebler et al. 2007; Töndury et al. 2003).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6 Vergleich der Rumpfmuskulatur mit der Vertäuung eines Schiffmastes (aus COTTA 2001, S.51).
Die autochthone Rumpfmuskulatur (authochthon = ursprünglich ortsansässig; Lippert 1982, S.265), ist als System zu verstehen. Hierbei wird die Wirbelsäule von verschiedenen Muskelgruppen eingerahmt (Abbildung 6). Dabei sind die gerade Bauchmuskulatur (M. erectus abdominis) und die tiefe Rückenmuskulatur (M. erector spinae), die beide im Becken verankert sind, als Beuger und Strecker der Wirbelsäule zu verstehen. Die Halsmuskulatur (Bestandteil des M. erector spinae) sorgt für die Aufrichtung des Kopfes. Die muskuläre Wirbelsäulenverspannung wird oft mit der Vertäuung eines Schiffmastes verglichen (Cotta et al. 2001; Appell et al. 2008). Hierbei symbolisiert die Wirbelsäule den Schiffsmast, der im Bootsrumpf (Becken) verankert ist und durch das Segel (Brustkorb) und die haltenden Seile (Muskulatur und Bänder) vertäut ist (Tittel 2003; Cotta et al. 2001).
Die tiefe Rückenmuskulatur sorgt für die Bewegung der Wirbelsäule. Sie verläuft in zwei Strängen und ist unter dem Sammelbegriff M. erector spinae zusammengefasst. Sie wird in einen medialen und einen lateralen Trakt aufgeteilt. Der laterale Trakt ist oberflächlicher gelegen und seitlich neben den Dornfortsätzen lokalisiert. In seiner Gesamtheit ist er hauptsächlich für die Streckung der Wirbelsäule verantwortlich. Bei einseitiger Innervation sorgt er für eine Seitwärtsneigung (Schiebler et al. 2007; Tittel 2003Lippert 1982).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7 Erector spinae (aus APPELL et al. 2008, S.38). a) interspinales System b) intertransversales System c) transversospinales System
Der mediale Trakt der autochthonen Rückenmuskulatur ist in ein Geradsystem und ein Schrägsystem unterteilt. Das Geradsystem verbindet Quer- und Dornfortsätze untereinander. Dabei sind das interspinale System, das spinale System und das intertransversale System voneinander zu unterscheiden. Das interspinale System (Abbildung 7a) besteht aus kurzen, paarigen Muskeln, die zwischen benachbarten Dornfortsätzen lokalisiert sind. Sie sind hauptsächlich in der Hals- und Lendenwirbelsäule angelegt und sorgen für eine Streckung der Wirbelsäule. Das spinale System ist ähnlich wie das interspinale System zwischen Dornfortsätzen gespannt und sorgt für eine Streckung der Wirbelsäule. Im Gegensatz zum interspinalen System besteht es jedoch aus längeren Muskelsträngen, die mehrere Dornfortsätze überspringen. Das intertransversale System (Abbildung 7b) verläuft zwischen den Querfortsätzen. Die paarigen Muskelbündel sorgen bei einseitiger Innervation für eine Neigung der Wirbelsäule, bei beidseitiger Innervation für eine Stabilisierung. In seiner Gesamtheit sorgt das Geradsystem hauptsächlich für die Sicherung der Wirbelsäule (Appell et al. 2008; Schiebler et al. 2007; Tittel 2003).
Das Schrägsystem (Abbildung 7c), das auch transversospinales System genannt wird, verläuft zwischen Querfortsätzen und höher gelegenen Dornfortsätzen. Auch dieses System ist in kurze und längere Muskelfasern unterteilt und sorgt bei einseitiger Innervation für eine Drehbewegung, bei beidseitiger Innervation für eine Streckung der Wirbelsäule (Appell et al. 2008; Schiebler et al. 2007; Tittel 2003).
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