Bachelorarbeit, 2015
34 Seiten, Note: 1,0
I Einleitung
II Paris beerbt Rom
II.1 Antike als Norm aller Normen
II.2 Napoleonische Architektur als Ausdruck römischer Traditionen
II.3 Kaiserliche Propaganda für einen neuen „Cäsar“
II.4 Begründung des Kunstraubes
II.5 Reaktionen auf die Entwendung von Kunst
III Der Louvre als Ausstellungsort europäischer Kunst
III.1 Etablierung des Nationalmuseums
III.2 Veränderungen unter Denon
IV Reaktionen europäischer Touristen in Paris
IV.1 Attraktion Paris
IV.2 Der Louvre im Zentrum zeitgenössischer Meinungen
IV.2.1 Zentralisierung der Kunst in einem Museum
IV.2.2 Der Aufbau
IV.2.3. Die Präsentation der Werke
V Fazit
VI Anhang
VII Literaturangaben:
« Rome n'est plus dans Rome, elle est tout à Paris »[1] - dieses Lied wird bei der fête des arts am 27. und 28. Juli 1798 in Paris gesungen. Anlass für dieses Fest waren Ankunft und Festumzug der in Italien - und besonders Rom - konfiszierten Kunstwerke.
Durch dieses Volkslied wird deutlich: Paris sollte Rom ersetzen und zum neuen „Zentrum des europäischen Kontinents“ werden. Das durch die Revolution begonnene Projekt, kulturelle Produkte anderer Nationen zu sammeln und diese im eigenen Land auszustellen, wurde von Napoleon zur Perfektion geführt. Es in seiner ganzen Fülle zu erforschen, würde den Rahmen einer Bachelorarbeit sprengen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, zumindest im Ansatz die Präsentation Paris' als des neuen Rom vorzustellen.
Ich beschränke mich auf die im Rahmen des sogenannten „napoleonischen Kunstraubes“ erbeuteten Kunstwerke, die Rom spätestens seit der Renaissance zur Pilgerstätte von Kunstinteressierten gemacht hatten. Der Begriff „napoleonischer Kunstraub“ muss erläutert werden: Der Begriff beschränkt sich weder nur auf den Kunstraub, noch nur auf Napoleon.[2] Da die erbeuteten Kunstwerke vor allem im Louvre ihre mittel- und langfristige Heimat gefunden haben, ist dem Louvre als Endstation der Konfiszierungen der Großteil meiner Arbeit gewidmet. Anhand dieser Institution werde ich untersuchen, auf welche Weise, das „Zentrum der zivilisierten Welt“ von Rom nach Paris verlagert werden sollte.[3]
Die Behandlung des Louvre zu dieser Zeit verlangt eine ausführliche Beschäftigung mit der Figur des Museumsdirektors Dominique-Vivant Denon, der den Louvre ab 1802 maßgeblich prägte und ihn zum führenden Kunstmuseum Europas avancieren ließ.
Wenn Paris als „Zentrum der zivilisierten Welt“ gesehen wurde, bedeutet dies, dass es tatsächlich unter den ausländischen Betrachtern und Touristen eine Auseinandersetzung mit der Rolle Paris gab. Diese Auseinandersetzung untersuche ich anhand verschiedener zeitgenössischer Quellen. Dabei beziehe ich mich, wie der Titel meiner Arbeit bereits andeutet, vor allem auf den Louvre.
Ich untersuche die Ansichten von drei Paris-Reisenden:
Es handelt sich um Johann Friedrich Lorenz Meyer mit seinen Briefen aus der Hauptstadt und dem Innern Frankreichs, um Gustav Friedrich Waagen mit seinem dreibändigen Werk Kunstwerke und Künstler in England und Paris sowie um die Journals and Correspondence of Miss Berry von Mary Berry.
Die Beobachtungen zu den Entwendungen von Kunstwerken aus Rom beziehen sich auf Carl Ludwig Fernow mit seinen Römischen Briefen sowie die Correspondance des directeurs de l'Académie de France à Rome avec les Surintendants des Bâtiments, um den französischen Blickwinkel auf die „Akquisitionen“ in Rom zu gewährleisten.
Das Sujet der Kunst bietet sich für die Problematik, die ich untersuche, besonders gut an, da es zu öffentlicher Diskussion führte. Vor allem deutsche Intellektuelle beteiligten sich daran und waren sehr gut über die Geschehnisse in der italienischen Hauptstadt in spe informiert. Der Grund ihrer Teilnahme an der Diskussion war die gemeinsame europäische „Kunst- und Kulturgemeinschaft“[4], die sich besonders auf Italien und die Antike berief. Die Verletzung dieser Gemeinschaft wurde als Angriff auf die eigene Identität empfunden und wurden dementsprechend scharf kritisiert. Goethe stufte den Kunstraub als Vergewaltigung der italienischen Kunstkultur ein.[5]
Die Diskrepanz zwischen den Reaktionen in den Jahren 1796 bis 1798 – also in der Zeit der Akquisitionen in Italien – und denjenigen in den Jahren der Präsentation der Werke in Paris – besonders ab 1802, ist enorm.[6]
Die Akzeptanz der Kunstwerke in Paris wirft die Frage auf, ob das Projekt « Rome n'est plus dans Rome, elle est tout à Paris » als erfolgreich eingestuft werden kann – oder als gescheitert, wenn man es überhaupt in diesen Maßstäben beurteilen kann.
Um diese Fragestellung adäquat behandeln zu können, habe ich diese Arbeit folgendermaßen aufgeteilt: Zu Beginn beschäftige ich mich mit dem generellen Projekt der Sukzession Paris' auf Rom, um anschließend den Louvre als Hort der europäischen Kunst präsentieren zu können. Ausgewählte Zeugnisse von Zeitgenossen bilden das dritte Bindeglied dieser Arbeit.
In meiner Arbeit beziehe ich mich unter anderem auf die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy sowie auf Thomas W. Gaethgens, aber auch auf den „Klassiker“ von Paul Wescher Kunstraub unter Napoleon sowie auf den Museumskatalog der aktuellen Ausstellung im Musée Carnavalet Napoleon et Paris. Rêves d'une capitale in Paris.
Mit dem Anspruch auf Herrschaft wird generell auch der Anspruch auf den Besitz der herrschaftlich-maßgeblichen Kunst erhoben. Diese soll in der Hauptstadt gesammelt werden, um Reichtum und Größe der Hauptstadt auszudrücken und Macht und Überlegenheit zu symbolisieren.[7] In diesem Kontext liest sich folgender Aussage vom Politiker Boissy d'Anglas vom 13. Februar 1794: „ Que Paris soit donc la capitale des arts […], l'asile de toutes les connaissances humaines et le dépôt de tous les trésors de l'esprit. “[8] Festzuhalten ist, dass die Idee des Kunstraubes nicht von Napoleon stammte, sondern während der Revolution geboren wurde.[9]
Das Konzept politischer Repräsentation ist mit dem „Invention of tradition“-Konzept von Eric Hobsbawm und Terence Ranger[10] verbunden. Demzufolge gehört zur Dynamik des Nationalen die Integration von „artecraft, invention and social engineering“[11]. Es wird eine gemeinsame Vergangenheit zwischen den eroberten Objekten und der Hegemonialmacht hergestellt. Gleichzeitig trägt dieses Vorhaben zum erfolgreichen Prozess der „Entstehung“ einer Nation bei, da er nicht nur die rationale sondern besonders die„ästhetisch-affektiv[e]“[12] Ebene anspricht. Dieser Auffassung ist auch Marie-Alix Laporte in ihrer Arbeit Les saisies d'oeuvres d'art durant le Triennio révolutionnaire, wenn sie schreibt: „L'art, chargé de vertus civiles capables d'exalter la nation française et de fortifier le sentiment national sera un vecteur de progrès du citoyen et d'émulation“[13]. Für sie gehört allerdings zum Prozess der Nationalisierung die Pädagogik wesentlich dazu. Unter den politischen Eliten verbreitet ist die Vorstellung, dass „das Volk“ auf eine höhere Entwicklungsstufe gehoben werden müsste – dadurch soll es „erzogen“ und „verbessert“ werden. Dadurch wird der Prozess der Nationalisierung – im Sinne der Entwicklung des Nationalgefühls – vorangetrieben.
Inwiefern dies geschehen ist, und warum Paris ausgerechnet Rom ersetzen sollte, wird im folgenden Kapitel zu klären sein.
Johann Joachim Winckelmann, der als geistiger Begründer des Klassizismus im deutschsprachigen Raum gilt und dessen Einfluss auf die deutsche intellektuellen Kreise außerordentlich nachhaltig war, schreibt in seinem Werk: Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst: „ Der einzige Weg für uns, groß, ja, wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten“[14]. Für ihn ist die Antike – mit den Worten Rainer Wahls - „die Norm aller Normen“[15]. Dass sich diese kulturelle Vorrangstellung auch auf die politische Repräsentation und Machtdarstellung übertrug, war angesichts der in Europa traditionell engen Verbindung von Kunst und Politik naheliegend.
In Kunstraub unter Napoleon hat Paul Wescher gezeigt, wie sehr die Zeit der Revolution durch das Vorbild der römischen Republik beeinflusst wurde.[16] Dieser Einfluss ging über die Kunst hinaus und umfasste propagandistische Maßnahmen, die sich in Revolutionsfeiern und Architektur äußerten – auf die fête des arts werde ich im Kapitel II.3 noch genauer eingehen – auch auch im alltäglichen Leben – in der Mode.
In seinen Briefen erwähnt Johann Meyer, dass die antike Kunst sich in dem Pariser Stadtbild widerspiegele: „[V]or den Budenfenstern der Friseure sieht man ganz gut gerathene Kopien griechischer Büsten, von Pappe, als Perükenstöke, und die Benennungen: à la Cléopatre, à la Niobé“[17]. Das Konzept der Antike umfasste auch die Kultur des alten Ägypten: gerade der Körperkult wurde stark durch die Ägyptomanie beeinflusst, die Denons Werk Voyage dans la Basse et Haute Égypte, das er während der Expedition von 1798 und 1799 verfasste, ausgelöst hatte. So schreibt Meyer weiter „Egyptische Sphinxe sind Generaldekorationen, egyptische Erde ist die Leibfarbe der Männer und Weiber“[18].
Sich jedoch „nur“ auf die antike Kunst zu beschränken widerspräche dem Programm der Revolutionäre, die, wie es Boissy d'Anglas 1794 ausdrückte, in Paris „toutes les connaissances humaines“[19] sammeln wollten.
Diesem revolutionären Programm folgend, wollte Napoleon zum Beispiel eine Bibliothèque impériale einrichten lassen – und sie mit dem Louvre verbinden. Dieser Plan führte zu einem lokalen Kulminationsort der Kultur –, dessen Anspruch lautete: „Il doit résulter de cette opération […] que lorsqu'on ne trouvera pas un livre à la Bibliothèque impériales, il sera certain que cet ouvrage n'existe pas en France.“[20].
Neben der Zurschaustellung bereits vorhandener Kunst legte Napoleon auch Wert auf die angemessene Ausbildung einer französischen Schule, die Werke schaffen sollte, die die die antiken Kunstwerke an Ruhm übersteigen würden: „J'ai à cœur de voir les artistes français effacer la gloire d'Athènes et de l'Italie“[21]. In diesem Zusammenhang ist auch sein Auftrag vom 22. Oktober 1802 zu sehen, nach dem alle zwei Jahre vier Gemälde über die französische Nation und zwei Statuen von bedeutenden Franzosen hergestellt werden sollten.[22]
Napoleon erweiterte Paris nicht nur durch Skulpturen, sondern durch eine Reihe architektonischer Projekte.
Um Napoleons Ziel, Rom in Paris wiederauferstehen zu lassen[23], zu begreifen, muss man auch die kaiserlichen Bauten in den Blick nehmen. Hier wird seine Affinität für Rom und die Antike besonders greifbar.
Architektur war zur Zeit der Revolution und der napoleonischen Herrschaft eine der wenigen Kanäle, durch die Macht symbolisch zum Ausdruck gebracht – und mit dem Volk kommuniziert wurde. Daher ist es angebracht, sich im Rahmen dieser Arbeit auch mit der napoleonischen Architektur zu beschäftigen. Dabei greife ich vor allem auf den Ausstellungskatalog Napoleon et Paris. Rêves d'une capitale von der gleichnamigen von April bis August dauernde Ausstellung im Musée Carnavalet in Paris zurück.
Napoleons Programmideen und Normmodelle, die durch die Konstruktion bestimmter Gebäude zum Ausdruck gebracht werden sollten, lassen sich an drei großen Projekten begreifen. Dazu werden hier der Arc de Triomphe, la Madeleine und der Éléphant de la Bastille vorgestellt.
„La ville de Paris manque de monuments, il faut lui en donner“[24], durch die Verschönerung der Stadt will Napoleon aus „Paris la véritable capitale de l'Europe“[25] machen.
Dies setzt den Wunsch voraus, andere Städte – besonders London – hinter sich zu lassen und die eigene Hauptstadt als Modellstadt durchzusetzen.[26]
In der von ihm gewünschten Architektur finden sich häufig Analogien zum antiken Rom. Beispielsweise im Konzept des Triumphbogens – von denen es in Paris mehrere gibt.
Besonders zwei sind dabei herauszustellen – zum einen der A rc de Triomphe du Carrousel, zum andern der sowohl größere als auch bekanntere A rc de Triomphe de l'Étoile.
1805 soll Napoleon zu seinen Soldaten in Austerlitz gesagt haben: „Vous ne rentrerez dans vos foyer que sous des arcs de triomphe“[27]. Als Sieger wird Napoleon mit seinen Soldaten so in Paris einziehen, wie es römische Feldherren im antiken Rom bereits taten. Architektur und triumphales Verhalten entstammen der römischen Symbolik.
Der Arc de triomphe du Carrousel steht zwischen den Tuilerien und dem Louvre. Von den Architekten Percier und Fontaine zwischen 1806 und 1808 geplant, ist er stark durch den Septimius-Severus-Bogen in Rom beeinflusst worden. Er ist reich dekoriert und stellt die verschiedenen Siege der Grande Armée dar. Da der Arc de triomphe du Carrousel völlig frei vor den Tuilerien steht, bietet er einen triumphalen Eingang zu diesem Palast.
Eine Besonderheit dieses Bogens stellt die Quadriga dar. Sie wurde nämlich mit Venedigs Rossen von San Marco geschmückt. Damit stellt der Triumphbogen einerseits den Ruhm der Armee dar, andererseits bindet er aber auch die unterlegenen Länder mit der dort gemachten Beute in die Pariser Stadtlandschaft ein. Dies ist ein passendes Beispiel für das „invention of tradition“-Konzept von Hobsbawm und Ranger.[28] Die Pferde krönen den Triumphbogen und werden als Trophäe in den Triumph integriert. Sie werden als Teil der Hegemonialmacht angesehen und können daher „rechtmäßig“ als Teil des französischen Triumphs angesehen werden.
In ungleich größerem Ausmaß berühmt ist der Arc de Triomphe de l'Étoile. Als Paris-Reisender aus 1814 zieht Waagen den Vergleich mit den antiken Triumphbögen und stellt fest, dass dieser Triumphbogen „alle, von denen wir aus dem Alterthum Kunde haben“[29] in jeglicher Hinsicht übertreffe. Es ist hier tatsächlich die Analogie zur Antike, die in der zeitgenössischen Bewertung eine wichtige Rolle spielt, vor allem die schiere Größe des Projekts. Das Zusammenspiel von Triumphbogen und Feldherr verkündete die politische Botschaft in der Sprache der antiken Symbolik: Napoleon ist der größte aller Feldherren.
Neben der Bauart sind es auch die Insignien, die Napoleons Anspruch deutlich machen: Er wird sehr oft mit Lorbeerkranz auf dem Kopf dargestellt, Adler begleiten ihn auf seinem Weg, auch Blitze zucken um das Akronym N.[30]
Eine weitere Monumentalisierung des herausragenden Feldherren ist der Éléphant de la Bastille.[31] Napoleon forderte „qu'on voie comme les anciens les plaçaient et de quelle manière ils se servaient des éléphants“[32]. Dieses Werk steht in einer Reihe von „monuments éléphantesques“[33]. Es ist möglich, dass Napoleon durch den Obelisco della Minerva in Rom die Inspiration für „seinen“ Elefanten in Paris fand. Der Pariser Elephant war am Ende gewaltiger als der römische und vertrat damit schlüssig die Forderung , Rom als Zentrum der alten Welt zu übertreffen.
Sicher ist, dass Napoleon mit diesem Werk die eine heroische „Verwandtschaft“ zu Alexander dem Großen und Hannibal herstellen wollte. In Napoleons geschichtspolitischer Operation ging es um die propagandistische Einreihung seiner eigenen militärischen Leistung in die Ahnenreihe der legendären Feldherren und seiner eigenen Hauptstadt in die Reihe der weltberühmten Machtzentren. Tatsächlich sprechen aber einige Indizien dafür, dass es vor allem die Exotik des Tieres war, die auf das breite Publikum gewirkt und für die Popularität des Monuments gesorgt hat.[34]
Der Elefant sollte eigentlich aus Bronze gegossen werden, doch dazu kam es nicht – er stand bis 1846 als Gipsfigur[35]. Er war ein Anziehungspunkt aufgrund seiner „dimension ludique“[36] - 50 Fuß lang und 45 hoch[37]. Für Napoleon war dies ein wichtiges Projekt, wie aus dem komplexen Briefwechsel mit seinem Innenminister Cretet hervorgeht. Napoleon erwartete sich viel von dem Projekt. Er äußert seine Erwartungen folgendermaßen: „ Je suppose […] qu'il sera très-beau et dans de telles dimensions qu'on puisse entrer dans la tour qu'il portera“[38].
Ein weiteres immenses Monument, das Napoleon der Armee widmete ist der Temple de la Gloire, der heute die Kirche La Madeleine, ist.
Dieses Monument hat die Form eines antiken Tempels. In ihm sollten die „premières publications solennelles de la paix et la distribution des prix décennaux“[39] gefeiert werden. Dieses Bauwerk sollte an die Tempel des Gottes Janus angelehnt sein. Es ist davon auszugehen, dass Napoleon diese Götterfigur bewusst gewählt hat. Janus steht in der römischen Mythologie für den Blick in die Geschichte und in die Zukunft: Beides beanspruchte Napoleon für sich: das Traditionsbewusstsein und den Weitblick in die Zukunft.
Der Mythos der neuen bonapartischen Herrschaft sollte folglich in einem eigenen Monument verdichtet werden.
Die Siege der Grande Armee hingegen sollten in dem Invalidendom ausgestellt werden. Meyer, der die Kirche besichtigte schreibt: „ Unter der Kuppe vor dem hohen Dom, vordem die Stelle des Hochaltars, steht auf einer Estrade die bekannte schöne Statue des ruhenden Kriegsgottes von Bronze. Um ihn her, sind Trophäen der letzten Siege in Egypten und bei Marengo, Tafeln mit den Namen belohnter Krieger, Schilder mit den Namen der Armeen, und ihren Thaten “[40]. Der Invalidendom wechselte seinen Namen und wurde zum „Tempel des Mars“ umgewidmet. Die Übernahme des römischen Kults der Verehrung verschiedener Götter ist ein besonderer – aber logischer – Schritt der Herstellung des napoleonisch-römischen Mythos.
Napoleons Siege und Friedensschlüsse wurden öffentlichkeitswirksam ausgestellt und mit bekannten Figuren der Mythologie und Geschichte verschmolzen. So entsprach es auch Napoleons Ziel: „Paris est au-dessus des autres villes de France. Je voulais que cette capitale écrasât par sa splendeur toutes celles de l'univers“. Abgesehen von der beeindruckenden Architektur war es ihm auch wichtig, die Lebensqualität in Paris zu steigern.[41]
Die oben genannten Leitlinien der napoleonischen Architektur lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Paris sollte „une nouvelle Rome semée de monuments grandioses“[42] werden. Dies kam zum Ausdruck durch die direkten Analogien zum kaiserlichen Rom, in Abgrenzung zum republikanischen Rom, das die Revolutionäre verehrt hatten, durch die ins Stadtbild integrierten Insignien und die Integrierung fremder Kunstwerke in neugeschaffene Monumente. So sollte ein neuartige Kontinuität geschaffen werden. Dabei ging es allerdings nicht um Genealogien oder historische Entwicklungslinien, die in Napoleon ihre Vollendung fänden; vielmehr bediente er sich der Glorie und des Ruhms der Antike, an die Paris anschließen sollte. Aber Paris sollte nicht nur imperial-grandios, sondern auch komfortabel und modern sein. Dies wird durch zwei Beispiele deutlich: 1) Die Hausnummern an den Pariser Hauswänden, durch die die Stadt genauer geordnet werden konnte und 2) Napoleons Wunsch, eine beheizte „promenade d'hiver“[43] in Paris zu bauen, dank derer das Flanieren durch die Stadt angenehmer werden sollte.
Gesteigerte Lebensqualität und ein beeindruckendes Stadtbild sind jedoch nicht alles, was zu einer „adäquaten“ Propaganda gehört.
[...]
[1] Bénédicte Savoy; Tom Heithoff; Nicolas Labasque: Kunstraub. Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen, Wien: Böhlau 2011, S.217.
[2] Bénédicte Savoy: Erzwungener Kulturtransfer – Die französische Beschlagnahmung von Kunstwerken in Deutschland 1794-1815, in: Sigrun Paas, Sabine Mertens (Hrsg.), Beutekunst unter Napoleon. Die „französische Schenkung“ an Mainz von 1803, Mainz: Philipp von Zabern 2003, S.137.
[3] Cecil Gould: Trophy of Conquest, London: Faber and Faber 1965, S.43
[4] Savoy: Kunstraub, S. 19.
[5] Savoy: Erzwungener Kulturtransfer, S. 142 f.
[6] Da ich dieses Thema jedoch nicht weitergehend behandeln kann, verweise ich an dieser Stelle auf Bénédicte Savoy: Kunstraub.
[7] Vgl. Rainer Wahl: Kunstraub als Ausdruck von Staatsideologie, in: Volker Michael Strocka (Hrsg.), Kunstraub – Ein Siegerrecht? Historische Fälle und juristische Einwände, Berlin: Willmuth Arenhövel 1999, S.29.
[8] Zitiert nach: Marie-Alix Laporte: Les saisies d'oeuvres durant le Triennio révolutionnaire: réactions françaises et ialiennes, Master Grenoble 2008, S.17.
[9] Vgl. Savoy: Erzwungener Kulturtransfer, S.137.
[10] Vgl. Heike Rausch: Kultfigur und Nation. Öffentliche Denkmäler in Paris, Berlin und London 1848-1914, München: Oldenburg 2006, S.19.
[11] Ebd.
[12] Ebd. S.20.
[13] Laporte: Les saisies d'oeuvres durant le Triennio révolutionnaire, S.5.
[14] Johann Joachim Winckelmann: Gedanken ueber die Nachahmung der griechischen Werke in der Malery und Bildhauerkunst, Dresden 1756, S.3. [Frage: ist es im Original Malery oder Malerei?]
[15] Wahl: Kunstraub als Ausdruck von Staatsideologie, S.30.
[16] Vgl. Paul Wescher: Kunstraub unter Napoleon, Berlin: Gebr. Mann Verlag 1976, S. 26.
[17] Friedrich Johann Lorenz Meyer: Briefe aus der Hauptstadt und dem Innern Frankreichs, Band 1, Tübingen 1803, S.96.
[18] Ebd., S.121.
[19] Zitiert nach: Laporte: Les saisies d'oeuvres durant le Triennio révolutionnaire, S.17.
[20] Henri Plon (Hrsg.): Correspondance de Napoléon Ier. Publiée par ordre de l'Empereur Napoléon III. Band 10, Paris 1862, Note pour le Ministre de l'Interieur, vom 6. Feburar 1805, S.139.
[21] Henri Plon (Hrsg.): Correspondance de Napoléon Ier. Publiée par ordre de l'Empereur Napoléon III. Band 16, Paris 1864, Allocutationa une députation de l'Institut, vom 5. März 1808, S.389
[22] Vgl. Henri Plon (Hrsg.): Correspondance de Napoléon Ier. Publiée par ordre de l'Empereur Napoléon III. Band 8, Paris 1861, S.76 f. In einem Arrêté vom 22. Oktober 1802 äußert sich Napoleon sehr präzise zu den Modalitäten dieser Kunstproduktion.
[23] Vgl. Ferdinand Boyer: Le monde des arts en Italie et la France de la Révolution et de l'Empire. Etudes et recherches, Biblioteca di Studi Francesi 4, Turin: Società Editrice Internazionale 1969, S. 281.
[24] Zitiert nach: Thierry Sarmant, Florian Meunier, Charlotte Duvette, Philippe de Carbonnières (Hrsg.): Napoléon et Paris. Rêves d'une capitale, Paris: Musée Carnavalet, S. 210.
[25] Zitiert nach: Ebd. S.14.
[26] Jean-Philippe Garric: La plus belle des capitales: le bilan architectural de Napoléon à Paris, in: Thierry Sarmant, Florian Meunier, Charlotte Duvette, Philippe de Carbonnières (Hrsg.): Napoléon et Paris. Rêves d'une capitale, Paris: Musée Carnavalet, S. 185
[27] Ebd. S.192.
[28] S.o.
[29] Gustav Friedrich Waagen: Kunstwerke und Künstler in England und Paris, Band 3, Berlin 1839, S. 761.
[30] Die Säule vom Place Vendôme ist repräsentativ für Napoleons Darstellung als Imperator. Diese 44 Meter hohe Säule sollte eigentlich den verschiedenen Départements gewidmet sein. Denon überzeugte Napoleon jedoch davon, dass sie besser dazu geeignet wäre, die Grande Armée zu rühmen. Sie wurde nach dem Vorbild der Trajanssäule in Rom erbaut und trägt eine Statue von Napoleon. Dieser wurde von Antoine-Denis Chaudet als römischer Herrscher dargestellt: in einer Toga, mit Lorbeerkranz und in der linken Hand eine geflügelte Viktoria, in der rechten ein abgesenktes Schwert haltend. Diese weithin sichtbare Darstellung von Napoleons imperialer Herrschaft im Sinne einer Friedensherrschaft ist ein besonders aufsehenerregendes Monument. (Vgl. Irène Delage: La colonne Vendôme, heurs et malheurs d'un symbole historique, in: Thierry Sarmant, Florian Meunier, Charlotte Duvette, Philippe de Carbonnières (Hrsg.): Napoléon et Paris. Rêves d'une capitale, Paris: Musée Carnavalet, S.263 f.)
[31] S. Anhang 1.
[32] Henri Plon (Hrsg.): Correspondance de Napoléon Ier. Publiée par ordre de l'Empereur Napoléon III. Band 18, Paris 1865, S.140. Lettre à M. Cretet, vom 21. Dezember 1808.
[33] Garric: La plus belle des capitales, in: Napoléon et Paris, S.187.
[34] Vgl. Jean-Antoine Alavoine le Chevalier: Projets pour la fontaine de l'Éléphant, place de la Bastille, in: Thierry Sarmant, Florian Meunier, Charlotte Duvette, Philippe de Carbonnières (Hrsg.): Napoléon et Paris. Rêves d'une capitale, Paris: Musée Carnavalet, S.231, sowie Euryale Cazeux, Édouard Charton: Le magasin pittoresque/ publiée... sous la direction de M. Édouard Charton, Serie 1 Band 2 (1834), Paris, S. 159-160 und Émili Fouquet: Le magasin pittoresque/ publiée... sous la direction de M. Édouard Charton, Serie 3 Band 5 (1904), Paris, S.282-284.
[35] Der Elefant verlor sein Prestige, da er von Witterung und Ratten befallen war und von Obdachlosen als Schlafort genutzt wurde. Daher wurde er 1846 abgerissen.
[36] Garric: La plus belle des capitales, in: Napoléon et Paris, S.187.
[37] Dies entspricht etwa 15 Metern Länge und knapp 14 Meter Höhe.
[38] Plon (Hrsg.): Correspondance de Napoléon, Band 18, S. 140 . Lettre à M. Cretet, vom 21. Dezember 1808.
[39] Ebd.: S. 79. Lettre au Prince Cambacérès vom 26. November 1808.
[40] Friedrich Johann Lorenz Meyer: Briefe aus der Hauptstadt und dem Innern Frankreichs, Band 1, Tübingen 1803, S. 264.
[41] Zwischen den Jahren1801 und 1811 steigt die Bevölkerungsrate um 13,67%. Sprich von 547.756 auf 622.631 Einwohner. Dies spricht wahrscheinlich auf der einen Seite für eine bessere Hygiene und Sicherheit auf der Stadt, andererseits auch für den Zuzug von Franzosen und Ausländern, die in Paris lebten. (Vgl. Valérie Gauillaume: Préface, in: Thierry Sarmant, Florian Meunier, Charlotte Duvette, Philippe de Carbonnières (Hrsg.): Napoléon et Paris. Rêves d'une capitale, Paris: Musée Carnavalet, S.5.)
[42] Thierry Sarmant, Florian Meunier: L'empereur et sa capitale, in: Thierry Sarmant, Florian Meunier, Charlotte Duvette, Philippe de Carbonnières (Hrsg.): Napoléon et Paris. Rêves d'une capitale, Paris: Musée Carnavalet, S.16.
[43] Plon (Hrsg.): Correspondance de Napoléon, Band 18, S.20. Note dictée en Conseil d'Administration de l'Interieur vom 15. Oktober 1808.
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