Diplomarbeit, 2016
23 Seiten, Note: 5.0
1 Einleitung
2 Situationsbeschreibung
3 Problemstellung
4 Ziel
5 Vorgehensweise und Abgrenzung
6 Ausgangssituation und Grundlagen
6.1 Beschreibung der Ist-Situation
6.2 Physiologische Grundlagen
6.2.1 Hämostase
6.2.2 Physiologie des Hämostasesystems
7 Vergleich der Alternativen
7.1 Druckverband
7.1.1 Funktionsweise des Druckverbandes
7.1.2 Anwendungsbereiche und Grenzen des Druckverbandes
7.1.3 Funktionsweise der ITClamp
7.1.4 Anwendungsbeispiele der ITClamp
7.1.5 Anwendungsbereiche und Grenzen der ITClamp
7.2 Der Einsatz von Hämostyptika am Beispiel von Celox
7.2.1 Funktionsweise von Celox
7.2.2 Anwendungsbeispiele von Celox
7.2.3 Anwendungsbereiche und Grenzen von Hämostyptika bzw. Celox
8 Die Alternativen im Kontext zum geschilderten Fall
8.1 Verwendung eines Druckverbandes
8.2 Verwendung der ITClamp
8.3 Verwendung von Celox
9 Beleuchtung der betriebswirtschaftlichen Aspekte
9.1 Materialkosten der Alternativen
10 Subjektive Beurteilung der Alternativen im Kontext des Falles
11 Objektive Beurteilung der Alternativen
12 Fazit
13 Quellenverzeichnis
Seit meinem ersten Tag im Rettungsdienst im Herbst 2003 ist es immer wieder vorgekommen, dass ich Patienten behandelte und mir dachte, da hätte ich mehr machen können. Aber die entsprechende Ausrüstung war entweder nicht verfügbar, oder noch in der Entwicklung.
Auch neulich hatte ich wieder einen Fall, bei dessen Behandlung ich gerne mehr gemacht hätte. Inzwischen ist in der Forschung und Entwicklung von Materialien zur Trauma Behandlung einiges passiert. Neue Materialien wurden entwickelt und erprobt, haben aber noch keinen Eingang in die Routine der Rettungswachen gefunden.
Es war wieder so ein „Klassischer“ Fall: ein junger Mann war bei einer Feierlichkeit kurz Unaufmerksam und schon war es passiert. Durch eine unglückliche Bewegung, stösst sich der junge Mann die Hand und hatte dabei eine Glasflasche in der besagten Hand, welche bei dem Missgeschick zerbrach. Er zog sich dadurch eine ca. 5 cm lange und 1 cm tiefe Wunde zu. Die Hand war zwar nur einseitig verletzt worden und es kam augenscheinlich zu keinem Verbleib von Fremdkörpern in der Wunde, aber aufgrund der starken Blutung trat bereits zunehmende Taubheit der Finger auf. Bis zur ersten Begutachtung sind aufgrund von Ausrücke- und Anfahrtszeit bereits ca. 25 Minuten vergangen. Diese relativ lange Zeit, begründet sich mit der Tatsache das zwischen 18:00 Uhr und 08:00 Uhr die zuständige Ambulanzbesatzung im Pikettdienst ist. Nach dem Eintreffen am Einsatzort wurde der Patient vom Ort des Geschehens zur Ambulanz verbracht und eine genaue Inspektion der Hand erfolgte. Das vorrangige Ziel war das Stoppen der Blutung. Als mögliche Alternativen stand die Anlage eines Druckverbandes oder ein Tourniquet zur Auswahl.
Neben dem Stoppen der Blutung galt es auch, die Durchblutung der Finger aufrecht zu erhalten. Daher schloss ich das Tourniquet als Mittel der Wahl aus, da das Anlegen des Tourniquets die Durchblutung der minderversorgten Finger ganz zum Erliegen gebracht hätte, und beschränkte mich auf die Versorgung mit einem Druckverband als letzte Alternative. Die Durchblutung, Motorik und Sensibilität der distalen Bereiche war zwar vorhanden, aber es waren bereits leichte Einschränkungen in allen drei Punkten erkennbar. Durch die Lager der Verletzung in der Handinnenfläche konnte die Blutung zwar erstversorgt werden, aber die Blutung konnte nicht vollständig gestoppt werden.
Nach der Erstversorgung musste zügig eine adäquate Wundversorgung in einem Spital mit Handchirurgie ermöglicht werden. Das nächstliegende Spital war 70 km entfernt, was einer Fahrzeit von ca.1 Stunde entsprach. Durch eine Telefonkonferenz mit dem Notruf 144 und dem Spital kam ich zur Erkenntnis, dass ein Hubschraubertransport vermutlich mindestens ebenso lange gedauert hätte. Unter Berücksichtigung aller Aspekte entschloss ich mich ins Spital zu fahren. Da die anhaltende Blutung noch immer nicht zum Stillstand gekommen war, verabreichte ich dem Patienten eine adäquate Analgesie und ergänzte den vorhandenen Druckverband.
Der Patient konnte nach einer Fahrzeit von ca. 45 Minuten, schmerzfrei und mit einer halbwegs stehenden Blutung im Spital übergeben werden. Bereits nach dem Retablieren der Ambulanz konnte mir der diensthabende Chirurg bereits erste Aussagen tätigen. Die Hand des jungen Mannes war in der Innenseite aufgerissen und eine Durchtrennung von Blutgefässen und Muskeln war zu erkennen. Es bestand eine deutliche Unterversorgung von Zeige-, Mittel- und Ringfinger und eventuell lag noch eine Verletzung des Nervs vor.
Zurückblickend stand mir keine Alternative zum Druckverband zur Wundversorgung zur Verfügung. Inzwischen gibt es jedoch weitere Möglichkeiten Verletzungen dieser Art zu versorgen.
Im geschilderten Fall standen mir zwei Handlungsoptionen zur Verfügung, wovon die eine – das Anlegen eines Tourniquets – die Gewährleistung der Durchblutung nachfolgender Strukturen gefährdet hätte, und die andere – das Anlegen eines Druckverbandes – die Blutung nicht vollständig zum Stillstand brachte. Auch wenn die Situation in diesem Fall zu keinem Zeitpunkt lebensbedrohlich war, wünscht man sich als Rettungssanitäter in Fällen wie diesen, dass mehr als diese zwei Alternativen zur Verfügung stehen.
Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich am Beispiel des geschilderten Falls und mit Hilfe von verschiedenen Produktbeschreibungen, einzelnen Studien und der Reflexion des Istzustandes alternative Versorgungsmöglichkeiten von stark blutenden Wunden erarbeiten.
Nach einer kurzen Beschreibung der Ist-Situation und der Funktionsweise der physiologischen Hämostase stelle ich im Vergleich zum Druckverband die ITClamp und das Produkt Celox vor und beschreibe deren Funktionsweise am oben geschilderten Fall. Auch auf die Kostensituation der Alternativen werde ich kurz eingehen.
Eine abschliessende Bewertung und Beurteilung der Alternativen lässt der Rahmen dieser Arbeit nicht zu. Aber sie kann als Grundlage für weitere und tiefere Bearbeitung des Themas herangezogen werden.
Die Versorgung von stark blutenden Wunden, wird in den meisten Kursen nur bei extremen Verletzungen wie einer Amputation erwähnt. Bei einer Verletzung der Hand mit den daraus resultierenden Folgeschäden, wird meist das Abbinden der Extremität beschrieben. Empfohlen wird zum Beispiel die direkte Kompression des blutenden Gefässes durch einen Druckverband. Sollte dieser Verband nicht ausreichen, ist ein zweiter darüberzulegen. Als nächster Schritt ist auch hier das Abbinden der verletzten Stelle empfohlen. (D. Kühn, 2004, S. 439).
Andere Hilfsmittel wie Hämostatika oder die iTClamp werden meist nur in Publikationen der Hersteller oder in Untersuchungen durch das Militär erwähnt. Eine eindeutige Empfehlung in aktuellen Lehrbüchern, konnte ich nicht finden. Auch ist eine flächendeckende Verbreitung im zivilen Rettungsdienst in meinen Recherchen nicht aufgefallen.
Um die unterschiedlichen Wirkungsweisen von Druckverband, ITClamp und Celox zu verdeutlichen, werde ich kurz auf das körpereigene Gerinnungssystem eingehen.
Die Hämostase ist das Zusammenspiel physiologischer Prozesse, die zum Stillstand einer Blutung führen und in die drei Schritte Vasokonstriktion, Adhäsion und der Thrombusbildung also dem Verschluss der Blutung unterteilt werden.
Durch das Ineinandergreifen von einer Vasokonstriktion und die darauffolgende Adhäsion, also das Anhaften von Thrombozyten an die Innenwand der Blutgefässe, kommt es zu einem Verschluss der Blutung durch Fibrin und Thrombozyten. Diese drei Schritte werden meist als primäre und sekundäre Hämostase bezeichnet, wobei die primäre Hämostase die Vasokonstriktion und Adhäsion beinhaltet. Alle drei Schritte laufen fliessend ineinander über, so dass die sekundäre Hämostase, die Blutgerinnung einschliesst.
6.2.1.1 Primäre Hämostase
Bei der Vasokonstriktion kommt es zur einer Verengung der Gefässabschnitte vor der eigentlichen Verletzung. Dadurch wird der ausströmende Blutstrom verringert. Die Thrombozytenadhäsion kann durch den von-Willebrand-Faktor (vWF) entstehen. Der vWF sorgt für die Verbindung der Thrombozyten an die verletzte Gefässwand. Der vWF ist ein Glykoprotein, das die Thrombozytenadhäsion initiiert und den Faktor VIII vor Proteolyse schützt. Die Aggregation der Thrombozyten wird durch einen Adhäsionsrezeptor ermöglicht, dieser wird erst nach Aktivierung der Thrombozyten freigesetzt. Die stimulierten Plättchen verursachen eine weitere Anlagerung von Thrombozyten. Zu Beginn ist die Aggregation der Thrombozyten noch reversibel, bei Erreichen einer bestimmten Konzentration der Freisetzungsprodukte wird der gesamte Vorgang irreversibel. Im Laufe der Aktivierung von Thrombozyten kommt es zur Freisetzung der Aktivatoren des Gerinnungssystems. Das entstandene Fibrinogen vernetzt sich mit den Thrombozyten zu einem Netz, das im Gesamten den Thrombus bildet.
6.2.1.2 Sekundäre Hämostase
Die eigentliche Blutgerinnung führt zur Ausbildung eines festen Netzes aus Fibrin, Thrombozyten und eingebetteten Erythrozyten was im gesamten den Thrombus darstellt. Es werden in der Gerinnungskaskade zwei Systeme differenziert. Die intrinsische und die extrinsische Gerinnungskaskade. Der treppenartige Ablauf führt zur Aktivierung eines oder mehrerer Faktoren. Beide Systeme münden durch die Bildung von Faktor X in der Thrombinbildung, was als Faktor II dargestellt ist. Dadurch entsteht wiederum Fibrinogen.
Das intrinsische System stellt überwiegend die Reaktionen an der Oberfläche aktivierter Thrombozyten dar und unterhält die weitergehende Fibrinbildung. Hierbei sind der Faktor VIII und der von-Willebrand-Faktor von wesentlicher Bedeutung.
Der Faktor VIII ist ein multimeres Glykoprotein, das in Endothelzellen und Megakaryozyten synthetisiert wird und sich im Plasma und in Thrombozyten nachweisen lässt. Er dient der Gerinnungskaskade als Katalysator bei der Aktivierung von Faktor X um bis zu drei Zehnerpotenzen und mehr. Um diese Funktion ausüben zu können, muss der Faktor VIII mit Hilfe von Thrombin aus seinem Kofaktor und Trägerprotein, dem von-Willebrand-Faktor, herausgelöst werden. Der von-Willebrand-Faktor führt den Faktor VIII an den Ort der Blutung und stellt eine Verbindung zwischen den Glykoproteinrezeptoren GPIIa und GPIIb/IIIa der Thrombozyten und dem Endothel her. Das extrinsische System reagiert durch Kontakt mit extravaskulärem Gewebsthromboplastin (Tissue Factor) mit einer Aktivierung des Faktors VII zu Faktor VIIa, welcher zusammen mit Kalzium den Faktor X zu Faktor Xa aktiviert. Hier mündet die extrinsische Gerinnungskaskade in den gemeinsamen Endweg der plasmatischen Gerinnungskaskade zusammen mit der intrinsischen Gerinnungskaskade.
Ab der Bildung von Faktor Xa verlaufen beide Schenkel der Gerinnungskaskade gemeinsam über die Verbindung von Faktor Xa und Faktor Va, welche als Prothrombinase-Komplex bezeichnet wird. Dieser spaltet in Anwesenheit von Calcium Prothrombin zu Thrombin (Faktor IIa), das sich von der Thrombozytenoberfläche löst und nun Fibrinogen zu Fibrinmonomeren spaltet. Die gleichzeitige Aktivierung von Faktor XIII durch Thrombin sorgt für die Quervernetzung der Fibrinmonomere zu Polymeren. (Antwerpes et all., 2016).
Ein funktionierendes Gerinnungssystem ist die Grundvoraussetzung zum Erreichen einer Blutstillung. Sollte der Patient bereits einen genetischen Defekt im Gerinnungssystem haben oder ist der Patient mit Medikamenten in der Gerinnung seines Blutes eingeschränkt, kommt es zu starken Problemen in der Trauma Versorgung. Im Verlauf dieser Arbeit wird ersichtlich werden, dass nicht alle Versorgungsarten auf eine funktionierende Gerinnung angewiesen sind. Im Folgenden wir das Hämostasesystem kurz erklärt.
Im thrombozytären System spielt der von-Willebrand-Faktor (vWF) eine wesentliche Rolle. Der vWF ist das Aktivierungselement zur Blutplättchen Aggregation in Verbindung mit dem Plättchen Membran Rezeptor. Ebenso ist der vWF für die Adhäsion der Plättchen am Endothel verantwortlich. Dadurch stellen Blutplättchen im thrombozytären System eine Instandsetzungsrolle dar. Die Plättchen haften dadurch an dem verletzten Endothel an. Diese Thrombenbildung kommt nur durch die Reaktion der Plättchen mit dem vWF zustande. Ohne die Reaktion der Plättchen mit dem vWF würde es nur zu einer reversiblen Ablagerung kommen. Und der gebildete Thrombus würde sich schnell wieder lösen. (Rupprecht, 2011: S. 5).
Der durch die primäre Thrombozytenaggregation entstandene Gefässverschluss wird durch das Plasmatische Gerinnungssystem, höher gradig Verfestigt. Der gebildete Thrombus aus Thrombozyten, Fibrin, Leukozyten und Erythrozyten wird mit dem vWF am Entstehungsort des Thrombus fixiert. Das Schlüsselenzym im plasmatischem System stellt hier das Thrombin dar. (Rupprecht, 2011: S. 6).
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