Bachelorarbeit, 2016
54 Seiten, Note: 1,0 ( sehr gut, 18 Punkte )
Vorbemerkung
A. AGB-Kontrolle von Klauseln über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten
I. Die Notwendigkeit der AGB- Kontrolle
II. Schutzwirkung des AGB-Kontrollrechts auf Arbeitsverträge
III. Bedeutung und Ziel von Klauseln über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten
IV. Die AGB- Kontrolle von Klauseln über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten
1. Eröffnung des Anwendungsbereichs einer AGB-Kontrolle auf Rückzahlungsklauseln
a) Rückzahlungsklausel als eine AGB i.S.d. § 305 I BGB
b) Rückzahlungsklauseln bei einmaliger Verwendung i.S.d. § 310 III BGB
2. Einbeziehung - Rückzahlungsklausel muss Vertragsinhalt geworden sein
a) Keine Einbeziehungskontrolle nach § 305 II, III BGB
b) Das Verbot überraschender Klauseln i.S.d. § 305c I BGB
3. Vorrang individueller Vertragsabrede, § 305b BGB
4. Prüfungsumfang bei Rückzahlungsklauseln
5. Inhaltskontrolle von Rückzahlungsklauseln gem. § 307 I 1 BGB
a) Zweistufige Angemessenheitsprüfung bei Rückzahlungsklauseln
b) Stufe I: Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln „dem Grunde nach“
aa) Das berechtigte Interesse: Geldwerter Vorteil
bb) Das berechtigte Interesse: Aus- und Fortbildungskosten
cc) Das berechtigte Interesse: Ausnahme vom geldwerten Vorteil
dd) Grafik zur Ermittlung des berechtigten Interesses
c) Stufe II: Ausgestaltung der Rückzahlungsklauseln im konkreten Fall
aa) Bindungsdauer
bb) Umfang der Rückzahlungsverpflichtung
(1) Erstattungspflichtige Beträge
(2) Höhe des rückzahlungspflichtigen Betrages
(a) Höhe des Rückzahlungsbetrages in Abgrenzung zur Vertragsstrafe
(b) Vertragsstrafe auch bei vermeidbaren Aufwendungen
(c) In Aus- und Fortbildungskosten enthaltenes Unternehmerrisiko
(d) Grafischer Vorschlag zur Ermittlung des maximalen Rückzahlungsbetrages
cc) Ratierliche Reduzierung der Rückzahlungsverpflichtung
(1) Stand der Rechtsprechung
(2) Binden statt „Fesseln“
(3) Jährliche ratierliche Reduzierung der Rückzahlungsverpflichtung unter Betrachtung des arbeitnehmerischen Gleichbehandlungsgrundsatzes
dd) Die Rückzahlungspflicht auslösende Umstände
(1) Beendigung des Arbeitsverhältnis
(a) Sphäre des Arbeitgebers
(aa) Betriebsbedingte Kündigung
(bb) Eigenkündigung veranlasst durch in der Arbeitgebersphäre liegende Gründe
(b) Sphäre des Arbeitnehmers
(aa) Kündigung auf eigenen Wunsch
(bb) Verhaltensbedingte Kündigung
(c) Sphärenzuordnungsproblematik bei personenbedingter Kündigung
(aa) Das In-der-Hand-Halten als Sphärenzuordnungskriterium
(bb) Verschulden ist In-der-Hand-Halten
(cc) Der Verschuldensbegriff i.S.d § 3 I 1 EntgeltfortzahlungsG als Schlüssel zur Sphärenzuordnungsproblematik
(2) Nichterreichen des Aus- und Fortbildungsziels
(a) Sphäre des Arbeitgebers
(aa) Nichterreichen des Aus- und Fortbildungsziels aufgrund unverschuldeten personenbedingten Gründen
(bb) Nichterreichen des Aus- und Fortbildungsziels trotz Anstrengungen
(cc) Nichterreichen des Aus- und Fortbildungsziels bei fehlender Überlegensfrist
(b) Sphäre des Arbeitnehmers
(3) Keine Übernahme nach Erreichen des Aus- und Fortbildungsziels
6. Transparenzgebot
a) Art und Berechnungsgrundlage der gegebenenfalls zu erstattenden Kosten
b) Andersartige Bezeichnung der Rückzahlungsklausel
B. Rechtsfolgen im Falle der Unwirksamkeit von Klauseln über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten
I. Das Rechtsfolgensystem des § 306 BGB
II. § 306 I BGB
1. Teilbarkeit von AGB mittels „blue-pencil-Test“
2. Die Anwendung des „blue-pencil-Tests“ auf Klauseln über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten
III. 306 II BGB
1. Lückenfüllung durch „Gesetzesrecht“
2. Lückenfüllung durch „eine vom Richter zu schaffende sachgerechte Regelung“, der ergänzende Vertragsauslegung
a) Die Legitimation der ergänzenden Vertragsauslegung
b) Abgrenzung der ergänzende Vertragsauslegung von der geltungserhaltenden Reduktion
aa) Die Rechtsfigur der geltungserhaltenden Reduktion
bb) Unterscheidungsmerkmale der ergänzenden Vertragsauslegung
cc) Keine Zwangsläufige Unterscheidung im Ergebnis
c) Die Voraussetzung der Ausfüllungsbedürftigkeit einer Vertragslücke
aa) Keine angemessene und die typischen Interessen der Vertragsparteien hinreichend berücksichtigende Lösung
bb) Unzumutbare Härte i.S.v. § 306 III BGB
cc) Schutzwürdigkeit des Arbeitgebers
dd) Systembruch
ee) Redlichkeit als ausschlaggebende Voraussetzung der Ausfüllungsbedürftigkeit
(1) Gründe für das Abstellen auf die Redlichkeit
(a) Gerechtfertigter Systembruch
(b) Kein Unterlaufen der Gründe für die geltungserhaltenden Reduktion
(c) Grundloses Abstellen auf unzumutbare Härte
(d) Gerechtwerden der Ziele des AGB-Kontrollrechts
(2) Redlichkeit im Falle der Schutzbedürftigkeit
d) Das Ausfüllen der ausfüllungsbedürftigen Vertragslücke
e) Grenzen der ergänzenden Vertragsauslegung
IV. § 306 III BGB
C. Fazit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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Das Wirtschaftsleben unter harten Wettbewerbsbedingungen macht es für Arbeitgeber unabdingbar, in die Aus- und Fortbildung ihrer Arbeitnehmer mit der Hoffnung zu investieren, dass sich diese Investition für das Unternehmen auszahlen wird. Verlässt der Arbeitnehmer zeitnah nach der Ausbildung das Unternehmen, enttäuscht er das Vertrauen des Arbeitgebers und stärkt zudem die Konkurrenz.
Nachvollziehbar ist, dass der Arbeitgeber seine Investition durch Klauseln, welche eine Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten durch den Arbeitnehmer vorsehen, absichern will. Dabei stehen grundgesetzlich verankerte Freiheiten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüber.
Die Rechsprechung hat eine Entwicklung genommen, welche an diese Klauseln hohe Anforderungen stellt und im Falle der Unwirksamkeit Rechtsfolgen vorsieht.
Ich will in meiner Bachelorarbeit im Teil A. die Entwicklung und den Stand der Rechtsprechung über die AGB-Kontrolle von Klauseln über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten darstellen.
Im Teil B. werde ich die Rechtsfolgen im Falle der Unwirksamkeit darstellen und kritisch beleuchten.
Auch ich will, wie die Rechtsprechung, einen Stift ansetzen und in Bezug auf die AGB-Kontrolle von Rückzahlungsklauseln und den Rechtsfolgen Lücken aufdecken. Weiterhin möchte ich Thesen entwickeln, welche bei Betrachtung der Entwicklung in der Rechtsprechung und der Literatur geeignet sein könnten, diese Lücken zu schließen.
Im Folgenden gilt es zunächst darzustellen, worin die Notwendigkeit einer AGB-Kontrolle liegt und auf welche Weise arbeitsvertragliche Klauseln einer AGB-Kontrolle zugänglich geworden sind. Hiernach ist die Bedeutung von Klauseln über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten herauszustellen. Letztlich wird die Anwendung der AGB- Kontrolle in ihren einzelnen Schritten anhand dieser konkreten Klausel erläutert.
Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) kommen für die rechtliche Formung von Verträgen im Ablauf des modernen Wirtschaftsgeschehens überragende Bedeutung zu. Die AGB-Kontrolle hat zum Ziel, den Vertragsteil, der AGB unterworfen wird, vor unangemessenen, einseitig vorformulierten Vertragsbedingungen zu schützen.[1]
Der Grundbaustein des Bürgerlichen Rechts ist die Privatautonomie, dessen Ausprägung die Vertragsfreiheit ist.[2] Demnach entscheidet grundsätzlich jeder selbst darüber, ob er einen Vertrag eingehen will und welchen Inhalt der Vertrag haben soll.[3] Allerdings darf die Vertragsfreiheit nicht in einer Art und Weise ausgeübt werden, mit der die eigenen Interessen vorrangig gegenüber den Vertragspartnern durchgesetzt werden. Das Durchsetzen eigener Interessen, unter schwer erträglicher Verdrängung, bisweilen sogar elementarer Missachtung der Grundsätze der Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit soll nicht zu Lasten derjenigen gehen, die solchen vorformulierten Bedingungswerken unterworfen werden.[4]
Arbeitnehmer befinden sich beim Abschluss von Arbeitsverträgen typischerweise in einer Situation struktureller Unterlegenheit.[5]
Mit der Schuldrechtsreform aus dem Jahre 2002 wurden die Klauselkontrollvorschriften des alten AGB-Gesetzes als §§ 305 – 310 BGB fast unverändert in das BGB eingeordnet.[6] Da der § 23 I AGBG, welcher die Anwendung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge ausschloss, nicht in die §§ 305 ff. BGB eingliedert wurde, entfaltet sich die Schutzwirkung des AGB-Kontrollrechts seither auch auf Arbeitsverträge. Hierbei sind gem. § 310 IV 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen.[7]
In der Arbeitswelt ist es üblich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die Teilnahme an Aus- und Fortbildung anbietet. Sofern er ihnen die Entscheidung überlässt an diesen Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen, bestehen grundsätzlich keine Bedenken, die Arbeitnehmer an den Kosten der Aus- und Fortbildung zu beteiligen. [8] Übernimmt der Arbeitgeber die Kosten, wird daher häufig in so genannten Rückzahlungsklauseln vereinbart, dass der Arbeitnehmer in bestimmten Szenarien, etwa der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder im Falle des Nichterreichens des Aus- und Fortbildungsziels, die Aus- und Fortbildungskosten zurückzuzahlen hat.[9] Mittels solcher Klauseln über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten bezweckt der Arbeitgeber, seine „Humankapitalinvestitionen“ zu sichern.[10] Mit einer Rückzahlungsklausel verfolgt der Arbeitgeber also vorrangig das Ziel, den geförderten Arbeitnehmer durch Androhung einer finanziellen Belastung für einen bestimmten Zeitraum an den Betrieb zu binden.[11]
Rückzahlungsklauseln, betreffend Aus- und Fortbildungskosten, sind grundsätzlich zulässig.[12] Insofern steht es dem Arbeitgeber innerhalb bestimmter Grenzen zu, die Kosten einer beruflichen Aus- oder Fortbildung auf den Arbeitnehmer überzuwälzen,[13] gewissermaßen abzuwälzen.[14]
Ob eine konkrete Rückzahlungsklausel einer AGB-Kontrolle standhält, muss durch verschiedene Prüfungspunkte ermittelt werden. Im Folgenden sollen die Prüfungspunkte der AGB-Kontrolle erläutert werden.
Die Rückzahlungsklausel unterliegen nur dann einer AGB-Kontrolle, wenn die Anwendung der §§ 305 ff. BGB eröffnet ist.[15]
Die Anwendung der §§ 305 ff. BGB ist dann eröffnet, wenn es sich bei der Klausel um eine allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 I BGB handelt. Nach 305 I BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Arbeitsvertrages oder einer Aus- und Fortbildungsvereinbarung stellt. Das Merkmal „Stellen“ der Vertragsbedingung ist erfüllt, wenn die eine Vertragspartei die Einbeziehung der vorformulierten Bedingungen in den Vertrag verlangt.[16]
Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nach § 305 I 3 BGB nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Eine Klausel ist dann „ausgehandelt“, wenn der Verwender dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen eingeräumt, und den Inhalt ernsthaft mit der Bereitschaft zu gewünschten Veränderungen zur Disposition gestellt hat. Unter Umständen kann es nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf bleiben.[17]
Wenn der Arbeitgeber identische Vereinbarungen über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten mit einer Reihe von weiteren Arbeitnehmern trifft, handelt es sich bei solchen Rückzahlungsklauseln um AGB i.S.d. § 305 I BGB.[18] In der arbeitsvertraglichen Praxis stellt es eher den Ausnahmefall dar, dass Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Gestaltungsspielräume zugestehen.[19] Der Arbeitgeber bestimmt die Vertragsbedingungen und der Arbeitnehmer akzeptiert diese, da er ansonsten zu befürchten hat, dass er an der Aus- und Fortbildungsmaßnahme nicht teilnehmen darf. Damit ist in der Regel davon auszugehen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Rückzahlungsklausel einseitig offeriert,[20] somit stellt.
Der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB wird durch den § 310 III BGB erweitert.[21] Insoweit finden die Schutzvorschriften der §§ 305 ff. BGB auch auf Verbraucherverträge Anwendung. Ein Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag.[22] Der Arbeitnehmer ist als Verbraucher i. S. d. § 13 BGB qualifiziert.[23] Damit findet §310 III BGB auf Arbeitsverträge Anwendung.[24] Hieraus ergibt sich, dass Klauseln auch in dem Fall einer AGB-Kontrolle zugänglich sind, wenn sie i.S.d. § 310 III Nr. 2 BGB lediglich zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, obwohl es sich in derartigen Fällen nicht um AGB im Rechtssinne handelt.[25]
Somit sind Rückzahlungsklauseln auch schon bei einmaliger Verwendungsabsicht des Arbeitgebers gem. § 310 III Nr. 1 BGB einer AGB-Kontrolle zugänglich.
Die Rückzahlungsklausel muss zum Inhalt des zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten Vertrages geworden sein, damit sie als vereinbart gilt.[26]
Nach § 310 IV 2 Hs. 2 BGB findet § 305 II, III BGB keine Anwendung auf den Vertragsschluss zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Die analoge Anwendung dieser Vorschriften scheidet aufgrund der klaren gesetzgeberischen Entscheidung aus.[27] Im Rahmen der AGB-Kontrolle von Klauseln über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosen findet eine Einbeziehungskontrolle nach § 305 II, III BGB demnach nicht statt.
AGB dürfen nicht überraschend i.S.d. § 305c I BGB sein. § 305c I BGB setzt objektiv eine ungewöhnliche Klausel voraus, mit der der Arbeitnehmer subjektiv nicht zu rechnen brauchte.[28]
Demnach darf eine Klausel zum einen nicht ungewöhnlich sein, was nach den Gesamtumständen zu beurteilen ist.[29] Die Ungewöhnlichkeit kann sich etwa aus der Unvereinbarkeit mit dem Leitbild des Vertrages, einem Widerspruch zum Verlauf der Vertragsverhandlungen oder aus der Unvereinbarkeit mit dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages ergeben.[30] Zum anderen darf kein Überraschungsmoment hinzukommen.[31] Überraschenden Charakter hat eine Bestimmung in AGB dann, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht.[32] Die Klausel darf insoweit keinen „Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt“ auslösen.[33]
Für Rückzahlungsklauseln ergibt sich hieraus insbesondere, dass solche in einem längeren Vertragswerk unter einer falschen oder missverständlichen Überschrift ohne besonderen Hinweis oder drucktechnische Hervorhebung nicht „versteckt“ werden dürfen. Ansonsten gelten sie als nicht vereinbart und sind demnach nicht Vertragsbestandteil geworden.[34]
Individuelle Vertragsabreden sind wegen des Merkmals des Aushandelns keine AGB. Damit unterliegen individuelle Vertragsabreden keiner AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB.[35] Nach § 305b BGB haben individuelle Vertragsabreden Vorrang vor AGB.
Insofern ist eine individuell ausgehandelte Abrede, welche die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten beinhaltet, keiner AGB-Kontrolle gem. § 305 ff. BGB zugänglich.
§ 307 III BGB setzt die Schranken der Inhaltskontrolle. Danach gelten die Abs. 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 BGB nur für Bestimmungen in AGB, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Damit sind deklaratorische Klauseln und Bestimmungen über Hauptleistungspflichten einer Inhaltskontrolle nicht zugänglich.[36]
§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB steht einer uneingeschränkten AGB-Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB in Bezug auf Rückzahlungsklauseln nicht entgegen. Zu den von Rechtsvorschriften abweichenden oder diese ergänzenden Regelungen gehören auch solche, welche die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten,[37] folglich auch Aus- und Fortbildungsversprechen.
Rückzahlungsklauseln von Aus- und Fortbildungskosten unterliegen der Angemessenheitskontrolle gem. § 307 I 1 BGB, da Klauselverbote gem. §§ 308, 309 BGB nicht einschlägig sind.[38]
Nach § 307 I 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, welches nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird.[39] Der Arbeitgeber darf nicht missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versuchen, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren.[40] Zur Feststellung der unangemessenen Benachteiligung bedarf es einer wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner.[41] Bei dieser wechselseitigen Berücksichtigung ist ein vom Einzelfall losgelöster, genereller und typisierender Maßstab anzulegen , [42] denn nicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, sondern auf die typische Sachlage ist abzustellen.[43] Unter Berücksichtigung der Art, des Gegenstandes, des Zwecks und der besonderen Eigenart des jeweiligen Geschäfts, gilt es, die Interessen des Klauselverwenders gegenüber den Interessen des typischerweise beteiligten Vertragspartners abzuwägen.[44] Bei dieser Abwägung sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten.[45]
Klauseln über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten bewegen sich in einem Spannungsverhältnis zwischen der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers und seiner freien Arbeitsplatzwahl gem. Art 12 I GG einerseits und der über Art. 2 II GG geschützten Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers andererseits.[46] Damit sind die berechtigten Belange des Arbeitgebers an einer Investitionsabsicherung gegen das Interesse des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz, bzw. sein berufliches Fortkommen ohne Belastung mit einer Rückzahlungspflicht wählen zu können, abzuwägen und in einen angemessenen Interessenausgleich zu bringen.[47]
Hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit einer Rückzahlungsklausel, ist im Kern fraglich, ob einerseits die sich aus der Klausel ergebende Rückzahlungspflicht aus der Sicht eines verständigen Betrachters einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entspricht und andererseits, ob diese Pflicht dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar ist. Um eine in sich geschlossene und generalisierende Aussage über die Grenzen der Vertragsgestaltung treffen zu können, bietet sich insofern eine zweistufige Angemessenheitsprüfung an.[48] Hierbei ist zwischen der Zulässigkeit „dem Grunde nach“ und der zulässigen inhaltlichen Ausgestaltung der Rückzahlungsklausel zu unterscheiden.[49]
Grundsätzlich sind solche Klauseln, welche die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten vorsehen, zulässig.[50] Die Zulässigkeit einer konkreten Rückzahlungsklausel ist auf der ersten Stufe im Rahmen der Angemessenheitskontrolle zu prüfen.[51] Es geht in diesem ersten Prüfungsschritt um die Frage, wann eine Rückzahlungsklausel zulasten des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen ist, unabhängig davon, ob die Klausel inhaltlich günstig ausgestaltet ist.[52] Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber auf Grund seiner Förderung an sich ein berechtigtes Interesse an der Auferlegung einer Rückzahlungspflicht hat. Fehlt es ihm an diesem berechtigten Interesse, so ist eine Beteiligung des Arbeitnehmers an den Aus- und Fortbildungskosten „dem Grunde nach“ nicht zulässig.[53]
Ein berechtigtes Interesse seitens des Arbeitgebers setzt voraus, dass der Arbeitnehmer mit der Aus- und Fortbildungsmaßnahme einen geldwerten Vorteil erhalten hat.[54] Die für den Arbeitnehmer aus der Teilnahme an der Aus- und Fortbildungsmaßnahme erwachsenen Wettbewerbsvorteile stellen einen solchen geldwerten Vorteil dar.[55] Ausschlaggebend ist mithin, ob und inwieweit der Marktwert eines Arbeitnehmers durch die Qualifizierungsmaßnahme erhöht wird.[56] Der Vorteil erstreckt sich etwa aus der Perspektive auf Veränderung und Aufstieg im Beruf, welche dem Arbeitnehmer ohne die Qualifizierungsmaßnahme verschlossen bliebe, sowie aus der Einstufung in eine höhere Vergütungsgruppe bei dem bisherigen Arbeitgeber. Auch die anderweitige Nutzbarkeit der erworbenen Kenntnisse,[57] insbesondere deren Verwertbarkeit bei anderen Arbeitgebern kann einen geldwerten Vorteil begründen.[58] Ein Indiz für das Vorliegen eines geldwerten Vorteils können die arbeitgeberseitigen Kosten darstellen, sofern diese einen Schluss auf die Qualität der erworbenen Qualifikation zulassen. In der Regel lassen Lehrgangskosten einen solchen Schluss zu.[59] Nicht ausschlaggebend für die Bewertung eines Vorteils des Arbeitnehmers ist, ob dieser die sich für ihn ergebenden Vorteile tatsächlich nutzt.[60]
Eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers scheidet in der Regel dann aus, wenn die Aus- oder Fortbildung nur innerbetrieblich von Nutzen ist oder es lediglich um die Auffrischung vorhandener Kenntnisse oder die Anpassung dieser Kenntnisse an vom Arbeitgeber veranlasste neuere betriebliche Gegebenheiten geht.[61]
Je vorteilhafter sich eine Qualifizierungsmaßnahme für einen Arbeitnehmer beruflich auswirkt, desto zumutbarer ist es, ihn an den Aus- und Fortbildungskosten zu beteiligen.[62]
Um das Vorliegen eines berechtigten Interesses zu beurteilen, reicht es m. E. nicht aus, das berechtigte Interesse eines Arbeitgebers ausschließlich aufgrund des bejahten geldwerten Vorteils des Arbeitnehmers anzunehmen.
Nach dem BAG[63] sind Lehrgangskosten ein Indiz für das Vorliegen eines geldwerten Vorteils. Darüber hinausgehende Kosten, die dem Arbeitgeber in Verbindung mit Aus- und Fortbildung anfallen, wie etwa Reise- und Hotelkosten oder die Kosten der Lohnfortzahlung, ließen keinen Rückschluss auf die Qualität der Aus- und Fortbildung zu und seien damit für die Beurteilung eines arbeitnehmerseitigen Vorteils nicht von Relevanz.
Wohl aber sind m. E. Aus- und Fortbildungskosten insgesamt, also Lehrgangkosten zuzüglich jeglicher mit der Aus- und Fortbildung einhergehender arbeitgeberseitiger Aufwendungen, ein Indiz dafür, ob ein Arbeitgeber ein berechtigtes Rückzahlungs– und Bindungsinteresse hat, zumal auch das BAG bereits besonders hohe Aufwendungen des Arbeitgebers für die Aus- und Fortbildung an ein hohes Bindungsinteresse knüpfte.[64]
Allerdings darf der Gesichtspunkt der Gesamtaufwendungen nur dann zur Beurteilung des Arbeitgeberinteresses herangezogen werden, sofern ein arbeitnehmerseitiger Vorteil als Grundvoraussetzung zu bejahen ist. Erst wenn diese Grundvoraussetzung vorliegt, so ist m. E. in einem zweiten Schritt das berechtigte Interesse an den arbeitgeberseitig aufgewendeten Aus- und Fortbildungskosten zu bewerten.
Teilweise wird in der Literatur[65] in Hinblick auf eine Bagatellgrenze ein Vergleich mit Klauseln über die Rückzahlung von Gratifikationen gezogen. Insofern läge der Gedanke nahe, sich auch bei Klauseln über die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten nach einer Geringfügigkeitsschwelle zu richten. Demnach würden Rückzahlungsforderungen unterhalb eines bestimmen Betrages kein berechtigtes Interesse an der Rückzahlung bzw. einer Bindung begründen. Fraglich ist, ob dieser Betrag in der wie bei Gratifikationen durch das BAG festgelegten Höhe (100,- DM,[66] bzw. 200,- DM[67] ) erfolgen muss. Sinnvoll ist. m. E. zunächst die Festlegung eines zeitgemäßen, typisierenden Bagatellbetrages. Im Einzelfall sollte aber von diesem Bagatellbetrag mit dem Ziel abgewichen werden können, eine von der Leistungsstärke des Unternehmens abhängige Geringfügigkeitsschwelle zu ermitteln. Liegen die Aus- und Fortbildungskosten unterhalb der Bagatellgrenze, liegt m. E kein berechtigtes Arbeitgeberinteresses vor. Auch die Bejahung eines arbeitnehmerseitigen geldwerten Vorteils darf zu keinem anderen Ergebnis führen.
Nicht in jedem Fall darf m. E. das berechtigte Interesse des Arbeitgebers von dem Vorliegen eines geldwerten Vorteils abhängig gemacht werden.[68] So sollte, nach dem ein geldwerter Vorteil verneint wurde, in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Aus- und Fortbildung auf seinen eigenen Wunsch hin gewährt hat.
Die Aussicht auf eine Aus- und Fortbildung kann, unabhängig von dem Gesichtspunkt des geldwerten Vorteils, ein attraktiver Anreiz sein, mit dem die Leistungs- und Bleibemotivation des Mitarbeiters gefördert werden kann.[69]
Ein Arbeitgeber muss auf Arbeitnehmerwünsche reagieren können dürfen, ohne damit Rechnen zu müssen, nach enttäuschten Bindungserwartungen alleine für die Kosten der Aus- und Fortbildung aufkommen zu müssen.
Von einem Arbeitnehmer, dem auf eigenen Wunsch das Privileg einer Aus- und Fortbildung erhält, darf m. E., unabhängig von einem Vorteil, eine gewisse Bindung und ggf. Beteiligung an den Kosten erwartet werden.
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Auf der zweiten Stufen der zweistufigen Betrachtungsweise wird geprüft, ob die Ausgestaltung der Rückzahlungsklausel im konkreten Fall angemessen ist.[70] Gesichtspunkte sind hierbei insbesondere die Bindungsdauer, der Umfang der Rückzahlungsverpflichtung, die ratierliche Reduzierung der Rückzahlungsverpflichtung und die eine Rückzahlungspflicht auslösenden Umstände.
Rückzahlungsklauseln, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Aus- und Fortbildung zu beteiligen hat, wenn er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich zulässig.[71] Die Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln hängt wesentlich von der Aus- und Fortbildungsdauer im Verhältnis zur Bindungsdauer ab. Der aus der Rückzahlungsklausel hervorgehende Bindungszeitraum gibt dem Arbeitnehmer darüber Aufschluss, wie lange er nach Abschluss der Aus- und Fortbildungsmaßnahme beim gegenwärtigen Arbeitnehmer angestellt bleiben muss, um eine Rückzahlung der Aus- und Fortbildungskosten zu vermeiden.[72]
Aus- und Fortbildungsdauer und der Bindungszeitraum müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.[73] Schließlich bestimmt die Fortbildungsdauer maßgeblich die Höhe der Ausbildungskosten und lässt eine entsprechende Qualität der erworbenen Qualifikation vermuten.[74] Wie lang ein Bindungszeitraum maximal sein darf, orientiert sich an § 624 BGB. Somit darf in Rückzahlungsklauseln kein Bindungszeitraum länger als 5 Jahre festgelegt werden.[75] Das BAG hat in Form einer Staffelung Richtwerte entwickelt, welche ein angemessenes Verhältnis der Dauer der Qualifizierungsmaßnahme gegenüber der Dauer der Bindung beschreiben. Grundsätzlich gilt dabei folgendes: „ Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge ist eine Bindungsdauer bis zu sechs Monaten zulässig, bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten eine einjährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von drei bis vier Monaten eine zweijährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr keine längere Bindung als drei Jahre und bei einer mehr als zweijährigen Dauer eine Bindung von fünf Jahren.“ [76]
Hierbei handelt es sich nicht um gesetzgeberische Gesetzmäßigkeiten. Bei sich aus der Abwägung des Einzelfalls ergebenden besonderen Umständen sind Abweichungen möglich. Bei einer kürzeren Ausbildung kann auch eine verhältnismäßige lange Bindung gerechtfertigt sein, sofern der Arbeitgeber ganz erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Aus- und Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile verschafft.[77] Zu berücksichtigen ist bei der Abwägung des Einzelfalls etwa auch, welche Vorteile der Arbeitgeber aus der Aus- und Fortbildung zu ziehen plant.[78] Dies wird auch § 310 III Nr. 3 BGB gerecht, wonach auch die den Vertragsschluss begleitende Umstände bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 I BGB Berücksichtigung finden sollen.
Sofern die Aus- und Fortbildungsmaßnahme aus mehreren Unterrichtsabschnitten besteht, sind die dazwischen liegenden Zeiträume bei der Berechnung des Bindungszeitraumes nicht mit zu berücksichtigen.[79]
Im Zusammenhang mit dem Umfang der Rückzahlungsverpflichtung ist auf die erstattungspflichtigen Beträge und insbesondere darauf, wie hoch der Betrag einer Rückzahlungsverpflichtung ausfallen darf, einzugehen.
(1) Erstattungspflichtige Beträge
Zu den Kosten, welche durch Rückzahlungsklauseln zurückgefordert werden können, zählen neben der Aus- und Fortbildungsgebühr auch die vom Arbeitgeber getragenen Umlagen zur Zusatzversorgung, also die Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten, sowie im Falle der Freistellung auch die fortgezahlte Vergütung.[80]
(2) Höhe des rückzahlungspflichtigen Betrages
Durch die Rechtsprechung wurde die Höhe von Rückzahlungsbeträgen festgelegt und zur Vertragsstrafe abgegrenzt. Hierzu werden noch die Gesichtspunkte vermeidbare Aufwendungen und anteiliges Unternehmerrisiko angeführt.
Durch Rückzahlungsklauseln kann maximal der Geldbetrag vom Arbeitnehmer zurückgefordert werden, welchen der Arbeitgeber auch wirklich für die Aus- und Fortbildung aufgewendet hatte.[81] Würde der Rückzahlungsbetrag über den tatsächlichen Aufwendungen liegen, so würde dies dem Arbeitgeber einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen, welcher aber den Arbeitnehmer in unangemessner Weise benachteiligt.[82] Es handelt sich dann nicht mehr (nur) um die Rückzahlung von Ausbildungskosten, sondern (auch) um eine Vertragsstrafe.[83]
Stellt ein über den tatsächlichen Aufwendungen zurückgeforderter Geldbetrag eine Vertragsstrafe aufgrund eines arbeitgeberseitigen wirtschaftlichen Vorteils dar, so lässt sich m. E. nach gleichem Prinzip in einem weiteren Zusammenhang eine Vertragsstrafe erkennen.
Eine Vertragsstrafe liegt auch dann vor, wenn dem Arbeitnehmer durch die Rückzahlungsklausel Kosten aufgebürdet werden, die ihm bei eigener Organisation seiner Aus- und Fortbildung nicht entstanden wären. Die über den angemessenen Betrag der Zusatzversorgung hinausgehenden Kosten stellen m. E. eine freiwillige Investition des Arbeitgebers dar, dessen Untergang somit seinem unternehmerischen Risikobereich zuzuordnen sind. So läge die Repräsentation des Unternehmens, etwa durch die Wahl eines hochwertigen Hotels oder Restaurants im Arbeitgeberinteresse. Mit fehlgeschlagenen Investitionen des Arbeitgebers, welche in diesem Fall seinem Prestige zuträglich sein sollten, darf der Arbeitnehmer nicht belastet werden.[84] Folglich dürfen Rückzahlungsklauseln keine Rückzahlungspflichten von Kosten enthalten, welche der Risikosphäre des Arbeitgebers zuzuordnen sind und den Arbeitnehmer damit ungemessen i.S.d. § 307 I 1 BGB benachteiligen.
Wann Zusatzversorgungskosten über einen angemessenen Betrag hinausgehen, bedarf m. E. der Bewertung des Einzelfalls und ist danach auszurichten, wie ein verständiger Dritter die Kosten bewerten würde.
Ein weiterer Anteil des bereits auf das Notwendigste gekürzten Rückzahlungsbetrages ist m. E. dem Risikobereich des Unternehmers zuzuschreiben. Dieses resultiert daraus, dass ein Unternehmer regelmäßig das Interesse hat, dass der Arbeitnehmer seine Qualifikation zu seinen Gunsten nutzt.[85] Zudem entscheidet er darüber, wem er eine Aus- und Fortbildung zukommen lässt. Damit liegt auch das Risiko, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben, bei ihm. Dieses Risiko darf nicht dem Arbeitnehmer durch Zahlung der gesamten Aufwendungen übertragen werden. Der Höchstbetrag muss folglich genau um dieses Risiko reduziert werden. Dieses könnte durch eine prozentuale Kürzung des schon durch Abzug der vermeidbare Aufwendungen (s. o.) bereinigten Höchstbetrages verwirklicht werden. Hierbei sollte bei der Kürzung um den prozentualen Anteil danach differenziert werden, ob die Aus- und Fortbildung auf Wunsch des Arbeitnehmers oder auf Hinwirken des Arbeitgebers finanziert wurde. Wünscht der Arbeitnehmer die Aus- und Fortbildung, so würde eine prozentuale Kürzung des Rückzahlungsbetrages um 25% die Arbeitnehmerinitiative widerspiegeln und zu dem noch zurückzuzahlenden Prozentsatz von 75% führen.
Lastenverteilung bei Arbeitnehmerinitiative, dargestellt in einer Formel:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei Unternehmerinitiative führt eine Kürzung um 50% zu einer angemessenen Verteilung der Last auf beide Vertragsparteien.
Lastenverteilung bei Unternehmerinitiative dargestellt in einer Formel:
Die Prozentsätze orientieren sich an den Anteilen, welche Arbeitgeber freiwillig in entsprechenden Rückzahlungsverträgen zugestanden haben.[86] Bei besonders hohen Aus- und Fortbildungskosen, wie etwa bei einer Pilotenausbildung,[87] wäre von diesen Leitlinien abzuweichen.
Schlussendlich lässt sich feststellen, dass der Betrag, welcher maximal zurückverlangt werden darf, nicht der sein darf, der insgesamt tatsächlich für die Aus- und Fortbildung aufgewendet wurde, sondern der, in welchem Notwendigkeit und Unternehmerrisiko angemessene Berücksichtigung finden.
(d) Grafischer Vorschlag zur Ermittlung des maximalen Rückzahlungsbetrages
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Grafiken stellen jeweils die Gesamtaufwendungen für Aus- und Fortbildung dar.
Je länger ein Arbeitnehmer nach der Aus- und Fortbildung im Unternehmen bleibt und der Arbeitgeber dadurch aus seiner Bildungsinvestition Nutzen für sein Unternehmen ziehen kann, umso niedriger muss die Kostenbeteiligung der Beschäftigten im Falle ihres Ausscheidens aus dem Unternehmen sein.[88] Hieraus ergibt sich das Erfordernis, dass in der Rückzahlungsklausel neben der Bindungsfrist auch eine anteilige Kürzung des Rückzahlungsbetrages vereinbart wird.[89]
[...]
[1] BT-Drs. 7/3919, A. Zielsetzung.
[2] Leenen, BGB Allgemeiner Teil: Rechtsgeschäftslehre, 2015, S. 1, § 1.
[3] Leenen, BGB Allgemeiner Teil: Rechtsgeschäftslehre, 2015, S. 1, § 1, Rn. 6.
[4] BT-Drs. 7/3919, A. Zielsetzung.
[5] BVergfG 29.12.2004 – 1 BvR 2283/03 – 1 BvR 2504/03 – 1 BvR 2582/03 – NZA 2005, 153, 155.
[6] Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Überblick vor § 305, Rn. 1.
[7] Lieb/Jacobs: Arbeitsrecht, S. 50, Rn. 141.
[8] Lakies, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, 2014, S. 413, Rn. 787.
[9] Elking, Rückzahlungsklauseln bei Fortbildungskosten – die aktuellen Anforderungen der Rechtsprechung, 2014, BB 885 ff. (885).
[10] Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2011, S. 333, Rn. 353.
[11] Stoffels, in: Preis, Der Arbeitsvertrag, 2015, S. 489, Rn. 7.
[12] BAG 24.06.2004 – 6 AZR 383/03 – BAGE 111,157 = NZA 2004, 1035.
[13] BAG 24.06.1999 – 8 AZR 339/89 – NZA 1999, 1275.
[14] BAG 18.11.2008 – 3 AZR 192/07 – NZA 2009, 435.
[15] Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 305, Rn. 1.
[16] Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 305, Rn. 10.
[17] BGH 03.11.1999 – VIII ZR 269/98 – NJW 2000, 1110.
[18] BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09 – NZA 2012, 738.
[19] Schönhöft, Rückzahlungsverpflichtungen in Fortbildungsvereinbarungen, NZA-RR 2009, Heft 12, S. 625 ff. (626).
[20] Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2011, S. 334, Rn. 354.
[21] Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 305, Rn. 1.
[22] BAG 25.05.2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111.
[23] BAG 18.03.2008 – 9 AZR 186/07 – BAGE 126, 187 = NZA 2008, 1004.
[24] BAG 25.05.2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111.
[25] Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 305, Rn. 1.
[26] A.a.O, § 305c, Rn. 2.
[27] BAG 19.03.2014 – 5 AZR 252/12 (B) – NZA 2014, 1076.
[28] BAG 16.05.2012 – 5 AZR 331/11 – BAGE 141, 324 = NZA 2012, 908.
[29] BAG 27.04.2000 – AZR 286/99 – BAGE 94, 300.
[30] Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 305c, Rn. 3.
[31] A.a.O., Rn. 4.
[32] BGH 11.12.2003 – III ZR 118/03 – NJW-RR 2004, 780.
[33] BGH 01.06.1989 – X ZR 78/88 – NJW 1989, 2255.
[34] Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2011, S. 335, Rn. 358.
[35] Lindemann, Flexible Gestaltung von Arbeitsbedingungen nach der Schuldrechtsreform, 2003, S. 126.
[36] Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 2016, §§ 305 - 310, Rn. 34.
[37] Vgl. BAG 19.01.2011 – 3 AZR 621/08 – BAGE 137, 1 = NZA 2012, 85.
[38] Mengel, in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, S. 360, Rn. 978.
[39] BAG 08.08.2007 – 7 AZR 855/06 – BAGE 123, 327 = NZA 2008, 229.
[40] BAG 11.04.2006 – 9 AZR 610/05 – BAGE 118, 36 = NZA 2006, 1042.
[41] BAG 02.09.2009 – 7 AZR 233/08 – BAGE 132, 59 = NZA 2009, 1253.
[42] BAG 28.05.2009 – 8 AZR 896/07 – NZA 2009, 1337.
[43] BGH 29.05.1991 – IV ZR 187/90 – NJW 1991, 2763.
[44] BAG 02.09.2009 – 7 AZR 233/08 – BAGE 132, 59 = NZA 2009, 1253.
[45] BAG 11.04.2006 – 9 AZR 610/05 – BAGE 118, 36 = NZA 2006, 1042.
[46] Stoffels, in: Preis, Der Arbeitsvertrag, 2015, S. 494, Rn. 17.
[47] Dorth, Gestaltungsgrenzen bei Aus- und Fortbildungskosten betreffend Rückzahlungsklauseln, RdA 2013, 287 ff. (288).
[48] Schönhöft, Rückzahlungsverpflichtungen in Fortbildungsvereinbarungen, NZA-RR 2009, Heft 12, S. 625 ff. (626).
[49] Stoffels, in: Preis, Der Arbeitsvertrag, 2015, S. 495, II A 120, Rz. 18.
[50] BAG 14.01.2009 – 3 AZR 900/07 – BAGE 129, 121 = NZA 2009, 666.
[51] Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2011, S. 335, Rn. 360.
[52] Stoffels, in: Preis, Der Arbeitsvertrag, 2015, S. 496, II A 120, Rz. 20.
[53] A.a.O., Rz. 21.
[54] BAG 05.06.2007 – 9 AZR 604/06 – NZA-RR 2008, 107.
[55] BAG 05.12.2002 – 6 AZR 539/01 – BAGE 104, 125 = NZA 2003, 559.
[56] Lakies, Weiterbildung und Rückzahlungsklauseln, in BWP, 2012, S. 49 ff. (50).
[57] BAG 19.01.2011 – 3 AZR 621/08 – BAGE 137, 1 = NZA 2012, 85.
[58] LAG Rheinland-Pfalz v. 03.03.2015 – 8 Sa 561/14.
[59] BAG 05.12.2002 – 6 AZR 539/01 – BAGE 104, 125 = NZA 2003, 559.
[60] BAG 30.11.1994 – 5 AZR 715/93 – BAGE 78, 356 = NZA 1995, 727.
[61] BAG 16.03.1994 – 5 AZR 339/92 – BAGE 96, 155 = NZA 1994, 1937.
[62] BAG 21.07.2005 – 6 AZR 452/04 – NZA 2006, 542.
[63] Vgl. BAG 05.12.2002 – 6 AZR 539/01 – BAGE 104, 125 = NZA 2003, 559.
[64] Vgl. BAG 14.01.2009 - 3 AZR 900/07 – BAGE 129, 121 = NZA 2009, 666.
[65] So Hirdina, Grundzüge des Arbeitsrechts, 2014, 9.4 Rückzahlungsklauseln, S. 119; Dorth, Gestaltungsgrenzen bei Aus- und Fortbildungskosten betreffend Rückzahlungsklauseln, RdA 2013, 287 ff. (293).
[66] BAG 10.05.1962 – 5 AZR 353/61 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 23.
[67] BAG 17.03.1982 – 5 AZR 1185/79 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 108.
[68] Vgl. Stoffels, in: Preis, Der Arbeitsvertrag, 2015, S. 496, II A 120, Rz. 21, das BAG stelle entscheidend darauf ab, ob und inwieweit durch Fortbildung ein geldwerter Vorteil erlangt wurde;
u. a. so BAG 19.01.2011 – 3 AZR 621/08 – BAGE 137, 1 = NZA 2012, 85.
[69] Vgl. Becker, Grundlagen der Unternehmensführung, S. 227, 5. Anreizsysteme.
[70] Schönhöft, Rückzahlungsverpflichtungen in Fortbildungsvereinbarungen, NZA-RR 2009, Heft 12, S. 625 ff. (626).,
[71] BAG 24.06.2004 – 6 AZR 383/03 – BAGE 111,157 = NZA 2004, 1035.
[72] Lakies, Weiterbildung und Rückzahlungsklauseln, in BWP, 2012, S. 49 ff. (50).
[73] Lakies, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, 2014, S. 417, Rn. 796.
[74] BAG 18.03.1994 – 5 AZR 339/92 – BAGE 76, 155 = NZA 1994, 937.
[75] BAG 15.12.1993 – 5 AZR 279/93 – BAGE 75, 215 = NZA 1994, 835.
[76] BAG 15.09.2009 – 3 AZR 173/08 – NZA 2010, 342.
[77] BAG 14.01.2009 – 3 AZR 900/07 – BAGE 129, 121 = NZA 2009, 666.
[78] BAG 18.03.2014 – 9 AZR 545/12 – NZA 2014, 957.
[79] BAG 05.12.2002 – 6 AZR 539/01 – BAGE 104, 125 – NZA 2003, 559.
[80] BAG 05.06.2007 – 9 AZR 604/06 – NZA-RR 2008, 107.
[81] BAG 21.07.2005 – 6 AZR 452/04 – NZA 2006, 542.
[82] Elking, Rückzahlungsklauseln bei Fortbildungskosten – die aktuellen Anforderungen der Rechtsprechung, 2014, BB 885 ff. (889).
[83] BAG 16.03.1994 – 5 AZR 339/92 – BAGE 76, 155 = NZA 1994, 937.
[84] Vgl. BAG 18.03.2014 – 9 AZR 545/12 - NZA 2014, 957.
[85] Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2011, S. 333., Rn. 352.
[86] BAG 30.11.1994 – 5 AZR 715/93 – BAGE 78, 356 = NZA 1995, 727; hier wurde der Rückzahlungsbetrag auf 5000,- DM begrenzt, was ca. ⅓ der Gesamtaufwendungen ausmachte.
[87] Vgl. BAG 24.06.1999 – 8 AZR 339/89 – NZA 1999, 1275, hier wurden 10% der Aus- und Fortbildungskosten angesetzt.
[88] Lakies, Weiterbildung und Rückzahlungsklauseln, in BWP, 2012, S. 49 ff. (51).
[89] Lakies, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, 2014, S. 421, Rn. 805.
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