Masterarbeit, 2016
85 Seiten, Note: 1,8
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Hintergrund
1.2. Problemstellung
1.3. Zielsetzung
1.4. Gang der Arbeit
2. Industrie 4.0 als neuer Standard für Unternehmen
2.1. Historische Einordnung
2.2. Definition
2.3. Bedarfssog und Technologiedruck
2.4. Wesentliche Konzepte und Entwicklungen
2.4.1. Cyber-physische Systeme
2.4.2. Internet der Dinge
2.4.3. Weitere Entwicklungen und Konzepte
2.4.4. Smart Factory – die intelligente Fabrik
2.5. Status Quo
3. Compliance im Unternehmen
3.1. Definition
3.2. Ziele von Compliance und Konsequenzen von Non-Compliance
3.3. Quellen von Compliance-Anforderungen
3.4. Compliance-Felder
3.5. IT-Compliance als wesentlich betroffener Sektor
4. Auswirkungen von Industrie 4.0 auf Compliance im Unternehmen
4.1. Unternehmensübergreifende Auswirkungen
4.1.1. Datenschutz
4.1.2. Haftung
4.1.3. Gesamtheit der Anforderungen
4.2. Auswirkungen auf den Menschen im Unternehmen
4.2.1. Arbeitsrecht
4.2.2. Haftung
4.2.3. Datenschutz
4.2.4. Rolle des Menschen
4.3. Auswirkungen auf die Technik im Unternehmen
4.3.1. IT-Security
4.3.2. Informationssicherheit
4.3.3. Kompatibilität
4.4. Auswirkungen auf die Organisation
4.4.1. Vertragsgestaltung
4.4.2. Spezialwissen und Nischen-Unternehmen
4.4.3. Handelsbeschränkungen
4.4.4. Anforderungsvielfalt und fehlende Unterstützung
5. Anpassung im unternehmensspezifischen Compliance-Ansatz
5.1. Compliance-Richtlinien
5.2. Umsetzung im Unternehmen
5.3. Compliance-Management-System
5.4. Maturitätsmodell für Industrie 4.0
6. Fazit
6.1. Zusammenfassung
6.2. Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Industrie 1.0 - 3.0
Abbildung 2: Industrie 4.0
Abbildung 3: Evolution der eingebetteten Systeme zu CPS
Abbildung 4: Verknüpfung einer Wertschöpfungskette
Abbildung 5: Prognose zum Umsatzvolumen vernetzter Geräte
Abbildung 6: Erfolgsfaktoren der Produktion - vom Dreieck zum Stern
Abbildung 7: Compliance im Unternehmen
Abbildung 8: Quellen der Compliance
Abbildung 9: Compliance-Felder
Abbildung 10: Compliance von IT und mit IT
Abbildung 11: Umsetzungsfaktoren von Industrie 4.0
Abbildung 12: Perspektiven der MTO-Analyse
Abbildung 13: Schritte der Compliance Umsetzung
Abbildung 14: Siemens Compliance-System
Abbildung 15: Dimensionen und Maturitätsstufen in Industrie 4.0
Die Industrie bildet das Herzstück der deutschen Wirtschaft und ist einer der größten Treiber für Wachstum und Wohlstand. Betrachtet man die industrielle Wettbewerbsfähigkeit, hat die Bundesrepublik Deutschland die Rolle eines weltweit führenden Fabrikausrüsters inne, denn in vielen Sektoren nehmen deutsche Unternehmen international Spitzenpositionen ein. Diese Dominanz muss die nationale Industrie auch in Zukunft beibehalten, um ein Zurückfallen Deutschlands im internationalen Wettlauf der Industrienationen zu verhindern.[1] Einer von mehreren, über Jahre aufgebauten Wettbewerbsvorteilen deutscher Industrieunternehmen resultiert aus dem profunden Know-How in den Bereichen Automatisierungstechnik, IT und eingebetteten Systemen. Die Zielsetzung, diese Führungsposition beizubehalten und durch die Ausschöpfung von Potenzialen, die der Einzug der IT in die Herstellung industrieller Güter mit sich brachte, zukünftig zu einer Vorreiterrolle auszubauen, wurde von der deutschen Bundesregierung unter dem Konzeptbegriff „Industrie 4.0“ subsumiert.[2] Dass diesem Projekt eine sehr große Bedeutung beigemessen wird, ist auch der Stellung des Industriezweiges innerhalb der deutschen Wirtschaft geschuldet. Eine Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) ermittelte im Jahr 2013 für das produzierende Gewerbe mit insgesamt ca. 5,2 Millionen Beschäftigten ein Umsatzvolumen von etwa 1,6 Billionen Euro.[3] Bei einer erfolgreichen Umsetzung der Pläne des Konzepts Industrie 4.0 könnte die Produktivität der Branche prospektiv um weitere 30% gesteigert werden. Davon profitieren würden nicht nur die Industrieunternehmen, sondern der komplette Wirtschaftsstandort Deutschland.[4] Insbesondere der deutsche Mittelstand, als Motor der deutschen Wirtschaft, würde eine Stärkung seiner Position erfahren.
Die Digitalisierung hat bereits seit einigen Jahren einen großen Einfluss auf die Industrie und wird in Zukunft noch mehr in den Fokus rücken. Im Zentrum der Vision Industrie 4.0 steht mit dem „Internet der Dinge“ eine allgegenwärtige Vernetzung von Menschen, Dingen und Maschinen. Diese Vernetzung bringt eine erhebliche Bandbreite neuer Angebote und Dienste hervor und schafft Potenziale für neue Märke und Industriezweige. Auf einem digitalen Marktplatz werden zukünftig Produkte, Transportmittel und Werkzeuge untereinander eigenständig verhandeln, welche Produktionselemente den nächsten Produktionsschritt am besten übernehmen. Um das Internet der Dinge bilden sich weitere innovative Entwicklungen und Technologien heraus, von denen man ebenfalls großen Einfluss erwartet. Die Welt befindet sich folglich an einem historischen Wendepunkt, an dem die virtuelle Welt mit realen Objekten nahtlos verschmilzt.[5] Die logische Folge aus dieser Entwicklung ist die radikale Veränderung von Produkten und Prozessen sowie von Produktion und Dienstleistung.[6] Kunden gewinnen an Marktmacht und erwarten nach ihren Wünschen differenzierte Produkte und erzwingen damit eine Dynamisierung von Produktion und Dienstleistungen. Unternehmen müssen sich dafür innovativ und agil aufstellen, auf angemessene (IT-) Infrastruktur zurückgreifen können und auch sonst ein digital-freundliches Umfeld bieten, um dieser Marktmacht der Nachfrager Herr zu werden. Der Status quo mit zentral gesteuerten, weitestgehend standardisierten Prozessen wird dazu nicht mehr lange tragbar sein.[7]
Neben dem Anspruch an Differenzierung zeichnen sich zusätzliche Markttrends ab, welche die Industrie in den kommenden zehn Jahren vor beträchtliche Herausforderungen stellen werden. Beispielhaft kann der stetig wachsende Bedarf an Informations- und Anwendungsbereitstellung ohne Zeitverzug („Real-Time-Economy“), der wachsende Anspruch an ressourceneffizientes, nachhaltiges bzw. „grünes“ Wirtschaften aufgrund wachsenden Wettbewerbsdrucks und eine unablässige Verschiebung der globalen Nachfrage in Richtung Nah- und Fernost genannt werden. Immer mehr Unternehmen beginnen damit, ihre Produktionsanlagen zu modernisieren und aufzurüsten sowie sich intensiv mit Industrie 4.0 zu befassen, um die Trendwende nicht zu verpassen.
Ökonomen legen ihren Fokus meist auf externe Faktoren, die sich gut quantifizieren lassen und die im Idealfall auch noch monetär darstellbar sind. So zum Beispiel die Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, die den 17 wichtigsten Industrienationen Europas bis 2025 einen Hinzugewinn von 1,25 Billionen Euro entlang der Wertschöpfungskette prognostiziert, sofern sie die neuen Trends erfolgreich adaptieren. Andernfalls droht durch Nachfrageverschiebung ein Verlust von 600 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung und damit ein Rückgang von mehr als zehn Prozent der industriellen Basis.[8] Doch neben dem Zahlenwerk gibt es noch eine große Menge weiterer Faktoren, die es im Kontext von Industrie 4.0 zu berücksichtigen gilt. So zwingen Digitalisierung, Vernetzung, Automatisierung, Prozessindividualisierung, Differenzierung etc. die Unternehmen auch dazu ihre internen Regeln und Richtlinien entsprechend den Innovationen auszurichten. Auch Gesetze und externe Regelwerke werden Novellierungen erfahren, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Von größter Bedeutung ist hierbei die Frage, welche Auswirkungen Industrie 4.0 auf die Gesamtheit der internen und externen Regelwerke besitzt. Denn für die verantwortungsvolle Steuerung eines Unternehmens und damit einhergehend auch für Compliance – im Sinne der notwendigen Kontrollmaßnahmen zur Einhaltung der Regeln – ist die Geschäftsführung unmittelbar verantwortlich und haftbar. Folglich ist es Bestandteil einer gewissenhaften Unternehmenssteuerung, geltende Vorgaben zu befolgen und sich um Einhaltung von Compliance zu kümmern.[9] Dazu zählt auch, neue Compliance-Anforderungen zu erkennen, um sich kritisch damit auseinander setzen zu können und diese entsprechend im Compliance Management System zu adressieren.
Erklärtes Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Auswirkungen von Industrie 4.0 auf Compliance zu erarbeiten und Rückschlüsse auf notwendige Anpassungen im Unternehmen zu ziehen. Es sollen dafür zunächst Grundkenntnisse zum Thema Industrie 4.0 geschaffen und wesentliche Technologien und Konzepte sowie relevante Treiber verstanden werden. Weiterhin wird ein Grundverständnis zum Thema Compliance vermittelt, in dem u.a. Anforderungen, Einflüsse und Sektoren näher dargestellt werden. Darüber hinaus werden die Auswirkungen der Industrie 4.0 auf Compliance beleuchtet und die folglich notwendigen Anpassungen im unternehmensspezifischen Compliance-Ansatz dargestellt, um ein haptisches Bild des Zusammenhangs und der Einflüsse zu vermitteln und dieses kritisch zu diskutieren.
Zunächst legt diese Arbeit den Fokus darauf, Bestandteile von Industrie 4.0 zu identifizieren. Dazu wird als erstes die historische Entwicklung betrachtet, um ausgehend von dieser auf den heutigen Stand der Technik zu schließen. Im nächsten Schritt wird Industrie 4.0 definiert und in ein Gesamtbild eingeordnet. Die wesentlichen Treiber der vierten industriellen Revolution, Technologiedruck und Bedarfssog, werden dargestellt und die Stoßrichtungen skizziert. Es wird auf Cyber-physische System (CPS) sowie eingebettete Systeme eingegangen und diese gegeneinander abgegrenzt. Außerdem soll das Internet der Dinge konkretisiert und weitere essenzielle Bestandteile der vierten industriellen Revolution erörtert werden. Das Kapitel fährt fort mit einer Beschreibung der intelligenten Fabrik und den Fähigkeiten der Produktion der Zukunft, bevor es mit einem Status quo schließt.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema Compliance, indem zunächst eine Definition dieses nahezu allgegenwärtigen Schlagwortes erfolgt. Die unterschiedlichen Quellen für Compliance-Anforderungen werden ebenfalls herausgearbeitet, um die vielfältigen Einflüsse besser darstellen zu können. Compliance betrifft dabei im Wesentlichen nicht nur einen Bereich im Unternehmen, sondern eine Vielzahl an Sektoren, deren Darstellung überblickshaft skizziert wird und gesondert auf die IT-Compliance als wesentlichster Sektor für Industrie 4.0 eingegangen wird.
Auf den bisherigen Informationen aufbauend, wird im vierten Abschnitt der Arbeit die Verknüpfung von Industrie 4.0 mit Compliance hergestellt und darauf basierend die Auswirkungen eruiert. Dabei werden unternehmensübergreifende Auswirkungen sowie Konsequenzen für den Menschen, die Technik und die Organisation differenziert dargestellt.
Das fünfte Kapitel zielt darauf ab, wie den untersuchten Auswirkungen der Industrie 4.0 auf Compliance im Unternehmen zu begegnen ist und beschreibt die notwendige Anpassung des unternehmensspezifischen Compliance-Ansatzes. Die Compliance-Richtlinien für betroffene Unternehmen inklusive deren Umsetzung und Einbettung in ein Compliance-Management-System (CMS) werden betrachtet und ein Maturitätsmodell für Industrie 4.0 dargestellt.
Zuletzt folgt eine Zusammenfassung wesentlicher Kernaussagen, bevor mit einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen von Industrie 4.0 geschlossen wird.
Der Titel dieses Kapitels stellt bereits dar, dass Industrie 4.0 für Unternehmen in Zukunft nicht wahlfrei sein wird, sondern vielmehr als neuer Standard angesehen werden kann. Diverse aktuelle Berichte und Studien stellen bereits sehr detailliert die Welt und Wirtschaft von morgen dar, allesamt mit identischem Tenor: Wer bei der Digitalisierung nicht mitmacht, bleibt auf der Strecke. Um die vierte industrielle Revolution zu verstehen, wird sie zunächst in einen historischen Kontext gesetzt und definiert. Weiterhin werden die bedeutendsten Treiber sowie wesentliche Konzepte und Entwicklungen vorgestellt, bevor der Status quo skizziert wird.
In jeder Periode der Industrialisierung repräsentierten bestimmte Technologien den technischen Fortschritt. Aufgrund dieser Technologien stieg die Produktivität, obwohl es sich um keine gebrauchsfertigen technischen Lösungen handelt. Der Begriff Industrie 4.0 impliziert, dass mindestens drei Vorgänger-Versionen der Industrie existieren, die bedeutenden Einfluss auf die Produktivität von Unternehmen hatten und als industrielle Revolution bezeichnet werden. Dementsprechend erfolgt eine historische Einordnung, wofür folgendes Schaubild einen Überblick liefert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Industrie 1.0 - 3.0 (Quelle: PwC AG WPG 2015, S. 16)
Mit Beginn der 1. industriellen Revolution um 1750 wurde das Zeitalter der Industrialisierung eingeläutet. Durch Nutzung von Wärmekraft und Optimierung des Wirkungsgrades der Dampfmaschine durch den Schotten James Watt begann die Planung und Umsetzung von Fabriken.[10] Durch Verwendung der Dampfenergie, als effizientes Substitut für menschliche Arbeitskraft, wurden Maschinen in die Produktion integriert und es kam zu einer allgemeinen Mechanisierung der Wirtschaft. Im Zuge dessen wurde gleichermaßen die Produktivität in der Herstellung von Grundversorgungsgütern verbessert und die Bevölkerung konnte mit Nahrung und Kleidung versorgt werden. Es wurden Transportsysteme wie Dampfschiffe und Eisenbahnen, ausgebaut.[11] Die Gesellschaft veränderte sich mehr und mehr von Bauern zu Fabrikarbeitern und wohlhabenden Fabrikbesitzern. Trotz schlechterer Arbeitsbedingungen und damit verkürzter Lebenserwartung fand eine Urbanisierung statt.[12]
Die zweite industrielle Revolution begann Anfang des 20. Jahrhunderts und war geprägt durch die arbeitsteilige Massenproduktion mit Hilfe elektrischer Energie. Den Grundstein dafür legte Thomas Alva Edison mit der Entwicklung des Dynamos als Stromgenerator, der so erstmalig eine flexible Verortung von Anlagen in der Fabrik ermöglichte.[13] Von Henry Ford wurde zunächst das Fließband und von Frederic W. Taylor im Nachgang die wissenschaftliche Betriebsführung entworfen. Des Weiteren wurden elektrische Antriebe und Verbrennungsmotoren entwickelt. Die großindustrielle Massenproduktion entstand hauptsächlich in der Elektro- und Chemieindustrie sowie in der Automobilindustrie und dem Maschinenbau.[14] Durch die Massenproduktion entstanden Skaleneffekte, welche eine kostengünstigere Produktion ermöglichten und gleichermaßen zu gesellschaftlichen Veränderungen führten. In der Zeit stieg der Wohlstand der Fabrikmitarbeiter an und es entstanden die ersten Gewerkschaften zum Schutz der Arbeitnehmer.[15]
Unterbrochen durch zwei Weltkriege, begann die dritte industrielle Revolution um etwa 1970. Diese Entwicklung wurde einerseits getrieben durch die Elektronik und andererseits wenig später durch die Informations- und Kommunikationstechnologie, welche eine fortschreitende Automatisierung der Produktionsprozesse ermöglichte.[16] Mit der ersten FlipFlop-Schaltung[17] wurde der Grundstein zu einer rasanten elektronischen Entwicklung gelegt, worauf nur wenig später die erste numerische Steuerung auf den Markt kam. Mit speicherprogrammierbaren Steuerungen und Feldbus-Systemen war zum Ende des letzten Jahrtausends eine industrietaugliche Netzstruktur etabliert.[18] Durch diese moderne Form der Technologie war es erstmals möglich, komplexe Automatisierungslösungen und die weltweite Vernetzung von Kooperations- und Produktionsnetzwerken zu koordinieren.[19] Es fand zum einen eine Rationalisierung statt, zum anderen wurde die variantenreiche Serienproduktion realisiert. Die bisherigen Verkäufermärkte entwickelten sich zu Käufermärkten, in denen der Wunsch der Kunden nach Individualisierung einer der größten Triebkräfte darstellt.[20]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Industrie 4.0 (Quelle: PwC AG WPG 2015, S. 16)
In den vergangenen 50 Jahren liefen viele Entwicklungen fast simultan ab, allesamt mit dem Ziel, immer mehr Informationen bei immer höherer Lesegeschwindigkeit auf die Produkte aufzubringen. Der erste Computer für Privatpersonen in Kombination mit Grundlagen der Internetsprache HTML[21] schufen ein globales Netzwerk, das die Welt nachhaltig veränderte. Unter dem Sammelbegriff „Internet“ werden heute ganz selbstverständlich Texte, Bilder, Musik und Videos interaktiv miteinander verknüpft und ausgetauscht. Die Endgeräte wurden im Laufe der Zeit performanter und die Inhalte komplexer. Aus Großrechnern entwickelten sich Laptops, Notebooks und folglich Tablets. Der Ausbau leistungsstarker Mobilfunknetze und Smartphones machten das Internet schließlich mobil und somit allgegenwärtig. Heutzutage können über sog. Cloud-Technologien Informationen weltweit ohne physischen Datenträger ausgetauscht werden. Wissen ist von Geräten und Software unabhängig und allerorts in Echtzeit verfügbar. Dies eröffnet auch der Industrie neue Möglichkeiten und bildet damit den Nährboden der vierten industriellen Revolution.[22] Wie eingangs geschildert, wurde der Begriff Industrie 4.0 im Jahr 2011 durch die Bundesregierung im Rahmen ihrer Hightech-Strategie entwickelt – mit dem Ziel, den Erfolg des Produktionsstandortes Deutschland nachhaltig zu sichern.[23] Laut der Bundesregierung wird es in den kommenden Jahren einen Paradigmenwechsel in der Produktion und Automatisierung geben. Zentrale Steuerungen werden durch autonome Objekte ersetzt, die untereinander kommunizieren, sodass dezentrale Informationen über Ort und Art der Fertigung eines Produktes entscheiden.[24] Die Technologie hinter Industrie 4.0 sind Cyber-physische Systeme, welche in Fertigung und Logistik integrieren und in den industriellen Prozessen vom Internet der Dinge unterstützt werden, um den Produktprozess weiter zu individualisieren und auf die Losgröße 1 auszurichten.[25]
Eine sehr eng gefasste Definition aus einer Arbeitsstudie des Fraunhofer Instituts lautet „Unter Industrie 4.0 wird die beginnende vierte industrielle Revolution nach Mechanisierung, Industrialisierung und Automatisierung verstanden. Zentrales Element sind vernetzte Cyber-Physische Systeme (CPS).“[26]
Industrie-Experten der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Pricewater-houseCoopers (PwC) fassen die Definition für Industrie 4.0 weiter und verstehen darunter eine neue Ausbaustufe der Organisation und Steuerung der kompletten Wertschöpfungskette über den gesamten Produktlebenszyklus.[27] Dabei orientiert sich dieser Zyklus zunehmend an den individualisierten Kundenbedürfnissen und erstreckt sich von der Idee über den Auftrag, die Entwicklung und Fertigung bis hin zur Auslieferung eines Produkts an den Kunden. Zusätzlich beinhaltet er sogar das Recycling sowie mit dem Produkt verknüpfte Dienstleistungen.[28] Man kann in diesem Fall zweifelsohne von einer „Losgröße 1“ sprechen, die mittelfristig Folge der verstärkten Individualisierung in den industriellen Fertigungsstraßen sein wird.
Einer ähnlichen Ansicht ist das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und definiert Industrie 4.0 wie folgt: Unter Industrie 4.0 versteht man die umfassende Digitalisierung und Vernetzung von Produktionsprozessen, ausgehend von der Kundenbestellung, über den Erstellungsprozess, bis hin zu nachgelagerten Produktdienstleistungen. Durch weitestgehend selbstorganisierte Wertschöpfungsnetzwerke werden tiefgehende Veränderungen unserer wirtschaftlichen Interaktionen erwartet.[29] Diese weiter gefassten Definitionen sind Grundlage des weiteren Fortgangs der vorliegenden Arbeit.
Basis für Industrie 4.0 ist die Verfügbarkeit sämtlicher relevanten Informationen in Echtzeit durch die Vernetzung aller an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen in Verbindung mit der Fähigkeit, aus den Daten jederzeit den optimalen Wertschöpfungsfluss abzuleiten. Durch die Verbindung von Menschen, Objekten und Systemen entstehen dynamische, echtzeitoptimierte und selbstorganisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, die sich hinsichtlich unterschiedlicher Kriterien wie z.B. Kosten, Verfügbarkeit und Ressourcenverbrauch optimieren lassen.[30]
Eine industrielle Revolution dieses Ausmaßes entsteht jedoch nicht nur durch Technologiefortschritt und stärker individualisierten Kundenbedürfnisse – hinter der Industrie 4.0 stecken diverse Treiber, von denen vor allem Technologiedruck und Bedarfssog eine essenzielle Rolle spielen.
Wie bereits skizziert, sind es bedeutende Innovationen, die Trends wie Industrie 4.0 begründen oder fördern. Diese Innovationen lassen sich folgendermaßen klassifizieren: Es handelt sich zum einen um Erfindungen und deren Verwertung ohne vorherige Marktanalyse (technology push oder Technologiedruck), die auf das mechanistische Innovationskonzept von Joseph Schumpeter zurückgehen und typisch für Verkäufermärkte sind.[31] Zum anderen sind es nachfrageorientiere Entwicklungen von Neuerungen und deren Verwertung als Antwort auf identifizierte Kundenbedürfnisse (demand pull oder Bedarfssog), welche auf die Überlegungen von Jacob Schmookler zurückgehen und charakteristisch für Käufermärkte sind.[32]
Der Technologiedruck ist in der industriellen Praxis bereits allgegenwärtig, wenn auch nicht in allen Bereichen gleichermaßen. Während er im privaten Umfeld den Alltag durch Dinge wie Web 2.0, Apps, Smartphones und 3D-Druck bereits weitgehend durchdrungen hat, sind besonders im industriellen, gewerblichen Kontext innovative Technologien noch nicht durchgängig verbreitet. In unserer Gesellschaft sind weitreichende Ansätze des Technologiedrucks feststellbar und auch tagtäglich erlebbar:
- Steigende Mechanisierung und Automatisierung:
Im Arbeitsprozess sind zunehmend technische Hilfsmittel im Einsatz, um die körperliche Arbeit zu unterstützen. Automationslösungen übernehmen den Vollzug vielfältiger Arbeitsschritte, welche operative, analytische und dispositive Komponenten beinhalten. So steuern und optimieren autonome Fertigungszellen eine Produktion über mehrere Stufen hinweg.[33] Die Mensch-Maschine-Interaktion ist eines der größten Forschungsfelder und beschäftigt dabei nicht nur große Roboterbauer, sondern gesamte Industriezweige. Auch das sogenannte ‚machine learning’[34] beschäftigt Hochschulen und Unternehmen gleichermaßen. Maschinen, die einen ähnlichen Lerneffekt erzielen können wir der Mensch und folglich eigenes Wissen aufbauen, gelten als die Zukunft der industriellen Produktion.
- Digitalisierung und Vernetzung:
Fertigungs- und Fertigungshilfsmittel werden zunehmend digitalisiert und erheben eigenständig Aktor- und Sensordaten für Steuerungs- und Analysezwecke. Durch Vernetzung technischer Komponenten entstehen digitalisierte Prozesse, die in Verbindung mit den digital generierten Produkten und Services zu vollständig digitalisierten Umgebungen führen. Diese sind wiederum Treiber für neue Technologien wie Simulation, digitale Sicherheit oder virtual bzw. augmented reality[35].[36]
- Miniaturisierung:
Die Rechenleistung benötigt immer weniger Platz bei gleichzeitiger Zunahme der Leistungsfähigkeit, wie die Entwicklung vom raumfüllenden Computer hin zur kleinen Smartwatch hervorragend zeigt.[37] Diese Verminderung des benötigten physischen Raumes schafft v.a. im produzierenden Umfeld enorme Potenziale zur Kostensenkung.
Der Bedarfssog ist vor allem induziert durch veränderte betriebliche Rahmenbedingungen, deren Ursprung gesellschaftliche, politische und ökonomische Anpassungen sind:
- Kurze Entwicklungszyklen:
Entwicklungs- und Innovationszeiten müssen verkürzt werden, um mit der Schnelllebigkeit der Gesellschaft Schritt zu halten. Die „Time-to-Market“ ist ein Wettbewerbsfaktor, der hoher Innovationsfähigkeit bedarf und mittlerweile als sehr wichtiger Key-Performance-Indicator (KPI)[38] gilt.
- Individualisierung der Nachfrage:
Seit Jahrzehnten ist eine Wandlung vom Verkäufer- zum Käufermarkt wahrnehmbar, was per Definition den Käufer in eine stärkere Position rückt. Dies führt dazu, dass Produkte und Services zunehmend individualisiert werden müssen, um die Anforderungen der Kunden zu befriedigen. Im Extremfall folgt hieraus ein Individualprodukt, das unter die „Losgröße 1“ fällt.[39] Wettbewerbsentscheidend für die Unternehmen werden hierbei vor allem die entstehenden Rüstkosten, wenn Produkte immer mehr zu Unikaten werden. Eine stark manuell und analog getriebene Umrüstung wird wohl kaum über längere Zeit mit automatisierter und digitaler Fertigungsanpassung konkurrieren können.
- Flexibilität:
Die neuen Rahmenbedingungen erfordern mehr Flexibilität und die dafür notwendigen Strukturen. Anspruchsvolle Kunden möchten die bestellte Ware bzw. den Service auch im Fertigungsprozess noch anpassen können. Dies erscheint durchaus nachvollziehbar, wenn man an den Neuwagenkauf denkt. Premiumhersteller haben teilweise bis zu zwölf Monaten Lieferzeit ab Bestelleingang. Der Kunde muss sich dennoch bereits bei der Bestellung, also viele Monate vor Produktionsstart, für eine Lackfarbe entscheiden, die ohnehin erst in den letzten Zügen der Produktion aufgebracht wird.
- Ressourceneffizienz:
Zunehmende Güterknappheit und der gesellschaftliche Druck zur Nachhaltigkeit zwingen Unternehmen neben der ökonomischen Effizienz nun auch zur ökologischen Effizienz.[40] Nachhaltigkeit ist eines der großen Themen der aktuellen Zeit und deshalb auch als kritischer Wettbewerbsfaktor im Kontext von Industrie 4.0 zu sehen.
Die dargestellten Entwicklungen sind im Einzelnen keine neuen Themen, haben jedoch in ihrer Summe das Potenzial, die industrielle Praxis gänzlich zu verändern. Die beiden Einflussgrößen Technologiedruck und Bedarfssog sind folglich signifikant für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 mit seinen Konzepten und Entwicklungen.[41]
Unter Industrie 4.0 wird eine Vielzahl von Konzepten subsumiert, deren differenzierte Abgrenzung und Unterscheidung nicht immer zweifelsfrei möglich ist. Übergänge sind zum Teil fließend und manche Technologien sind in anderen Konzepten integriertet oder verwoben. Es erfolgt daher eine Darstellung wesentlicher Bestandteile.
Die Literatur liefert zahlreiche Definitionsansätze für Cyber-physische Systeme, jedoch keine allgemein anerkannte. Einig sind sich die Definitionen jedoch darin, dass die CPS eine Weiterentwicklung der eingebetteten Systeme sind und von globalen Datennetzen profitieren. Der Begriff CPS steht im vorliegenden Kontext also für eingebettete Systeme aus Elektronik und Software (Mikroprozessoren), die über Sensoren und Aktoren mit der physischen Außenwelt verbunden sind und gleichzeitig sowohl untereinander, als auch über das Internet vernetzt sind.[42] Nach der AgendaCPS der deutschen Akademie für Technikwissenschaften verfügen eingebettete Systeme im Sinne von CPS über Sensoren, die unmittelbar physikalische Daten erfassen und mithilfe von Aktoren auf physikalische Vorgänge einwirken. Sie sind mit anderen Systemen vernetzt und verfügen neben geeigneten Komponenten zum Senden, Empfangen und Speichern von Daten auch über die notwendige Rechenkapazität, um diese Daten in Echtzeit speziell zu verarbeiten.[43] Die Ausgestaltung der Systeme ist mannigfaltig: drahtgebunden oder drahtlos, global als auch lokal, verbunden über lokales Intranet oder breit gespannt über das Internet, über Unternehmensgrenzen hinweg verbunden oder komplett gegen externen Zugriff abgeschirmt. Durch diese Verbindung der physischen Welt mit dem Cyberspace entstehen Systeme verschiedenster Ausprägungen, welche mit anderen über ihre lokalen Grenzen hinweg interagieren können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Evolution der eingebetteten Systeme zu CPS (Quelle: eigene Darstellung)
CPS als Ergebnis der Weiterentwicklung von eingebetteten Systemen und globalen Datennetzen ermöglichen mit ihrer integrierten leistungsfähigen Software und dem Internet neue Systemfunktionen, die über die ursprünglichen Aufgaben der eingebetteten Systeme weit hinausgehen. Die neuen Systeme verarbeiten unter Zuhilfenahme ihrer Sensoren Daten aus der realen Welt und machen sie für netzbasierte Dienste verfügbar, die durch Aktoren wiederum direkt auf die physikalische Welt einwirken können.
Die CPS-Strategie umfasst einen dualen Ansatz: vertikale Integration vernetzter Produktionssysteme sowie horizontale Integration durch die komplette Wertschöpfungskette hindurch.[44] Diese Vision, die als Cyber-Physical Production Systems (CPPS) bezeichnet wird, trägt das Bild von adaptiven, sich selbst konfigurierenden und selbstorganisierenden, flexiblen Produktionsanlagen.[45] In der Folge entstehen tiefgreifende Veränderungen in der Struktur produzierender Unternehmen, denn die Automatisierungspyramide wird durch die Nutzung dezentraler Dienste und Informationen aufgebrochen und auf eine funktionalere Struktur abstrahiert:[46]
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Abbildung 4: Verknüpfung einer Wertschöpfungskette (Quelle: Lasi, Kemper, et. al. (2014), S. 263)
Die interne, vertikale Integration der Wertschöpfungskette im Kontext der Digitalisierung beschreibt die Durchgängigkeit von Prozessen und Daten im eigenen Unternehmen. Sie setzt den Wandel vom klassischen Funktionsdenken zum ausgeprägten Prozessdenken sowie eine abgestimmte, gemeinsame Zielsetzung alle Funktionen im Unternehmen voraus. Die Anforderungen an die gesamte Organisation hinsichtlich Wandlungsfähigkeit und Flexibilität sind immens. Die horizontale Integration geht noch einen Schritt weiter und integriert auch externe Partner in eine gemeinsame Supply-Chain-Plattform. So ist eine Netzwerk-übergreifende Planung und eine Echtzeit-Optimierung entlang der gesamten logistischen Kette möglich.[47]
CPS lassen sich nach aktuellen Erkenntnissen in aufeinander aufbauende Stufen einteilen und werden sich vornehmlich evolutionär entwickeln. Die AgendaCPS definierte dazu im Jahr 2012 fünf evolutionäre Stufen:
- Verschmelzung der physischen mit der virtuellen Welt:
Das System erkennt seine eigene physikalische Situation, prognostiziert Störungen, steuert die Komponenten des Systems und ermöglicht Echtzeitsteuerung. CPS erfassen und verarbeiten Sensordaten der Umgebung, verdichten und interpretieren sie und regeln das Verhalten beteiligter Aktoren.[48]
- System-of-Systems mit dynamischen Systemgrenzen:
CPS kombinieren temporär intelligent ihre einzelnen Fähigkeiten, um neue Möglichkeiten bereitzustellen. Es kommt zur Kooperation mit anderen Systemen, Teilsystemen oder Diensten in der Umgebung. Die Systeme sind in der Lage ihre aktuelle Situation zu erkennen und die Anforderungen der anstehenden Aufgaben zu analysieren. Sie leiten selbstständig daraus ab, welche Daten, Funktionalitäten und Dienste zur Erfüllung der Aufgaben notwendig sind und an welchen Ressourcen es aktuell mangelt. Die fehlenden Komponenten werden bei Bedarf selbstständig aktiv bei anderen, zum Teil unbekannten, im Netz vorhandenen Teilsystemen gesucht und dynamisch eingebunden.[49]
- Kontextadaptive und (teil-) autonom handelnde Systeme:
Wenn ein CPS sich an Umgebungssituationen und Anwendungserfordernisse anpassen kann und infolgedessen teilweise bis vollständig autonom handelt, ist die dritte Evolutionsstufe erreicht. Grundvoraussetzung für diese Stufe ist die mögliche Echtzeitsteuerung, ohne die keine Autonomie möglich ist.[50]
- Kooperative Systeme mit verteilter, wechselnder Kontrolle:
CPS werden meist nicht zentral kontrolliert – ihr sinnvolles und zielgerichtetes Verhalten ist das Resultat häufiger Interaktion und Koordination zwischen voll- oder teilautonom handelnden Akteuren. Dabei kann es sich um softwaregesteuerte Maschinen bzw. Systeme und Dienste handeln, aber auch um Menschen oder soziale Gruppen. Das System muss zu einer verteilten, kooperativen und interaktiven Wahrnehmung und Bewertung der Lage imstande sein. Ferner muss das global vernetzte System kooperativ und interaktiv über die anstehenden Schritte in Abhängigkeit der aktuellen Lage bestimmen.[51]
- Umfassende Mensch-System-Kooperation:
Die Zusammenarbeit von Mensch und System wird die vorerst letzte Stufe der Evolution sein. CPS sollen den emotionalen und physischen Zustand ihrer Nutzer unmittelbar erfassen und interpretieren, eine Diagnose erstellen, biologische Zustandsgrößen messen oder die Mimik erfassen und interpretieren können.[52]
Die Übergänge zwischen den einzelnen Evolutionsstufen sind fließend, weshalb eine genaue Einordnung unserer Industrie in eine der Stufen durchaus schwierig erscheint. Basierend auf bekannten Entwicklungsfortschritten sollte jedoch Stufe drei oder möglicherweise vereinzelt sogar Stufe vier nicht unrealistisch erscheinen.
Als im Jahr 1969 durch die Vernetzung von drei Standrechnern das US-amerikanische Arpanet entstand, war nicht auszudenken, dass nur einige Jahrzehnte später ein weltumspannendes Netz aus über einer Milliarde Rechnern als Internet die Welt engmaschig miteinander verbinden würde. Während Registrierkassensysteme und einzelne Produktionsmaschinen schon seit geraumer Zeit in dieses Netz integriert wurden, wird aktuell eine Vielzahl weiterer Gegenstände (z.B. Autos, Produktionsmittel, Heizungsanlagen, etc.) Teil dieses Netzes.[53] Daraus resultiert einer der Schlüsselfaktoren im Bereich Produktivitätssteigerung bei produzierenden Unternehmen, das sogenannte „Internet der Dinge“ oder im Folgenden kurz „IoT“ für „Internet of Things“. Unter diesem Schlagwort wird im Fachjargon die Einbindung physischer Gegenstände in das Informationssystem zusammengefasst. Realisiert wird dieses Vorhaben ähnlich wie die CPS durch Sensoren und Aktoren, die physisch eingesetzt und im Anschluss via Netzwerk miteinander verbunden werden.[54] Die Übertragung aller relevanten Informationen erfolgt zuverlässig und vor allem kostengünstig durch bestehende Technologien wie Bluetooth, Zigbee, Z- Wave o.ä.[55]
Der wichtigste Meilenstein für das IoT wurde mit der vollständigen Einführung des IPv6-Internetprotokolls erreicht.[56] Wenn Milliarden von Geräten im Netz kommunizieren sollen, benötigt jedes davon eine eindeutige Adresse im Internet, um angesprochen werden zu können.[57] Weiterhin erfordert die Umsetzung der IoT-Vision eine weitere Technologie, die sogenannte Radio Frequency Identification oder kurz RFID, welche es durch Implementierung eines Radiowellen-sendenden Mikrochips erlaubt, den jeweiligen Gegenstand in Echtzeit zu identifizieren und zu orten.[58] Der Nutzen dieser Technologien liegt auf der Hand: Unter den o.g. Annahmen ist ein Warenlager in der Lage sich selbst permanent auf die darin befindlichen RFID Tags zu scannen. Dabei erkennt es mithilfe der Tags einen Mangel für ein Produkt, das jedoch auf Basis der hinterlegten Daten verfügbar sein sollte. Diesen Mangel behebt das System selbstständig durch Auslösen einer entsprechenden Bestellanforderung.[59] Die Vorteile für Unternehmen äußern sich laut einer McKinsey-Studie in drei Bereichen: Prozessoptimierung, Ressourcenoptimierung sowie eigenständige Systeme.[60]
Prozessoptimierung wird insofern erzielt, als dass in sich geschlossene und automatisierte Prozesse oder Prozessabschnitte sich selbst fortlaufend auf Auffälligkeiten prüfen können und in der Lage sind sich eigenständig zu reparieren.[61] Einen optimalen Ressourceneinsatz ermöglicht das IoT z.B. im Bereich der Energieversorgung. Als „Smart Grid“ wird dabei die intelligente Anpassung der Energieverteilung und Auslastung bezeichnet.[62] Der dritte große Vorteil betrifft komplexe autonome Systeme, welche ohne manuelles Eingreifen kommunizieren. Beispielsweise sind Roboter dazu fähig sich komplett autonom in Fabriken zu bewegen und durch den Einsatz entsprechender Sensor-Netzwerk-Verbindungen Kollisionen mit anderen Robotern oder der physischen Umgebung vollständig auszuschließen.[63] Diese Verbesserungen gehen selbstverständlich mit einer wachsenden Abhängigkeit von der Funktionsfähigkeit der Technik einher.[64]
[...]
[1] vgl. acatech (2013), o.S.
[2] vgl. ebd.
[3] vgl. BMWi (2014a), o.S.
[4] vgl. BMWi (2014b), o.S.
[5] vgl. PwC (2014), S. 8
[6] vgl. BMWi (2015), o.S.
[7] vgl. BMBF (2015), o.S.
[8] vgl. BMWi (2015), o.S.
[9] vgl. Taeger & Rath (2007), S. 5 f.
[10] vgl. Kersten, Koller, & Lödding (2014), S. 130
[11] vgl. Bauernhansl et. al. (2014), S. 5 ff.
[12] vgl. Schuh et. al. (2014), S. 3 ff.
[13] vgl. Kersten, Koller, & Lödding (2014), S. 130
[14] vgl. Bauernhansl et. al. (2014), S. 5 ff.
[15] vgl. Schuh et. al. (2014), S. 3 ff.
[16] vgl. Bauernhansl et. al. (2014), S. 5 ff.
[17] FlipFlop-Schaltung: elektronische Schaltung, die zwei stabile Zustände einnehmen und damit eine Datenmenge von einem Bit über eine unbegrenzte Zeit speichern kann
[18] vgl. Bartevyan (2015), o.S.
[19] vgl. Kersten, Koller, & Lödding (2014), S. 130
[20] vgl. Bauernhansl et. al. (2014), S. 5 ff.
[21] HTML: Hypertext Markup Language, eine Programmiersprache für Webseiten
[22] vgl. Bartevyan (2015), o.S.
[23] vgl. BMBF (2016), o.S.
[24] vgl. Bartevyan (2015), o.S.
[25] acatech (2013), o.S.
[26] Spath, Ganschar, Gerlach, et. al. (2013), S. 22
[27] vgl. PwC (2014), S. 16
[28] vgl. PwC (2014), S. 16
[29] vgl. ZEW (2015), S. 1
[30] vgl. PwC (2014), S. 16
[31] vgl. Andersen (2009), S. 149 f.
[32] vgl. Andersen, E. (2009), S. 149 f.
[33] vgl. Lasi, Kemper, Fettke, et. al. (2014), S. 262
[34] machine learning: maschinelles Lernen durch die künstliche Generierung von Wissen aus Erfahrung mit Hilfe von Beispielen und Mustern
[35] augmented/virtual reality: computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung
[36] vgl. Lasi, Kemper, Fettke, et. al. (2014), S. 262
[37] vgl. ebd.
[38] Key Performance Indicator (KPI): Leistungskennzahl als betriebswirtschaftliche Kennzahl, anhand derer der Fortschritt/Erfüllungsgrad hinsichtlich wichtiger Zielsetzungen oder kritischer Erfolgsfaktoren innerhalb einer Organisation gemessen und/oder ermittelt werden kann.
[39] vgl. Lasi, Kemper, Fettke, et. al. (2014), S. 261 f.
[40] vgl. Lasi, Kemper, Fettke, et. al. (2014), S. 261 f.
[41] vgl. ebd.
[42] vgl. acatech (2011), S. 5 ff.
[43] vgl. acatech (2012), S. 26 ff.
[44] vgl. acatech (2011), S. 5 ff.
[45] vgl. ebd., S. 6 f.
[46] vgl. VDI/VDE-Gesellschaft (2013), S. 3
[47] vgl. PwC 2015c, S. 9
[48] vgl. acatech (2012), S. 60 f.
[49] vgl. ebd., S. 61 f.
[50] vgl. acatech (2012), S. 63 f.
[51] vgl. acatech (2012), S. 64 f.
[52] vgl. ebd., S. 65 ff.
[53] vgl. Boeing et. al. (2014), S. 13
[54] vgl. Löffler & Tschlesner (2013), S. 1
[55] vgl. Beoing et. al. (2014), S. 13
[56] vgl. Bauernhansl et. al. (2014), S. 605 ff.
[57] vgl. European Internet Foundation (2009) S. 13
[58] vgl. ebd.
[59] vgl. Kominers (2012), S. 3
[60] vgl. McKinsey (2010), o.S.
[61] vgl. ebd.
[62] vgl. McKinsey (2010), o.S.
[63] vgl. ebd.
[64] vgl. Andelfinger & Hänisch (2014), S. 23 ff.
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