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Bachelorarbeit, 2016
26 Seiten
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsbestimmung und inhaltliche Abgrenzung
2.1 Moderne Medien
2.2 Lokale politische Präferenzen und Wahlverhalten
3 Neuerungen durch das Internet
3.1 Unterschiedezum Fernsehen
3.2 Soziale Medien
3.3 Verdrängung traditioneller Medien und Crowding-Out-Effekt
4 Auswirkungen des Internets
4.1 Wählerinformation
4.2 Wahlbeteiligung
4.3 Medienwettbewerb und Wahlkampf
4.4 Politische Präferenzen und Wahlverhalten
5 Ergebnisse
6 Kritische Würdigung
7 Fazit
Abbildung 1. Nutzung von Informationsquellen zum aktuellen Geschehen
Abbildung 2. Ideologische Zusammensetzung der Mediennutzer in den USA
Abbildung 3. Wahlanteile und -beteiligung vor und nach Interneteinführung
„Were it not for the internet, Barack Obama would not be president.“
(Arianna Huffington, Chefredakteurin der Huffington Post, 2009)
Kommunikationstechnologien haben die Politik seit jeher geprägt. Zeitungen richteten sich im 18. Jahrhundert nur an eine kleine elitäre Leserschaft, bevor 1830 eine populistischere und demokratischere Gesinnung die Ära der Massenverbreitung von Zeitungen einläutete. Die elektronische Kommunikation fand 1844 ihren Beginn mit der Erfindung des Telegrafen. Das Fernsehen entwickelte sich ab 1950 in den Vereinigten Staaten, als auch in Europa zu einem Massenmedium und ermöglichte dem Durchschnittsbürger einen nationalen politischen Informationszugang (Abramson, Arterton & Orren, 1988, S.7f.). Im Zuge der weltweiten Vernetzung wurde mit der Einführung des Internets Ende der 1970er Jahre das neue Massenmedium des 21. Jahrhunderts geschaffen, welches die Globalisierung mitbegründet hat. Während es 1993 kurz nach Beginn der kommerziellen Nutzung noch rund ein Prozent des weltweiten Telekommunikationsnetzes ausmachte, dominierte es bereits 2007 mit 97 Prozent klar den internationalen technischen Informationsaustausch (Hilbert & López, 2011, S.60-62).
Das Internet ist ein machtvolles politisches Instrument, das kollektive Aktionen unterstützen und politische Veränderungen herbeiführen kann (Campante, Durante & Sobbrio, 2013, S.1). Das wohl prominenteste Beispiel für eine erfolgreiche Online-Kampagne ist der Präsidentschaftswahlkampf von Barack Obama im Jahr 2008. Die Nutzung verschiedenster Plattformen, um potenzielle Wähler1 anzusprechen, gilt als Schlüssel seines Erfolges (Czernich, 2012, S.31). Doch nicht nur Politiker machen sich das Internet zu Nutze. Jeder kann die eigene Meinung im Netz, etwa in Social Networks wie Twitter oder Facebook, vor einem bestimmten Publikum kundtun. Durch das Internet können Informationen schneller, kostengünstiger und weitreichender bereitgestellt werden. Dadurch werden Informationsangebot sowie -konsum egalitärer (Falck, Gold & Heblich, 2014, S.2238). Einige Beobachter argumentieren deshalb, dass das Internet die Demokratie stärkt, da es ein Sprachrohr für jedermann darstellt und Informationen der breiten Masse zugänglich gemacht werden können (Czernich, 2012, S.31).
Was aber bedeutet die Einführung des Internets für die politische Bildung und Beteiligung, den Wahlkampf, die lokalen politischen Präferenzen und das Wahlverhalten? Obwohl dies ein sehr relevantes Thema darstellt, ist das Forschungsgebiet noch sehr jung (Falck, Gold & Heblich, 2014, S.2238f.). Besonders die Auswirkungen im Bereich der sozialen Medien, die heutzutage eine enorm wichtige Rolle für die tägliche Kommunikation spielen, sind bis dato kaum erforscht. Dennoch gibt es inzwischen einige Studien, die sich mit der Fragestellung beschäftigen und diesbezüglich interessante Ergebnisse hervorbringen.
Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut. In Kapitel 2 wird zunächst eine Begriffsbestimmung und inhaltliche Abgrenzung vorgenommen, um das Thema mit der Ausgangsfrage in Kontext setzen zu können. Darauf folgt in Kapitel 3 die Verdeutlichung der Unterschiede, die das Internet gegenüber dem Fernsehen mit sich bringt. Kapitel 4 leistet einen wesentlichen Beitrag zur Beantwortung der Leitfrage, indem die vorhandene Literatur hinsichtlich der Auswirkungen auf die Informationsbeschaffung, Wahlkampf und Wahlbeteiligung sowie den Präferenzen für einzelne Parteien ausgewertet wird. Kapitel 5 fasst die Befunde zusammen und in Kapitel 6 erfolgt eine kritische Würdigung dieser Ergebnisse. Kapitel 7 bildet schließlich das Fazit und beantwortet die Ausgangsfrage.
Der Wandel in der Medientechnologie hat sich über die Zeit stark beschleunigt. Grund dafür ist nicht eine bestimmte Erfindung, sondern vielmehr die Kombination mehrerer verschiedener Technologien. Die seit Jahrzehnten bestehenden Technologien wie Computer, Satelliten, Telefonleitungen und Fernsehgeräte wurden mit der Zeit zusammengeführt und integriert. Auf diese Weise sind verschiedenste Möglichkeiten entstanden, Informationen zu sammeln, zu übermitteln, abzurufen und zu speichern. Als eine Folge verschwimmen die Grenzen zwischen den Medien2 immer mehr. Wenn auch einige ersetzt werden, ist es unwahrscheinlich, dass moderne Technologien, wie das Internet, die bestehenden vollständig eliminieren (Abramson, Arterton & Orren, 1988, S.32ff.). Es ist beispielsweise kaum vorstellbar, dass Printmedien jemals gänzlich von der Bildfläche verschwinden werden.
Abramson, Arterton und Orren (1988, S.5) nehmen eine Unterscheidung in neue und alte Medien für Nachrichten wie folgt vor: Zu den alten Medien gehören demnach Radio, Zeitungen, Zeitschriften, Telefon, Telegraph und analoges Fernsehen; zu den modernen Medien zählen Computer und Internet, Satelliten, Kabelfernsehen, Video- und Teletext. Als weitere neue Kommunikationsmittel, die ihre Entstehung dem Internet zu verdanken haben, sind die sozialen Medien zu nennen. Diese werden auch als Web 2.0 Anwendungen bezeichnet, mithilfe denen der Nutzer nicht nur Inhalte konsumieren, sondern auch selbst zur Verfügung stellen kann (König, Stahl & Wiegand, 2014, S.111). Soziale Medien (Social Media) werden wie folgt definiert: „Social Media ist eine Vielfalt digitaler Medien und Technologien, die es Nutzern ermöglicht, sich auszutauschen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu gestalten. Die Interaktion umfasst den gegenseitigen Austausch von Informationen, Meinungen, Eindrücke und Erfahrungen sowie das Mitwirken an der Erstellung von Inhalten. Die Nutzer nehmen durch Kommentare, Bewertungen, und Empfehlungen aktiv auf die Inhalte Bezug und bauen auf diese Weise eine soziale Beziehung untereinander auf.“ (König, Stahl & Wiegand, 2014, S.13)
In der vorliegenden Arbeit wird der Schwerpunkt auf die Auswirkungen des Internets auf die Wählerinformation, die Wahlbeteiligung, den Wahlkampf und das Wahlverhalten gelegt. Um diese Effekte zu verdeutlichen, werden Vergleiche der jeweiligen Auswirkungen zu anderen gängigen Medien angestellt. Auch wird auf die Bedeutung der sozialen Medien eingegangen.
Von enormer politischer Bedeutung sind das Wahlverhalten und die individuellen politischen Präferenzen der Bürger, die im Kollektiv zur entsprechenden Wahlentscheidung führen und den Ausgang einer jeden demokratischen Wahl bestimmen. Das Wahlverhalten wird wie folgt definiert: „Das politische Verhalten, das auf die Auswahl von Entscheidungsalternativen, insbesondere die Wahl von Personen oder politischen Parteien zur Besetzung von Führungspositionen [...] oder auf Abstimmung über bestimmte Sachlagen gerichtet ist.“ (Schmidt, 2010, S.886)
Eine Präferenz3 bezeichnet gemäß Schmidt (2010) allgemein die Bevorzugung einer Alternative und speziell in den Sozialwissenschaften den Vorrang eines bestimmten Objektes in der Nutzenbewertung. Präferenzen werden aus den drei Komponenten Eigeninteresse, normative Rollenerwartung und Identität gebildet (Schmidt, 2010, S.637). Der Begriff wird im Folgenden stets für den politischen Vorrang bezeichnet, den ein Wähler einer politischen Partei einräumt und der sich schließlich in der Wahlentscheidung zu Gunsten dieser Partei äußert.
Ein ebenfalls wichtiger Begriff, der in engem Verhältnis mit dem Wahlverhalten steht, ist die Wahlbeteiligung. Diese bezeichnet die Teilnahme von Wahlberechtigten an einer Wahl und ist zugleich eine Maßgröße, welche den Prozentanteil der Abstimmenden (bzw. der mit gültiger Stimme Abstimmenden) wiedergibt (Schmidt, 2010, S.875). Die Teilnahme an einer Wahl stellt für die Mehrheit der Bürger die wesentliche Form politischer Beteiligung dar (Snyder & Strömberg, 2010, S.380). Die Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen in Deutschland von 1949 bis 2009 lag bei durchschnittlich 83,4 Prozent und übertrifft damit die Wahlbeteiligung an nationalen Wahlen der Länder innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) um drei bis vier Prozentpunkte. Niedriger ist die durchschnittliche Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen und beträchtlich geringer bei Kommunalwahlen sowie bei Wahlen zum Europäischen Parlament. Die Wahlbeteiligung zum Deutschen Bundestag ist seit den 1980er Jahren erheblich gesunken. Zu den Ursachen zählen vor allem Dealignment, d. h. die nachlassende Bindungskraft der Parteien; tendenziell abnehmende Kompetenzzuschreibungen an Personal und Politik der Parteien; zunehmende Politikverdrossenheit sowie Desinteresse, das der Zufriedenheit mit dem gesellschaftlichen Status quo geschuldet ist (Schmidt, 2010, S.875f.).
Die räumliche Maßstabsebene „lokal4 “ wird in der vorliegenden Arbeitjeweils für ein Land oder ein Gebiet innerhalb eines Landes verwendet. Die kleinste territoriale Einheit für die Datenerhebung sind einzelne Gemeinden, die größte ist die Bundesebene. Die ausgewählten Studien beziehen sich vor allem auf die Wahlbeteiligung und die Wahlergebnisse in Deutschland. Für diese werden Bezüge zu Studien für die Vereinigten Staaten, Italien und Russland hergestellt, um eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen und die ermittelten Ergebnisse zu stützen.
Das Fernsehen gilt noch immer als Hauptquelle für politische Information, wie in Abbildung 1 in Kapitel 4 aufgezeigt wird. Um die Auswirkungen der Interneteinführung betrachten zu können, sollen im Folgenden zunächst die wesentlichen Unterschiede, die das Internet gegenüber dem Fernseher aufweist, verdeutlicht werden.
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, können Informationen über das Internet kostengünstiger bereitgestellt werden. Daraus resultiert ein größeres Informationsvolumen. Sowohl die reine Datenmenge, als auch die Anzahl und Vielfalt an Informationskanälen, die der Gesellschaft zur Verfügung steht, hat sich über die letzten Jahrzehnte rasant vervielfacht. Durch die neue Technologie werden keine neuen Informationen erschaffen, vielmehr werden die Wege erweitert, auf denen Konsumenten sich Zugang zu existierenden Informationen beschaffen können (Abramson, Arterton & Orren, 1988, S.34).
Ein weiterer Vorteil ist, dass durch das Internet eine schnellere Informationsübertragung ermöglicht wird. Während im Fernsehen im Vergleich zu Zeitungen bereits eine schnellere Berichterstattung erfolgt, von Tagen zu Stunden, können Nachrichten im Internet sofort und mit Vorbereitungszeit geschalten werden. Die Zeit, in der sich Informationen verbreiten, reduziert sich so von Stunden zu Minuten. Dies ändert den Charakter der Nachrichten: Die Übertragung von Ereignissen in Echtzeit erweckt mehr Aufmerksamkeit als veraltete Nachrichten und hat somit mehr Einfluss auf die Gesellschaft (Abramson, Arterton & Orren, 1988, S.42-46).
Außerdem bietet das Internet mehr Kontrolle für den Konsumenten, denn dieser hat aufgrund der breiteren Informationsauswahl nun erstens die Möglichkeit, freier zwischen den Alternativen zu entscheiden und ist zweitens nicht mehr an bestimmte Sendezeiten gebunden, da er Informationen im Internet zu jeder Zeit abrufen kann (Abramson, Arterton & Orren, 1988, S.46-49). Somit hat der Bürger die Möglichkeit, Informationen entsprechend seinen Interessen zu filtern und zu konsumieren. Die Bereitstellung und der Abruf von Informationen werden damit freier zugänglich und egalitärer (Falck, Gold & Heblich, 2014, S. 2238-2239).
Für diejenigen, die Informationen vermitteln, bietet das Internet mehr Zielgruppenorientierung und ermöglicht es, Informationen leichter an Minderheiten zu übermitteln. Besonders für den Wahlkampf wird Zielgruppenorientierung immer wichtiger. Politiker nutzen die neuen Möglichkeiten des Internets, um Daten über Individuen zu sammeln, auszuwerten und ein genaues Profil verschiedener Wählergruppen anzulegen. Indem die Kanäle für Wahlkampfkommunikation gezielter genutzt werden, können Politiker Informationen direkt an das Publikum adressieren, welches am meisten davon beeinflusst wird. Dies macht die Wahlkampfwerbung effektiver (Abramson, Arterton & Orren, 1988, S.49-50).
Ob die Interneteinführung eine Dezentralisierung der Medien fördert, ist eine sehr umstrittene Frage. Spricht man von Dezentralisierung der Medien, ist deshalb zwischen Eigentum der Medien und deren Einflussnahme zu unterscheiden. In vielen Fällen konzentriert sich die Inhaberschaft der Medien nach wie vor auf einen kleinen Kreis, während sich die Entscheidungsmacht mit den neuen Kom- munikations- und Informationsmittel in eine dezentrale Richtung verschiebt (Abramson, Arterton & Orren, 1988, S.54-55). Die steigende dezentralisierte Kontrolle der Medien ermöglicht es Politikern, Wähler direkter anzusprechen, indem diese die traditionellen Medien umgehen können (Abramson, Arterton & Orren, 1988, S.102).
Nicht zuletzt birgt das Internet eine zuvor nie dagewesene Interaktionsmöglichkeit dadurch, dass Nutzer z. B. im Rahmen von Diskussionsbeiträgen auf Pressemeldungen reagieren können. Traditionelle Medien, wie das Fernsehen, erlauben höchstens die Beteiligung der Zuschauer über Leserbriefe, Anrufe oder Umfragen (Abramson, Arterton & Orren, 1988, S.58-60). Das Internet bietet dahingegen die Gelegenheit zur Interaktion der Nutzer untereinander und zum Meinungsaustausch mit den Menschen, die einem nahestehen und die deshalb einen höheren Einfluss auf die eigene Meinung haben (Siegel, 2013, S.786). Diese Neuerung in der Mediennutzung kommt vor allem durch die Anwendungsvielfalt sozialer Medien zustande, auf die im folgenden Kapitel näher eingegangen wird.
[...]
1 Alle maskulinen Bezeichnungen beziehen sich in dieser Arbeit gleichermaßen auf Frauen und Männer. Dies geschieht ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit.
2 Lat. „medium“ = Mitte
3 Lat. „praeferre“ = voraustragen, vorziehen
4 Lat. „localis“ = örtlich