Bachelorarbeit, 2016
50 Seiten, Note: 1,0
1. Einführung
1.1 Einleitung und Fragestellung
1.2 Aufbau der Arbeit und methodisches Vorgehen
2. Der Subjektwissenschaftliche Ansatz
2.1 Menschenbild der Kritischen Psychologie nach Klaus Holzkamp
2.2 Kritische Psychologie und Gesellschaftskritik
2.3 Begründungsdiskurs
2.4 Handlungsforschung
3. Relevanz der Subjektwissenschaft für die Erziehungswissenschaft
3.1 Subjektivität in der Pädagogik
3.2 Handlungsforschung in pädagogischen Feldern
3.3 Einfluss der Lebenswelt des Subjekts
4. Umgang mit Heterogenität
4.1. Zum Heterogenitätsbegriff
4.2 Zum Umgang mit dem Heterogenitätsbegriff
4.3 Zum Umgang mit (sozialer) Ungleichheit und Diskriminierung
5. Subjektwissenschaftliche Selbstreflexion im Kontext der Heterogenität
5.1 Selbstreflexion durch Intersubjektivität in Interaktionen
5.2 Zu bewältigende Schwierigkeiten in der Rolle des Forschers
5.3 Die Akzeptanz heterogener Lebenslagen durch Verallgemeinerte Handlungsfähigkeit
5.4 Ambiguitätstoleranz als selbstreflexiver Umgang mit Begründungsmustern
6. Zusammenfassende Übersicht der Schlussfolgerungen
Literaturverzeichnis
Reflexion ist angesagt. […] und was finden wir beim Reflektieren? Wir finden uns, das (reflexive) Subjekt, das Individuum, den Handelnden, und so auch die Intentionalität, die Konstitution von Wirklichkeit, unsere Selbstentfaltung, die Autonomie, die Verantwortlichkeit, die Authentizität und vieles andere […]“ (Hermann 1987, S. 106, Hervorhebung im Original).
So beginnt Theo Herrmann einen kritischen Beitrag zum Verhältnis zwischen Kritischer Psychologie[1] und „mainstream“-Psychologie, wie sie in subjektwissenschaftlicher Fachliteratur gerne genannt wird (vgl. Jaeggi 2002, S. 306). In diesem Zitat stecken viele Aussagen, die Gegenstand dieser Arbeit sind: Das Subjekt, das als Individuum im Mittelpunkt der subjektwissenschaftlichen Forschung steht; das Subjekt als handlungsfähiges Individuum, das mit Intentionalität, seinen subjektiven Standpunkt, den Handlungskontext und die Konstitution der Wirklichkeit bestimmt; die Selbstentfaltung und Autonomie des Handelns, die mit einer erweiterten Handlungsfähigkeit erreicht werden kann; gleichzeitig die Verantwortlichkeit gegenüber dem Handlungskontext und den anderen Individuen; und die Authentizität, die es braucht, um in einer Interaktion handeln, reflektieren und verstehen zu können.
All diesen Perspektiven auf das Subjekt werden Bestandteile der Arbeit sein. Denn die subjektwissenschaftliche Handlungsforschung beschäftigt sich mit dem subjektiven Standpunkt des einzelnen. Dabei ist Ausgangspunkt der Fragestellung, wie denn die Subjektwissenschaft – unabhängig vom Lernbegriff, mit dem sich der Begründer Klaus Holzkamp ausführlich in seinen letzten Jahren befasst hat (vgl. Jaeger/Osterkamp 1996, S. 180-193) – für die Pädagogik und Sozialwissenschaften allgemein Relevanz und Anwendung findet. Der Lernbegriff wird dabei bewusst nicht mit einbezogen, weil der Versuch unternommen wird, die Subjektwissenschaft unabhängig von didaktischen Fragen für die Erziehungswissenschaft und sozialwissenschaftliche Berufspraxis im Kontext von Interaktionen allgemein zu legitimieren. Die spezielle Fokussierung auf den Heterogenitätsbegriff für den pädagogischen Handlungskontext kam zum einen aus der Aktualität erziehungswissenschaftlicher Diskussionen zustande (vgl. Ricken 2016, S. 43), zum anderen wurden nach erster Recherche einige Parallelen zwischen den Thematisierungen in subjektwissenschaftlicher Literatur und erziehungswissenschaftlichen Diskursen über Heterogenität in den Bereichen Gesellschaftskritik, Ungleichheit und Differenzen gefunden. Da die subjektwissenschaftliche Theorie und die dazugehörige Forschung schon in den 1970ern begründet wurde (vgl. Markard 1991, S. 44), die Diskussion über den Heterogenitätsbegriff aber eine neue ist, und die Verknüpfung beider Thematiken noch nicht realisiert wurde, erweist sich die Erarbeitung der Verbindung zwischen diesen als fruchtbar, neuartig und für die Erziehungswissenschaft dementsprechend relevant. In der vorliegenden Arbeit soll erörtert werden, welche Auswirkungen diese neuartige Verbindung auf die pädagogische Praxis haben kann und wie sie die Wahrnehmung des Umfelds und des eigenen professionellen Handelns sowie die soziale Ungleichheit und Diskriminierung beeinflussen kann. Voraussetzung für das pädagogische Handeln ist dabei immer der selbstreflexive Prozess. Dieser wird als Ausgangspunkt gesehen, wie aus späterer Analyse hervorgehen wird, um eine Verbindung von subjektwissenschaftlichem Forschungskontext und dem Umgang mit Heterogenität zu schaffen.
Für die Erarbeitung des Themas wurden in der Literaturrecherche Texte aus der subjektwissenschaftlichen Theorie und Forschung miteinbezogen sowie theoretische Auseinandersetzungen und qualitative Forschungen aus dem Bereich der interkulturellen Pädagogik zur Thematik Heterogenität und Differenzen, da der Heterogenitätsbegriff viel im Zusammenhang von „kulturellen Unterschieden“ diskutiert wird und somit eine besondere Relevanz für die interkulturelle Forschung besitzt (vgl. z. B. Mecheril/Rose 2012). Dabei wurden sowohl theoretische Auseinandersetzungen und empirischen Diskursanalysen, als auch Beispiele aus der qualitativen Forschungspraxis miteinbezogen. Zudem wurden einige wenige erziehungswissenschaftliche Fachtexte ausgewählt (vornehmlich mit Bezug auf Selbstreflexion und Subjektwissenschaft), die besonders relevant für die behandelte Thematik erschienen. Zu Beginn der Arbeit wird die Subjektwissenschaft in ihren Ansichten und ihrer Art der Forschung erklärt, um ein grundlegendes Verständnis für die Sicht- und Arbeitsweise dieser zu schaffen, in der das vertretene Menschenbild integriert ist. Des Weiteren wird die damit verbundene Gesellschaftskritik thematisiert und kritischen Standpunkten gegenübergestellt. Der subjektwissenschaftlichen Theorie sind außerdem Begründungsmuster zu Grunde gelegt, die den subjektiven Standpunkt und die damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten erklären. In dem abschließenden Punkt des zweiten Kapitels wird die subjektwissenschaftliche Handlungsforschung näher betrachtet. In diesem ersten Teil der Arbeit wird sich dabei auf Literatur und Sekundärliteratur, die dem subjektwissenschaftlichen Standpunkt zuzuordnenden ist, bezogen. In einem zweiten Schritt wird dann versucht die Subjektwissenschaft und die subjektwissenschaftliche Handlungsforschung – unabhängig vom Lernbegriff – für die Erziehungswissenschaft zu legitimieren. Dabei werden sowohl der Forschungsprozess an sich als auch die durch die Subjektwissenschaft begründeten Bedingungen betrachtet. Hierbei wird sich auf Literatur aus der Subjektwissenschaft und aus erziehungswissenschaftlichem Kontext bezogen. Im dritten Teil der Arbeit wird anschließend der Handlungskontext „Heterogenität“ aufgegriffen. Dabei muss zunächst der Versuch einer Definition des Begriffs erfolgen, bevor er in seinen Facetten näher betrachtet werden kann. Es wird sich sowohl mit dem theoretischen Konstrukt Heterogenität als auch – unter der theoretischen Perspektive des Heterogenitätsbegriffs – mit dem Umgang von Differenzen und den damit oft einhergehenden Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten sowie mit dem Aspekt der Diskriminierung auseinandergesetzt. Hierbei wird vornehmlich auf Literatur eingegangen, die sich in der interkulturellen Perspektive mit dem Heterogenitätsbegriff auseinandersetzt. Vereinzelt werden aber auch schon subjektwissenschaftliche Perspektiven miteinbezogen, um so den Bogen zum letzten Bereich der Arbeit zu schlagen, der auf Grund der vorangegangen Kapitel die eigentliche Verbindung der beiden Hauptthemengebiete herstellt. In diesem letzten Teil wird durch Verbindung der subjektwissenschaftlichen Perspektive und Heterogenität mit Hilfe von Selbstreflexion versucht die zentrale Fragestellung zu beantworten. Dabei werden Selbstreflexion unter subjektwissenschaftlicher Perspektive in Interaktionen, mögliche auftretende Schwierigkeiten im Forschungsprozess selbst und die sich erschließenden Schlussfolgerungen, die den Umgang durch Ambiguitätstoleranz mit Heterogenität und Subjektivität verknüpfen, thematisiert. In diesem fünften Kapitel wird recherchierte subjektwissenschaftliche Literatur und Literatur über den Umgang mit Heterogenität und Differenzen verwendet. Auch der Ungleichheitsbegriff spielt dabei eine zentrale Rolle. Durch die Verknüpfung werden hier auch erste eigene Schlussfolgerungen abgeleitet. Diese sind als solche gekennzeichnet. In der abschließenden Zusammenfassung der Schlussfolgerungen wird schließlich – durch die Erarbeitung der Zusammenhänge von Subjektwissenschaft, Heterogenität und Selbstreflexion – ein Modell entworfen, dass die Zusammenhänge aufzeigt.
Um ein grundlegendes Verständnis für die Ideen der Subjektwissenschaft zu schaffen, auf deren Basis dann weitere Überlegungen über Heterogenität und Selbstreflexion aus subjektwissenschaftlicher Sicht aufgebaut werden können, werden im Folgenden der subjektwissenschaftliche Ansatz bzw. relevante Fragmente davon für den zu bearbeitenden Kontext vorgestellt. Dabei wird zunächst auf die subjektwissenschaftliche Sichtweise und deren zugrunde liegendes Menschenbild, das Klaus Holzkamp – der Begründer der Subjektwissenschaft – geprägt hat, eingegangen, um dann die damit einhergehende geäußerte Gesellschaftskritik, die wesentlich die theoretischen Grundlagen der Subjektwissenschaft beeinflusst, (kritisch) zu thematisieren. Darauf aufbauend wird kurz das Konzept der Begründungsprämissen erklärt, um abschließend die damit verbundene Forschungsweise näher zu betrachten, die gleichzeitig als Kontext des pädagogischen Handelns zu sehen ist.
Holzkamp geht von einer Vorstellung über den Menschen aus, bei der das Prinzip der Universalität der Vernunft greift. Dabei meint er aber nicht, dass „die eine“ Vernunft im Menschen verankert ist, sondern sie „besteht darin, dass sie die je spezifischen nicht determinierten Leidenschaften der einzelnen Menschen für sich arbeiten lässt“ (Papadopoulos 2006, S. 9). Damit ist gemeint, dass die Autonomie des Handelns bestimmt durch die subjektive Vernunft ist. So ist der Mensch weder rein von der Außenwelt bedingt und determiniert, noch völlig unabhängig von dieser (vgl. ebd.). Der Mensch ist folglich fähig bzw. kann fähig gemacht werden, wenn man ihm dabei hilft, unter fremdbestimmten Verhältnissen zu reagieren (vgl. Kaindl 2014, S. 110). Diese gewisse Handlungsfähigkeit des Menschen ist ein zentraler Grundgedanke des subjektwissenschaftlichen Ansatzes und wird in dieser Arbeit immer wieder eine zentrale Rolle spielen.
Holzkamp begründet seine Annahme damit, dass der Mensch – im Gegensatz zum Tier – ein produktives Bedürfnis nach Weiterentwicklung in einer gesellschaftlichen Qualität hat, die einen Effekt der Absicherung von artspezifisch Notwendigem sowie soziale Lernprozesse bedingt. Dabei hängt die Motivation zur Weiterentwicklung nicht nur vom einzelnen Subjekt ab, sondern sie ist auch durch gesellschaftliche Ziele bedingt. Denn die Teilhabe an der Gesellschaft kann die Verbesserung der Kontrolle über die eigenen Lebensbedingungen fördern (vgl. 2015, S. 274).
Dazu schreibt er:
„Der Mensch wird nicht erst aktiv, wenn aktuelle Bedürfnisse auftreten, und stellt seine Aktivitäten ein, wenn diese befriedigt sind, sondern strebt in motiviertem Handeln gemäß den eingesehenen Notwendigkeiten seiner objektiven Lebenslage nach Verbesserung der Kontrolle über seine Existenzbedingungen, die die Vorsorge für die sinnlich-vitale Befriedigung zur Vermeidung des Auftretens existenziell bedrohlicher aktueller Bedürfnisspannungen […] als unselbstständiges Teilmoment in sich einschließt“ (Holzkamp 2015, S. 274f).
Außerdem verringern emotionale Wertungen auf menschlichem Niveau nicht zwangsläufig die Objektivität. Bei der produktiven Bedürftigkeit fügen sich viele emotionale Wertungen verschiedener Subjekte für die motivierte Fähigkeitsentwicklung zusammen und damit geht eine weitere Verbesserung der Kontrolle über die eigenen Lebensbedingungen einher (vgl. ebd., S. 278).
Weiterhin versteht sich die Kritische Psychologie auch als Funktions-, Methoden- und Begriffskritik[2] und möchte deshalb die „[…] subjektive Erfahrungsweise objektiver gesellschaftlicher Handlungsmöglichkeiten und -beschränkungen“ (Holzkamp 1988, S. 315) erfassen und eben nicht Daten, wie in anderen Sozialwissenschaften, über andere. Der subjektwissenschaftliche Standpunkt möchte also vom Standpunkt des Subjektes aus die Wahrnehmung einer Situation, Bedingung etc. erforschen und vertritt damit die Annahme, dass jeder Mensch die Welt aus einer subjektiven Perspektive wahrnimmt und diese wesentlich die oben erwähnten Handlungsfähigkeiten beeinflusst (vgl. Forschungsgruppe Lebensführung[3] 2004, S. 10).
Dabei stellt die Subjektwissenschaft einen universellen Anspruch ihrer theoretischen Konzeption, denn sie folgert schlusslogisch: wenn die Subjektivität anderer Individuen und deren Handlungsbegründungen nicht akzeptiert oder geleugnet werden, bedeutet das die Beschränkung der Sichtweise des „Negierers“ bzw. die damit in Beziehung stehende Verteidigung bestehender Machtverhältnisse. Die Negierung der Begründetheit anderer subjektiven Handlungen kann auch daher rühren, dass die Subjektivität des anderen den eigenen Vorstellungen oder Interessen widerspricht. Allerdings versteht sich die Subjektwissenschaft dabei auch nicht als Instanz zur Bewertung der jeweiligen Denk- oder Handlungsweisen. Vielmehr möchte sie helfen, die restriktiven Konsequenzen des eigenen Verhaltens zu erkennen und zu überwinden (vgl. FGL 2004, S. 10-13).
Die subjektwissenschaftliche Theorie steht eng in Verbindung mit gesellschaftlichen Verhältnissen und der anknüpfenden Kritik daran. Deshalb schien es auch als unumgänglich der gesellschaftskritischen Position der Kritischen Psychologie einen Gliederungspunkt in dieser Arbeit zu widmen, auch weil die im späteren Verlauf thematisierte Heterogenität bzw. die teilweise damit zusammenhängenden sozialen Ungleichheitsverhältnisse an Gesellschaftskritik anknüpfen können. Da die Kritische Psychologie ihren Ursprung in der 1968er Studentenbewegung hatte (vgl. Markard 1991, S. 44) sind ihre Grundüberzeugungen durchaus auch in der damit beinhalteten politischen Überzeugung verankert. Begründet wird dies auch dadurch, dass die Forschungsarbeit durch den Lebensweltbezug gesellschaftlich und politisch involviert ist, da sie auf die gesellschaftliche und die soziale Realität bezogen ist (vgl. ebd., S. 84). Denn das Individuum ist in die Gesellschaftsbildung selbst miteinbezogen und kann deshalb nicht mehr nur als eigenständige Person unabhängig von der Außenwelt gesehen werden, sondern es ist in einer Abhängigkeit von den klassen- und standortspezifischen Lebensbedingungen, mit denen Widersprüchlichkeit und Restriktion einhergehen (vgl. Holzkamp 2015, S. 280). Die restriktiven Bedingungen sind also vor allen Dingen durch Machtverhältnisse bedingt. Denn „[…] sobald man die Fremdbestimmtheit individueller Existenz nicht als natürlich voraussetzt, sondern zum Gegenstand der Analyse macht, d. h. die Frage der Lebensführung nicht auf die möglichst effektive Bewältigung äußerer Anforderungen beschränkt, sondern deren subjektive Bedeutung reflektiert, ergeben sich unvermeidlich gesellschaftskritische Fragen“ (Osterkamp 2001, S. 25).
Die Kritische Psychologie ist deshalb in diesem Sinne „normativ“ und politisch, als dass sie die für das Individuum relevanten gesellschaftlichen Verhältnisse kritisiert. Sie soll dabei helfen die gesamtgesellschaftliche Struktur von kapitalistischen Produktionsverhältnissen zu verändern und sieht die gesamtgesellschaftliche Produktion nur als Handlungsmöglichkeit, nicht als Handlungsdeterminante. Das Subjekt kann sich der (kapitalistischen) Reproduktion bewusst widersetzen und diese mit seinen Handlungsalternativen bewusst verweigern (vgl. Holzkamp 1988, S. 309 und S. 312).
„Auch, wo das Individuum unter historisch bestimmten, klassenspezifischen Bedingungen gravierenden Einschränkungen, Zwängen etc. unterworfen ist, sind dies immer Einschränkungen, Unterdrückungen, Deformierungen von gesellschaftlichen Handlungs möglichkeiten “ (Holzkamp 1985, S. 236, Hervorhebung im Original).
In der subjektwissenschaftlichen Methodik gilt es deshalb zu untersuchen, inwiefern durch eine Sortierungs- und Ordnungsfunktion der Gesellschaft menschliche Lebens- und Erlebensmöglichkeiten verkürzt oder generalisiert werden. So werden gesellschaftliche Sachverhalte oftmals personalisiert und konkret Individuelles ist oftmals etwas gesellschaftlich Vermitteltes. Wenn beispielsweise ein Kind an Konzentrationsschwäche leidet, wird dies als Problem des Kindes gesehen und zu wenig darauf geachtet, welche Umweltbedingungen dafür mitverantwortlich sein könnten (vgl. Markard 2014, S. 71-74). Das einzelne Subjekt sollte deswegen nicht für die Beschränktheit des eigenen Handelns verantwortlich gemacht werden, da dies ein strukturell zustande gekommenes Problem darstellt, das somit als ein gemeinsames und gemeinsam zu überwindendes Problem anzusehen ist (vgl. FGL 2004, S. 14).
Ralph Baller kritisiert in seiner Dissertation über die für die Forschung relevanten Begrifflichkeiten der Handlungsfähigkeit die Fokussierung der gesellschaftskritischen Position auf den Kapitalismus, der in marxistischem Sinne alleinig verantwortlich für Ungerechtigkeiten gemacht wird. Er vertritt die Auffassung, dass auch noch andere gesellschaftliche Verhältnisse, die nicht zwangsläufig durch den Kapitalismus entstanden sein müssen, in den Forschungs- und Analyseprozess miteinbezogen werden sollten (vgl. 1995, S. 38). Dabei vertrat Holzkamp zunächst eine gesellschaftskritische Position, die die bestehenden Herrschaftsverhältnisse kritisierte, während er sich dann erst in späteren Jahren zum marxistischen Standpunkt bekannte (vgl. Jaeggi 2002, S. 311).
Theo Herrmann findet noch deutlichere Worte und übt scharfe Kritik an der Auffassung und Kritikunfähigkeit mancher sich zum Marxismus bekennender Kritischen Psychologen mit folgenden Worten:
„Doch berührt das alles nicht meine Auffassung, dass das notorisch Provokatorische der Kritischen Psychologie und ihre besserwisserische Attitüde den kritischen Beobachter nicht daran hindern sollten, die Kritische Psychologie auch einmal versuchsweise als ein – ich möchte fast sagen: ein ganz normales, wenn auch sehr eigenwilliges und originelles – Forschungsprogramm zu betrachten. Dessen Überlegungen, Lösungsversuche und Detailergebnisse verdienen sowohl grundlagentheoretisch als auch anwendungspraktisch die Aufmerksamkeit und die gelassene Erörterung, die bisher zum guten Teil eben durch die genannte Attitüde behindert werden“ (Herrmann 1987, S. 118).[4]
Ein wichtiger Grundpfeiler der Subjektwissenschaft, der sich auch logisch aus dem subjektwissenschaftlichen Standpunkt ableiten lässt, ihn bedingt und eine wesentliche Rolle für den Umgang mit Mitmenschen spielt, ist der Begründungsdiskurs.
Denn der Subjektwissenschaft liegt eine Subjektorientierung zu Grunde. Das bedeutet, dass im Mittelpunkt der Forschung individuelle Denk- und Handlungsweisen stehen. Es ist dabei wichtig zu betonen, dass es nicht um die Erfassung von subjektiven Denk- und Handlungsweisen geht, sondern um
„[…] die konkreten Lebensbedingungen in ihrer subjektiven Bedeutung d.h. die gesellschaftliche Realität, wie sie von den Individuen in Abhängigkeit von ihrer spezifischen Situation und den ihnen zur Verfügung gestellten gesellschaftlichen Interpretationsangeboten sowie Handlungsmöglichkeiten wahrgenommen wird“ (Osterkamp 2001, S. 8).
Um es noch einmal deutlicher zu machen: zentraler Forschungsgegenstand ist nicht der Inhalt der konkreten Denkmuster. Es geht also nicht um die Erhebung von (quantitativen) Daten im Sinne von bestimmten attribuierbaren Eigenschaften[5], sondern vielmehr um den Versuch die subjektiven Begründungen eines Individuums für seine Handlungen in der jeweiligen Situation zu verstehen. Darauf aufbauend fasst die Kritische Psychologie durch den Begründungsdiskurs menschliches Handeln, das lediglich bedingt durch die intrapersonale und gesellschaftliche Bedingungen ist, als subjektiv begründet auf (vgl. Heesch 2001, S. 17).
Daraus folgt, dass das Subjekt immer Gründe hat sich für eine Handlungsmöglichkeit zu entscheiden und die Entscheidung deshalb niemals willkürlich oder beliebig ist. Diese gezielte Auswahl wird als „Prämisse“ bezeichnet (vgl. Heesch 2001, S. 17). Die Handlungsprämisse bezeichnet also die Art und Weise wie das Individuum die Handlungsmöglichkeiten bzw. -behinderungen interpretiert. Es hat einen subjektiv begründeten Bezug zur Welt. Im Begründungsdiskurs versucht der Forscher das Handeln, Empfinden, Leiden etc. zu verstehen, in dem er – mit Hilfe des Forschungssubjekts – sich bemüht, den Zusammenhang von Gründen und Prämissen sowie den subjektiven Weltbezug zu rekonstruieren (vgl. Markard 2014, S. 76f).
Die Prämissen eines Subjekts setzen sich dabei aus erfahrenen bzw. erlebten Lebensbedingungen und den Lebensinteressen des Subjekts zusammen. Die intersubjektive Verständlichkeit der Prämissen wird begründet aus der Einbettung der subjektiven Lebensinteressen in die unmittelbare Erlebenswelt als gemeinsame „Daseinsthematik“ (Holzkamp 1988, S. 313). Handlungsgründe sind dabei immer „erster Person“ und somit zunächst nur mir[6] selbst zugänglich. Intersubjektiv begründen kann das Subjekt seine Handlung aber dadurch, dass die Begründung inhaltlich für sich selbst, und damit auch für die anderen, bestimmt ist (vgl. ebd.). Gerade für die intersubjektive Verständlichkeit der Begründungsmuster ist es (als Forscher) wichtig, wenn eine Situation widersprüchlich erscheint, diese genauer zu betrachten. Denn in jedem Begründungsmuster gibt es nicht nur einen „entweder-oder“ Zusammenhang, sondern es besteht aus einer Vielzahl von Faktoren, die alle bei der Handlungsentscheidung eine Rolle spielen, es ist also vielmehr ein „es-kommt-darauf-an“- oder ein „sowohl-als-auch“-Begründungsmuster (vgl. Holzkamp 1987, S. 34). Holzkamp veranschaulicht dies an einem Beispiel: Zunächst erscheint es unlogisch und „unvernünftig“, wenn man jemanden auf der Straße im Regen und in der Kälte ohne Jacke stehen sieht, da man selbst das Begründungsmuster „Wenn es kalt ist, ziehe ich mir eine Jacke an, damit ich nicht friere und nicht krank werde.“ hat. Wird die Situation nun aber aus einem anderen Blickwinkel, wie: „Wenn es kalt ist und regnet, ziehe ich mir keine Jacke an, damit ich mein Immunsystem abhärte und mein längerfristiges Ziel erreiche, nicht mehr so schnell krank zu werden“ betrachtet, erscheint die Handlungsweise recht plausibel (vgl. ebd.). Ob man das nun persönlich für die richtige Schlussfolgerung hält, spielt für den Begründungszusammenhang zunächst einmal keine Rolle.
Manchmal können die eigenen Prämissen aber auch für einen selbst verdeckt oder nicht bekannt sein. Denn obwohl die Alternative nicht erkannt wird, können die Prämissen dennoch subjektiv funktional und „begründet“ sein (vgl. Holzkamp 1985, S. 372). Sie wären für einen selbst dennoch durchaus verständlich, wenn sie offengelegt wären (vgl. ebd., S. 351).
Als Mensch kann ich ohne Berücksichtigung meiner objektiven Lebensbedingungen[7] handeln, jedoch nicht im Widerspruch zu meinen menschlichen Bedürfnissen und wie ich die Situation subjektiv erfahre. Gleichzeitig sind in meinen objektiven Lebensbedingungen meine subjektiven Handlungsbegründungen miteingeschlossen bzw. in ihnen begründet (vgl. Holzkamp 1985, S. 348 und S. 350). Das bedeutet, dass ich mir in gewisser Weise durch meine Entscheidungen meine veränderbaren objektiven Lebensbedingungen selbst schaffe, aber natürlich nur insoweit, wie ich sie durch meine Handlungen beeinflussen kann.
Mit diesem theoretischen Hintergrund begibt sich der Forscher nun in den Forschungsprozess. Dabei sieht sich subjektwissenschaftliche Handlungsforschung als
„[…] forschungspraktische Alternative zur herkömmlichen Sozialforschung […], die das Erkenntnisprinzip der Einheit von Erkennen und Verändern auf lebenspraktische Prozesse bezieht, mit emanzipatorischer Zielsetzung verbindet und damit ein neu(artiges) Verhältnis von Theorie und Praxis realisieren will“ (Markard 1991, S. 37, Hervorhebung im Original).
Sie unterscheidet sich also in dem Maß von anderer Forschung, als dass sie nicht versucht zu quantifizieren indem sie Verhalten und Wahrnehmung eines Subjekts nicht in kategorialen Merkmalen ordnet und dadurch versucht die Verkürzung des Theorie-Praxis-Verhältnisses aufzuheben (vgl. ebd. S. 82).
Denn:
„ Subjekte existieren zwar im Plural, aber nicht im Durchschnitt. Einzelfälle können zueinander ins Verhältnis gesetzt, aber nicht gegeneinander „verrechnet“ werden […]. Verallgemeinerungsmöglichkeiten liegen nicht in zentralen Tendenzen, sondern in der Herausarbeitung gesellschaftlich vermittelter und gesellschaftlich eingreifender Handlungsmöglichkeiten“ (Markard 2014, S. 78f, Hervorhebung im Original).
In der Erhebung von Daten bezieht sich die Handlungsforschung dabei immer explizit auf die Lebenspraxis und greift damit auch aktiv in die Lebenswelt der Forschungssubjekte ein (vgl. ebd., S.36f). Denn dadurch kann die Authentizität und Spontanität des Subjekts gegenüber unmittelbarer Lebensumstände und -probleme erfahren werden (vgl. Holzkamp 1988, S. 300).Daraus folgt für die Forschung selbst, dass sie in dem Maß, wie sie in ein Handlungsgeschehen eingreift, zugleich „Praxis“ ist (vgl. Markard 1991, S. 41).
Es wird nun näher auf den Forschungsprozess an sich eingegangen, da er gewissermaßen der Kontext ist, in dem vom Professionellen (pädagogisch) gehandelt wird. Für Bearbeitung der Thematik dieser Arbeit wird deshalb die Forschungspraxis und die pädagogische Praxis unter subjektwissenschaftlicher Perspektive als kongruent angesehen.
Forschungsprozess
Dadurch, dass sich der Prozess der Forschung zugleich als Forschung und als Praxis versteht, wird der Gegenstand der subjektwissenschaftlichen Forschung vom Forschungssubjekt selbst – in der Regel als eine Problemfragestellung – definiert. Dabei gibt es keine klar definierte Stufenabfolge von der Fragestellung bis zum Ergebnis, da im Prozess der Forschung ständig auf das Subjekt rückreflektiert wird und der Forscher mit ihm in wechselseitiger Interaktion steht (vgl. Osterkamp 2001, S. 30f). Das Subjekt sollte somit nicht auf ein Forschungsobjekt reduziert werden, sondern es steht auf der Seite der Forschenden, ist also aktiv am Forschungsprozess beteiligt (vgl. Holzkamp 1988, S. 315 und Markard 1991, S. 88f). Forschung ist demnach das Ergebnis eines intersubjektiven Verhältnisses zwischen Forscher und beforschtem Subjekt und den damit verbundenen Handlungsbegründungen aller Beteiligten (vgl. Papadopoulos 2006, S.10).
Natürlich steht diese Art der Forschung in einem gewissen Spannungsverhältnis zu Gütekriterien und der daraus (nicht) folgenden Möglichkeit der Verallgemeinerung. Markard sieht deshalb die Handlungsforschung weniger als theorie überprüfende, sondern vielmehr als theorie generierende Forschung an. Denn die Methodologie kann nicht gegenstandsunabhängig diskutiert werden, da die Wahl der Methodik auch immer vom Gegenstand abhängt. Deshalb muss die Methodik auch immer in ihrer Abhängigkeit zur Theorie hinterfragt werden. Da die Handlungsforschung selbst verschiedene methodische Strömungen aufweist, ist sie nicht als eigenständiger und einheitlich-theoretischer Ansatz zu sehen, sondern in der Methodik soll sie lediglich den Grundsatz haben, das jeweilige Subjekt in den Forschungsprozess mit einzubeziehen (vgl. Markard 1991 S. 93-102). Subjektwissenschaftliche Verallgemeinerung besteht nur insofern darin, dass individuelle Befindlichkeiten objektiviert werden, indem die dazugehörigen Realitätsbezüge geklärt werden (vgl. FGL 2004, S. 11).
Ziel der Handlungsforschung ist es somit, alltagspraktische Probleme zur Geltung zu bringen, anstatt unreflektiert Gesellschaftsbilder zu reproduzieren. Durch den Einbezug der Betroffenen wird versucht zu klären, wie eine Erweiterung der Lebensmöglichkeiten durch Veränderung der realen Lebensbedingungen stattfinden kann (vgl. Markard 1991, S. 101f).
Ein weiteres Risiko ist, dass das jeweils dahinter stehende Problem des Subjekts nur „ansatz-spezifisch“ diskutiert werden kann (vgl. ebd., S. 87). Damit ist gemeint, dass der Forscher dazu neigt, die geäußerten Dinge in seinem Paradigma zu deuten und entsprechend darauf zu reagieren. Dieses Problem ergibt sich aber bei nahezu jeder Forschung. Der Forscher kann dem Problem begegnen, indem er wachsam und kritisch auch gegenüber seinen eigenen Einstellungen und Überzeugungen bleibt[8].
Restriktive und Verallgemeinerte Handlungsfähigkeit
Nach Markard ist die Handlungsfähigkeit in der Subjektwissenschaft eine lebenspraktische Vermittlung der individuellen bzw. der damit verbundenen gesellschaftlichen Reproduktion. Dabei greift der subjektwissenschaftliche Grundgedanke, dass äußere Einflussfaktoren nicht das Subjekt determinieren, sondern vielmehr Handlungsmöglichkeiten bzw. -behinderungen darstellen. Zu diesen „verhält“ sich das Individuum (vgl. 2014, S. 76). Der Begriff der Handlungsfähigkeit dient dabei zur Analyse des Mensch-Welt-Verhältnisses. Die Restriktive und Verallgemeinerte Handlungsfähigkeit sollen helfen Widersprüchlichkeiten subjektiven Handelns zu verstehen (vgl. Kaindl 2014, S. 115). Dabei wird unter der Restriktiven Handlungsfähigkeit das Arrangieren bzw. Abfinden mit bestehenden Lebensbedingungen verstanden und die Denkweise, nur bereits vorhandene Möglichkeiten nutzen zu wollen. Die Restriktive Handlungsfähigkeit bestimmt sehr oft das Handeln, weil neue, alternative Handlungsmöglichkeiten zu riskant erscheinen oder den eigenen Lebensinteressen (vorläufig) zuwiderlaufen und damit sonst potenziell gefährdet werden (vgl. Heesch 2001, S. 19). Allerdings wird aus Forscherperspektive in ihr eigentlich analysiert wie oder mit welchen Handlungen den eigenen Interessen langfristig geschadet wird und das Subjekt den eigenen Interessen zuwider handelt. Der Begriff dient somit zur Selbstaufklärung. Das Subjekt soll dadurch erkennen können, durch welche Probleme es beschränkt wird und an deren Ursachen arbeiten (vgl. Kaindl 2014, S. 116). Die Verallgemeinerte Handlungsfähigkeit hingegen befähigt zur Überwindung von Beschränkungen und erweitert die Möglichkeiten der Handlungen und damit die Handlungsalternativen. Mit diesen erweiterten Handlungsmöglichkeiten besteht die Chance, dass sie übergreifende gesellschaftliche Bedingungen ausweiten. Mit ihnen geht allerdings auch das Risiko einher zu scheitern (vgl. Heesch 2001, S. 19).
Der Begriff der Restriktiven Handlungsfähigkeit lässt sich gut mit Begründungszusammenhängen verbinden. Denn häufig wird von den Subjekten ausgeblendet, dass jede Situation auch Alternativen birgt. Oft ist die Reduzierung von Komplexität auch sinnvoll. Wenn man sich beispielsweise die Schuhe bindet, um aus dem Haus gehen zu können, hat es keinen Sinn jedes Mal zuvor die Handlungsalternative zu überdenken. Manchmal aber werden Alternativen bewusst ausgeblendet und das kann sehr schnell zu Verkürzungen führen (vgl. Kaindl 2014, S. 117). Ist die Handlungsfähigkeit restriktiv, wird oftmals höheren Autoritäten gehorcht, ohne dabei die Alternative ausreichend zu überprüfen. Es gibt dazu etliche (traurige) Beispiele in der Geschichte, zuvörderst die grausame NS-Zeit in Deutschland. Als mögliche Lösung kann die Selbstbestimmung ihren Beitrag leisten. Das bedeutet, dass Dinge nur von einer Autorität angenommen werden, wenn die Gründe selbst als subjektiv gut empfunden werden (vgl. Osterkamp 2001, S. 6). Diese Selbstbestimmung kann im weitesten Sinne als Verallgemeinerte Handlungsfähigkeit aufgefasst werden. Hier steht die Begründetheit der „Alternative der Verfügungserweiterung“ (Holzkamp 1985, S. 373), denn Handlungsfähigkeit ist nach Holzkamp die „[…] Verfügung des Individuums über seine Lebensbedingungen in Teilhabe an der Verfügung über den gesellschaftlichen Prozess“ (ebd., S. 241).
Nun geht es aber bei den Begrifflichkeiten nicht darum bestimmte Handlungen zu kategorisieren und zu bewerten in „gut und schlecht“, sondern die Begriffe sollen als Hilfestellung dienen in konkreten Situationen das Handeln zu analysieren und Gründe für das Handeln zu erkennen (vgl. Heesch 2001, S. 19). So soll Restriktive Handlungsfähigkeit als Konzept zur Erklärung von bestimmten (psychischen) Erscheinungsformen beim Subjekt unter bestimmten Bedingungen zu verstehen sein. Sie kann auch nicht in ihren inhaltlichen Elementen konkretisiert werden[9] (vgl. Baller 1995, S. 179f). Vielmehr sind Restriktive und Verallgemeinerte Handlungsfähigkeit Vermittlungsinstanzen, die helfen die Verbindung zwischen subjektiver Erfahrung des Einzelnen und dem gesamtgesellschaftlichen Prozess zu bestimmen. Durch Bestimmung der Vermittlungskategorien wird so die Möglichkeit geschaffen diese Verbindung zu erforschen. Auf dieser Basis werden Realisierungsbedingungen für die Gesellschaft geschaffen, die von Holzkamp auch als „gesamtgesellschaftliche Vermitteltheit individueller Existenz“ (Baller 1995, S. 20) bezeichnet werden (vgl. ebd.).
[...]
[1] „Kritische Psychologie“ und „Subjektwissenschaft“ wird im Folgenden in ihrer Bedeutung im Sinne Holzkamps (vgl. Holzkamp 1988) gleichwertig verwendet.
[2] Mit Funktionskritik ist die Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse gemeint, auf die im späteren Verlauf noch eingegangen wird. Begriffskritik meint die Kritik daran, dass bestimmte Begriffe ein Konzept voraussetzen, das dann gesellschaftsunkritisch übernommen wird. In der Methodenkritik wird kritisiert, dass empirische Daten und Resultate über Konzepte entscheiden und dabei das Verhältnis von Begriffen und Daten zirkulär ist. Denn da die Begriffe ja für die Testung der Hypothese Voraussetzung sind, kann nicht geklärt werden, inwiefern die Begriffe für die Hypothese relevant sind. Deshalb wird vorgeschlagen, die Begriffsklärung über historische Rekonstruktionen erfolgen zu lassen (vgl. Markard 2014, S. 73-76).
[3] Im Folgenden wird die „Forschungsgruppe Lebensführung“ in der Quellenangabe der Übersicht halber mit FGL abgekürzt.
[4] vgl. für eine weitere Stellungnahme auch FGL 2004, S. 8f.
[5] wie beispielsweise: „36 der 38 Befragten denken, dass Gewalt in der Erziehung keinen annehmbaren Lösungsansatz darstellt.“ Es könnte attribuiert werden, dass 36 Befragte „friedlich“ oder „verträglich“ sind. (Die Statistik ist rein fiktiv und dient nur zur Veranschaulichung.)
[6] Wenn im Folgenden in erster Person gesprochen wird, dient das zur Verdeutlichung der subjektwissenschaftlichen Theorie und wird nur verwendet, wenn andere Formulierungen missverständlich wären.
[7] Objektive Lebensbedingungen spezifiziert Holzkamp als die Beschaffenheit der eigenen Person, die unabhängig von der Subjektivierung sind. Dazu gehören körperliche Charakteristika, die (zeitweise) unveränderlich sind wie beispielsweise Alter, Größe, Behinderung, Geschlechtszugehörigkeit oder Gesundheitszustand und auch bestimmte psychische Eigenschaften bis zu einem gewissen Grad wie Fähigkeiten, Bedürfnisse, Haltungen oder Eigenschaften (vgl. Holzkamp 2015, S. 263).
[8] Der selbstreflexive Umgang mit weiteren Risiken des Handelns wird im späteren Verlauf der Arbeit noch ausreichend thematisiert und ist nicht Gegenstand dieses Abschnittes.
[9] Das ist aus der Logik des subjektwissenschaftlichen Ansatzes auch gut erschließbar. Wenn Restriktive Handlungsfähigkeit inhaltlich festgelegt werden könnte, wäre der Subjektstandpunkt nicht mehr gegeben, denn das würde bedeuten, dass Menschen in ihrem Denken determiniert sind und nur in bestimmten Denkmustern agieren könnten. Dies ist aber eben genau nicht, wie in Punkt 2.3 beschrieben, Gegenstand der subjektwissenschaftlichen Handlungsforschung.
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