Masterarbeit, 2016
157 Seiten, Note: 1,0
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Marktsituation
2.1 Informationsüberflutung
2.2 Knappheit des Gutes Aufmerksamkeit
3 Theoretische Grundlagen
3.1 Marken
3.2 Werbung
3.3 Social-Media
4 Testimonialwerbung
4.1 Grundlagen zur Testimonialwerbung
4.2 Formen der Testimonialwerbung
4.3 Ziele von Testimonialwerbung
4.4 Die Bedeutung des Sports für die Testimonialwerbung
5 Empirischer Forschungsstand
6 Forschungsfrage und Hypothesen
6.1 Forschungsfrage
6.2 Hypothesen
7 Empirischer Teil
7.1 Empirische Untersuchungsmethoden
7.2 Online-Befragung
7.3 Experteninterviews
8 Schlussbetrachtung
8.1 Zusammenfassung
8.2 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Selbstbild und Fremdbild in der Markenkommunikation
Abbildung 2: Ausgaben für Werbung in den einzelnen Werbemedien
Abbildung 3: Online-Werbeformen
Abbildung 4: Anzahl der Internetnutzer weltweit
Abbildung 5: Social Media Prisma – Version 4.0
Abbildung 6: Social-Media Landscape 2016
Abbildung 7: Welche der folgenden Ziele verfolgt ihr Unternehmen bei der Werbung mit Prominenten?
Abbildung 8: Wirkung von Testimonials in der Werbung
Abbildung 9: Auswahl geeigneter Prominenter mit dem Promi- Check
Abbildung 10: Auswahl geeigneter Prominenter mit dem PromiMeter
Abbildung 11: Auswahl geeigneter Prominenter mit Celebrity Performance
Abbildung 12: Qualtrics Online-Befragung
Abbildung 13: TV-Werbesport Barilla
Abbildung 14: Facebook -Werbespot für Barilla
Abbildung 15: Anzeigenwerbung Mercedes - Benz
Abbildung 16: Instagram -Werbung Mercedes-Benz
Abbildung 17: Anzeigenwerbung für Beats by Dr. Dre
Abbildung 18: Instagram -Werbung für Beats by. Dr. Dre
Abbildung 19: Konzeptionelle und instrumentelle Operationalisierung
Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten
3.000 Meter freier Fall bis zum Boden. Mit mehr als 200 km/h rasen die vier Silber gekleideten Skydiver der Erde entgegen. Momente vor dem Aufprall öffnen sich ihre Fallschirme und die jungen Männer landen sanft auf gut gepflegtem Naturrasen. Die Schirme mit dem gut erkennbaren Adidas -Logo streifen sie im Strafraum ab und laufen in Richtung der Mittellinie des Spielfeldes. Dort warten die Empfänger ihrer spektakulären Kurier-Lieferung: Die deutschen Fußball-Nationalspieler Manuel Neuer, Thomas Müller, Mesut Özil und Mats Hummels. Eine standesgemäße Übergabe der neuen Kollektion Fußballschuhe für die anstehende Europameisterschaft in Frankreich. Zudem ein glückliches Timing für alle an diesem Tag Anwesenden im Schweizer Trainingslager. So etwas sieht man schließlich nicht alle Tage – oder doch? Auf dem Videoportal YouTube haben sich bis heute knapp 1,4 Millionen Menschen den Werbespot angeguckt (freekickerz, 2016a). Die etwas andere Präsentation der neuen Fußballschuhe im Silber-Chrom-Look wurde in Zusammenarbeit mit den Freekickerz, dem weltweit größten YouTube -Fußballkanal, umgesetzt (Neuhaus, 2016). Die angesagten Youtuber aus Deutschland mit fast fünf Mio. Abonnenten und einer erfolgreichen Präsenz im gesamten Social-Media-Bereich fungieren für Adidas als Türöffner (freekickerz, 2016b). Adidas selbst und die im Video teilnehmenden Spieler haben den Spot auf ihren eigenen Facebook -Präsenzen ebenfalls veröffentlicht. Während der öffentliche Facebook -Auftritt von Adidas auf über 22 Millionen Fans kommt („Facebook Fanpage adidas Fußball“, 2016), übertrifft bspw. allein Mesut Özil diesen Wert mit mehr als 31 Millionen Followern deutlich („Facebook Fanpage Mesut Özil“, 2016).
Diese Vorgehensweise durch Adidas bei der Vorstellung eines neuen Produkts ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Werbung im Laufe der letzten Jahre gewandelt hat. Der Einsatz von Testimonials für Werbezwecke ist dabei keine neue Erfindung, warb doch schon der junge Franz Beckenbauer Mitte der Sechziger Jahre für Suppen der Marke Knorr (vgl. Kilian, 2014). Unter einem Testimonial kann dabei kurz gefasst das Auftreten von bekannten Persönlichkeiten in den Medien zum Zweck der Werbung für eine Marke verstanden werden (vgl. Haase, 2001, S. 371) . Social-Media dagegen kann als deutlich jüngere Disziplin betrachtet werden, hat jedoch insbesondere in Zusammenhang mit der steigenden Popularität von Facebook eine rasante Entwicklung hinter sich. Die Zusammenführung dieser beiden Bereiche im werblichen Kontext steht noch in einer frühen Entwicklungsphase. Allerdings lässt der bisherige Aufstieg vermuten, dass der Einsatz von Testimonialwerbung im Social-Media-Bereich in einer von Globalisierung geprägten Welt mit steigender Informationsüberflutung und Marktsättigung zunehmend einen Lösungsansatz darstellt (vgl. Regier, Schunk, & Könecke, 2016, S. 27). Insbesondere in Verbindung mit bekannten Profi-Sportlern wie Fußballprofis können Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Emotionen an relevante Zielgruppen übermittelt werden. Attribute, die in der heutigen Zeit mehr denn je den Ausschlag um die Gunst der Kunden geben können (vgl. „CPI Celebrity Performance", 2015).
Die vorliegende Masterarbeit untersucht Chancen und Potentiale, die sich bei der Verbindung von Social-Media-Marketing und Testimonialwerbung ergeben. Nachdem diese beiden Themengebiete in der Vergangenheit jeweils für sich stehend schon Inhalt verschiedener wissenschaftlicher Ausarbeitungen waren, deckt diese Arbeit ein bis dato unzureichend erforschtes Gebiet ab. Das erkenntnisleitende Interesse ergibt sich dabei aus dem grundlegenden Interesse an den Bereichen Marketing, Social-Media und Sport. Das gewählte Thema ermöglicht eine Zusammenführung dieser Themengebiete innerhalb einer Werbeform, die es zu einer hohen Popularität gebracht hat, jedoch weiterhin tiefgreifenden Veränderungen und Entwicklungen unterworfen ist.
Bei der ausführlichen Literaturrecherche zu Beginn dieser Arbeit konnte ermittelt werden, dass zwischen der Aktualität und steigenden Popularität des Themas und bisherigen Untersuchungen oder literarischen Veröffentlichungen eine große Lücke klafft. Dabei birgt der Social-Media-Bereich im Allgemeinen kommerzielle Chancen, die aus vielerlei Hinsicht eine nähere Auseinandersetzung rechtfertigen würden. Die USA als Vorreiter hinsichtlich vieler Marktentwicklungen liefern einen Einblick in das Potential von Social-Media-Marketing. Die Einnahmen durch Werbung im Social-Media-Bereich haben sich dort von knapp fünf Mrd. US-Dollar im Jahr 2013 rasant gesteigert und werden für das Jahr 2017 mit über 16 Mrd. US-Dollar erwartet (eMarketer, 2015b). Weltweit wird in diesem Bereich für das selbe Jahr ein Einnahmenvolumen von 41 Mrd. US-Dollar prognostiziert (eMarketer, 2015a). Der Sportmarkt geizt ebenfalls nicht mit Superlativen. Ob American Football in den USA oder Fußball in Europa, Spitzensport entwickelt sich zunehmend zu einem milliardenschweren Geschäft. Für das Jahr 2017 wird auf dem weltweiten Sportmarkt ein Umsatz von über 70 Mrd. US-Dollar erwartet (Kearney, 2014). Das entspricht einer Verdopplung zum Jahr 2005 und zeigt auch in diesem Bereich ein enormes wirtschaftliches Potential. Neben der kommerziellen Relevanz führen jedoch insbesondere strukturelle Veränderungen des Werbemarktes und der daraus resultierende Bedarf nach neuen Werbestrategien zu dem Erkenntnisinteresse, welches dieser Arbeit zu Grunde liegt.
Mit Blick auf die forschungsleitende Fragestellung dieser Arbeit soll der Einsatz von Sport-Testimonials als prominente Influencer im Social-Media-Bereich untersucht werden. Bei Influencern handelt es sich, um an dieser Stelle bereits einen kurzen Einblick zu gewähren, um Personen die mit ihrem Handeln andere Personen beeinflussen können (vgl. Raukamp, 2016). Dabei richtet sich das Ziel der empirischen Untersuchung auf die Identifikation von Chancen und möglichen Potentialen, die sich durch die Zusammenführung dieser beiden populären Bereiche ergeben. Chancen werden sowohl aus Perspektive der Sportler, als auch auf Unternehmensseite beleuchtet. Jedoch kann für die Seite der Auftrag gebenden Unternehmen von deutlich tiefer gehenden Einblicken ausgegangen werden. Für die Durchführung der Untersuchungen wird der Zeitraum der Fußball-Europameisterschaft 2016 gewählt. Hinsichtlich der als Testimonial auftretenden Spieler wird der Schwerpunkt auf aktive und bei der EM teilnehmende Fußballprofis gelegt, wobei der Fokus dabei Spielern der deutschen Nationalmannschaft gilt. Im Zentrum der Masterarbeit steht folgende Forschungsfrage: Welche Chancen bietet Testimonialwerbung mit Fußballprofis in ihrer Rolle als Influencer im Social-Media-Bereich sowohl für Unternehmen als auch die Spieler selbst?
Um die Beantwortung der formulierten Forschungsfrage schrittweise anzugehen, wird sich zu Beginn der Arbeit mit relevanten theoretischen Hintergründen auseinandergesetzt. Dabei erfolgt zunächst ein Einblick in die derzeitige Marktsituation, bei der die erwähnte Informationsüberflutung und weitere wesentliche Merkmale beleuchtet werden. Anschließend wird sich im Verlauf des dritten Kapitels mit notwendigen theoretischen Grundlagen der übergeordneten Themenbereiche Marken, Werbung und Social-Media[1] beschäftigt. Die drei Themenbereiche bilden in der Folge die Grundlage für das umfassende vierte Kapitel, in dem es um Testimonialwerbung geht. In diesem Kapitel erfolgt eine schrittweise Bearbeitung dieses Themenfeldes, wobei neben Grundlagen auch unterschiedliche Formen sowie die Ziele dieser Werbeform erläutert werden. Zudem erfolgt als Abschluss des vierten Kapitels eine Überleitung zum Sport und der populären Form der Werbung mit Profi-Sportlern in ihrer Rolle als Testimonials. Nachdem im fünften Kapitel ein Überblick über den aktuellen empirischen Forschungsstand verschafft wird, beginnt der empirische Forschungsteil der Arbeit. Dabei erfolgt als Basis und hinsichtlich klar definierter Forschungsziele im sechsten Kapitel die Konzeption einer Forschungsfrage und mehrerer daraus resultierender Hypothesen. Kapitel 7 beinhaltet schließlich die beiden empirischen Untersuchungen, wobei eine Auseinandersetzung mit empirischen Forschungsmethoden im Allgemeinen und eine Methodendiskussion die Wahl der verwendeten Untersuchungsmethoden untermauern. Im ersten empirischen Teil wird eine Online-Befragung konzipiert, bei der mit einer Stichprobe aus Social-Media-Nutzern quantitative Ergebnisse geliefert werden sollen. Neben bereits aussagekräftigen Informationen sollen auf Basis gewonnener Erkenntnisse auch weiterführende Untersuchungen stattfinden. Zu diesem Zweck folgt der zweite empirische Teil mit einer qualitativ geprägten Untersuchung in Form von drei Experteninterviews. Dabei sollen die Interviews mit den Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen dort anschließen, wo die quantitative Untersuchung strukturell bedingt an ihre Grenzen stößt. Nach einer ausführlichen Erläuterung des Aufbaus der beiden Untersuchungen werden in einem ersten Schritt zum Ende einer jeden Untersuchung Ergebnisse ausgewertet. Diese werden im Zuge einer Schlussbetrachtung im achten und letzten Kapitel zusammengefasst und einer abschließenden Auswertung unterzogen.
Das gewählte Thema dieser Arbeit kann der Fachrichtung Marketing zugeordnet werden. Für einen logischen und sinnvollen Eingang in die Thematik ist es wichtig, sich mit dem Markt und seiner aktuellen Situation auseinanderzusetzen. In der Folge wird zu Beginn auf das nicht neue aber wahrscheinlich mehr denn je präsente Thema einer Informationsüberflutung in unserer Gesellschaft eingegangen.
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, herrscht in der heutigen Zeit nahezu weltweit eine Informationsüberlastung der Gesellschaft. Um diese Thematik näher zu erklären, muss zu Beginn der eigentliche Begriff einer Information definiert werden. Dabei handelt es sich um denjenigen Teil einer Nachricht, der für Empfänger einen Wert darstellt. Durch Informationen können beim empfangenden Subjekt bestehende Wahrscheinlichkeitsurteile und entscheidungsrelevante Daten verändert werden (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, 2016c).
In unserer heutigen Gesellschaft geht die tägliche Masse an redaktionellen und werblichen Eindrücken so weit, dass von einem Information Overload gesprochen werden kann (Rennhak, 2006, S. 51). Eine Folge dieser stetigen Reizüberflutung sind ein sowohl unterbewusstes als auch aktives Abwehrverhalten durch die Konsumenten. Ein hoher Konkurrenzdruck auf teils stagnierenden oder gesättigten Märkten mit einem sich häufig verändernden Verhalten der Konsumenten lässt Unternehmen wie Medien jedoch nur wenige Möglichkeiten diese Taktung herunterzufahren. Bedingt durch die fortschreitende Globalisierung und eine höhere Austauschbarkeit von Produkten lastet auf etablierten wie jungen Unternehmen ein hoher Druck. Dabei wird es für diese Betriebe und insbesondere für die Werbebranche immer schwieriger, die Aufmerksamkeit der Konsumenten auf sich zu ziehen (vgl. Schaaf, 2010, S. 13). Dass es in den letzten Jahrzenten zu einer deutlichen Steigerung der Masse an gesendeten Informationen gekommen ist, hat dabei vielschichtige Gründe. Neben einer Vielzahl neuer, insbesondere technischer Möglichkeiten hat die eben angesprochene Globalisierung dazu geführt, dass Wirtschaft wie Gesellschaft einem tiefgreifenden und fortlaufenden Wandel unterliegen (vgl. Hepp, 2013). Der Großteil der Bevölkerung der westlichen Welt ist in der heutigen Zeit Besitzer eines Smartphones, was in vielerlei Hinsicht das Leben vereinfacht hat. Jedoch ist der Preis für die vielen daraus resultierenden Annehmlichkeiten auch eine permanente Erreichbarkeit, die unseren Alltag prägt. Durch das steigende Nutzenspektrum der modernen Smartphones geht auch von diesen ein digitaler Dauerfluss an Informationen aus.
Der deutsche Stadtplaner Georg Franck beschreibt in seinem Buch Ökonomie der Aufmerksamkeit (Franck, 2007) einen weiteren Grund für die wachsende Informationsflut. Neben dem Vormarsch technischer Hilfsmittel für die Informationsübermittlung liegt für ihn ein weiterer Grund in der fortschreitenden Urbanisierung. Mit dem Entstehen von städtischen Ballungsräumen ging eine Entwicklung einher, die den Wunsch nach fremder Aufmerksamkeit mit sich brachte. Menschen leben in großer Zahl gemeinsam in Städten und beschäftigen sich dadurch zwangsläufig miteinander. Vergleichbar mit der Entwicklung des Internets und einer dadurch ständigen globalen Kommunikation fallen durch die Städtebildung nach und nach natürliche Barrieren, die Kommunikation und Informationsaustausch zuvor beschränkten (vgl. Franck, 2007, S. 49-54).
Es erscheint zu Beginn möglicherweise ungewohnt, Aufmerksamkeit als ein Gut zu bezeichnen. In der Regel werden damit vordergründig materielle Dinge assoziiert, welche auch monetär erworben werden können. Jedoch müssen Ressourcen und Güter nicht immer materiell sein. In unserer Gesellschaft kommen Menschen jeden Tag mit einer Vielzahl immaterieller Güter in Verbindung. Ist jemand in seinem Beruf bspw. Experte auf einem gewissen Fachgebiet, so handelt es sich bei dessen Wissen um ein immaterielles Gut (vgl. Schmid, 2013, S. 97).
Durch die stetig ansteigende Produktion an Informationen, aber einer zugleich begrenzten Aufnahmekapazität der Konsumenten, handelt es sich bei Aufmerksamkeit somit um ein immaterielles Gut, welches einer relativen Verknappung unterliegt. Franck geht soweit, dass er in seinem Buch die Frage aufwirft, ob Aufmerksamkeit als eine neue Währung gelten könne (vgl. Franck, 2007, S. 49 ff.). Eine gewagte These, über die sich kontrovers diskutieren ließe, die aber auch Franck selbst später deutlich revidiert (vgl. Franck, 2007, S. 72-74). Was jedoch in jedem Fall festgehalten werden kann, ist ein Anstieg an gesendeten Informationen, die nur begrenzt Aufnahme finden können. Somit kommt es zu einer Asymmetrie zwischen der Verfügbarkeit und den Verwendungsmöglichkeiten gesendeter Informationen. Daraus folgt, dass keine vollständige Sättigung eintreten kann, da für die Masse an gesendeten Informationen nicht genügend Aufmerksamkeit vorhanden ist (vgl. „Gabler Wirtschaftslexikon“, 2016d).
Um die heutige Relevanz der Aufmerksamkeit als knappes und wertvolles Gut zu verdeutlichen, eignen sich einige Zahlen zur besseren Veranschaulichung. Im Detail geht es bei diesen Zahlen um die Anzahl der Werbebotschaften, denen Menschen heutzutage täglich ausgesetzt sind. Auf Deutschland bezogene und eher vorsichtig formulierte Schätzungen gehen davon aus, dass ein Durchschnittsbürger im Schnitt jeden Tag mehr als 2.000 Werbebotschaften ausgesetzt ist (vgl. Kalka & Mäßen, 2014, S. 93). Jedoch finden sich auch aktuellere Quellen, in denen Kommunikationsforscher derzeit auch mit Blick auf die Popularität von Smartphone und Tablet davon ausgehen, dass ein Bürger pro Tag sogar 5.000 bis 10.000 Werbebotschaften verarbeiten muss (vgl. Braumann, 2016). Diese Zahlen lassen erahnen, wie sehr in der heutigen Zeit an der Aufmerksamkeit der Bürger gezehrt wird. Das menschliche Gehirn, so komplex es auch sein mag, besitzt Aufnahmekapazitäten, die zur Folge haben, dass tagtäglich eine unbewusste Auslese der gesendeten Informationen stattfindet. Die beiden Neuropsychologen Christian Scheier und Dirk Held (Scheier & Held, 2012) erklären diese Form der Auslese durch zwei im menschlichen Körper parallel existierende Formen der Aufmerksamkeit. Zum einen gibt es eine fokussierte Aufmerksamkeit, den sogenannten Piloten, des Weiteren gibt es eine schwebende Aufmerksamkeit, den Autopiloten. Den beiden Parts kommt jedoch unterschiedlich viel Arbeit zu. Während der Pilot lediglich eine Aufnahmekapazität von 40 Bits besitzt, kommt der Autopilot auf eine Kapazität von elf Millionen Bits – nicht gerade eine ausgewogene Verteilung (vgl. Scheier & Held, 2012, S. 190). Um die Funktion des Autopiloten besser zu verstehen, gibt es das sogenannte Cocktailparty-Phänomen. Eine Person befindet sich auf einer Party, konzentriert in einem Gespräch, kann aber trotzdem inmitten einer Vielzahl von Konversationen heraushören, wenn jemand im Raum den eigenen Namen ruft. Jeder Mensch nimmt also tagtäglich deutlich mehr Informationen wahr, als ihm bewusst ist. Der Autopilot ist dabei in der Lage auch solche Informationen zu verarbeiten, die nicht im Fokus der expliziten Aufmerksamkeit stehen (vgl. Scheier & Held, 2012, S. 191 f.). Geht also z. B. ein Vegetarier an einem Werbeplakat für Steaks vorbei, wird er diese Werbung unterbewusst wahrnehmen. Sein Autopilot wird aber dafür sorgen, dass es bei einer peripheren Informationsaufnahme bleibt, ohne dass diese Information seine fokussierte Aufmerksamkeit erreicht. Bei einem häufigen Fleischesser hingehen würde das Plakat zu Beginn nur peripher vom Autopiloten wahrgenommen werden. Bedingt durch sein Interesse an dem dargestellten Produkt würde jedoch sein Gehirn in den Modus einer fokussierten Aufmerksamkeit wechseln. In diesem Fall wäre dann die Werbebotschaft beim Konsumenten angekommen.
In der Realität handelt es sich dabei aber nicht um lediglich eine Plakatwerbung, sondern um bis zu 10.000 Werbebotschaften an jedem einzelnen Tag. Von Plakaten über Radio-Spots bis zu Werbung in den sozialen Medien laufen solche Prozesse, wie der eben beschriebene, nahezu ohne Pause ab. Da der Alltag eines Menschen noch andere Inhalte enthält, als sich mit Werbung zu beschäftigen, wird nur ein Bruchteil dieser Werbebotschaften bewusst wahrgenommen. Schafft es das Werbemittel nicht, sich in irgendeiner Weise vom Umfeld abzuheben, so kommt es lediglich zu einer peripheren und somit wirkungsschwachen Reizvermittlung (von Petty/Cacioppo (1986), zitiert nach Nufer & Banke, 2013, S. 295).
Nachdem ein Einblick in die aktuelle Marktsituation gewährt wurde, ist es mit Blick auf den weiteren Verlauf der Arbeit wichtig, ein gewisses Spektrum theoretischer Grundlagen zu beleuchten. Dabei stellen die drei Bereiche Marken, Werbung und Social-Media das theoretische Fundament für die späteren Untersuchungen dar. In der Folge wird sich zu Beginn näher mit Marken beschäftigt. Neben einer Definition sollen die wichtigsten Markenbestandteile aufgezeigt werden, die gerade auch hinsichtlich des Marketings eine wichtige Rolle spielen.
„Starke Marken wirken nicht durch ihre Bekanntheit, sondern durch ihre Fähigkeit, Menschen anzuziehen“ (Koch (2006), zitiert nach Scheier & Held, 2012, S. 22).
Diese Aussage von Markenexperte und Gründer Klaus-Dieter Koch beschreibt auf sehr aussagekräftige Weise, worin bei Marken die Besonderheit liegt. Doch was genau ist eigentlich eine Marke? Da sich sowohl bei der literarischen Recherche als auch bei der Suche im Internet abweichende Definitionen finden, lohnt es sich, beim Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz nach einer gültigen Definition zu suchen. Im dort verankerten Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (also dem Markengesetz) gibt § 3 MarkenG Aufschluss. Dort heißt es im ersten Absatz:
Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden („gesetze-im-internet.de“, 2016).
Zugegeben eine zwar in jedem Fall korrekte aber eben auch juristisch geprägte und dementsprechend eher schwieriger fassbare Definition. Der Markenberater Nicholas Adjouri befasst sich in seinem Buch Alles was Sie über Marken wissen müssen mit einer Vielzahl verschiedener Definitionen und Deutungen des Markenbegriffs. Er hat die treffendsten Beschreibungen des Begriffs zu folgender Definition zusammengefasst:
„Eine Marke ist ein differenzierendes Zeichen, das für eine Leistung steht und auf Kontinuität aufgebaute Botschaften langfristig erfolgreich an die Kunden kommuniziert“ (Adjouri, 2014, S. 210).
Diese Definition ist auch daher sehr passend, da sie die wichtigsten Markenbausteine in sich vereint. Es handelt sich also wie zu Beginn des Kapitels erwähnt um ein Zeichen und kein Produkt. Dabei bezieht sich diese Marke also nicht nur auf wirtschaftliche Güter, sondern kann als übergreifender angesehen werden. Zudem gilt hier die Regel, dass ohne eine gültige Differenzierung auch keine Marke besteht. Ein zweiter wichtiger Baustein der gewählten Definition ist das Merkmal, dass Marken mit auf Kontinuität ausgerichteten Botschaften gleichgestellt werden können. Dabei ist die Marke nicht revolutionär, sondern sich evolutionär anpassend. Es herrscht mit und durch die Marke immer eine Form von Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden. Als dritten und letzten wichtigen Baustein einer Marke ist die Langfristigkeit zu nennen. Nicht jede Marke schafft es zu einer sogenannten Alpha-Marke, doch mit zunehmendem Zeitverlauf setzen sich die Marken mit der stärksten Identität durch (vgl. Adjouri, 2014, S. 210).
Nochmals auf die Definition einer Marke durch Adjouri bezogen, fällt ein zentraler Aspekt einer Marke ins Auge. Eine Marke sendet eine Botschaft, was voraussetzt, dass es einen Sender und einen Empfänger geben muss. Für das Markenmanagement existieren also zwei Perspektiven, die gesondert von einander zu behandeln sind. Diese setzen sich aus dem Markenimage und der Markenidentität zusammen. Letztere umfasst dabei eine Vielzahl komplexer Inhalte, welche im weiteren Verlauf noch Beachtung finden werden. Zunächst erfolgt jedoch eine nähere Auseinandersetzung mit dem Markenimage.
Das Wort Image ist ein im heutigen Marketingkontext viel verwendeter und weitestgehend geläufiger Begriff. Doch woher kommt das Wort und wofür steht es genau genommen? Images sind im erst einmal Einstellungen von menschlichen Individuen. Diese Einstellungen drücken sich in sowohl positiven als auch negativen Äußerungen aus. Der Begriff an sich stammt ursprünglich aus den USA und wurde erstmals im Jahr 1939 von dem renommierten Motivforscher Ernest Dichter im Zusammenhang mit einer Marke genannt (vgl. Adjouri, 2014, S. 238). Bei dieser handelte es sich um die Marke Ivory des noch heute sehr erfolgreichen Konsumgüter-Konzerns Procter & Gamble. Seit dieser Zeit kann der Begriff Image als eine Zusammenfassung aller Einstellungen verstanden werden. Es muss jedoch angemerkt werden, dass Einstellungen nur sehr schwer messbar sind. Sie drücken sich in den Reaktionen einzelner Personen aus, wobei immer jedes Individuum für sich betrachtet werden muss. Erst die Summe individuell gemessener Einstellungen liefert Rückschlüsse auf das Bild einer Mehrheit von Personen (vgl. Adjouri, 2014, S. 238).
Beim Markenimage handelt es sich um ein mehrdimensionales Einstellungskonstrukt, welches ein Vorstellungsbild einer Marke wiedergibt, das wiederum in der Psyche einer relevanten Zielgruppe verankert ist (vgl. Foscht & Swoboda, 2011, S. 126). Dieses wertende und verdichtete Vorstellungsbild bei der Zielgruppe ist das Ergebnis einer subjektiven Wahrnehmung und Entschlüsselung der von einer Marke ausgesendeten Signale. Die Form der Wahrnehmung bezieht sich in diesem Zusammenhang primär auf die subjektiv wahrgenommene Leistungsfähigkeit der Marke, die bestehenden Bedürfnisse der zielgruppenrelevanten Individuen zu befriedigen (vgl. Burmann, Halaszovich, Hemmann, & Meffert, 2012, S. 59).
Die Bildung eines Markenimages bei externen Zielgruppen kann jedoch nur erfolgen, wenn die Bekanntheit einer Marke mitspielt. Dabei misst die Markenbekanntheit die Fähigkeit potentieller Nachfrager, sich an das Zeichen einer Marke zu erinnern oder es in einer anderen Art und Weise wiederzuerkennen. Erfolgt ein Erinnern an die Marke (Brand Recall) oder kommt es zu einer visuellen oder akustischen Erkennung (Brand Recognition), so ist die Zielperson in der Lage, die Marke einer Produktkategorie zuzuordnen (vgl. Aaker, 1991, S. 61). Für den Ökonomen Franz-Rudolph Esch stellt die Markenbekanntheit eine absolut notwendige Bedingung dafür dar, dass sich Konsumenten überhaupt erst ein klares Image von einer Marke bilden können. Erst durch das Erreichen einer gewissen Markenbekanntheit kann eine Marke bei einer Kaufentscheidung Beachtung finden, können markenspezifische Assoziationen hergestellt werden und im Idealfall eine emotionale Bindung bei den Konsumenten entstehen (vgl. Esch, 2013, S. 46).
Doch wo liegt nun die Verbindung zwischen Markenimage und Markenidentität? Das Markenimage wird als das Fremdbild der Marke beschrieben. Das bedeutet, dass es auf Seiten der Konsumenten entsteht, indem die Marke diesem in wiederholter Anzahl im Alltag begegnet. Auf dieses Bild bei den Konsumenten können Unternehmen nur mittelbar über ihr eigenes äußeres Auftreten einwirken. Dagegen die Markenidentität das Selbstbild einer Marke wider und kann vom Unternehmen aktiv gestaltet werden (vgl. Esch, 2013, S. 82).
Wie eben erwähnt handelt es sich bei der Markenidentität um das Selbstbild einer Marke. Dabei kann die Identität in Bezug auf die Soziologie mit einer Wechselbeziehung eines Individuums mit sich und dessen Umwelt beschrieben werden (vgl. Kelava, Scheschonka, Herbst, 2003, S. 56). Genau genommen stammt der Begriff Identität etymologisch von den lateinischen Begriffen identitas (Wesenseinheit) und idem (dasselbe) ab (Burmann u. a., 2012, S. 31). Geht es nun um eine treffende Definition des Begriffs Markenidentität, so eignet auch heute noch eine Definition von Jean-Noel Kapferer aus dem Jahr 1992:
Markenidentität definiert eine in sich widerspruchsfreie Gesamtheit der wesensprägenden, charakteristischen Merkmale einer Marke, die sie einzigartig macht und zeitlich stabil zum Ausdruck bringt, wofür sie steht bzw. stehen soll und sie von anderen Marken unterscheidet (Kapferer & Rominger-Hanauer, 1992, S. 57).
Der Markenidentität kommt in Zeiten immer austauschbarer und homogenerer Produkte eine wichtige Rolle zu, bildet sie doch die Grundlage der Differenzierungskraft einer Marke. Die Markenidentität bringt dabei zum Ausdruck, wofür eine Marke ganz konkret steht oder wofür sie nach Wunsch des Unternehmens stehen soll. In ihr vereinen sich die Markenphilosophie, der Inhalt, die Idee und die zentralen Eigenschaften der Marke zu einem auch für den Kunden greifbaren Markenleitbild. Das Ziel der Markenidentität liegt darin, die essentiellen, langfristigen und markenprägenden Eigenschaften zu definieren. Zusammengefasst umfasst die Markenidentität also diejenigen Merkmale der Marke, die aus Sicht der internen Zielgruppen in nachhaltiger Weise den Charakter der Marke prägen (vgl. „Gabler Wirtschaftslexikon“, 2016a). Für den Konsumenten wird das Selbstbild eines Unternehmens und damit dessen Markenidentität erst erfahrbar, wenn die formulierte Ideen in real existierenden Produkten, Strategien oder Kommunikationsmitteln umgesetzt wurden (vgl. Schmidt & Vest, 2010, S. 66-68).
Für die Entstehung einer Markenidentität ist das Vorhandensein einiger Voraussetzungen notwendig. Meffert und Burmann nennen Wechselseitigkeit, Konsistenz, Kontinuität und Individualität als die ausschlaggebenden Faktoren für die Entstehung einer Identität (vgl. Meffert, Burmann, & Koers, 2005, S. 29 ff.). Liegen diese Voraussetzungen vor, so reflektiert die Positionierung der Markenidentität basierend auf Zielgruppen-, Markt- und Bedürfnisanalysen das Sichtbare einer Marke. So basieren auf der Markenpositionierung alle Kommunikationsmaßnahmen, die das angestrebte Markenimage umsetzen (Schmidt & Vest, 2010, S. 66-68). In Abb. 1 im Abbildungsverzeichnis ist anschaulich aufbereitet das Verhältnis zwischen Markenimage und Markenidentität abgebildet. Dort ist zu sehen, dass sich Markenidentität und Markenimage in einem stetigen Austauschprozess befinden (vgl. Burmann u. a., 2012, S. 28). Beim Markenimage handelt es sich um ein Akzeptanzkonzept der Nachfrager in Bezug auf Wahrnehmung und Beurteilung der Markenidentität. Bei der Markenidentität hingegen handelt es sich um ein Aussagen- und Führungskonzept, das verdeutlicht, für welche wesensprägenden Merkmale die Marke eigentlich stehen soll (vgl. Burmann u. a., 2012, S. 29).
Die Sozialpsychologin Jennifer L. Aaker definiert Markenpersönlichkeit als eine „Gesamtheit menschlicher Eigenschaften, welche mit einer Marke verbunden sind“ (J. L. Aaker, 2005, S. 168). Daraus folgt, dass der Verbraucher sich mit einer Marke identifiziert und die Markenpersönlichkeit damit einen zusätzlichen Nutzen darstellt. Der Konsument geht mit der Marke eine Verbindung ein und repräsentiert mit dieser Marke dann sozusagen sein soziales Umfeld (vgl. Herbst, 2003, S. 39 ff.). Marken sind in der Lage, ähnlich wie Menschen langfristig etablierte Persönlichkeitseigenschaften anzunehmen. Mit Blick auf die heutige Markenlandschaft wären Beispiele einer solchen Vermenschlichung der Marlboro-Mann oder die Figur des gleichnamigen Waschmittels Meister Proper. Doch auch Marken ohne ein menschliches Werbegesicht sind in der Lage, Persönlichkeitsmerkmale anzunehmen. Als Beispiel könnte hier der Energy-Drink Red Bull genannt werden. Der österreichische Brause-Hersteller fährt seit vielen Jahren die Marketingstrategie, Extremsport-Events und Leistungssportler als Sponsor zu unterstützen. Dies gipfelte im Jahr 2012 darin, dass in einer bis dato einmaligen Marketing-Aktion der Österreicher Felix Baumgartner in einem – gut erkennbar durch Red Bull gesponserten - Raumanzug mit Fallschirm aus der Stratosphäre sprang. Dem freien Fall aus 39 Kilometern Höhe und 50 Millionen Euro Kosten folgten für Red Bull weltweite mediale Aufmerksamkeit. Die Folge in Bezug auf die Markenpersönlichkeit von Red Bull: In Verbindung mit dem verwendeten Slogan „Red Bull verleiht Flügel“ vermittelt die Marke ein cooles Image und versucht die Assoziation zu übermitteln, dass Konsumenten mit dem Getränk über sich selbst hinaus wachsen können (vgl. Rohrbeck, 2012).
Das Ziel besteht also darin, dass sich die Konsumenten mit den Eigenschaften der Marke identifizieren und diese nach Möglichkeit auf ihr eigenes Verhalten oder zumindest Denken übertragen. Jedoch muss bei der Entstehung zwischen Markenpersönlichkeit und menschlicher Persönlichkeit unterschieden werden. Eine Markenpersönlichkeit entwickelt sich aufgrund von direktem und indirektem Kontakt mit der Marke. Menschliche Persönlichkeitsmerkmale hingegen entstehen und entwickeln sich aufgrund von individuellem Verhalten, Überzeugungen und Einstellungen (vgl. J. L. Aaker, 2005, S. 168 f.).
Abschließend kann zusammengefasst werden, dass die Markenpersönlichkeit einen wichtigen Bestandteil der Markenidentität darstellt und somit auch das Markenimage durch Assoziationen mit menschlichen Persönlichkeitsmerkmalen prägt (vgl. Hieronimus, 2003, S. 370). Strategisch eingesetzt ermöglicht eine systematisch aufgebaute Markenpersönlichkeit eine Differenzierung und Emotionalisierung. Zudem kann auf Seiten der Konsumenten eine positiv geprägte Einstellung zur Marke etabliert werden (vgl. Esch, 2010, S. 107).
Marken kommen und gehen. Mit jedem Jahr entdecken wir neue Marken mit neuen Produkten, manchmal sind es auch alte Marken mit einem neuen Design, einer neuen Strategie oder einer insgesamt neuen Art aufzutreten. Doch genauso schnell wie neue Marken das Licht der Welt entdecken, verschwinden auch schwache Marken wieder in der Bedeutungslosigkeit. Es gilt also ganz nach Darwin das Gesetz der Stärksten als Überlebenden. Und auch was Marken betrifft, haben diejenigen mit der besten Anpassungsfähigkeit an die Bedürfnisse und Anforderungen ihrer Umwelt – dem Markt – die besten Chancen zu überleben. Jedoch genügt es nicht, lediglich in der Lage zu sein, die Wünsche der Konsumenten zu kennen und zu befriedigen. Inmitten unzähliger Konkurrenzprodukte und einer hohen Produkthomogenität müssen Unternehmen und ihre Marken überhaupt erst von den Konsumenten erkannt werden. Um dies zu garantieren, nutzt ein geschäftstüchtiger Teil der Menschheit seit hunderten von Jahren die Werbung.
Mit Blick auf die bisherige Geschichte der Werbung sind klare Parallelen zur Geschichte der menschlichen Kultur zu erkennen. Wird Werbung in einem nur annähernd mit heutiger Werbung vergleichbaren Kontext verstanden, so fällt es schwer die Ursprünge der Werbung wirklich in eine Zeit vor Christus einzuordnen. Es ist also eine Frage der Definition. Laut Brockhaus handelt es sich bei Werbung kurz gesagt um „alle Maßnahmen zur Absatzförderung“ ("Brockhaus", 2016). Dies würde im Umkehrschluss also auch Werbung in der Antike mit einbeziehen, wenn bspw. Marktschreier oder Händler mit semitischen Steintafeln versuchten, den Verkauf ihrer Waren zu fördern. Zudem muss unterschieden werden, ob es sich zu damaligen Zeiten um Formen der Beeinflussung anderer Menschen im Sinne von Propaganda oder gezielte Wirtschaftswerbung handelte. In beiden Fällen handelt es sich um keine neuzeitlichen Errungenschaften, wobei erst der technische Fortschritt eine Entwicklung der Werbung zu modernen uns heute bekannten Formen möglich machte (vgl. Behrens, 1975, S. 11).
Der Beginn der Werbung kann in das 17. Jahrhundert eingeordnet werden. Der Buchdruck wurde zwar bereits 200 Jahre zuvor erfunden, jedoch dauerte es noch eine lange Zeit bis die Möglichkeiten zur Vervielfältigung erste Werbeblätter in größerer Zahl zuließen. Mit der Verbreitung der ersten Zeitung im Jahr 1650 in Leipzig war diese Form der Vervielfältigung erstmals gefunden. Neben der Werbung in Zeitungen etablierte sich in der Folge relativ schnell die Produktion von speziellen Werbezeitungen, in welchen Verkäufer gegen eine Bezahlung ihre Produkte zur Schau stellen konnten. Im 19. Jahrhundert wurde zunehmend der Einsatz von akustischen Tönen in die Werbung mit einbezogen. Erste größer angelegte Werbekampagnen folgten zur Jahrhundertwende, als Unternehmen wie Maggi, Nivea oder Odol sich einem breiten Publikum präsentierten (vgl. Hellmann, 2004, S. 91 ff.). Dieser Zeit ist es zudem zu verdanken, dass auch heute noch wie am Beispiel des Tempo-Taschentuches einige Markennamen mit Produktnamen gleichgesetzt werden. Ebenfalls in dieser Zeit vollzog sich ein Wandel, durch den Produkte nicht mehr länger lediglich zur Schau gestellt wurden. Es wurde zunehmend versucht Produkte und Marken in einen sozialen Kontext einzubetten und Menschen davon zu überzeugen, genau das eine Produkt zu benötigen. Auch verstärkt durch eine düstere Zeit der Propaganda während der Herrschaft der Nationalsozialisten startete zunehmend der Siegeszug der Kino- und Fernsehwerbung. Dieser hält bis zur heutigen Zeit an, wobei Online-Werbung insbesondere auf mobilen Geräten eine neue Epoche der Werbung einleiten konnte (vgl. „ARD/Planet Wissen“, 2016).
Um zu erklären, worum es sich bei einem Werbemittel handelt, eignet sich auch mehr als vierzig Jahre später eine Definition des Verbandes Schweizer Werbegesellschaften. Dort gilt ein Werbemittel als „das, was entsteht, wenn Bilder, geschriebene Worte, grafische Elemente oder leere Flächen und/oder Töne, gesprochene Worte zu einer Werbebotschaft zusammengefasst werden“ (Billeter, 1971, S. 1). Eine solche Werbebotschaft wird dabei in eine reale, sinnlich wahrnehmbare Form gebracht (vgl. Bruhn, 2015, S. 4). Somit kann festgehalten werden, dass es sich bei Werbemitteln um die eigentlichen Ausdrucksmittel der Werbung handelt. Diese stellen also die grundlegende Gestaltung der zu übertragenden Werbebotschaft dar und finden sich in der Öffentlichkeit bspw. in Form von Plakaten oder Anzeigen wieder (vgl. Albers & Zottmann, 1988).
Unter Werbeträgern können Medien verstanden werden, die geeignet sind, werbliche Informationen zu tragen. Werbeträger können in unterschiedliche Gattungen unterschieden werden: Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Anzeigenblätter, Adressbücher), Elektronische Medien (Fernsehen, Hörfunk, Onlinedienste, Filmtheater), Medien der Außenwerbung (Plakatanschlagstellen, Litfaßsäulen, Lichtwerbung, Verkehrsmittel) und Medien der Direktwerbung (Werbebriefe, Kataloge, Telefon, Telefax, E-Mail) (vgl. „Gabler Wirtschaftslexikon“, 2016). Insgesamt kann zum einen in werbeträgerbezogene (z. B. Anzeigen) sowie in werbeträgerfreie Werbemittel (z. B. Prospekte) unterschieden werden. Werbeträgerfreie Werbemittel können aber auch durch klassische Werbeträger verbreitet werden. Ein Beispiel hierfür wären Prospekte als Zeitungsbeilage. Die Auswahl des passendes Werbemittels hängt immer von Produkt, Zielgruppe und Werbebotschaft ab. Zu den seit Jahren etablierten Mediagattungen wie Printmedien, Funk und Fernsehen sind seit den 1990er-Jahren zunehmend neue elektronische Medien hinzugekommen (vgl. Schweiger & Schrattenecker, 2013, S. 280 f.). Insbesondere die Etablierung des Internets lieferte der Werbebranche ein alles überragendes Feld an neuen Werbemöglichkeiten. Dies führte auch dazu, dass bei heutigen Unterscheidungen in Bezug auf unterschiedliche Werbegattungen zunehmend zwischen konventionellen (= offline) und neuen (= online) Werbemitteln unterschieden wird.
Aufgrund einer in der Vergangenheit wie heute steigenden Masse werblicher Erscheinungsformen wird in der Folge eine Klassifizierung verschiedener Bereiche vorgenommen. Nach Hettler kann dabei eine Kategorisierung aller Werbemaßnahmen in Above-the-Line-Maßnahmen und Below-the-Line-Maßnahmen vorgenommen werden (vgl. Hettler, 2010, S. 67). Above-the-Line-Werbung kann als klassische Werbung verstanden werden und lässt sich in die Bereiche Print, TV, Radio und Außenwerbung unterteilen. Die markantesten Unterscheidungsmerkmale liegen in der Dauer der Informationsaufnahme und des Aufnahmezeitpunktes von Seiten der Werbeempfänger. Auch Online-Werbung kann den Above-the-Line-Maßnahmen zugeordnet werden. Auf der anderen Seite zählen zu Below-the-Line auch solche Maßnahmen, die ergänzend zur Kommunikation über Massenmedien eingesetzt werden. Darunter fallen Direktwerbung, Product Placement, Verkaufsförderung, Promotion, Messeauftritte, Point-of-Sale Marketing und auch einzelne Formen von Events (vgl. Bruhn, 2015, S. 367). In Abb. 2 im Abbildungsverzeichnis finden sich die Ausgaben für Werbung einzelner Werbemedien für die Jahre 2014, 2015 sowie einen Ausblick bis 2019. Bei einem weitestgehend stabilen Markt stellen sich zwei Entwicklungen als besonders interessant heraus. Zum einen setzt sich im Print-Bereich ein Verlust der Bedeutung gedruckter Zeitungen fort. Dieser wiederum verschafft jedoch dem Digital-Bereich einen weiteren Anstieg. Es spricht also einiges dafür, dass sich der Digital-Bereich auch weiterhin zum Zugpferd der Branche entwickeln wird.
Das Internet im Allgemeinen und somit auch der Bereich Online-Werbung unterliegt einem stetigen Wandel (vgl. Dolata & Schrape, 2013, S. 7 ff.). Eine Vielfalt unterschiedlichster Werbeformen und -formate bietet attraktive Möglichkeiten zur Online-Werbung und Möglichkeiten zur strategischen Online-Markenbildung (vgl. Jacob, 2015, S. 87). Doch auch durch viele aus dem Englischen übernommene Begriffe gestaltet sich eine überschaubare Gliederung der wichtigsten Bereiche von Online-Werbeformen schwierig. Abb. 3 im Abbildungsverzeichnis zeigt auf komprimierte und leicht verständliche Weise die drei wichtigsten Blöcke der Online-Werbeformen: Affiliate Marketing (Online-Vertriebskooperation), Display Ads (Schwerpunkt: Banner-Werbung) und Suchmaschinenmarketing (englisch: Search Engine Marketing) (vgl. Lammenett, 2014, S. 23 ff.).
In der Folge wird auf die drei genannten Werbeformen kurz im Detail eingegangen. Affiliate Marketing bedeutet eine verkaufsfördernde Kooperation von Netzwerk- und Vertriebspartnern. Dabei wirbt ein Partner (Affiliate) über seine Webseite für Produkte und/oder Dienstleistungen anderer Unternehmen (Merchant). Als Gegenleistung erhält er eine Vergütung abhängig von der Anzahl an Transaktionen oder Verkäufen, welche auf die Werbemaßnahmen des Affiliate zurückzuführen sind. Der Transfer der Provisionen erfolgt in der Regel pro Klick (auch bekannt als Pay-per-Click), pro Interessent, Download, Abonnent oder als anteilige Verkaufsprovision (Pay-per-Sale). Es handelt sich bei dieser Form um eine eindeutige Win-Win-Situation. Der Affiliate erhält im Erfolgsfall eine Provision und geht kein Risiko ein, da die Teilnahme an Affiliate Programmen in der Regel kostenfrei ist. Der Anbieter wiederum erzielt durch die Zusammenarbeit mit dem Partner bei positivem Verlauf eine deutlich gesteigerte Reichweite (vgl. Lammenett, 2014, S. 23 ff.). Display Ads bilden das Zentrum der Online-Werbung. Dabei kann nochmals in In-Stream Video Ads (Online Video Advertising) und In-Page Ads unterteilt werden. In-Page Ads stehen für die derzeit am meisten verbreitete Werbeform der klassischen Banner-Werbung. Banner werden als grafische Darstellung in der Regel auf Websites angezeigt und ermöglichen durch Verknüpfungen und Verlinkungen zu anderen Websites interaktive Möglichkeiten (vgl. Lippold, 2013, S. 229). Die Dritte der wichtigsten Werbeformen stellt das Suchmaschinen-Marketing (engl. Search Engine Marketing – SEM) dar. Hierbei verbinden Unternehmen ihr Online-Angebot und ihre Webseite mit Suchbegriffen, die für ihr Angebot relevant sind. Diese werden dann bei der Internet-Recherche in Suchmaschinen und Webkatalogen angezeigt und von Interessenten und Kunden entdeckt. Bei dieser Werbeform können zudem Streuverluste nahezu ausgeschlossen und eine hohe Kostentransparenz gewährleistet werden. Die Kostentransparenz entsteht dadurch, dass der Werbende nur dann zahlt, wenn ein Interessent auf ein entsprechendes Suchergebnis klickt (Pay per Click).
Ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Suchmaschinen-Marketings ist auch der Fakt, dass Suchmaschinen die mit Abstand beliebtesten Startseiten im Internet sind. In Verbindung mit Suchmaschinen-Marketing fallen häufig die Begriffe SEO und SEA. Bei diesen handelt es sich um Suchmaschinen-Optimierung (Search Engine Optimization) und Suchmaschinen-Werbung (Search Engine Advertising). Mit der Suchmaschinen-Optimierung zielen Unternehmen darauf ab, die eigene Webseite in organischen Suchergebnissen möglichst hoch ranken zu lassen. Unter Suchmaschinen-Werbung fallen alle Werbemöglichkeiten, welche Suchmaschinen gegen Bezahlung anbieten. Diese Werbeplätze werden in der Regel oberhalb oder seitlich der regulären Suchergebnisse platziert (vgl. Lippold, 2015, S. 253 ff.).
Um dieses Kapitel abzuschließen und zu gewährleisten, dass im Hinblick auf spätere Themen in Bezug auf Werbung ein ausreichendes theoretisches Fundament vorhanden ist, folgt nun noch eine kurze Auseinandersetzung mit der Wirkung von Werbung. Zu Beginn stellt sich die Frage, was unter Werbewirkung eigentlich verstanden werden kann? Im weitesten Sinne kann darunter jegliche Reaktion eines Werbeadressaten auf Werbung verstanden werden. Naturwissenschaftlich gesehen handelt es sich bei einer Wirkung um kausale Folgen spezifischer Ursachen. Laut Duden handelt es sich um eine durch eine verursachte Kraft bewirkte Veränderung, Beeinflussung oder ein bewirktes Ergebnis („Duden“, 2016).
Dabei steht das Ergebnis von Werbemaßnahmen bei einer anvisierten Zielgruppe im Zentrum des Interesses. Ergebnisse von Werbewirkungen zu erforschen und zu messen gestaltet sich je nach Werbemedium schwierig. Hier kommt die Werbewirkungsforschung ins Spiel. Diese ermittelt wann und in welcher Art und Weise auf Seiten von Rezipienten Reaktionen auf Werbebotschaften entstehen. Eine Schwierigkeit liegt darin, dass nicht immer die Möglichkeit besteht, den Erfolg einer Werbemaßnahme anhand eines eindeutigen Responses zu ermitteln. Deshalb wird z. B. bei der Printwerbung mit Beilagentests und Anzeigen-Copytests gearbeitet. Diese ermöglichen eine Analyse der Beachtungs- und Lesewirkung von Anzeigen und Prospekten (vgl. „Wirtschaftslexikon24“, 2016). Die Werbewirkungsforschung ist eng mit der Persuasionsforschung[2] verwandt. Sie grenzt sich jedoch von dieser ab, indem Werbekommunikation immer auch spezifische Wirkungen intendiert. Diese Wirkungen können wiederum auf zwei Ebenen gemessen werden. Die wissenschaftliche Forschung hat das Individuum und die Prozesse, die zur Werbewirkung führen, im Blick. Dem gegenüber geht es der praktischen Forschung vornehmlich darum, eine Optimierung von Kontaktwahrscheinlichkeit und -qualität herbeizuführen. Die Art und Weise der Wirkungen kann in Branding-Wirkungen und Response-Werbung unterschieden werden. Beschäftigt sich Letztere lediglich mit der Optimierung von Verkaufszahlen, so werden bei der Branding-Wirkung vornehmlich Erinnerungs- und Einstellungseffekte untersucht (vgl. Siegert, Wirth, Weber, & Lischka, 2016, S. 547 f.).
Bevor das Thema Testimonialwerbung in den Fokus rückt, muss zuvor mit Social-Media noch ein dritter grundlegender Bereich abgedeckt werden. Denn Testimonialwerbung bildet in der heutigen Zeit ihr Fundament thematisch gesehen neben Marken- und Werbewissen verstärkt auch auf dem Bereich Social-Media. Dass für Unternehmen an diesem Bereich in der heutigen Zeit kein Vorbeikommen mehr ist, verdeutlicht folgendes Zitat von Socialnomics -Autor Erik Qualman:
„We don't have a choice on whether we do social media, the question is how well we do it?” (Qualman, 2011, S. 262)
Der ständige Austausch von Informationen ist in unserer von Globalisierung geprägten Welt ein normaler Vorgang. Soziale Netzwerke, sowohl im Großen wie im Kleinen, gibt es seit Menschengedenken. Dabei basieren Beziehungen im Web auf denselben Prinzipien wie im realen Leben. Im Alltag existente soziale Gruppen haben in den sozialen Netzwerken Abbilder, die sich ebenfalls um Inhalte, Produkte, Dienste und Ideen gruppieren. Das soziale Web ist diesbezüglich schon längst nicht mehr nur ein Ort an dem sich Privatpersonen austauschen. Auch Unternehmen haben früh das Potential von Social-Media für ihre Geschäftsfelder erkannt. Für sie kann Social-Media vieles sein: Ein Marktplatz, eine Bühne oder ein Laufsteg. Aber auch ein Ort zum einkaufen oder verkaufen (vgl. Stuber, 2012, S. 33 ff.). Social-Media bietet eine schier unendliche Zahl verschiedenster Facetten und erfindet sich auch in der Zukunft immer wieder neu.
Beginnt man, sich mit den frühen Anfängen von Social-Media auseinanderzusetzen, so wird schnell klar, dass es eines weiteren Schrittes zurück bedarf. Denn die Etablierung von Social-Media mit all seinen Facetten ist unweigerlich verbunden mit dem Aufkommen des Web 2.0. Um aus dieser für unsere heutigen Lebensstandards bedeutsamen Erfindung keinen Hauptbestandteil dieser Arbeit zu machen, erfolgt in der Folge lediglich eine komprimierte Einführung zur Entwicklung des Web 2.0. Das Web 2.0 stellt wie der Name schon vermuten lässt eine Weiterentwicklung des World Wide Web (WWW) dar. Die Geschichte des Internets lässt sich grob in drei Zeitspannen unterteilen. In der ersten Phase Mitte der 1960er Jahre wurden erste technische Grundlagen entwickelt, die Grundstein für die spätere Entwicklung und Etablierung sein sollten. Ende der 1970er Jahre stieg das Wachstum des Internets deutlich an und es begann eine internationale Ausbreitung der Technologie. Dieser Prozess wurde auch durch die Abkehr einer rein militärischen Forschung hin zu einer akademisch geprägten Forschung begünstigt. In der als wilden Phase des Internets bekannten Zeit schritt die Entwicklung in Form einer Selbstorganisation durch Communities und Tauschökonomien weiter voran. Dritte und entscheidende Phase der Internets waren die Jahre nach 1990. Im Jahr zuvor war durch den Briten Tim Berners-Lee das World Wide Web entwickelt worden. Mit der daraufhin vollzogenen Abschaltung des zuvor verwendeten Arpanets konnte die kommerzielle Phase des World Wide Webs eingeläutet werden (vgl. Hettler, 2010, S. 1).
Seitdem hat sich die Verbreitung des Internets in einer enormen Geschwindigkeit vollzogen. Wie in Abb. 4 im Abbildungsverzeichnis zu sehen ist, gab es im Jahr 1997 schätzungsweise gerade einmal 121 Millionen Internetnutzer. Diese Zahl hatte sich schon fünf Jahre später auf 665 Millionen Menschen gesteigert. Anfang 2009 konnte schließlich erstmals die Marke von mehr als einer Milliarde Nutzer übersprungen werden. Im letzten Jahr (2015) hatte sich diese Zahl nochmals verdreifacht, weshalb Schätzungen heute von fast 3,5 Milliarden Internetnutzern ausgehen (vgl. „Internet Live Stats“, 2016). Der Wandel von der New Economy und den Anfängen des Internets zum Web 2.0 lässt sich insbesondere auf die Entwicklung neuer Technologien, eine Steigerung der Datenübertragungsraten und die Senkung der Internetnutzungskosten zurückführen. Zudem erfuhr auch das Nutzerverhalten der Menschen selbst einen Wandel. So erhöhte sich zunehmend die Bereitschaft, auf einen Austauschprozess einzugehen und auch selbst Inhalte ins Netz zu laden, was heute unter User-generated content verstanden wird (vgl. Hettler, 2010, S. 2 f.).
Mit dem Erfolg von Web 2.0 und Social Media fanden mit einigen Jahren Verspätung die eigentlichen Grundgedanken des Erfinders des WWW, Tim Berners-Lee, eine neue Verankerung. Berners-Lee arbeitete an seinem Projekt mit der Intention, ein Web der für Jedermann möglichen Partizipation und Interaktion zu schaffen (vgl. Hettler, 2010, S. 11 f.). Das Einspeisen von Inhalten durch die Nutzer stellte eines der Hauptziele der Entwicklung dar. Diese Eigenschaft etablierte sich jedoch erst mit dem Aufkommen von Social-Media-Kanälen, die auf Austausch und Kommunikation ihrer Nutzer basieren. Wird das Web 2.0 auch als Mitmach-Web bezeichnet, bei dem Nutzer Inhalte erstellen und diese teilen können, so geht Social-Media noch einen entscheidenden Schritt weiter. Denn hier teilen, kommunizieren und informieren sich Menschen, die in irgendeiner Art und Weise miteinander in Verbindung oder Beziehung stehen. Als Beispiel kann eine bestehende Freundschaft über eine Plattform wie Facebook genannt werden. Die in diesem Kontext verbreiteten Inhalte erhalten somit eine soziale Komponente und sorgen für Interaktion. Plattformen wie Facebook, YouTube oder Twitter sind also Tools, die in der Lage sind, Kommunikation und Beziehungsstrukturen herstellen (vgl. Grabs, Bannour, & Vogl, 2014, S. 21).
Social-Media im Allgemeinen umfasst eine Vielzahl verschiedenster Plattformen und Tools, die der Kommunikation, Interaktion und dem Austausch von Inhalten und Informationen dienen. Eine häufig verwendete Visualisierung des gesamten Social-Media-Marktes mitsamt der vielen verschiedenen Plattformen existiert in Form eines Social-Media-Prismas, welches bereits in vierter Generation existiert. Um einen gesamtheitlichen Überblick des Marktes und seiner Tools aufzuzeigen, eignet sich Abb. 5 im Abbildungsverzeichnis. Das dargestellte Prisma in Abb. 5 liefert eine ansehnliche und detaillierte Übersicht des Marktes, jedoch keinen wirklichen Einblick in schwerpunktmäßige Segmente. Um einen groben Überblick aufzuzeigen, so lässt sich eine Unterteilung in folgende Bereiche vornehmen (vgl. Weinberg, 2015, S. 1):
- Soziale Netzwerke, z. B. Facebook, Google+
- Content-Plattformen (Foto, Video, Audio), z. B. YouTube, Flickr
- Blogs und Microblogs (z. B. auf Twitter)
- Virtuelle Welten, z. B. SecondLife
- Wikis, bekanntestes Beispiel Wikipedia
- (Diskussions-)Foren
- Podcasts und Videoblogs
- Empfehlungs- und Bewertungsplattformen
- Standortbezogene Networkingdienste wie Foursquare
- Social Bookmarking- und Social News-Portale wie Delicious.com
Die gängigsten Tools und Plattformen im Social-Media-Bereich basieren auf dem Grundsatz einer Many-to-Many-Kommunikation. Das bedeutet, dass User Content produzieren und über diese Inhalte ein permanenter Austausch stattfindet. Im Gegensatz zu der One-to-Many-Kommunikation, wie sie durch klassische Werbung jahrelang praktiziert wurde, können sich Diskussionen und Kommunikation im Social-Media-Bereich weiterverbreiten und -entwickeln, sofern der Diskussion ein freier Lauf gelassen wird (vgl. Heymann-Reder, 2011, S. 20 f.).
Eine anschaulich wie übersichtliche Visualisierung der Social-Media Landschaft für das Jahr 2016 wurde von Social-Media Consultant Frédéric Cavazza ausgearbeitet und ist in Abb. 6 im Abbildungsverzeichnis zu sehen. Um einen wirklichen Überblick über die Social-Media-Dienste zu gewinnen, ist es sinnvoll, eine visuelle Ausarbeitung zu wählen, deren einzelne Kategorisierungen voneinander getrennt sind. In Abb. 6 ist zu erkennen, dass Cavazza die Social Media Landschaft in sechs verschiedene Bereiche kategorisiert: Publishing, Sharing, Messaging, Discussing, Collaborating und Networking. Diese stellen die primären Funktionen von Social-Media dar und zeigen innerhalb der Visualisierung zudem die wichtigsten derzeit aktiven Plattformen. Ein wichtiges Merkmal dieser Abbildung ist zudem die zentrale Stellung der Unternehmen Twitter, Facebook und Google. Auf die Sonderstellung einiger großer Anbieter auf dem Markt wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen. In der Folge sollen nun die sechs Bereiche kurz näher definiert werden:
Publishing: In diesem Bereich sammeln sich insbesondere Social-Media Anwendungen, die darauf ausgerichtet sind, User-generated Content zu verbreiten. Bekannteste Plattformen sind hier Wikis wie Wikipedia, aber auch Blogging Plattformen oder Social Stream Services wie Tumblr (vgl. Cavazza, 2016).
Sharing: Wie der Name bereits vermuten lässt, umfasst dieser Bereich alle Dienste, die es ihren Anwendern ermöglichen, Inhalte mit Freunden, Followern oder anderen Nutzern zu teilen. Dabei haben sich verschiedene Tools auf unterschiedliche Inhalte spezialisiert. Ob für Videos (z. B. YouTube) oder Fotos (z. B. Flickr), Dokumente oder Präsentationen. Im Laufe der Jahre haben sich je nach Bedürfnissen der User spezielle Sharing-Plattformen gebildet (vgl. Cavazza, 2016).
Messaging: Die Messaging-Dienste im Social-Media-Bereich würden wohl einem Großteil befragter Personen gar nicht mehr als Social-Media-Dienste auffallen. Bspw. WhatsApp hat dessen Vorgänger die SMS so flächendeckend und schnell komplett verdrängt, dass beide Konzepte auf den ersten Blick gleichgesetzt werden könnten. Doch wie auch bei anderen Anbietern wie Skype oder Viber besteht die für Social-Media typische Möglichkeit, innerhalb der Anwendung soziale Freundeskreise zu verwalten, Inhalte zu teilen und auf verschiedensten Wegen in Kommunikation miteinander zu treten (vgl. Cavazza, 2016).
Discussing: Diese Gruppe beinhaltet Anwendungen, die helfen, Managementsysteme und Diskussionsforen zu organisieren. Kommentarsysteme wie IntenseDebate sorgen für ein problemloseres Kommentieren der Nutzer. Social Search Tools wie Quora oder Aardvark bieten eine Plattform zur Kommunikation, die für Fragen, Tipps und Empfehlungen genutzt werden kann (vgl. Cavazza, 2016).
Collaborating: Ins Deutsche übersetzt bedeutet Collaboration Zusammenarbeit. Insbesondere in Business-Aspekten und für die Vereinfachung des täglichen Arbeitslebens stehen für Unternehmen und Selbstständige verschiedene Tools zur Auswahl, die den Fokus auf schnelle und problemlose Absprache legen. So können Termine via Doodle abgesprochen oder Nachrichten über Slack verschickt werden. Eine Reihe an Anwendungen ermöglichen es Zusammenarbeit einfacher zu gestalten (vgl. Cavazza, 2016).
Networking: Abschließend stellt der Bereich Networking die wohl populärste Sparte im Social-Media Kosmos. In dieser Gruppe sind die sozialen Netzwerke wie Facebook, MySpace und Google + zu finden. Auch Karrierenetzwerke wie LinkedIn und Xing mit einem leicht abgeänderten Nutzerkonzept können diesem Bereich zugeordnet werden (vgl. Cavazza, 2016).
Bei aller Trennung in Social-Media-Bereiche und Segmente wird eine zunehmende und nicht ganz irrelevante Entwicklung offensichtlich. Auch wenn Social-Media heutzutage aus unzähligen kleinen wie großen Unternehmen besteht und täglich Wettbewerber hinzukommen oder den Markt verlassen, so ist eine Tendenz zu wenigen großen marktbeherrschenden Anbietern offensichtlich. Insbesondere die Tech-Giganten Apple, Google, Facebook, Amazon und Microsoft wagen sich immer weiter in fremde Geschäftsfelder vor. Facebook z. B. hat durch Erweiterungen seines Angebotsportfolios erreicht, dass das Unternehmen mit Blick auf die vorgestellten Social-Media-Bereiche nahezu überall vertreten ist. Über Facebook können User nicht mehr wie zu Beginn lediglich Nachrichten schreiben und Fotos posten. Es können auch Veranstaltungen erstellt, Umfragen geschaltet, Live-Videos gepostet und Spiele gespielt werden (vgl. Fuest, 2016). Zudem sorgte das Unternehmen auch mit einigen Unternehmensübernahmen für Aufsehen. So wurden im Laufe der letzten Jahren unter anderem WhatsApp, Instagram, Oculus (Virtual Reality) und die Foto-App MSQRD durch Facebook gekauft. Sieht Facebook ein anderes Unternehmen als Gefahr an oder sieht bei sich selbst Schwächen in einem gewissen Segment, so ist immer öfter eine Unternehmensübernahme die Lösung (vgl. „Die Übernahmen von Facebook“, 2016).
Nachdem das Thema Social-Media bereits ausführlich behandelt wurde, wird nun die wirtschaftlich orientierte Komponente des Marketings mit einbezogen. Geht es um die Definition von Social-Media-Marketing im Allgemeinen, so stellt sich nach der Auseinandersetzung mit dem Thema Social-Media die Frage, was unter Marketing eigentlich verstanden werden kann. Als Grundgedanke des Marketings kann die konsequente und zielgerichtete Ausrichtung des gesamten Unternehmens an die Bedürfnisse des Marktes bezeichnet werden (vgl. „Gabler Wirtschaftslexikon“, 2016).
Ohne Frage stehen in der heutigen Zeit wettbewerbsintensiver Märkte die Bedürfnisse der Nachfrager im Fokus der Unternehmensführung. Marketing spiegelt also eine unternehmerische Sichtweise wider. Darüber hinaus bietet das Marketing die Chance, Wettbewerbsvorteile aufzubauen, wenn rechtzeitig Marktveränderungen und Bedürfnisverschiebungen ausgemacht werden (vgl. „Gabler Wirtschaftslexikon“, 2016). Der in vielfältigen Wortzusammensetzungen gebrauchte Begriff Marketing kann dabei aus verschiedenen Perspektiven beschrieben werden. So verkörpert Marketing als eine Maxime, ähnlich wie in der eben verwendeten Definition, eine unternehmerische Grundhaltung, die alle Entscheidungen auf die Bedürfnisse der Abnehmer ausrichtet. Marketing als Mittel hingegen will dazu beitragen, Vorzugsstellungen und Präferenzen für das eigene Angebot zu schaffen. Ziel ist das Sicherstellen ökonomischen Erfolges. In Bezug auf diese Perspektive wären im Unternehmen angewendete Instrumente Preispolitik, Kommunikationspolitik, Distributionspolitik sowie Produkt- und Leistungspolitik. Als dritte und letzte Perspektive kann Marketing auch als Methode angesehen werden. In dieser Form soll Marketing helfen, Entscheidungen zur Erreichung des Markterfolges durch systematische und moderne Analysetechniken zu optimieren und zudem den Planungs- und Realisationsprozess zielorientiert zu gestalten (vgl. Nieschlag, Dichtl, & Hörschgen, 2002, S. 14 ff.).
Die Social-Media-Expertin Tamar Weinberg definiert Social-Media-Marketing als „die Bestrebungen, eigene Inhalte, Produkte oder Dienstleistungen in sozialen Netzwerken bekannt zu machen und mit vielen Menschen – (potentiellen) Kunden, Geschäftspartnern und Gleichgesinnten – in Kontakt zu kommen“ (Weinberg, 2015, S. 8). Weinberg lässt den Adressaten dieser Definition breit gefächert. Es handelt sich dabei nicht lediglich um werbende Unternehmen, sondern eben primär auch um den Menschen und dessen Bedarf zur Kommunikation. Trotzdem nutzen viele Unternehmen das Web 2.0, um Werbung in eigener Sache zu machen. Jedoch gestaltet sich dies schwieriger, sofern es sich um klassische, eindimensionale Werbung handelt. Die Lösung für dieses Problem liegt in Dialog und beidseitigem Austausch mit den Kunden. Hat ein Nutzer eine Frage und sucht lediglich eine Antwort, frei von Wertung, Meinung und weiterem Austausch, so nutzt er eine Suchmaschine.
Social-Media geht jedoch weit über diese Form der Informationsbeschaffung hinaus. Denn nicht der Nutzer muss aktiv nach für ihn relevanten Informationen suchen – die Informationen kommen zum Nutzer. Freunde und in Bezug auf Interessen Gleichgesinnte leiten die Informationen weiter. Dies ist ein bedeutender Aspekt, der den Erfolg von Social-Media erklärt. Unternehmen weltweit fangen an, sich des Potentials dieser Technik bewusst zu werden und versuchen sie gezielt für ihre Zwecke zu nutzen. Statt über konventionelle Formen der Werbung oder Informationsübertragung streuen Unternehmen für sie relevante Informationen im Social Web und sorgen damit dafür, dass Nutzer die Informationen erhalten und bei optimalem Verlauf an ähnliche Interessengruppen weitertragen.
Dieses Weitertragen und Verbreiten von Informationen, insbesondere wenn dies kalkuliert geschieht, ist in den letzten Jahren unter dem Begriff virales Marketing bekannt geworden. Die Ähnlichkeit zu dem Wort Virus ist dabei kein Zufall. Bekanntlich handelt es sich bei einem Virus um ein Lebewesen (wobei diese Definition unter Biologen auch umstritten ist), welches sich nicht aus eigener Kraft vermehren kann, sondern stattdessen zum Zweck seiner Reproduktion auf fremde Wirtszellen zurückgreift. Es bringt diese fremden Zellen dazu, die eigene DNA zu kopieren und damit unzählige neue Viruskopien herzustellen. Zusammengefasst ist ein Virus also immer auf fremde Hilfe angewiesen, um sich zu vermehren und zu verbreiten (vgl. Anlanger & Engel, 2013, S. 33 f.). Einem Virus im realen Leben gleich können sich im viralen Marketing gestreute Informationen innerhalb von Communities und Netzwerken weiter verbreiten. Ähnlich wie bei immer stärker ansteigenden Ansteckungsraten bei Viruskrankheiten kann es zu einer exponentiellen Verbreitung von Informationen kommen. Der gezielte Einsatz viraler Effekte im Social-Media-Marketing schafft Aufmerksamkeit für Produkte und Kampagnen. Ist eine einmal veröffentlichte virale Kampagne gut gemacht, also lustig, interessant, kreativ, schockierend oder ungewöhnlich, so drängt die gesendete Botschaft auch ohne Mithilfe des ursprünglichen Absenders in immer neue Bereiche vor. Der Erfolg einer solchen Kampagne ist jedoch nie absolut planbar. Gute Ideen und Innovationen bringen eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit mit, ein hohes Maß an Aufmerksamkeit zu erhalten. Es gilt dabei aber nicht immer das Motto „viel hilft viel“, denn noch vor der Quantität erreichter Nutzer geht es um die Qualität, also die Zielgruppen-Treffergenauigkeit. Auch kleine Unternehmen oder Selbstständige können mit viralen Methoden arbeiten. Auch in solchen Größenordnungen kann es gelingen, Kunden und potentielle Kunden dazu zu bringen, die Botschaft über das eigene Produkt selbstständig und aus eigenem Antrieb im Bekanntenkreis zu verbreiten (vgl. Anlanger & Engel, 2013, S. 33 f.).
Social-Media ist inzwischen nahezu auf der ganzen Welt für die meisten Menschen zugänglich, da der Großteil der Menschen inzwischen Zugriff auf einen Internetzugang hat. Virales Marketing ist also ein Türöffner für Unternehmen, die ihre Kundenbeziehungen verbessern und ihre Markenbekanntheit steigern wollen. Einen zentralen Bestandteil bei diesem Vorgang spielen zudem Empfehlungen. Werden Informationen unter Menschen weitergegeben, die sich in einem Vertrauensverhältnis befinden, so entsteht eine positive Konnotation. Solche Empfehlungen wirken glaub- und vertrauenswürdiger als klassische Werbung, bei der in der Regel offensichtlich ist, dass eine Manipulation des Rezipienten beabsichtigt ist. So stellen Empfehlungen in vielen Branchen in der heutigen Zeit das beste Marketing dar (vgl. Hilker, 2012, S. 98-101). Mit der Relevanz von Empfehlungen gerade im Zusammenhang mit Testimonialwerbung im Social-Media-Bereich wird sich im weiteren Verlauf der Arbeit noch tiefer gehend auseinandergesetzt.[3]
Nach dem Überblick der theoretischen Hintergründe sollen nun die Aspekte der Testimonialwerbung betrachtet werden. Neben relevanten Begriffsbestimmungen zu Beginn erfolgt auch eine Beschäftigung mit Formen und Zielen der Testimonialwerbung. Abschließend wird im Zuge einer thematischen Überleitung auch auf die spezielle Bedeutung des Sports innerhalb der Thematik eingegangen.
Um für den nachfolgenden Teil der Arbeit eine klar festgelegte Arbeitsdefinition der relevanten Begriffe abzuleiten, werden in der Folge die für die Testimonialwerbung wichtigsten Begriffe erläutert. Grundsätzlich kann zu Beginn Testimonialwerbung in dem Sinne eingegrenzt werden, dass es sich um eine Werbeform handelt, welche im Rahmen der Kommunikationspolitik eines Unternehmens eingesetzt werden kann. Zudem bildet sie eine zentrale Determinante der Markenpersönlichkeit, welche in Kapitel 3.1.1 thematisiert wurde (vgl. Kilian, 2011, S. 16).
Das Wort prominent leitet sich vom Lateinischen prominens ab, was übersetzt mit hervorragend und weithin bekannt gleichgesetzt werden kann. Erst im 20. Jahrhundert erfolgte die Substantivierung mit dem Prominenten und der Prominenz. Diese wiederum steht im deutschen Sprachgebrauch für eine Gesamtheit aller bekannten Persönlichkeiten (vgl. Schaaf, 2010, S. 32). In Bezug auf eine allgemeingütige und wissenschaftlich korrekte Definition des Begriffs Prominenz eignet sich die Bundeszentrale für politische Bildung. Diese beruft sich auf eine Aussage des Journalisten Friedrich Siegburg aus dem Jahr 1954. Dieser formulierte folgende Aussage, welche eine eindeutige Definition von Prominenz nicht gerade einfacher macht:
"Wollte ich bis zur Pedanterie genau sein, müßte ich sagen, dass es die Prominenz eigentlich gar nicht gibt, daß sie also keine soziologisch umschreibbare Gruppe, sondern eine Vorstellung ist" (Siegburg, 1954).
Aufbauend auf dieser These ist für die Bundeszentrale für politische Bildung Prominenz weniger eine klar umschreibbare Gruppe, sondern ein Attribut, das zu anderen Eigenschaften einer Person hinzukommen kann – und in manchen Fällen sogar alleine bestehen kann. Es lohnt sich in Bezug auf eine Definition daher, auf die Ursprungsbedeutung des Begriffs zurückzugehen. Wie bereits zu Beginn des Kapitels aus etymologischer Herkunft hergeleitet, steht Prominenz demnach für ein Herausragen und somit simpel ausgedrückt für die Bekanntheit einer Person. Dabei besteht in unserer heutigen Zeit ein untrennbares Zusammenspiel von Prominentem, Presse und Publikum. Erst durch eine öffentliche Bekanntmachung einer Person durch die Presse kann die Aufmerksamkeit des Publikums auf die einzelne Person geleitet werden. Deshalb ist Prominenz ein Faktor, der nur in Verbindung mit einem Publikum existieren kann. Folglich: Ohne Öffentlichkeit keine Prominenz. Die Wertschätzung des Publikums stellt jedoch keine Notwendigkeit dar. Auch nicht wertgeschätzte oder abgelehnte Menschen können es zu einer Prominenz bringen und müssen nicht einmal zwingend eine relevante Tätigkeit ausüben (vgl. Wippersberg, 2014). Abschließend kann Prominenz nach dem an der Sporthochschule in Köln tätigen Kommunikationswissenschaftler Thomas Schierl als die „Bekanntheit der Bekanntheit“ einer Person beschrieben werden. Laut Schierl beruht diese Bekanntheit ausschließlich auf medialer Zuschreibung und ist von konstituierten Eigenschaften, Leistungen und Talent gelöst (vgl. Schierl, 2007, S. 39).
Wird nun der Begriff der Prominenz auf den Sport erweitert, so können die bisher genannten nötigen Attribute auf einen professionellen oder zumindest erfolgreichen Sportler übertragen werden. Somit umfasst die Sportprominenz alle realen (z. B. Spieler, Trainer, Manager etc.) wie auch fiktiven (z. B. Maskottchen, Avatare etc.) Akteure des Sportsystems, deren bereits genannte Bekanntheit der Bekanntheit ausschließlich auf medialer Zuschreibung aufbaut. Auch hier ist kein zwingender Zusammenhang zwischen der Bekanntheit und einem hohen Maß an Leistung, Talent oder physischer Leistungsfähigkeit notwendig (vgl. Schaaf, 2010, S. 39 f.). Ein Beispiel hierfür wäre ein mittelmäßiger Profisportler, der jedoch mit seinem Auftreten abseits des Platzes Aufsehen erregt oder trotz mäßigen Niveaus zu idealen Zeitpunkten eine gute Leistung erzielt. Es kann aber trotz der ohne Zweifel wissenschaftlich korrekten Definition festgehalten werden, dass in der Regel eindeutige Korrelationen zwischen der Leistungsfähigkeit eines Sportlers und dessen Bekanntheit vorliegen. Sowohl für Prominenz als auch für Sportprominenz gilt zudem, dass durch eine medial bzw. redaktionell generierte Bekanntheit (durch eine nachgelagerte werblich reproduzierte Prominenz) der Effekt der Prominenzierung potenziert werden kann (vgl. Schaaf, 2010, S. 34-40).
Der Begriff Testimonial leitet sich etymologisch von den lateinischen Wörtern Testimonium und testari ab. Letzteres kann übersetzt werden mit bescheinigen, bezeugen und als Zeugen aufrufen. Testimonium hingegen steht für Zeugnis, Beweis oder Zeugnis vor Gericht ablegen. Der lateinische Begriff wurde zu Beginn im angloamerikanischen Sprachraum als heute gängiger Begriff Testimonial übernommen. Jedoch war die eigentliche Bedeutung nicht der heutigen entsprechend, sondern stand für ein Empfehlungsschreiben oder einen Leistungsnachweis. Zudem wird nach angloamerikanischer Auffassung weder ein prominenter oder in Werbekampagnen präsenter Protagonist als Testimonial bezeichnet, sondern die von einer solchen Person getroffene Aussage. Wirbt also ein Prominenter mit einer Werbeaussage für ein Produkt, so handelt es sich bei der Aussage und nicht der Person um das Testimonial (vgl. Schaaf, 2010, S. 41). In der deutschsprachigen Werbepraxis hat sich jedoch die Begriffsauslegung in die Richtung entwickelt, dass die werbende Person selbst als Testimonial bezeichnet wird. Dementsprechend stellt diese Art der Anwendung des Begriffs die für diese Arbeit relevante und interessante Form eines Testimonials dar. Um auf die bereits genannte und ursprünglich aus dem lateinischen stammende Bedeutung eines Testimonials zurückzukommen, so handelt es sich dabei um eine Zeugenaussage oder einen Beweis. Dementsprechend handelt es sich bei einem Testimonial um eine Person, die eine Empfehlung zu einem Meinungsgegenstand, z. B. zu einem Produkt oder zu einer Marke, abgibt. Ausgehend von dieser Sichtweise eignet sich insbesondere die Definition von Haase:
„Unter Testimonialwerbung versteht man gemeinhin Werbung, in der eine dem Zielpublikum bekannte, meist prominente Person im Werbemittel (Anzeige, Commercial, Prospekt, Plakat etc.) mit der Funktion auftritt, die beworbenen Produkte, Dienstleistungen und Ideen - kurz Meinungsgegenstände - zu empfehlen und sich für deren Qualität, Nützlichkeit und Preiswürdigkeit zu verbürgen“ (Haase, 2001, S. 371).
Im Englischen werden Prominente als Fürsprecher einer Marke auch mit dem Begriff der Celebrity Endorser beschrieben. McCracken beschreibt einen Celebrity Endorser als „any individual who enjoys public recognition and who uses this recognition on behalf of a consumer good by appearing with it in an advertisement“ (McCracken, 1989; zitiert nach Kilian, 2011, S. 135).
Als Testimonials können sowohl Konsumenten eines Produktes, als auch Experten oder prominente Persönlichkeiten genannt werden. Geht es in der vorliegenden Arbeit um prominente Sporttestimonials, so kann darunter jeder reale oder virtuelle Sportakteur verstanden werden, der über eine hohe medial zugeschriebene Bekanntheit bei den potentiellen Konsumenten verfügt. Die Akteure werden im Rahmen der Mediawerbung direkt oder indirekt mit einem Produkt, einer Dienstleistung oder einem Thema in einer Anzeige platziert. Die verbale Aussage einer Empfehlung ist nicht zwingend notwendig und kann auch durch die bloße Präsenz des Sportprominenten implizit übermittelt werden (vgl. Schaaf, 2010, S. 46 f.).
4.1.1.3 Geschichte und Entwicklung
Bereits vor mehr als 200 Jahren entdeckten Geschäftsleute, dass es für den Absatz ihrer Produkte von Vorteil sein kann, prominente Fürsprecher in ihrer Markenkommunikation einzusetzen. Mit Einführung der Zollunion 1834 und dem Beginn der Massenproduktion Mitte des 19. Jahrhunderts nahm auch die Entwicklung der Werbung mit prominenten Testimonials ihren Ursprung (vgl. Schubert, 2016). In Zeiten ohne heute bekannte mediale Verbreitungsformen war jedoch die Anzahl der Prominenten im Allgemeinen noch sehr begrenzt. So wurde in der Regel mit Kaisern, Politikern oder Adeligen geworben. Zunächst beschränkte sich die Auswahl dieser Personen auf prominente Kunden, mit deren Vertrauen zum eigenen Produkt geworben wurde. Der Mineralwasser-Hersteller Fachinger z. B. betonte, dass Johann Wolfgang von Goethe zur Befreiung seines Geistes nur das Wasser aus Fachingen trinke. Bei den Napoleonschnitten und Mozartkugeln erfolgte sogar ein weiterer Schritt, sodass die Namen der Prominenten in die Markennamen übergingen (vgl. Kilian, 2014, S. 112).
Anfang der 1920er Jahre stellten Angehörige des Militärs den Großteil der prominenten Testimonials. Doch auch Musiker wurden zunehmend als Testimonials interessant, was mit Erfindung und steigender Popularität von Musikwiedergabegeräten zusammenhing. Mit der zunehmenden Verbreitung von Film und Fernsehen stieg in den folgenden Jahrzehnten auch der kommerzielle Einsatz von Filmstars rapide an. Auch die Werbung mit unbekannten Testimonials wurde nach und nach als neue und zugleich kostengünstigere Möglichkeit der Testimonialwerbung erkannt. Die in den 1960er Jahren wohl bekannteste Testimonial-Frau war Johanna König als Klementine, die mit dem Slogan: „Sauber oder rein? Keine Frage: nicht einweichen, sondern reinweichen“ für das Waschmittel Ariel warb. König stand vor ihrer Werbetätigkeit nicht in der Öffentlichkeit, wurde jedoch durch ihre Rolle als Klementine zur deutschlandweit bekannten Waschfrau der Nation. Künstlich geschaffene Testimonials wie eben Klementine für Ariel, Frau Antje für holländischen Gouda oder auch der bis vor einigen Jahren noch präsente Herr Kaiser von der Hamburg Mannheimer läuteten eine neue Ära der Testimonialwerbung ein und stellten einen großen Erfolg für die verantwortlichen Unternehmen dar (vgl. Rösgen, 2001, S. 106 ff.).
Ab dem Jahr 1966 nahm der Fußballspieler Franz Beckenbauer eine Vorreiterrolle ein und warb mit dem Satz „Kraft auf den Teller – Knorr auf den Tisch“ in Printanzeigen und Werbespots für Suppen der Marke Knorr. Sein Kollege Gerd Müller erklärte kurze Zeit später in der Werbung, der Schokoriegel Mars bringe verbrauchte Energie sofort zurück und als Dritter im Bunde betonte Jupp Heynckes, Fit Frisiercreme wäre etwas für Männer, die keine Stubenhocker seien (vgl. Kilian, 2014, S. 112). Die weitere Entwicklung der Testimonialwerbung verlief in starker Abhängigkeit von der fortschreitenden Etablierung von TV-Geräten in heimischen Wohnzimmern. Damals wie heute zählen insbesondere Sportler neben Personen der Musik- und Filmbranche zu den attraktivsten Figuren für Testimonial-Kampagnen. Von den Tennisspielern Steffi Graf und Boris Becker über Formel-1-Fahrer Michael Schuhmacher und die boxenden Klitschko-Brüder ist das Interesse an Profi-Sportlern zu Werbezwecken ungebrochen.
[...]
[1] Die Begriffe Social-Media und soziale Netzwerke werden synonym verwendet.
[2] Persuasive Kommunikation ist eine Form der zwischenmenschlichen Kommunikation und zielt auf die Beeinflussung (Einstellungsänderungen) der Kommunikationspartners ab (Aronson et al., 2010, S. 238)
[3] Siehe Kapitel 4.1.2
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