Magisterarbeit, 2005
161 Seiten, Note: 1,0
Geschichte Deutschlands - Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg
I. Einleitung
II. Die Rahmenbedingungen des Erinnerns
2.1 Die äußeren Rahmenbedingungen
2.1.1 Hitlers langer Schatten
2.1.2 Von der verweigerten Unterstützung zur Leugnung: Der Umgang der Alli- ierten mit dem 20. Juli
2.2 Die politischen und justitiellen Rahmenbedingungen
2.2.1 Das Bekenntnis der Bundesregierung 1951
2.2.2 Der Remer-Prozeß 1952
2.2.3 Die totalitäre Erfahrung der Nachkriegszeit: Der 17. Juni 1953
2.2.4 Der 20. Juli und die Gründung der Bundeswehr
2.3 Fazit
III. Vom Vorwurf des Hoch- und Landesverrats zur Anerkennung des 20. Juli
3.1 Die Anerkennung des 20. Juli durch die Historiographie
3.2 Das Bekenntnis zum 20. Juli in den offiziellen Gedenkreden
3.3 Die Würdigung des 20. Juli in den Medien
3.4 Fazit
IV. Die Kontroversen um die politischen Zielvorstellungen und Motive des 20. Juli
4.1 Die politischen Zielvorstellungen und Motive in der Historiographie
4.2 Die politischen Zielvorstellungen und Motive in den offiziellen Gedenkreden
4.3 Die politischen Zielvorstellungen und Motive in den Medien
4.4 Fazit
V. Das Verblassen der Erinnerung
5.1 Historische Klischees auf dem Prüfstand: Der 20. Juli in der neueren Historiographie
5.2 Die Marginalisierung des 20. Juli in den jüngsten Gedenkreden. 100
5.3 Regression in der Presse, Expansion im TV: Die Thematisierung des 20. Juli in den Medien
5.4 Fazit
VI. Schlußbetrachtung
VII. Auswahlbibliographie
7.1 Quellen, Tagebücher, Memoiren
7.2 Redenverzeichnis
7.2.1 Sammelbände
7.2.2 Reden
7.3 Literaturverzeichnis
Wohl kein Ereignis der Zeitgeschichte ist in jener Weise als entscheidendes Datum oder als Glanzpunkt deutscher Geschichte gedeutet worden wie der mißlungene Anschlag, den Claus Graf Schenk von Stauffenberg am 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler verübt hat.[1] Obwohl der Umsturzversuch schon wenige Stunden nach seiner Ausführung endgültig gescheitert war, bot der Widerstand des 20. Juli mit seinen Leitbildern vom „anderen Deutschland“ und vom „Aufstand des Gewissens“ innerhalb der bundesrepublikanischen Erinnerungskultur und -politik einen willkommenen Kontrast zu der verstörenden Tatsache der ungeheuerlichen Verbrechen während der NS-Diktatur.[2] Der Umstand, daß der 20. Juli das einzige Anniversarium darstellt, das seit Gründung der Bundesrepublik ausdrücklich an den Nationalsozialismus erinnert, unterstreicht den zentralen Beitrag, den sein Vermächtnis zur historisch-politischen Identität der deutschen Gesellschaft bis heute leistet.[3]
Der herausragende Stellenwert dieses Datums läßt sich vor allem daran ermessen, daß in den Jahren vor dem Umsturzversuch insgesamt 42 Attentate verübt worden waren, die in der bundesrepublikanischen Erinnerung jedoch auf keine nennenswerte Resonanz gestoßen sind. Als „prominentestes“ Beispiel gilt dabei das Sprengstoffattentat, das der Schreiner Johann Georg Elser am 8. November 1939 im Münchener Bürgerbräukeller durchgeführt hat, wo Hitler regelmäßig zur Erinnerung an die „Blutzeugen“ seiner „Bewegung“ und an den 1923 fehlgeschlagenen Marsch auf die Feldherrnhalle sprach. Obwohl seine Bombe mehr noch als die von Stauffenberg ihr Ziel nur haarscharf verfehlte – nur wenige Minuten vor der Detonation hatte der Diktator den Ort des Geschehens verlassen, weshalb die enorme Sprengwirkung lediglich einige seiner anwesenden Parteigenossen erfaßte –, ist dem Schreiner Elser eine vergleichbare Anerkennung niemals zuteil geworden. Die Öffentlichkeit verzichtete nicht nur gänzlich auf eine Ehrung des Attentäters, bei dem es sich im Gegensatz zu den Verschwörern des 20. Juli immerhin um einen Mann aus der Mitte des Volkes handelte, sondern diffamierte ihn lange Zeit sogar als einen durch den britischen Geheimdienst gesteuerten Provokateur.[4]
Dieser Vergleich mit dem Elserattentat belegt den enormen Stellenwert, den der 20. Juli als „deutscher Erinnerungsort par excellence“[5] einnimmt, veranschaulicht aber zugleich, daß Geschichte nicht nur durch die Tat an sich konstruiert wird, sondern in gleichem Maße durch die Erinnerung, die die Nachwelt an diese Tat und die sie vollführenden Personen besitzt. Aus diesem Grunde ist es unabdingbar, sich nicht nur um eine möglichst lückenlose Rekonstruktion der Vergangenheit zu bemühen, sondern sich ebensosehr mit der Rezeptionsgeschichte auseinanderzusetzen, um auf diese Weise eine Antwort auf jene Frage zu finden, die der französische Historiker und Resistancekämpfer Marc Bloch einmal im Hinblick auf ein ganz anderes, weit zurückliegendes Ereignis formuliert hat: Es käme nicht so sehr darauf an, herauszubekommen, ob Jesus wirklich am Kreuz gestorben sei, sondern vor allem darauf, zu erklären, weshalb die Menschen zweitausend Jahre danach noch immer an dieses Ereignis glauben und es weiterhin in das Zentrum ihres Denkens rücken.[6] Auf den deutschen Widerstand und den 20. Juli übertragen führt dieses Muster zu der Frage nach der Erinnerung der Nachwelt an das Attentat. Das Ziel der vorliegenden Darstellung besteht darin, zu untersuchen, mit welchen konkreten Erinnerungen in der Bundesrepublik Deutschland des 20. Juli 1944 gedacht wurde, wie die Öffentlichkeit mit seinem Vermächtnis umgegangen ist und in welchem Maße das öffentliche Gedenken die Einstellung der Bevölkerung beeinträchtigt oder gar verändert hat. Dabei geht es vorwiegend darum, zu untersuchen, welches meinungsprägende Erinnerungsbild der Bevölkerung vom deutschen Widerstand präsentiert und vermittelt wurde und welche demoskopisch meßbaren Auswirkungen dies letzten Endes auf das Denken der Deutschen hatte.
Da es sich bei dem Erinnerungsphänomen um eine latente Variable handelt, die zunächst nur äußerst schwer faßbar scheint, gilt es, eine adäquate Operationalisierungsmethode auszudeuten, die eine konkrete Bestimmung des Gedenkens und seiner Inhalte ermöglicht. In diesem Zusammenhang hat die Erinnerungskulturforschung eine Vielzahl von Terminologien, wie etwa Vergangenheitsbewältigung, Geschichtsbewußtsein, Geschichtsbild, Geschichtskultur, Geschichtspolitik und einige andere, hervorgebracht, die sich je nachdem, auf welcher Erinnerungsebene eine Analyse durchgeführt werden soll, als mehr oder weniger brauchbar erweisen.[7] Gewiß hat jede substantielle Diskussion über die terminologischen Grundlagen ihre Berechtigung, allerdings kann im Rahmen der aufgeworfenen Fragestellung durchaus darauf verzichtet werden, zumal eine derartige Auseinandersetzung nur bedingt einen Beitrag zu einer adäquaten Operationalisierungsmethode zu leisten vermag. Als wesentlich hilfreicher erweist sich hingegen die Entwicklung eines theoretischen Erinnerungskonstrukts, das die im Rahmen der Erinnerungskulturforschung durch die einzelnen Terminologien implizit angesprochenen Determinanten und Ebenen berücksichtigt und zusammenführt.
Abbildung 1: Die Determinanten der Erinnerung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In jeder der in Abbildung 1 vorgestellten Determinanten stellen sich die Prozeduren, Faktoren und Funktionen der historischen Erinnerung anders dar, wodurch der Phänomenbestand der Erinnerung an Kontur gewinnt – insbesondere, wenn das Wechselverhältnis zwischen den drei Determinanten in ihrer Unterschiedlichkeit betrachtet wird.[8] Ausgangspunkt jeden Gedenkens ist zunächst das Ereignis selbst, in diesem Falle der 20. Juli 1944, das sämtliche Erinnerungsebenen unmittelbar beeinflußt. Des weiteren existieren gewisse Rahmenbedingungen, in deren Grenzen sich der Erinnerungsprozeß vollzieht. Hierbei gilt es zum einen zwischen äußeren Rahmenbedingungen zu unterschieden, die unkontrolliert und außerhalb jeglicher Zugriffsmöglichkeit durch den Staat auf die verschiedenen Erinnerungsebenen, insbesondere auf die Bevölkerung einwirken. Im Zusammenhang mit dem 20. Juli sei hierbei beispielhaft auf den von der NS-Propaganda erhobenen Verratsvorwurf hingewiesen, der ohne jegliche Möglichkeit der Einflußnahme etwa von Seiten der Bundesregierung in den Hinterzimmern oder an den Stammtischen auch nach 1949 ungebremst seine Verbreitung fand. Zum anderen existieren insbesondere von Politik und Justiz bewußt gesetzte Rahmenbedingungen, wie etwa konkrete Gesetzesentscheidungen, Gerichtsurteile oder vom Gesetzgeber beschlossene Maßnahmen, die die Grenzen der Erinnerung abstecken und sie damit aber auch direkt beeinflussen. In der DDR herrschten beispielsweise völlig andere politische und justitielle Bedingung als in der Bundesrepublik, weshalb der 20. Juli in der von der SED verordneten Gedenkkultur nur am Rande eine Rolle spielte, wohingegen sein Vermächtnis im Westen zur staatlichen Legitimationsgrundlage erhoben wurde.[9] Innerhalb dieser äußeren sowie durch den Staat gesetzten Rahmenbedingungen vollzieht sich ein Gedenkprozeß, in dem die Fachwissenschaft, das offizielle Gedenken und die Medien wechselseitig die Erinnerung der Bevölkerung determinieren, wobei eine derartige Unterscheidung der praktischen Funktion der historischen Erinnerung entspricht, wie sie in pluralistisch verfaßten Gesellschaften auftritt.[10]
Obwohl die Fachwissenschaft ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Objektivität für sich in Anspruch nimmt, werden wissenschaftliche Fragestellungen und Forschungsinteressen, wie am Beispiel der DDR angedeutet, in unterschiedlicher Weise und Intensität, je nach Beschaffenheit des politischen Systems, von den staatlichen Rahmenbedingungen bestimmt.[11] Auf der anderen Seite sind die unmittelbaren Einflußmöglichkeiten der Historiker, zumindest was die Bevölkerung anbelangt, überaus begrenzt. Obwohl die Widerstandsforschung über die Jahre hinweg eine nahezu unüberschaubare Fülle von Studien vorgelegt hat, wäre es eine naive Annahme zu glauben, die historische Spezialliteratur könnte ein Massenpublikum direkt erreichen.[12] Davon abgesehen vermag es die Fachwissenschaft jedoch zumindest indirekt, auf die Bewußtseinsbildung und den Erkenntnisstand des Volkes einzuwirken, nämlich über das offizielle Gedenken und die Medien, deren Protagonisten die von der Forschung hervorgebrachten Ergebnisse zum Teil rezipieren und den von ihnen gezeichneten Erinnerungsbildern zugrunde legen.[13] Welchen Einfluß die Forschungsergebnisse letztendlich auf das offizielle Gedenken, die Medien und damit mittelbar auf die Bevölkerung selbst ausüben, ist anhand bestimmter inhaltlicher Erinnerungskomplexe – die grundsätzliche Anerkennung des 20. Juli, seine politischen Zielvorstellungen und Motive sowie das Verblassen der Erinnerung, auf die im einzelnen noch einzugehen sein wird – zu untersuchen. Dabei geht es weniger darum, die fachwissenschaftliche Diskussion in extenso nachzuvollziehen, was angesichts der Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen zum Thema „deutscher Widerstand/20. Juli“ den quantitativen Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, sondern vielmehr darum, sich mit denjenigen Studien analytisch auseinanderzusetzen, die die fachliche Diskussion zu den einzelnen inhaltlichen Fragen dominiert, neue Perspektiven aufgezeigt und somit das Gedenken der Öffentlichkeit wie auch der Bevölkerung geprägt haben. Darüber hinaus existiert eine Reihe von Untersuchungen, die sich ausschließlich mit der wissenschaftlichen Diskussion über das Attentat beschäftigen, was den Zugang zu dieser Problematik erheblich erleichtert.[14]
Die zweite Untersuchungsebene bildet das offizielle Gedenken, das seit Beginn der fünfziger Jahre in Form von Gedenkfeiern, Kranzniederlegungen, Denkmalsenthüllungen und Gottesdiensten vorwiegend in Berlin und Bonn zelebriert wurde. Anders als im Falle der fachwissenschaftlichen Literatur ist hier von einer weitaus intensiveren Einflußnahme auf die Erinnerung der Bevölkerung auszugehen, was sich schlichtweg damit begründen läßt, daß die alljährlich abgehaltenen Gedenkfeierlichkeiten in der Öffentlichkeit meist auf ein großes Echo gestoßen sind, zumal es häufig prominente Regierungspolitiker beziehungsweise überlebende Widerstandskämpfer und Angehörige waren, die anläßlich der Feierlichkeiten zum 20. Juli das Wort ergriffen haben. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen dabei die Reden, die anläßlich der Feierstunden an den Jahrestagen des 20. Juli gehalten worden sind, von denen sich die meisten im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung finden lassen. Darüber hinaus liegen aber auch einige Sammelbände vor, die ebenfalls eine Reihe von Festansprache enthalten, wobei es wie schon im Falle der fachwissenschaftlichen Literatur keineswegs darum geht, sämtliche Festansprachen, die über die Jahre gehalten worden sind, zu berücksichtigen, sondern lediglich diejenigen, die einen substantiellen Beitrag zu den einzelnen inhaltlichen Erinnerungskomplexen geleistet haben.[15] Insgesamt darf die Ebene der offiziellen Erinnerung als außerordentlich gut erforscht gelten, zumal neben den Ansprachen und Stellungnahmen eine Reihe fachwissenschaftlicher Untersuchungen vorliegen, die die alljährlich am 20. Juli gezeichneten Erinnerungsbilder differenziert aufbereiten.[16]
Als Transporteur der von den Gedenkveranstaltungen und der Fachwissenschaft ausgehenden Erinnerungsbilder fungieren schließlich die Medien, die einerseits zwar nur in sehr geringem Maße Eingang in die Manuskripte der Festredner finden, zumal eine Vielzahl der Beiträge über das Gedenken selber berichten, andererseits jedoch ein breites Publikum zu erreichen vermögen. Um der gesamten Breite der Medienberichterstattung gerecht werden zu können, ist es notwendig, zwischen dem Zeitungswesen, dem filmischen und dokumentarischen Bereich sowie dem Hörfunk zu unterscheiden. Dabei liegen für den Bereich der Zeitungsberichterstattung einige brauchbare Studien vor, die den Umgang mit dem 20. Juli fundiert aufarbeiten, jedoch ausschließlich älteren Datums sind, weswegen sie keinerlei Aufschluß über die insbesondere seit Mitte der achtziger Jahre von der Presse gezeichneten Erinnerungsbilder liefern.[17] Um diese Forschungslücke schließen zu können, wäre eine systematische Untersuchung der jüngsten Zeitungsberichterstattung vonnöten, die jedoch in dem vorgegebenen Rahmen unmöglich zu leisten ist. Neuere Arbeiten existieren hingegen im Film- und Fernsehbereich, die sich mit einzelnen filmischen und dokumentarischen Darstellungen des deutschen Widerstandes beschäftigen, ohne dabei jedoch einen qualitativen Gesamtüberblick zu bieten.[18] Hierfür wäre eine weitaus fundiertere Vorgehensweise notwendig, die sich mit dem gesamten seit den fünfziger Jahren ausgestrahlten Sendematerial auseinandersetzt, wovon insbesondere aus mangelnden Zugriffsmöglichkeiten abgesehen werden muß. Der größte Nachholbedarf besteht schließlich im Bereich des Hörfunks, über den eine wissenschaftliche Aufarbeitung bisher gänzlich ausgeblieben ist, weshalb dieses Medium in der vorliegenden Untersuchung keine Berücksichtigung finden kann.
Auf der Grundlage der in der Historiographie, in den offiziellen Gedenkreden und in der Medienberichterstattung herausgearbeiteten Tendenzen gilt es abschließend zu untersuchen, welche demoskopisch manifesten Auswirkungen dieses meinungsprägende Erinnerungsbild auf das Denken der Bevölkerung hatte – eine Fragestellung, die von der Forschung bisher nur ansatzweise verfolgt worden ist,[19] was zweifelsohne mit der Problematik zusammenhängt, daß ein derartiger Schluß nur auf der Basis empirischer Umfragedaten getätigt werden kann, der aufgrund der lückenhaften demoskopischen Aufarbeitung äußerst schwer fällt. Zwar hat das Allensbacher Institut für Demoskopie im Rahmen seiner seit 1947 durchgeführten Befragungen auch Daten hinsichtlich der Erinnerung an den 20. Juli erhoben, allerdings weisen die Erhebungen nicht nur erhebliche Lücken auf, sondern bewegen sich meist nur an der Oberfläche, ohne die Ursachen für eine geäußerte Disposition zu ergründen.[20] Dessen ungeachtet ist Allensbach das einzige Meinungsforschungsinstitut, das seit der Nachkriegszeit regelmäßig Befragungen zur Erinnerung der Bevölkerung an den 20. Juli durchgeführt hat, weshalb die „Allensbacher Jahrbücher der öffentlichen Meinung“ beziehungsweise „der Demoskopie“ sowie die Berichte zum 20. Juli als Hauptquelle fungieren.[21]
Inhaltlich ist schließlich zwischen drei verschiedenen Erinnerungskomplexen zu unterscheiden: erstens die Frage nach der grundsätzlichen Anerkennung des 20. Juli, der sich insbesondere in den fünfziger Jahren dem Vorwurf des Hoch- und Landesverrats zu erwehren hatte, zweitens die kontroverse Auseinandersetzung mit den politischen Zielvorstellungen und Motiven der Verschwörer sowie drittens das Phänomen des Verblassens der Erinnerung.
In der Frage der grundsätzlichen Anerkennung des 20. Juli besteht das Ziel der Untersuchung zunächst darin, unter Betrachtung der äußeren Rahmenbedingungen den Tatbestand zu erklären, daß speziell in den fünfziger Jahren große Teile der Bevölkerung erhebliche Vorbehalte gegenüber den Männern des 20. Juli besaßen, sie teilweise gar als Hoch- und Landesverräter diffamierten.[22] Erst in den sechziger Jahren begann sich allmählich eine demoskopisch manifeste Veränderung der Stimmungslage der Nation einzustellen, die dem 20. Juli fast einmütig Anerkennung zollte.[23] Neben den von Politik und Justiz gesetzten Rahmenbedingungen gilt es in der Analyse der Ursachen für diesen Rezeptionswandel sich ebenso mit den von Fachwissenschaft, offiziellem Gedenken und Medien gezeichneten Erinnerungsbildern, aber auch mit sogenannten Kohorteneffekten, dem Aussterben der sogenannten HJ-Generation und dem Heranwachsen der Nachkriegsgenerationen, auseinanderzusetzen, um eine Klärung darüber herbeizuführen, welche Faktoren die angedeuteten Veränderungen im Meinungsbild der Bürger letztendlich bewirkt haben.[24]
Eng verbunden mit der grundsätzlichen Würdigung des 20. Juli ist die Auseinandersetzung mit den politischen Zielvorstellungen der Verschwörer, die in der Bundesrepublik oftmals als Wegbereiter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des politischen Systems der Bundesrepublik uminterpretiert worden sind, wie auch mit ihren Motiven, deren moralische Fundierung angesichts der Aussichtslosigkeit des Attentats immer wieder beschworen wurde.[25] Der Schwerpunkt der Analyse dreht sich dabei um die Frage, in welchem Maße den Historikern, den Gedenkrednern und den Journalisten eine Verantwortung dafür zuzuschreiben ist, daß die bundesdeutsche Bevölkerung im Grunde keine konkreten Vorstellungen von den Gesellschafts- und Verfassungsplänen wie auch von den ausschlaggebenden Motiven der Männer des 20. Juli besaß.[26]
Die politischen Zielvorstellungen und Motive blieben jedoch nicht der einzige Bereich, über den sich die Bevölkerung nur marginal informiert erwies; im Laufe der Jahre begann auch die Erinnerung an das Attentat selbst immer mehr zu schwinden. Seit Mitte der achtziger Jahre ist von kurzfristigen Schwankungen abgesehen ein genereller Trend des Verblassens der Erinnerung festzustellen, der sich dahingehend äußert, daß mittlerweile nur noch die Hälfte aller Bundesbürger überhaupt um die Bedeutung des 20. Juli wissen.[27] Um der Analyse der Ursachen für diese Gedenkregression gerecht werden zu können, gilt es neben einer Untersuchung der jüngsten Forschungsdiskussion, des offiziellen Gedenkens seit den achtziger Jahren sowie der medialen Aufbereitung des deutschen Widerstandes ebensosehr auch den Generationenwandel zu berücksichtigen und danach zu fragen, inwiefern das allmähliche Aussterben der Zeitgenossen und das Heranwachsen gänzlich unbeteiligter Generationen den Effekt des Verblassens der Erinnerung begünstigt haben.
Die Aufarbeitung des Attentats vom 20. Juli setzte keineswegs erst mit der Gründung der Bundesrepublik 1949 oder mit der Einrichtung regelmäßiger Gedenkveranstaltungen 1952 ein. Bereits unmittelbar nach dem gescheiterten Umsturzversuch machte sich das NS-Regime daran, gegen die beteiligten Verschwörer und deren Angehörige vorzugehen, wobei insbesondere die nationalsozialistische Propagandamaschinerie es sich zur Aufgabe machte, die Attentäter als Verbrecher und Verräter zu diffamieren. Daß dieses Negativbild auch nach 1945 in den Köpfen der deutschen Bevölkerung weite Verbreitung fand, ist jedoch nicht nur auf die Nachwirkungen der NS-Propaganda zurückzuführen, sondern ebenso auch auf die von Seiten der Alliierten und der späteren Besatzungsmächte betriebene Verleumdungs- und Tabuisierungskampagne, die auf das von Hitler, Goebbels und Freisler gezeichnete Erinnerungsbild rekurrierte.
Als am 20. Juli 1944 das Bombenattentat auf Adolf Hitler in der Wolfsschanze im ostpreußischen Rastenburg fehlgeschlagen und der aus dem Bendlerblock geführte Umsturzversuch zusammengebrochen war, wandte sich der „Führer“ noch in der Nacht in einer persönlichen Ansprache an die Bevölkerung:[28]
„Eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich unvernünftiger, verbrecherisch-dummer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen und mit mir den Stab praktisch der deutschen Wehrmacht auszurotten. […] Es ist ein ganz kleiner Klüngel verbrecherischer Elemente, die jetzt unbarmherzig ausgerottet werden.“[29]
Man kann davon ausgehen, daß Hitler dieser Behauptung selbst keinen Glauben schenkte, sonst hätte er nach der standrechtlichen Erschießung des Attentäters sowie drei seiner Mitverschwörer wohl kaum die Bildung der Sonderkommission 20. Juli veranlaßt, die mit 400 Spezialisten nach weiteren Verschwörern fahndete. Etwa 200 Personen wurden vor dem Volksgerichtshof wegen Landes- und Hochverrats angeklagt und von dessen Vorsitzenden, Roland Freisler, zum Tode verurteilt.[30] Neben der Sonderkommission 20. Juli nahm auch das Reichssicherheitshauptamt die Ermittlungen gegen mögliche Beteiligte des Umsturzversuches auf und löste mit der Aktion Gewitter eine umfassende Verhaftungswelle aus, die eine Neubildung jeglicher politischen Opposition verhindern sollte.[31] All dies macht deutlich, daß die Behauptung, es habe sich um ein „Komplott einer ganz kleinen Clique“ gehandelt, nicht mehr als eine Propagandalüge war, die jedoch ihre Wirkung nicht verfehlte.[32] Denn es kann kein Zweifel daran bestehen, daß selbst in den frühen Jahren der Bundesrepublik die von der NS-Propaganda ausgegebene Parole von der „kleinen Clique ehrgeiziger Offiziere“ im Widerstandsbild großer Teile der Bevölkerung fest verankert war.[33] Die Verschwörer, die es gewagt hatten, gegen die nationalsozialistische Volksgemeinschaft aufzubegehren, wurden von der Öffentlichkeit zutiefst demütigend und niederträchtig behandelt. Das Zeitungsbild des vor dem Volksgerichtshof stehenden Feldmarschalls Erwin von Witzleben, eines in verschlissene Kleidungsstücke gehüllten Mannes, der mit den Händen die herunterrutschende Hose festhielt, hat bei vielen „fanatisierten Volksgenossen“ die gewünschte Wirkung nicht verfehlt.[34] Wie tief die Abscheu der meisten Deutschen gegen die Verschwörer des 20. Juli saß, geht aus den Stimmungsberichten des Sicherheitsdienstes (SD) hervor, der registriert hatte, wie sehr die Bevölkerung auf die Vorsehung vertraut habe, die Hitler vor dem Tode bewahrt hätte.[35] Zu keiner Zeit sei der Diktator dermaßen das Objekt der Verehrung der Deutschen gewesen wie in den Tagen nach dem gescheiterten Attentat, als die pro-nationalsozialistische Stimmung bei vielen Deutschen noch einmal gesteigert werden konnte.[36] Der Darstellung des SD zufolge sei die Popularität des „Führers“ selbst in den traditionell „roten“ Bezirken wie dem Berliner Wedding so groß gewesen wie niemals zuvor.[37]
Die Volksmeinung war natürlich auch den Verschwörern nicht verborgen geblieben. Lange bevor Stauffenberg am 20. Juli 1944 die Bombe in der Wolfsschanze deponierte, versuchten die Beteiligten des Umsturzes, das mögliche Verhalten der Bevölkerung im Falle eines gelungenen Attentats in ihre Planungen mit einzubeziehen.[38] Erkundigungen, die Julius Leber und Pater Delp eingeholt hatten, führten zu dem Ergebnis, daß die Masse der Industriearbeiterschaft das Regime auch während des Krieges loyal unterstützte.[39] Es bestand die durchaus realistische Gefahr, daß der Umsturz an der Haltung des Volkes hätte scheitern können, obwohl es am Ausgang des Krieges spätestens seit der Landung der Alliierten in der Normandie keinen Zweifel mehr geben konnte.[40] Besonders die konservativen Kräfte unter den Verschwörern fühlten sich daher in ihrer Meinung bestärkt, von vornherein auf eine politische Massenbasis zu verzichten.[41]
Aus der Retrospektive erscheint das Vertrauen, das viele Menschen Hitler und seinem Regime entgegengebracht haben, kaum nachvollziehbar, zumal auch nach der totalen Niederlage, der massiven Zerstörung und dem Bekanntwerden des ganzen Ausmaßes der nationalsozialistischen Verbrechen große Teile der Bevölkerung an der NS-Ideologie festhielten.[42] Es ist eine Illusion, zu glauben, die Ablehnung des NS-Regimes wäre unmittelbar nach dem Zusammenbruch in der Zeit der persönlichen Not am schroffsten gewesen. Weder der 8. Mai 1945 noch der 23. Mai 1949 waren Wechsel mit fliegenden Fahnen, sondern eher der Beginn eines politischen Reifungsprozesses, der erst nach und nach zu einem kontinuierlichen Rückgang der antisemitischen Einstellung und der positiven Dispositionen zum Nationalsozialismus führte.[43] Anhand der Demoskopie läßt sich die Entwicklung des Verhältnisses der Deutschen zum Dritten Reich als allmählichen Abnabelungsprozeß beschreiben, der in etwa parallel zum Hinwendungsprozeß zur Demokratie verlief, zusätzlich aber auch durch das Heranwachsen einer Generation, für die Krieg und Diktatur nur noch eine blasse Erinnerung war, bedingt wurde.[44]
In ersten Umfragen, die nach dem Krieg von Meinungsforschern der Militärregierungen der Besatzungszonen erhoben worden sind, wurde der Erfolg der Umorientierung anhand der Frage „War der Nationalsozialismus eine schlechte Idee, oder eine gute Idee, die schlecht ausgeführt wurde?“ demoskopisch beobachtet. In der amerikanischen Besatzungszone bejahten Ende 1945 47 Prozent das Item „gute Idee, die schlecht ausgeführt wurde“, wobei sich aus dem äußerst labilen Stimmungsklima in den ersten zwölf Nachkriegsmonaten nur schwerlich ein verläßliches Bild über das Ausmaß der nationalsozialistischen Orientierung gewinnen ließ.[45] Das desillusionierende, perspektivenlose und als Entwürdigung empfundene Trümmerleben, täglich mehrstündige Stromsperren, der Schwarzmarkt, fortdauernde Demontagen und Fabrikschließungen, die widersprüchliche Praxis der Entnazifizierung, die Sorgen um die Kriegsgefangenen und die in den Fluchtwirren verschollenen Angehörigen sowie der alltägliche Hunger demoralisierten die Menschen in außergewöhnlicher Weise. Ein erstes annähernd einheitliches Bild liefern Erhebungen, die 1947 in den drei Westzonen durchgeführt worden sind. Hier bejahten um die 50 Prozent der Befragten die These, der Nationalsozialismus sei eine gute Idee gewesen, die schlecht ausgeführt worden ist.[46] Die erste zonenübergreifenden Befragung, die 1948 durchgeführt worden ist, brachte gar einen Wert von 57 Prozent Zustimmung hervor.[47]
Auch nach Gründung der Bundesrepublik gab es in der Bevölkerung erhebliche Teile, die dem Dritten Reich nicht ablehnend oder gar positiv gegenüberstanden. Auf die Frage, wann es Deutschland im 20. Jahrhundert am besten ergangen sei, gaben 1951 42 Prozent der Befragten die Zeit von 1933 bis 1939 an.[48] Ein ähnliches Bild ergab die Frage nach dem Charakter des NS-Regimes. Die Aussage, das Dritte Reich sei ein Unrechtsstaat gewesen, wurde 1964 von immerhin noch 28 Prozent zurückgewiesen. Erst Anfang der achtziger Jahre begann sich der Wert allmählich unterhalb der 20 Prozent-Marke zu etablieren.[49] Was die Beurteilung Hitlers anbelangt, waren 1950 zehn Prozent der Meinung, er sei der Staatsmann gewesen, der am meisten für Deutschland geleistet habe.[50] 1955 ging dieser Wert auf acht Prozent zurück, ehe er 1958 auf vier Prozent sank und sich in den Folgejahren langsam der Ein-Prozent-Marke anzunähern begann.[51] Die Tatsache, daß die Verklärung Hitlers wesentlich geringer ausfiel als die des Dritten Reiches, läßt sich im wesentlichen mit den schrecklichen Erfahrungen des Krieges erklären. Denn die Frage, ob Hitler ohne den Krieg einer der größten deutschen Staatsmänner gewesen wäre, wurde 1950 von einer deutlichen Mehrheit von 48 Prozent bejaht,[52] 1960 waren es noch 34 Prozent,[53] 1964 29 Prozent,[54] bis der Wert im Jahre 1989 mit 24 Prozent seinen Tiefststand erreichte und sich seitdem auf diesem Niveau bewegt.[55]
Die Tatsache, daß die Verklärung des Dritten Reiches und seines Diktators gute zwei Jahrzehnte fortdauerte und erst mit der allmählichen Etablierung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und dem Heranwachsen einer Generation, die keinerlei Erinnerungen an die Zeit vor 1945 mehr besaß, langsam auszusterben begann, beweist, wie tief die nationalsozialistische Propaganda auch nach Gründung der Bundesrepublik noch in den Köpfen vieler Menschen verankert war. Besonders deutlich wird dies anhand einer Betrachtung des Antisemitismus, der in der Bundesrepublik vom ersten Tag an konsequent geächtet wurde. Ähnlich wie das Bild von der „kleinen Clique ehrgeiziger Offiziere“ hatte auch er sich 1945 keineswegs in Luft aufgelöst, sondern war in der Sphäre des Privaten und in den gleichsam vorpolitischen Räumen der Stammtische weit verbreitet.[56] Schon eine 1946 in der amerikanischen Besatzungszone durchgeführte Umfrage ergab, daß 33 Prozent der Befragten die Meinung vertraten, daß Juden nicht dieselben Rechte besitzen sollten wie Angehörige der „arischen Rasse“.[57] Dieses Bild begann sich auch nach Gründung der Bundesrepublik nicht wesentlich zu wandeln. Zwar waren es 1949 nur noch 23 Prozent der Befragten, die solch eine ablehnende Haltung gegenüber den Juden kundtaten, allerdings stieg dieser Wert im Jahre 1952 wiederum auf 34 Prozent an.[58] Überaus bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Einschätzung, wonach 1949 19 Prozent beziehungsweise 1952 14 Prozent der Meinung waren, daß der Antisemitismus in Deutschland seit 1945 zugenommen habe, während lediglich 32 beziehungsweise 24 Prozent eine gegenteilige Ansicht vertraten.[59] Die Frage, ob Personen, die sich in Deutschland antisemitisch betätigen, von den Gerichten bestraft werden sollten, wurde von 43 Prozent verneint, während nur eine Minderheit von 41 Prozent dies befürwortete.[60] 37 Prozent gingen gar so weit, der Behauptung zuzustimmen, daß es für Deutschland ohnehin besser sei, keine Juden im Land zu haben. Lediglich 19 Prozent sprachen sich dagegen aus, 44 Prozent waren unentschieden.[61] Die Ursache hierfür mag darin liegen, daß eine große Mehrheit der Bevölkerung fortwährend der Ansicht war, die Juden seien eine andere Rasse. Noch im Jahre 1961 vertraten 73 Prozent eine derartige Meinung, nur 16 Prozent machten gegenteilige Angaben.[62] Besonders deutlich wird das Bild, wenn die Fragestellung in den privaten Bereich hineinfällt: 1949 gaben 70 Prozent der Befragten an, daß sie unter keinen Umständen einen Juden heiraten würden, lediglich acht Prozent konnten sich derartiges vorstellen.[63] Wie stark dieses Meinungsklima durch die nationalsozialistische Propaganda geprägt war, belegt eine Umfrage, in der 65 Prozent der Befragten angaben, daß der Nationalsozialismus die Abneigung gegen die Juden vermehrt habe. Nur 13 Prozent fühlten sich von der NS-Propaganda abgestoßen, 22 Prozent blieben unentschlossen.[64]
Vor dem Hintergrund dieser unkritischen, teilweise gar positiven Dispositionen zum Nationalsozialismus und dem Fortwirken der NS-Propaganda, insbesondere im Falle des Antisemitismus, mag es kaum verwundern, daß es bis in die sechziger Jahre dauerte, ehe das weitverbreitete Bild von der „kleinen Clique ehrgeiziger Offiziere“ allmählich zu verschwinden begann. Hinzu kam, daß nach der bedingungslosen Kapitulation die durch heillose politische Wirren, Not, Armut und Flüchtlingselend gekennzeichneten Deutschen mit dem Nationalsozialismus nichts mehr zu tun haben, ihn vergessen, verdrängen und verschweigen wollten. Dies traf in gleichem Maße auch für den Widerstand zu, der ebenso wie die nationalsozialistische Vergangenheit kein Thema in der Bevölkerung war, sondern vielmehr als „Stachel im Fleisch der deutschen Nachkriegsgesellschaft“[65] empfunden wurde. Der alleinige Nachweis der Existenz des „anderen Deutschland“ hätte zwangläufig zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld, der eigenen Verstrickung oder dem eigenen Schweigen zu Folge haben müssen und dabei zugleich den moralischen Druck auf die ehemaligen Mitläufer und Parteigänger des NS-Regimes deutlich erhöht.[66] Ihre Berufung auf den fatalen Zwang zur Anpassung wurde durch die Erinnerung an den Widerstand grundlegend in Frage gestellt, denn seine alleinige Existenz belegte, daß es trotz der Repressionsmaßnahmen der totalitären Diktatur dennoch möglich war, sich gegen das Regime zu erheben und Widerstand zu leisten.[67] Besonders deutlich wird dies anhand einer Umfrage über die Möglichkeiten zum Widerstand während des Dritten Reichs. 1970 vertraten 70 Prozent die These, es habe unter der NS-Herrschaft praktisch keine Möglichkeiten zum Widerstand gegeben, 1991 waren es immerhin noch 55 Prozent.[68]
Trotz der vielfältigen Verbindungen, die der Widerstand über Kontaktmänner in London, Washington, Istanbul, Stockholm und Madrid unterhielt und auf diesem Wege den britischen und amerikanischen Geheimdienst über seine Pläne informierte, blieb jeder Versuch, ausländische Verbündete für die Umsturzpläne und eine anschließende Neuordnung zu gewinnen, rundweg erfolglos.[69] Das absolute Stillschweigen, das über die Gespräche mit dem Gegner bewahrt wurde – jede Erwähnung von Namen oder Daten in der unterirdischen Propaganda oder im ausländischen Rundfunk hätte für die Verschwörer eine Anklage wegen Landesverrats und damit ein sicheres Todesurteil bedeutet –, vermag jedoch nur bedingt jene Beharrlichkeit zu erklären, mit welcher die Alliierten sich weigerten, offiziell von einer Opposition gegen Hitler und sein Regime Kenntnis zu nehmen.[70] Entscheidend war vielmehr, daß die Männer des 20. Juli eine Welt verkörperten, die nach der lebendigen Erfahrung von zwei Weltkriegen nicht auf Vertrauen, sondern auf Abscheu stieß.[71] Vor allem in London wurde der Widerstand als bloße Anti-Hitlerbewegung beurteilt und die Träger der Verschwörung als reaktionäre Adelsclique eingestuft, die sich erst dann zum Bruch mit den Nationalsozialisten entschlossen habe, als der Krieg nicht mehr zu gewinnen war.[72] Auch in den Vereinigten Staaten begegnete man dem Widerstand wegen der Beteiligung von Junkern und anderen mißliebigen Bürokraten, Wirtschaftsleuten und höherer Bourgeoisie mit großer Skepsis, vor allem aber wegen der beteiligten Offiziere, die synonym für den deutschen Militarismus die Wurzel allen Übels verkörperten.[73] Mochte der „underground of the Junkers“ persönlich auch umgänglicher sein, so war er in den Augen der Alliierten im Grunde nicht weniger gefährlich als Hitler und sein Regime.[74]
Die alte Aversion gegen die deutsche Militärkaste und gegen Preußen schlug auch in den unmittelbaren Reaktionen auf den gescheiterten Umsturzversuch durch. In Washington wurde noch am Abend des 20. Juli eine Rundfunkmeldung ausgestrahlt, die zum Entsetzen der wenigen Informierten die nationalsozialistische Propagandalüge von der „kleinen Clique ehrgeiziger Offiziere“ aufgriff und ungeprüft wiederholte.[75] Obwohl unter den Verschwörern zahlreiche Zivilisten und der Attentäter ein Oberst war, sprach die amerikanische Öffentlichkeit vom „Generals’ Plot“. Zwei Wochen nach dem gescheiterten Attentat und den ersten Hinrichtungen ging auch Churchill auf die Vorgänge in Deutschland ein. In seiner Rede vor dem Unterhaus sprach er den Männern des 20. Juli ihr moralisches Verdienst ab und stellte sie mit den Machthabern des NS-Regimes auf eine Stufe: „The highest personalities in the German Reich are murdering one another, or trying so, while the avenging armies of the allies close upon the doomed and ever narrowing circle of their power.“[76] Daß das Scheitern des Attentats durchaus im britischen Interesse lag, geht auch aus dem Tagebuch von Edens Privatsekretär, Oliver Harvey, hervor: „Our enemies are both the Nazis and the Generals. We should make peace with neither.“[77]
In der britischen Presse, an deren Meinungsbild die Regierung nicht ganz unbeteiligt war, wurde zunächst die Vermutung geäußert, das Attentat sei ähnlich wie der Röhm-Putsch von den Nationalsozialisten inszeniert worden, um die Popularität Hitlers zu steigern. Der linksliberale Manchester Guardian und der konservative Daily Telegraph waren sich darin einig, daß der Widerstand sich nicht gegen Hitlers Aggressionspolitik gerichtet habe, die bis dahin ja durch das Militär mitgetragen worden sei, sondern allein gegen die Tatsache, daß diese Politik gescheitert war. Auch in den amerikanischen Zeitungen schien man es wenig zu bedauern, daß die Bombe Hitler verschont hatte. In mehreren Kommentaren betonte etwa die New York Times, daß es die Generale nur darauf abgesehen hätten, sich ähnlich wie 1918 den Konsequenzen ihres Handelns zu entziehen, um auf diese Weise einen dritten Weltkrieg vorzubereiten. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, daß mit der Beseitigung Hitlers nichts gewonnen wäre. Nur wenn es gelinge, der preußisch-deutschen Offizierskaste ein für allemal das Handwerk zu legen, habe der Frieden in Europa eine realistische Chance.[78] Bemerkenswert sind auch die Aussagen des Herald Tribune, der unter anderem forderte: „Laßt die Generale den Gefreiten umbringen oder umgekehrt – am besten beide!“[79]
Auch wenn die ersten Reaktionen in den westlichen Hauptstädten speziell für die deutschen Emigranten äußerst deprimierend gewesen sein mußten, so wäre ein anerkennendes Wort für die Widerstandskämpfer zum damaligen Zeitpunkt in höchstem Maße unklug gewesen. Es hätte nicht nur die Männer des 20. Juli in den Augen des NS-Regimes nur noch mehr kompromittiert, sondern auch die britische Regierung gegenüber ihren mißtrauischen Alliierten, insbesondere der Sowjetunion, dem Verdacht ausgesetzt, mit den Attentätern im Bunde zu stehen und mit einer von der Wehrmacht geführten Regierung insgeheim über einen Kompromißfrieden zu verhandeln.[80] Gegen diese Eventualitäten richtete sich letztlich auch die 1943 in Casablanca vereinbarte Forderung nach „Unconditional Surrender“, die es den Westalliierten unmöglich machte, mit einer von wem auch immer geführten Reichsregierung über einen Waffenstillstand zu verhandeln und damit dem russischen Verbündeten in den Rücken zu fallen. Gleiches galt natürlich auch für Moskau.[81] Aus Angst, der deutsche Widerstand könnte einen Keil in das Bündnis treiben, zeigten sich die Alliierten über das Scheitern des Umsturzversuchs erleichtert, zumal nun der Krieg wie geplant zu Ende geführt werden konnte, ohne die Unwägbarkeiten einer Wehrmachtsregierung in Kauf nehmen zu müssen, die versuchen würde, das in ihren Augen Schlimmste, die bedingungslose Kapitulation, abzuwenden.[82]
Auch nach Kriegsende taten sich die Siegermächte äußerst schwer damit, dem deutschen Widerstand eine moralisch-rechtliche Legitimation und eine politische Bedeutung zuzusprechen.[83] Während der von eigenen Landsleuten geleistete Widerstand besonders in den Niederlanden, in Polen, Frankreich und Italien zur Grundlage des politischen Selbstverständnisses der Demokratie avancierte, blieb der 20. Juli in Deutschland lange Zeit ein Tabuthema.[84] Dies hing ohne Zweifel damit zusammen, daß von alliierter Seite versucht wurde, die Überlebenden der NS-Diktatur mit einer Kollektivschuld zu überziehen, die sich mit dem deutschen Widerstand nicht vereinbaren ließ. Der alleinige Nachweis des „anderen Deutschland“ hätte genügt, um die Deutschen von jedweder kollektiven Schuldzuweisung zu befreien. Um derartiges zu verhindern, bemühten sich die westlichen Besatzungsmächte, den deutschen Widerstand durch Zensur und Publikationsverbote nach Möglichkeit totzuschweigen.[85]
Diese ablehnende und tabuisierende Haltung wandelte sich erst, als im Laufe der Jahre der Bruch der Anti-Hitler-Koalition offen hervortrat. Die veränderten Realitäten des Kalten Krieges ließen die pro-sowjetische Loyalität der Westmächte und die pro-westliche Option der Widerstandskämpfer in einem völlig anderen Licht erscheinen.[86] In dem Maße, wie die Westmächte die Bundesrepublik als politischen Juniorpartner akzeptierten, der sich innenpolitisch an westlichen Demokratievorstellungen orientierte und außenpolitisch in die Frontstellung gegen den Ostblock einreihte, veränderte sich auch ihre Wahrnehmung der Deutschen. Nun war man auch bereit, zu konzedieren, daß es in der Zeit des Nationalsozialismus Deutsche gab, die sich dem Unrecht widersetzt hatten.[87] Auch wenn die Hinterbliebenen der Männer des 20. Juli lange Zeit vergebens auf ein offizielles Wort der Anerkennung von Seiten der Westmächte warteten – eine angebliche Ehrenerklärung für den Widerstand, die Churchill 1946 vor dem Unterhaus abgegeben haben soll und immer wieder ungeprüft zitiert wurde, läßt sich weder in den Parlamentsprotokollen noch in den Schriften Churchills nachweisen –,[88] begann sich Anfang der fünfziger Jahre ein deutlicher Wandel in dieser Frage einzustellen, der in erster Linie in den Arbeiten britischer und amerikanischer Historiker seinen Niederschlag fand.[89]
Hugh Trevor-Ropers „The last Days of Hitler“ war dabei die erste Darstellung, die den 20. Juli in seiner Breite thematisierte und erklärte, daß ein Teil des deutschen Volkes die Initiative ergriffen habe und der ganze Generalstab in den Putsch verwickelt gewesen sei. Trevor-Roper ging sogar soweit, die von Beck vorbereiteten Staatsstreichpläne von 1938 als ernstzunehmend zu würdigen. Allerdings sei für ihn der Widerstand allein aus militärischem, politischem sowie sozialem Opportunismus und nicht aus moralischen Beweggründen heraus erfolgt. Die Männer des 20. Juli hätten erst dann die Notwendigkeit zum Widerstand gegen Hitler erkannt, als die Wehrmacht im Zuge des Rußlandfeldzugs die ersten militärischen Niederlagen hinnehmen mußte.[90] Daß das Attentat auf Hitler neben politischen vor allem aus sittlichen Motiven heraus erfolgt war, wurde von Seiten des westlichen Auslandes als erstes von Allen W. Dulles dargestellt, der in „Germany’s Underground“ die deutsche Opposition als eine Bewegung charakterisiert, die eigene Vorstellungen, neue Programme und Pläne von Deutschlands Zukunft entwickelt sowie alle politischen und sozialen Strömungen innerhalb des Reiches vereinigt habe – mit Ausnahme der Kommunisten. Ferner wies er zum ersten Mal von außerdeutscher Seite auf die Auslandskontakte der Verschwörer hin, die weder auf Verständnis, noch auf eine wirkungsvolle Unterstützung gestoßen seien.[91] Dulles blieb in der angelsächsischen Welt lange Zeit der einzige, der eine angemessene, verständnisvolle und um Gerechtigkeit bemühte Beurteilung des deutschen Widerstandes abgab.[92] 1956 erschien dann mit Constantine Fitz Gibbons „Shirt of Nessus“ eine überaus detaillierte Wiedergabe der dramatischen Ereignisse des 20. Juli. Mit ausgesprochener Sympathie zeichnet der Verfasser auf der Grundlage der bis dato publizierten Literatur ein Bild der am Umsturzversuch beteiligten Persönlichkeiten und ihrer Beweggründe.[93]
Trevor-Ropers, Dulles’ und Gibbons Darstellungen belegen, daß zumindest einzelne bereit waren, das bisherige, einseitig negative Bild der Verschwörung zu revidieren, wobei die Tatsache, daß die Auseinandersetzung mit dem 20. Juli ein Gradmesser für die politische Bewußtseinsentwicklung in der Bundesrepublik darstellte, auch im Ausland immer mehr Berücksichtigung fand.[94]
In den Gründerjahren der Bundesrepublik dienten die Männer des 20. Juli mit ihrer Tat der moralischen Rechtfertigung des noch jungen deutschen Staates. Die Erinnerung an den Umsturzversuch sollte nicht nur den Staat legitimieren, der sich als Vermächtnis der Opposition gegen Hitler verstand, sondern auch zu neuem Selbstbewußtsein verhelfen.[95] Insbesondere in den auswärtigen Beziehungen bildete der 20. Juli eine wesentliche Grundlage der westdeutschen Politik, die um eine Rehabilitierung des deutschen Namens in der Welt und um die Wiederaufnahme Deutschlands in den Kreis der Völker warb.[96]
Richteten sich derartige Legitimationsbestrebungen zunächst an die Adresse der Alliierten, so ging es schon sehr bald darum, die Erinnerung an dieses Datum „vor den frechen Reden des Demagogen“ und dem „weitergetragenen Geschwätz der Bierbank“[97] zu retten, wie sich Theodor Heuss in einem offenen Brief an die Witwe eines der Opfer des 20. Juli zu formulieren genötigt sah. Besonders in rechtsextremen Kreisen, die sich Anfang der fünfziger Jahre in der Sozialistischen Reichspartei (SRP), einer Nachfolgeorganisation der NSDAP, sammelten und einen ihrer Wortführer in jenem Major Remer fanden, der an der Niederschlagung des Umsturzversuchs beteiligt gewesen war, trafen längst überholte und durch die verbrecherische Politik des Nationalsozialismus diskreditierte Positionen auf breite Zustimmung. Mit seiner Propaganda und seinen Kampagnen gegen die Männer des 20. Juli schuf Remer unwillentlich eine entscheidende Voraussetzung für das öffentliche Bekenntnis von Politik und Justiz zum Widerstand, das sich Anfang der fünfziger Jahre intensivierte.[98] Dieses Bekenntnis blieb keineswegs auf Kranzniederlegungen und Gedenkreden beschränkt, sondern manifestierte sich in der Schaffung politischer und justitieller Rahmenbedingungen, die das Andenken an den 20. Juli bewahren und vor Verunglimpfungen schützen sollten.[99] Folgende vier Faktoren waren hierfür maßgebend: das Bekenntnis der Bundesregierung 1951, der Remer-Prozeß 1952, der am 17. Juni 1953 blutig niedergeschlagene Aufstand in der DDR sowie die Integration des 20. Juli in das Traditionsverständnis der Bundeswehr.
Bereits ein Jahr bevor Theodor Heuss in seiner Autorität als Bundespräsident einen offenen Brief gegen die Verleumdung der Widerstandskämpfer verfaßte, hatte es sich die Bundesregierung zur Aufgabe gemacht, den 20. Juli gegen die ehrabschneidenden Beleidigungen von Rechtsextremisten in Schutz zu nehmen. 1951 wurde dementsprechend ein Kabinettsbeschluß gefaßt, in dem die Regierung Adenauer ein klares öffentliches Bekenntnis zu den Widerstandskämpfern des 20. Juli ablegte:
„Wir wissen, daß viele, insbesondere der Soldat an der Front, das Hitlersystem und seine Verderben bringende Politik für unser Volk nicht durchschauen konnten, aber wir sehen es als unsere Pflicht an, das Andenken derer vor Verunglimpfung zu schützen und zu bewahren, die in sittlichem und vaterländischem Pflichtgefühl das Letzte versuchten, um Deutschland zu retten oder zumindest das Ausmaß der Katastrophe zu mindern, in die die nationalsozialistische Führung Deutschland sehenden Auges stürzte.“[100]
Um das Bekenntnis zum 20. Juli in einem materiellen Symbol noch zu konkretisieren, beschloß das Bundeskabinett, dem von privater Seite gegründeten Hilfswerk 20. Juli eine jährliche Spende aus Staatsmitteln zur Verfügung zu stellen. Bundeskanzler Konrad Adenauer empfand es als eine „Ehrenpflicht des deutschen Volkes, für die Witwen und Waisen der Männer zu sorgen, die im Kampf gegen Hitler ihr Leben für Deutschland geopfert haben.“[101] Die Bundesregierung beließ es jedoch nicht nur bei solchen Gesten, sondern schuf 1953 mit der Bundeszentrale für Heimatdienst ein pädagogisches Instrument, das ganz wesentlich dazu beitrug, Kenntnisse über den Widerstand breiteren Kreisen zu vermitteln. Die später in Bundeszentrale für politische Bildung umbenannte Einrichtung publizierte und verteilte Broschüren, unterstützte wissenschaftliche Arbeiten, organisierte Vorträge und belieferte Lehrer, Schüler, Volkshochschulen und pädagogische Institutionen mit ihrem Bildungsmaterial, wobei gerade in den ersten Jahren nach der Gründung der Bundeszentrale die Aufklärung über den Widerstand einen der wichtigsten Schwerpunkte bildete.[102]
Trotz dieser Öffentlichkeitsarbeit und trotz des klaren Bekenntnisses der Bundesregierung zum 20. Juli kam es auch künftig zu diskriminierenden Äußerungen, wie etwa durch den bereits erwähnten Major Remer, der Stauffenberg und seine Mitverschwörer öffentlich als Hoch- und Landesverräter diskreditierte, wofür er sich im März 1952 in einem aufsehenerregenden Verfahren vor Gericht zu verantworten hatte.[103]
Nachdem Remer sowohl am 20. Juli 1944, als er als Kommandeur der in Berlin als Wachbataillon stationierten Teile des Regiments „Groß-Deutschland“ an der Niederschlagung des von Stauffenberg angeführten Putschversuches beteiligt war, als auch in den Folgejahren die öffentliche Klage gegen die Männer des 20. Juli geführt hatte, fand er sich acht Jahre nach dem gescheiterten Attentat nun in der Rolle des Angeklagten wieder.[104] Ausgangspunkt des Strafverfahrens waren Äußerungen, die er am 3. Mai 1951 aus Anlaß der bevorstehenden niedersächsischen Landtagswahl auf einer öffentlichen Wahlkampfveranstaltung in Braunschweig getätigt hatte. Remer sagte wörtlich:
„Wenn man schon bereit ist, Hochverrat zu begehen, dann bleibt die Frage offen, ob nicht in sehr vielen Fällen dieser Hochverrat gleich Landesverrat ist. Diese Verschwörer sind zum Teil in sehr starkem Maße Landesverräter gewesen, die vom Ausland bezahlt wurden. Sie können Gift darauf nehmen, diese Landesverräter werden sich eines Tages vor einem deutschen Gericht zu verantworten haben.“[105]
Kläger des Verfahrens, in dem sich Remer im Sinne der §§ 186 und 189 StGB wegen übler Nachrede und Beschimpfung des Andenkens Verstorbener zu verantworten hatte, war der spätere Bundesinnenminister Robert Lehr, ein Angehöriger des Widerstandes, der im Juni 1951 einen Strafantrag gegen Remer gestellt hatte. Ferner traten Marion Gräfin Yorck von Wartenburg, Annedore Leber, Uwe Jessen sowie Alexander von Hase als Nebenkläger auf, die allesamt Witwen beziehungsweise Söhne von hingerichteten Widerstandskämpfern waren.[106]
Gegenstand des Prozesses, der vom 7. bis zum 15. März 1952 vor der dritten großen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig verhandelt wurde, war jedoch nicht allein die Person dieses ehemaligen Wehrmachtsmajors und sein Wirken als unverbesserlicher Nationalsozialist, der sich jetzt als Gegner von sogenannten Hoch- und Landesverrätern der öffentlichen Meinung anzubiedern versuchte. Es ging vielmehr um eine Klärung des grundsätzlichen Verhältnisses zwischen Nachkriegsdemokratie und Widerstand.[107] Das eigentliche Ziel, das Generalstaatsanwalt Fritz Bauer[108] in diesem Strafverfahren verfolgte, lag weniger in der Erwirkung eines möglichst harten Urteils gegen Remer, sondern vielmehr in der uneingeschränkten und vorbehaltslosen Rehabilitierung der Widerstandskämpfer des 20. Juli.[109] Die Frage, ob Stauffenberg und seine Mitverschwörer sich des Hoch- und Landesverrats schuldig gemacht hatten, war unter Mißbrauch der strafprozessualen Formen von Freislers Volksgerichtshof bejaht worden. Nun ging es um eine Art Wiederaufnahme des Verfahrens, das von Seiten Bauers ohne Zweifel in einen politischen Prozeß umgemünzt wurde. Bauer vertrat nicht nur die Anklage, was für einen Generalstaatsanwalt ungewöhnlich genug war, sondern er hatte bereits vor Prozeßbeginn wiederholt in das Ermittlungsverfahren eingegriffen, um diesem die Richtung zu geben, die er für nötig hielt.[110]
Als Verteidiger Remers trat Prof. Dr. Erwin Noack auf, der, wie sich im Verlauf des Verfahrens herausstellen sollte, sich geistig und politisch mit dem Angeklagten zu identifizieren vermochte, was aufgrund seines Werdegangs nicht weiter verwunderlich war, schließlich bekleidete er vor 1945 die Ämter des Generalinspekteurs, des Gauamtsleiters sowie des Gaurechtführers des NS-Rechtswahrerbundes. Die Verteidigung verfolgte die Strategie, jedwede Zeugenaussage zu Remers Ausführungen auf der besagten Wahlkampfveranstaltung zu erschüttern, um den Vorwurf, er habe die Männer des 20. Juli als Landesverräter denunziert, als haltlos darzustellen. Dies galt jedoch nicht für die Frage des Hochverrats, dessen Behauptung nicht geleugnet, sondern gar als gerechtfertigt verteidigt wurde. Trotz der Waghalsigkeit dieser Strategie versuchten die Verteidiger einen Freispruch ihres Mandanten zu erwirken, allerdings ging es ihnen nicht minder um einen Freispruch des Dritten Reiches, das in den Augen der Kläger mit auf der Anklagebank saß.[111]
An den vier Prozeßtagen wurden insgesamt 23 Zeugen vernommen, darunter so prominente wie der Bundesvertriebenenminister Hans Lukaschek, der als Mitglied des Kreisauer Kreises 1944 verhaftet worden war, Bundesverfassungsschutzpräsident Otto John, der Göttinger Professor Karl Friedrich Bonhoeffer sowie der Mitverschwörer und spätere Richter am Bundesverfassungsgericht Fabian von Schlabrendorff.[112] Besonders eindrucksvoll verlief die Vernehmung des Journalisten Walther Kleffel, der darüber berichtete, wie ihm Carl Friedrich Goerdeler die Beweggründe des Widerstandes anhand von Zitaten aus Hitlers „Mein Kampf“ begründet hatte.[113] Goerdeler habe sich im Verlauf des Gesprächs derart erhitzt, daß er das Buch aus dem Schrank geholt, Kapitel 104 aufgeschlagen und folgendes zitiert habe:
„Wenn durch die Hilfsmittel der Regierungsgewalt ein Volkstum dem Untergang entgegengeführt wird, dann ist die Rebellion eines jeden Angehörigen eines solchen Volkes nicht nur Recht, sondern Pflicht.“[114]
Dann habe Goerdeler bis Kapitel 593 weitergeblättert und daraus vorgelesen:
„ In einer Stunde, da ein Volkskörper sichtlich zusammenbricht und allem Augenscheine nach der schwersten Bedrückung ausgeliefert wird, dank des Handelns einiger Lumpen, bedeuten Gehorsam und Pflichterfüllung diesen gegenüber doktrinären Formalismus, ja reinen Wahnwitz, wenn andererseits durch Verweigerung von Gehorsam und "Pflichterfüllung" die Errettung eines Volkes vor seinem Untergang ermöglicht würde.“[115]
Die Sachverständigenberichte blieben jedoch keineswegs auf historische Expertisen beschränkt. I m weiteren Verfahren wurden zahlreiche moraltheologische und juristische Gutachten vorgetragen, die eindrucksvoll belegen, mit welcher Intensität hier um Fragen des Gewissens, der Moral, des Eidbruchs des Gehorsams und der Vaterlandsliebe gerungen wurde.[116] Unter den Sachverständigen befand sich auch der Göttinger Theologe Hans-Joachim Iwand, dessen Gutachten dahingehend ausfiel, daß man von der evangelischen Glaubensauffassung her den Männern des 20. Juli allerhöchstens den Vorwurf machen könne, daß sie zu spät eingegriffen haben. Auf katholischer Seite beschäftigte sich der Freisinger Theologe Rupert Angermair eingehend mit dem Fahneneid, wobei er zu dem Ergebnis gelangte, daß ein Eid, der einen Menschen zum unbedingten Gehorsam gegenüber einer Person verpflichte, nicht nur unsittlich sei, sondern im Widerspruch zum Sinn des Eides überhaupt stehe.[117] Zur Frage nach den Motiven der Verschwörer nahm der Göttinger Völkerrechtler Hans-Günther Seraphim ausgiebig Stellung und argumentierte, daß die Beweggründe der Hoffnung entsprungen seien, mit dem Attentat der Welt zu zeigen, daß Deutschland auch unter schwersten äußeren Verhältnissen von innen heraus dazu in der Lage wäre, den Wandel zum Rechtsstaat, zur Sittlichkeit und zu geordneten Verhältnissen zu vollziehen. Für den Fall des Gelingens sollte das Fanal des anderen Deutschland beweisen, daß das deutsche Volk in seiner Gesamtheit und der Nationalsozialismus nicht identisch gewesen seien.[118]
Mit besonderer Spannung wurde das Plädoyer des Generalstaatsanwalts erwartet. Bauer sprach eine volle Stunde. Zu Beginn seiner Ausführungen verwies er auf das positive Recht, wonach selbst nach dem 1944 geltenden Gesetz Landesverräter nur derjenige sein konnte, der mit dem Vorsatz handelte, das Wohl des Reiches zu gefährden oder schwere Nachteile für das Reich herbeizuführen. Bauer betonte, daß die Konzeption der Widerstandskämpfer darin bestanden habe, Deutschland das Schlimmste zu ersparen und hob dabei hervor: „Am 20. Juli 1944 war das deutsche Volk total verraten von seiner Regierung, und ein total verratenes Volk kann nicht mehr Gegenstand eines Landesverrats sein; genausowenig, wie man einen toten Mann durch einen Dolchstoß töten kann“.[119] Im Zusammenhang mit dem Hochverratsvorwurf argumentierte Bauer, daß Hochverrat nur strafbar sei, wenn er keinen Erfolg habe. Der Widerstand des 20. Juli sei trotz des scheinbaren Scheiterns hingegen erfolgreich gewesen, da er einige Jahre später zur Errichtung einer freiheitlichen Demokratie geführt habe.[120] Diese Klarstellung sollte den weit verbreiteten Verratsvorwurf proklamatorisch und prinzipiell entkräften. Als eigentlichen Verräter deutete Bauer hingegen Hitler, dessen Verbrechen von seinen Anhängern oder willigen Gefolgsleuten wie Remer, die sich nach wie vor als eid- und führertreu empfanden, nicht erkannt worden seien.[121]
Am darauffolgenden Verhandlungstag kam der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Joachim Heppe, auf Bauers Ausführungen zurück und gab seinerseits eine Stellungnahme ab, die in beispielhafter Weise jene Ressentiments veranschaulicht, mit denen erhebliche Teile der Bevölkerung wie auch der Prozeßzuhörer, die mehrheitlich auf Seiten Remers standen, dem 20. Juli zur damaligen Zeit begegneten.[122] Zur Frage des Landesverrats verwies der Vorsitzende auf eigene Erlebnisse während seiner Gefangennahme in Stalingrad und betonte, daß er die Methoden der Widerstandskämpfer für sehr bedenklich halte und es ihm schwer falle, sich der Meinung der Anlagebehörde anzuschließen. Man müsse auch bedenken, daß ein erfolgreiches Attentat den Boden für eine neue Dolchstoßlegende geschaffen hätte, die dem Aufbau der Demokratie möglicherweise hätte schaden können. Dieser Argumentation des Vorsitzenden folgend baute die Verteidigung in ihrem Plädoyer auf die Besonderheiten des Kriegszustandes, in dem jeglicher Widerstand gegen die eigene Regierung eine Begünstigung des Feindes und somit Landesverrat gewesen sei. Remers erster Verteidiger Wehage bezeichnete die Widerstandskämpfer als „Sand in der Maschine“ und wies in diesem Zusammenhang die Feststellung Bauers zurück, das NS-Regime sei ein Unrechtsstaat gewesen.[123]
Nach 21stündiger Beratung sprach die Strafkammer am 15. März ihr Urteil. Remer erhielt eine dreimonatige Gefängnisstrafe wegen übler Nachrede in Tateinheit mit der Verunglimpfung Verstorbener.[124] Da Remer erklärt hatte, er habe Achtung vor Hoch-, nicht aber vor Landesverrätern, folgte die Kammer im Punkt des Hochverrats der Argumentation der Verteidigung und stellte fest, daß der Angeklagte sich des ehrenrührigen Charakters seiner Äußerungen nicht bewußt gewesen sei und ließ die Anklage wegen übler Nachrede hinsichtlich des Hochverrats fallen, wodurch die Richter es zugleich vermieden, zu der heiklen Frage des Eidbruchs Stellung zu beziehen.[125] In der Frage des Landesverrats sah es das Gericht jedoch aufgrund der Beweisführung als erwiesen an, daß der Angeklagte seine Äußerung, „diese Männer waren zum Teil in starkem Maße Landesverräter, die vom Ausland bezahlt wurden“, sowohl getätigt als auch bewußt auf die Männer des 20. Juli bezogen hatte. Dabei gelangten die Richter zu der Auffassung, daß mehrere Angehörige der am 20. Juli beteiligten Widerstandsgruppen mit dem Ausland in Verbindung gestanden hätten, um den inneren Umsturz durch Fühlungnahme mit den Feindmächten abzuschirmen. Die Frage, ob einzelne Personen des Widerstandes durch Preisgabe militärischer Geheimnisse an das Ausland Landesverrat begangen haben, blieb hingegen unbeantwortet, obgleich das Gericht aufgrund der Beweisführung jeglichen Verdacht, daß einer der Verschwörer jemals für irgendeine mit dem Widerstand in Verbindung stehende Handlung vom Ausland bezahlt worden sei, als unhaltbar zurückwies.[126] In ihrer Urteilsbegründung folgten die Richter dem Plädoyer Fritz Bauers insofern, als sie den Widerstandskämpfern ausdrücklich zuerkannten, „aus heißer Vaterlandsliebe und selbstlosem, bis zur bedenkenlosen Selbstaufopferung gehendem Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem Volk“[127] gehandelt zu haben und wiesen den Vorwurf des Landesverrats als völlig unbegründet zurück. In ihrer Analyse über den Rechtsstaatscharakter des Dritten Reiches folgte die Kammer dem Gutachten des Göttinger Historikers Percy E. Schramm, der zu dem Ergebnis gekommen war, daß ein Staat, dessen Staatsführung schreiendes Unrecht nicht nur geduldet, sondern zur Durchsetzung seiner politischen Ziele unter Mißachtung grundlegendster Menschenrechte bewußt produziert habe, keinerlei Anspruch darauf erheben könne, als Rechtsstaat bezeichnet zu werden.[128]
Im In- und Ausland stieß der Prozeß auf großes Interesse.[129] Nicht zuletzt ein enormes Aufgebot der Medien sorgte dafür, daß das einwöchige Verfahren zu einem öffentlichen Lehrstück avancierte, dessen Ergebnis in der Öffentlichkeit eine breite Zustimmung fand.[130] Bauers Rechnung war damit aufgegangen, schließlich ist es ihm gelungen, die Widerstandskämpfer als Patrioten, die gegen Hitler aufgestanden waren, vom Stigma des Verrats zu befreien.[131] Entscheidender als die dreimonatige Gefängnisstrafe gegen Remer war dabei die Tatsache, daß es den zahlreichen hochrangigen Gutachtern gelungen war, die Motivation für den „Aufstand des Gewissens“ zu verdeutlichen und entscheidend zur Ausformung eines politisch-moralisch begründeten Widerstandsbildes in der öffentlichen Meinung beizutragen.[132] Auch wenn Bauer sich den Vorwurf gefallen lassen muß, einen Schauprozeß geführt und den eigentlichen Verfahrensgegenstand aus strategischen Erwägungen zur Nebensache degradiert zu haben, zwang er das Gericht dazu, das NS-Regime als Unrechtsstaat zu verwerfen und den Männern des 20. Juli den ihnen gebührenden Respekt zu zollen. Die legitimierende Wirkung des Braunschweiger Richterspruchs fand auch in der Öffentlichkeit regen Anklang. Schon zu Verfahrensbeginn hatte die Presse fast einmütig die Anklage für gut geheißen, während das Urteil nicht nur in der Publizität sondern auch in der Bevölkerung – trotz der anfänglichen Parteinahme für Remer – letztendlich auf breite Zustimmung stieß. In Millionen Köpfen begann allmählich ein kollektiver Wandlungsprozeß einzusetzen, dessen Quintessenz lautete: Die Männer des 20. Juli sind keine Landesverräter, und die Justiz schreitet gegen denjenigen ein, der sie als solche verleumdet.[133]
Einen weiteren entscheidenden Impuls auf dem Weg zur Anerkennung des 20. Juli lieferte der Aufstand in der DDR am 17. Juni 1953.[134] Der blutig niedergeschlagene Protest der ostdeutschen Bevölkerung führte der westdeutschen Öffentlichkeit schlagartig die Realität des Totalitarismus vor Augen und verhalf auch dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu neuer Anerkennung.[135] Plötzlich begannen viele zu erkennen, daß nur einem Teil der Deutschen jene Freiheit zugestanden wurde, für die die Männer des 20. Juli einst ihr Wagnis unternommen hatten.[136] Mit dem Aufstand gegen das Unrecht und gegen die Zerstückelung der deutschen Nation rückte nun das überindividuelle Widerstandsziel, mit dem nicht nur die Menschen in der DDR auf die Straße gegangen waren, sondern für das auch Stauffenberg und seine Mitverschwörer ihr Leben eingesetzt hatten, in das öffentliche Bewußtsein.[137] Die Erfahrung der Auflehnung im Interesse eines übergeordneten Ziels prägte die Erinnerung an den Widerstand gegen das NS-Regime derart, daß dieser in einem völlig anderen, weitaus milderen Licht erschien.[138] Im Schatten des 17. Juni ergriff die Öffentlichkeit die Möglichkeit, das Bild der Deutschen als ein Volk von obrigkeitshörigen Mitläufern abzustreifen und statt dessen den Mut, unter Einsatz des eigenen Lebens für ein anderes, freiheitliches Deutschland zu kämpfen, zu einer neuen Tugend zu erheben.[139]
Ein Zufall wollte es, daß drei Tage nach dem Aufstand in der DDR die Gedenkstätte 20. Juli 1944 im Berliner Bendlerblock eröffnet wurde.[140] Ernst Reuter nutzte als Bürgermeister der geteilten Stadt die Gelegenheit, den Aufstand in der DDR als „Tag des zweiten Fanals“[141] in Zusammenhang mit der inneren Anerkennung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus zu stellen.[142] Dabei betonte er, daß es an beiden Tagen um die Verteidigung von Recht und Freiheit gegen ein diktatorisches Regime gegangen sei und verwies auf die Notwendigkeit, die deutsche Geschichte immer wieder neu zu begreifen:
„Der Bogen vom 20. Juli 1944 spannt sich heute, ob wir wollen oder nicht, zu dem großen Tage des 17. Juni 1953, zu jenem Tag, an dem sich ein gepeinigtes und gemartertes Volk in Aufruhr gegen seine Unterdrücker und gegen seine Bedränger erhob und der Welt den festen Willen zeigte, daß wir Deutschen frei sein und als ein freies Volk unser Haupt zum Himmel erheben wollen. Wir wissen, daß dieser 17. Juni wie einst der 20. Juli nur ein Anfang war. Aber ich glaube, es ist gut, es ist richtig, wenn wir auch an diesem Tage den Bogen vom 20. Juli zu den Ereignissen schlagen, die uns heute innerlich bewegen. Das Verbindende dieser Ereignisse ist der feste Wille, nicht unterzugehen als Volk, ist der feste Wille, frei zu werden, so wie Gott uns geschaffen hat, ist der feste Wille, unser Volk über alle Nöte und Hindernisse hinweg zu dem Tag zu führen, an dem über unseren Häuptern die schwarz-rot-goldene Fahne der Freiheit wehen wird und an dem wir einmal werden sagen können: Wir haben vollendet, was diese Männer uns aufgetragen haben.“[143]
Auch in den darauffolgenden Jahren wurde anläßlich des 20. Juli immer wieder auf den Aufstand in der DDR Bezug genommen. Bundesinnenminister Gerhard Schröder führte 1954 aus, die Bundesregierung wolle mit den Feiern in Berlin deutlich machen, daß beide Ereignisse für das deutsche Volk über alle Gegensätze hinweg eine mahnende Verpflichtung bedeuteten:
„Das Schicksal schien 1944 gegen die Männer und Frauen des ,anderen Deutschland‘ im dritten Reich genauso wie gegen die Männer und Frauen des 17. Juni entschieden zu haben. In Wirklichkeit aber ist uns diese Einmütigkeit im Handeln und Sterben für Freiheit und Recht zum Vorbild geworden, auf das unser ganzes Volk stolz sein sollte und aus dem es Kraft schöpfen darf zu einer Zeit, in der Freiheit und Recht in einem Teil unseres Vaterlandes noch immer mißachtet werden.“[144]
Bei aller Parallelität, die zwischen beiden Ereignissen zweifellos besteht, ist jedoch ein wesentlicher Unterschied zu beachten: Am 17. Juni 1953 ist das Volk in seiner Breite spontan aufgestanden, während der 20. Juli das Ergebnis und die äußerste Konsequenz einer moralischen und politischen Opposition, der geistigen Elite der Nation, gewesen ist, die sich auch ohne großen Rückhalt in der Bevölkerung zum Handeln gezwungen sah.[145] Da der 17. Juni im Gegensatz zum 20. Juli in der Bundesrepublik auf uneingeschränkte Zustimmung stieß, avancierte er sehr bald zum Nationalfeiertag. Obwohl das Attentat auf Hitler in beinahe ausufernder Gedenktagsroutine gefeiert wurde, wäre seine Erhebung zum gesetzlichen Feiertag, wie es die SPD in späteren Jahren forderte, zur damaligen Zeit undenkbar gewesen. Denn trotz der Erfahrungen mit dem blutig niedergeschlagenen Aufstand in der DDR standen viele Menschen dem 20. Juli nach wie vor ablehnend gegenüber, weshalb er das deutsche Volk innerlich eher zu spalten als zu einigen vermochte.[146] Diesem Spaltungspotential wollte wohl auch die Bundesregierung entgegnen, als sie Anfang der fünfziger Jahre einen Beschluß faßte, wonach am 20. Juli nicht geflaggt werden sollte und dieses Verbot solange aufrecht erhielt, bis der Widerstand auch in der Bevölkerung die hierfür notwendige Anerkennung fand.[147]
Eine Neuauflage der Widerstandserörterungen im Umfeld des 17. Juni brachte die Errichtung der Berliner Mauer am 13. August 1961 und die daraus resultierende Erfahrung mit dem Schießbefehl an den Absperr- und Grenzanlagen. Die Flucht eines Volkspolizisten, der einen anderen Flüchtling erschossen hatte, führte in der bundesdeutschen Öffentlichkeit zu einer lebhaften Diskussion über die Frage nach den individuellen Grenzen von Befehl und Gehorsam gegenüber dem Staat.[148] Besonders intensiv wurde diese Debatte innerhalb der Bundeswehr geführt, die sich einerseits zwar auf das Vermächtnis des 20. Juli und somit auf das Recht zum Widerstand berief, deren Befehlsstrukturen auf der anderen Seite aber unmöglich ohne Eid und Gehorsam auskommen konnten.
Die Bundeswehr sah sich bei ihrer Gründung vor ein schier unlösbares Problem gestellt. Einerseits stand sie vor der Aufgabe, eine demokratische Armee in einem demokratischen Staat zu errichten, was vor dem Hintergrund der heftig geführten Wehrdebatte ohne die Berufung auf das Vermächtnis des 20. Juli als moralische Legitimationsgrundlage mit noch größeren Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre. Auf der anderen Seite konnte sie bei der Aufstellung einer schlagkräftigen Armee weder auf Traditionen noch auf die ehemaligen Wehrmachtsoffiziere und -soldaten verzichten, von denen nur die wenigsten am Widerstand beteiligt gewesen waren.[149] Die große Mehrheit hatte bis zum bitteren Ende gekämpft und sich dabei auf den auf den „Führer“ geleisteten Eid berufen.[150] Für sie warf ein dem antinationalsozialistischen Gründungskonsens der neuen Demokratie entsprechender Umgang mit dem Vermächtnis des militärischen Widerstandes unweigerlich die dramatische Frage nach dem Sinn und der Anerkennung ihres Kriegseinsatzes auf.[151] Es mag somit kaum verwundern, daß trotz des klaren öffentlichen Bekenntnisses zum Widerstand insbesondere von Seiten der Bundesregierung das Bewußtsein, daß auch ein Unrechtsstaat einen legitimen Anspruch auf Gehorsam erheben könne, unter den Soldaten noch lange Zeit ein weitverbreitetes Allgemeingut war.[152] Bei vielen galt noch das Verdikt, das Generaloberst Jodl und Feldmarschall von Rundstedt während des Nürnberger Prozesses über den 20. Juli verhängt hatten: „Wie man einen Krieg nach außen um Sein oder Nichtsein führen sollte und gleichzeitig eine Revolution machen, um dabei etwas Positives für das deutsche Volk herauszuholen, das weiß ich nicht“[153], gab Jodl zu bedenken, während Rundstedt den 20. Juli als „gemeinen nackten Verrat“[154] desavouierte.[155]
Dieses Meinungsbild blieb auch nach Gründung der Bundesrepublik noch einige Zeit bestehen. Eine 1951 durchgeführte Umfrage ergab, daß 59 Prozent der ehemaligen Berufssoldaten den Widerstand gegen das NS-Regime strikt ablehnten.[156] Für die Kriegsteilnehmer galten die Attentäter mit dem Hinweis auf den Eid und das Frontgeschehen als Verbrecher, die ähnlich wie 1918 dem Soldaten an der Front in den Rücken gefallen seien. Die Auseinandersetzung der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen mit dem 20. Juli stand somit unter einer besonders ungewöhnlichen Belastung. Gerade in diesem Punkt erwies sich jedoch die spätere Gründung eines Dachverbandes ehemaliger Soldaten als hilfreich, schließlich gelang es dem auf Ausgleich bedachten Vorsitzenden, Admiral a.D. Hansen, die erheblichen Gegensätze in der Debatte um das Verhältnis der Wehrmacht zum Widerstand mit einer allgemein akzeptierten Kompromißformel zu überwinden:
„Der Riß, der durch den 20. Juli in unsere Reihen gebracht ist, muß überwunden werden. Der eine von uns ist seinem Eid treu geblieben, der andere hat in weitgehender Kenntnis aller Vorgänge die Treue zu seinem Volk über die Eidespflicht gestellt. Keinem ist aus seiner Einstellung ein Vorwurf zu machen, wenn nicht Eigennutz, sondern ein edles Motiv sein Handeln bestimmt hat. Aus dieser Anerkennung des Motivs folgt, daß man Verständnis für die Handlungsweise des anderen aufbringen muß.“[157]
Obwohl sich die Bundeswehr diese Position zu eigen machte und um Verständnis für die ehemaligen Wehrmachtsangehörigen, die laut Bundeswehrschrifttum die wahren Zusammenhänge nicht hatten durchschauen können, da Hitler die militärische und zivile Spitze des Staates verkörpert habe, warb, ließ sie ihnen dennoch keine andere Wahl, als sich mit dem 20. Juli abzufinden und ihn als vorbildhaft anzuerkennen.[158] Andererseits wurde in der Frage des Eides das deutsche Soldatentum, das sich auf eine lange Tradition des Gehorsams gegründet habe, auf die keine Armee der Welt verzichten könne, ausdrücklich in Schutz genommen. Ausgerechnet von der Truppe zu verlangen, daß sie rebelliere, obwohl die Masse des Volkes in gläubigem Vertrauen gehorchte, sei völlig illusorisch gewesen.[159] Eine derartige Verständigung bedeutete freilich nicht, daß sich die Bundeswehr auf belastete Traditionen berief. Das Gegenteil war der Fall, schließlich bildete die Verabschiedung vom personengebundenen Eid und vom bedingungslosen Gehorsam in den Wehrgesetzen von 1954 bis 1956 eine der weitreichendsten Konsequenzen der langjährigen Auseinandersetzung mit dem Widerstand.[160]
Hinzu kam, daß sich die Bundeswehr mit der Berufung auf das Vermächtnis des 20. Juli in den offenkundigen Zwiespalt zwischen der Pflicht zum Gehorsam und dem Recht zum Widerstand begab. Auf der einen Seite standen die Befehlsstrukturen einer jeden Armee, die ohne das grundlegende Prinzip von Befehl und Gehorsam undenkbar waren, auf der anderen Seite galt die Gewissensentscheidung des 20. Juli, die jedem Soldaten das Recht zum Widerstand einräumte. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bot das Prinzip der „Inneren Führung“, das aus dem blind gehorchenden Soldaten einen demokratisch denkenden „Staatsbürger in Uniform“ machte, für den in erster Linie das Grundgesetz gilt. Erst in zweiter Linie ist er Soldat und unterliegt dem Soldatengesetz.[161] Als höchste Instanz des Handelns verbleibt dabei das Gewissen, das – wie in einem Erlaß aus dem Jahre 1965 geregelt wurde – in extremen Situationen den Soldaten dazu ermächtigt, unter gewissen Umständen sogar dazu verpflichtet, den Gehorsam zu verweigern.[162] Führende Vertreter der Bundeswehr erkannten in dieser Regelung die Notwendigkeit, immer wieder zu betonen, daß dies nur im Falle einer extremen Notlage gelte und warnten davor, den 20. Juli zur Norm zu erheben.[163] 1963 etwa grenzte der Oberbefehlshaber Europa-Mitte, General Graf Kielmansegg, die grundsätzliche Widerstandspflicht gegenüber einem verbrecherischen Befehl deutlich von der Gehorsamspflicht des Soldaten im Rechtsstaat ab und betonte dabei, daß der 20. Juli als Verhaltensschema nicht übernommen werden könne. Obwohl Stauffenbergs geschichtliche Leistung ein Vorbild für alle Zeiten sei, müsse der 20. Juli ein singuläres Ereignis bleiben, das keine Norm zum Handeln darstelle.[164]
Mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum Geschehen des Jahres 1944 verlor die Bedeutung des Widerstandes in der Traditionspflege der Bundeswehr allmählich an Brisanz. Im Laufe der Jahre wuchsen neue Generationen von Soldaten heran, für die der 20. Juli ganz selbstverständlich und unbestritten positiv besetzt war. Wie in der Gesamtbevölkerung war auch die Einstellung der Bundeswehrsoldaten zum Widerstand unter anderem ein Generationenproblem.[165] Lehnten 1951 noch 59 Prozent der ehemaligen Berufssoldaten das Hitlerattentat ab, so beurteilten 1964 52 Prozent der Bundeswehrsoldaten den Umsturzversuch des 20. Juli positiv. Nur 18 Prozent waren gegenteiliger Auffassung.[166] Eine Ende der sechziger Jahre durchgeführte Umfrage unter Offiziersanwärtern und jungen Offizieren einer Heeresoffiziersschule ergab, daß die Lehrgangsteilnehmer die Widerstandskämpfer ausgesprochen positiv beurteilten. Diejenigen militärischen Führer, die trotz Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse nicht zum Widerstand gefunden haben, wurden dagegen negativ bewertet.[167]
Dieser Bewußtseinswandel ist jedoch keineswegs allein mit Kohorteneffekten zu erklären. Eine ebenso bedeutende Rolle spielte das unüberhörbare Bekenntnis der Bundeswehrführung zum 20. Juli, das insbesondere in den Erlassen, Richtlinien und offiziellen Erklärungen sowie in den zahlreiche Publikationen zum Widerstand, in der Benennung von Kasernen nach Widerstandskämpfern und nicht zuletzt auch im staatsbürgerlichen Unterricht und im Ausbildungswesen seinen Niederschlag fand.[168] Im Sommer 1955 kam ein Personalgutachterausschuß zu dem Ergebnis, die Haltung zum 20. Juli zum Prüfstein für eine sorgfältige Auswahl des Führungskorps auf allen Ebenen zu machen, wobei der Ausschuß insbesondere bei Offiziersanwärtern allergrößten Wert auf eine klare Stellungnahme des Bewerbers zum Problem des 20. Juli legte, ohne daß ein Bekenntnis, wohl aber Verständnis für diesen singulären Vorgang erwartet wurde.[169] Dem folgte am 5. März 1959 eine Empfehlung des Beirats für Fragen der Inneren Führung, der die Fähigkeit, das Ereignis des 20. Juli geistig zu bewältigen und zu würdigen, gar als Prüfstein dafür ansah, ob die Bundeswehr aus sich selber eine echte Tradition entwickeln kann:
[...]
[1] Vgl. Steinbach, Widerstand im Widerstreit, S. 344.
[2] Vgl. Hürter, Auf dem Weg zur Militäropposition, S. 527.
[3] Vgl. Kirsch, „Wir haben aus der Geschichte gelernt“, S. 41. Seit 1952 wird der 20. Juli Jahr für Jahr staatlich zelebriert, ohne daß er allerdings jemals zu einem gesetzlichen Feiertag avancierte.
[4] Vgl. Steinbach, Widerstand im Widerstreit, S. 348. Im Rahmen der Fachwissenschaft sind bis heute nur eine Handvoll Arbeiten über Elser erschienen. So etwa: Gruchmann, Autobiographie eines Attentäters – Johann Georg Elser; Haasis, „Den Hitler jag ich in die Luft“; Hoch, Georg Elser, der Attentäter aus dem Volke; Koch, Georg Elser: gegen Hitler – gegen den Krieg; Ortner, Der Einzelgänger; Renz, In der Sache Gisevius: ein Augenzeuge urteilt über Georg Elser; Savoy, Un attentat contre Hitler; Steinbach/Tuchel (Hrsg.), „Ich habe den Krieg verhindern wollen.“ – Georg Elser und das Attentat vom 8. November 1939. Auch in den Gedenkreden anläßlich des 20. Juli findet das Elser-Attentat äußerst selten Erwähnung. Im Rahmen der untersuchten Ansprachen weist lediglich Gerhard Schröder (Rede, 2004, o.S.) auf Elser hin.
[5] Danyel, Der 20. Juli, S. 220.
[6] Vgl. Steinbach, Widerstand im Dritten Reich – die Keimzelle der Nachkriegsdemokratie?, S. 81.
[7] Zur Auseinandersetzung mit dem umstrittenen Begriff der Vergangenheitsbewältigung siehe u.a.: Dudek, „Vergangenheitsbewältigung“; Hoffmann, Stunden Null? Vergangenheitsbewältigung in Deutschland 1945 und 1989; Jesse, „Vergangenheitsbewältigung“ in der Bundesrepublik Deutschland; Kittel, Die Legende von der „Zweiten Schuld“, speziell S. 21 f.; Kißener, „Vergangenheitsbewältigung“ im Vergleich; Nolte, Die „Vergangenheitsbewältigung“ nach der Wiedervereinigung; Kohlstruck, Zwischen Geschichte und Mythologisierung. Zum Strukturwandel der Vergangenheitsbewältigung; Wenke, „Bewältigte Vergangenheit“ und „aufgearbeitete Geschichte“; Wolffsohn, Von der äußerlichen zur verinnerlichten „Vergangenheitsbewältigung“.
Zum Begriff des Geschichtsbewußtseins siehe u.a.: Hentschel/Noelle-Neumann, Geschichtsbewußtsein als demoskopisches Problem; Herdegen, Demoskopische Anmerkungen zum Geschichtsbewußtsein der Deutschen (West) im Kontext der deutschen Frage; Lübbe, Der Nationalsozialismus im deutschen Nachkriegsbewußtsein; Lutz, Das Geschichtsbewußtsein der Deutschen, speziell S. 24f.
Zum Begriff des Geschichtsbilds siehe u.a.: Bock/Wolfrum (Hrsg.), Umkämpfte Vergangenheit; Lutz, Das Geschichtsbewußtsein der Deutschen, speziell S. 37f.; Winkler, Auf ewig in Hitlers Schatten?
Zum Begriff der Geschichtskultur siehe u.a.: Kirsch, „Wir haben aus der Geschichte gelernt“, speziell S. 25f.; Mütter/Schönemann/Uffelmann (Hrsg.), Geschichtskultur. Theorie – Empirie – Pragmatik; Rüsen, Was ist Geschichtskultur?; Schiller, Politische Gedenktage in Deutschland.
Zum Begriff der Geschichtspolitik siehe u.a.: Frei, Vergangenheitspolitik; Mayer, Die geschichtspolitische Verortung des 20. Juli 1944; Steinbach, Postdiktatorische Geschichtspolitik; Ders., „Stachel im Fleisch der deutschen Nachkriegsgesellschaft“, speziell S. 4f.; Wehler, Politik in der Geschichte; Winkler (Hrsg.), Griff nach der Deutungsmacht: zur Geschichte der Geschichtspolitik in Deutschland; Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland.
[8] Vgl. Rüsen, Was ist Geschichtskultur?, S. 12.
[9] Zum Umgang mit dem 20. Juli in der SBZ/DDR siehe u.a.: Bramke, Neuordnung der Nachrkiegsverhältnisse; Ders., Der antifaschistische Widerstand; Brühl, Der Widerstand gegen das NS-Regime in Erziehung und Traditionspflege der Nationalen Volksarmee; Danyel, Die geteilte Vergangenheit; Denzer, Das Gedenken des 20. Juli 1944 in gesamtdeutscher Sicht; Emrich/Nötzold, Der 20. Juli 1944 in den offiziellen Gedenkreden der Bundesrepublik und in der Darstellung der DDR; Finker, Der 20. Juli und die DDR-Geschichtswissenschaft; ders., Die Stellung der Sowjetunion; Groehler, Zur Genesis der Widerstandsforschung; Möller, Widerstand in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland und der DDR; Reich, Das Bild vom deutschen Widerstand in der Öffentlichkeit und Wissenschaft der DDR; Reich/Finker, Der 20. Juli 1944 in der Geschichtswissenschaft der SBZ/DDR seit 1945; dies., Reaktionäre oder Patrioten?; Winters, Neue Beurteilung des 20. Juli 1944.
[10] Vgl. Rüsen, Was ist Geschichtskultur?, S. 17.
[11] Vgl. Ueberschär, Von der Einzeltat des 20. Juli 1944 zur „Volksopposition“?, S. 101.
[12] Vgl. Toyka-Seid, Der Widerstand gegen Hitler und die westdeutsche Gesellschaft, S. 579.
[13] Vgl. Kettenacker, Die Haltung der Westalliierten, S. 36.
[14] Siehe u.a.: Buchsteiner (Hrsg.), Der 20. Juli 1944; Büchel, Der Deutsche Widerstand; Forschungsinstitut der Friedrich Ebert-Stiftung (Hrsg.), Stand und Problematik der Erforschung des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus; Heinemann, Arbeit am Mythos; Holler, 20. Juli 1944; Manthey/Wunderer (Hrsg.), Die Erinnerung an den Widerstand; Mommsen, Die Geschichte des deutschen Widerstands im Lichte der neueren Forschung; Müller/Mommsen, Der deutsche Widerstand gegen das NS-Regime. Zur Historiographie des Widerstandes; Plum, Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus als Gegenstand der zeitgeschichtlichen Forschung; Steinbach, Widerstandsforschung im politischen Spannungsfeld; Ueberschär, Von der Einzeltat des 20. Juli 1944 zur „Volksopposition“?; Zipfel, Die Bedeutung der Widerstandsforschung.
[15] Siehe u.a.: Bekenntnis und Verpflichtung. Reden und Aufsätze zur zehnjährigen Wiederkehr des 20. Juli 1944; Informationszentrum Berlin/Gedenkstätte Deutscher Widerstand (Hrsg.), Der 20. Juli. Reden zu einem Tag der deutschen Geschichte, 2 Bde; Website der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, http://www.20-juli-44.de.
[16] Siehe u.a.: Emrich/Nötzold, Der 20. Juli 1944 in den offiziellen Gedenkreden der Bundesrepublik und in der Darstellung der DDR; Holler, 20. Juli 1944; Kirsch, „Wir haben aus der Geschichte gelernt“; Steinbach, Widerstand als Gegenstand der öffentlichen Diskussion; ders., Widerstand im Widerstreit; Wöll, „Wegweisend für das deutsche Volk“.
[17] Siehe u.a.: Büchel, Der Deutsche Widerstand (1975); Kühnl, Das Dritte Reich in der Presse (1966). Die neueste Studie ist 1994 von Regina Holler (20. Juli 1944) vorgelegt worden, deren Untersuchung sich mit der Zeitungslandschaft in Nordrhein-Westfalen beschäftigt, die inhaltlich jedoch lediglich bis in das Jahr 1986 reicht.
[18] Siehe u.a.: Agde, Der Sprung durchs Bild der Kamera; Görner, Der 20. Juli 1944 im deutschen Film; Knopp/Quandt (Hrsg.), Geschichte im Fernsehen; Schiller, Die inszenierte Erinnerung.
[19] Gewiß werden einzelne Umfragedaten in einigen Darstellungen (so etwa bei: Benz, Der Nationalsozialismus als Problem der politischen Kultur, S. 57.; Hoffmann, Der deutsche Widerstand gegen den Nationalsozialismus, S. 307; Holler, 20. Juli 1944, S. 192; Kittel, Die Legende von der „Zweiten Schuld“, S. 361, 377; König, Das Erbe der Diktatur, S. 171f.; Steinbach, Widerstand im Widerstreit, S. 467f.) des öfteren zitiert, allerdings ohne daß eine kausale Verbindung zwischen den einzelnen Erinnerungsebenen und der Einstellung der Bevölkerung hergestellt wird.
[20] In der Frage nach der Beurteilung der Männer des 20. Juli begnügten sich die Demoskopen beispielsweise damit, nach der grundsätzlichen Meinung zu fragen, ohne dabei den Ursachen nachzugehen, die einen Befragten dazu bewogen haben, eine negative oder positive Haltung einzunehmen; vgl. hierzu exemplarisch Allensbacher Berichte, Nr. 15, 1951.
[21] Siehe Allensbacher Berichte, Nr. 15, 1951; Nr. 16, 1984; Nr. 23, 1985 Nr. 13, 2004; Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie, Bde. 8-10, 1978-1997; Jahrbuch der Öffentlichen Meinung, Bde. 1-5 (1947-1973).
[22] Wie aus einer Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie hervorgeht, lehnten 1951 34 Prozent der Bevölkerung den gescheiterten Umsturzversuch ab; die genaue Fragestellung lautete: „Wie soll man Ihrer Ansicht nach die Männer des 20. Juli beurteilen?“; vgl. hierzu Allensbacher Berichte, Nr. 16, 1984, S. 18. 1956 äußerten gar 49 Prozent ihre Skepsis darüber, eine Schule nach einem der Verschwörer zu benennen; die genaue Fragestellung lautete: „Neulich sollte eine neue Schulde eingeweiht werden. Aber vorher gab es Streit zwischen den Eltern der Schüler und der Stadtverwaltung. Die Stadt wollte die Schule „Stauffenbergschule“ nennen und zwar zur Erinnerung an den Widerstandskämpfer vom 20. Juli. Die Eltern waren dagegen und schlugen einen anderen Namen vor. Was ist Ihre Meinung: Sind sie dafür oder dagegen, daß man eine Schulde nach einem Widerstandskämpfer nennt?“; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 2, S. 145.
[23] 1960 befürworteten im Gegensatz zu 1956 44 statt vorher 18 Prozent die Benennung einer Schule nach einem der Widerstandskämpfer; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 2, S. 145; Bd. 3, S. 235; Bd. 5, S. 208. 1970 wiesen nur noch elf Prozent eine negative Einstellung gegenüber dem 20. Juli auf; vgl. hierzu Allensbacher Berichte, Nr. 16, 1984, S. 18.
[24] Unter Kohorteneffekten werden in der Umfrageforschung jegliche mit der Population zusammenhängende Veränderungen des Meinungsbilds bezeichnet; vgl. hierzu Schumann, S. 113f.
[25] 1970 vertraten 19 Prozent der Befragten die Meinung, die Männer des 20. Juli hätten demokratische Verhältnisse in Deutschland schaffen wollen; die genaue Fragestellung lautete: „Wie soll man Ihrer Ansicht nach die Männer des 20. Juli beurteilen? Welche dieser Beschreibungen treffen auf diese Männer zu?“; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 5, S. 207.
[26] 1970 konnte sich eine deutliche Mehrheit von 60 Prozent kein Bild von den Gesellschafts- und Verfassungsplänen sowie von den Motiven der Männer des 20. Juli machen, während die übrigen 40 Prozent mit ihren Antworten mehrheitlich daneben lagen; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 5, S. 207. Neben dieser Umfrage aus dem Jahre 1970 sind leider keine Erhebungen zu den politischen Zielvorstellungen und Motiven der Männer des 20. Juli durchgeführt worden, so daß sich die vorliegende Untersuchung ausschließlich auf das besagte Datenmaterial stützen kann.
[27] Auf die Frage, „Wissen Sie zufällig, was am 20. Juli 1944 geschehen ist, was sich da ereignet hat?“, konnten 1984 nur 56 Prozent der Befragten zutreffende Angaben machen. 1994 waren es gar nur noch 46 Prozent, ehe der Wert 2004 wieder auf 54 Prozent anstieg; vgl. hierzu Allensbacher Berichte, Nr. 23, 1985, S. 2, 5; Nr. 13, 2004, o.S; vgl. auch Jahrbuch der Demoskopie, Bd. 10, S. 517.
[28] Vgl. Sösemann, Grundlagen, S. 509.
[29] Hitler im NS-Rundfunk am Morgen des 21. Juli 1944 gegen 00:30 Uhr zitiert nach der ZDF-Dokumentation „Sie wollten Hitler töten“, Folge vier: „Die letzte Chance“, ausgestrahlt am 30.03.2004. Darüber hinaus ist Hitlers Ansprache auch bei Domarus abgedruckt, allerdings mit einigen fehlerhaften Abweichungen: Statt „Eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich unvernünftiger, verbrecherisch-dummer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen und mit mir den Stab praktisch der deutschen Wehrmacht auszurotten“, heißt es bei Domarus: „Eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer dummer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen und zugleich mit mir den Stab praktisch der deutschen Wehrmacht auszurotten“; vgl. hierzu Domarus, Hitler: Reden und Proklamationen 1933-1945, S. 2128.
[30] Vgl. Voss, Erbe und Rezeption des 20. Juli 1944, S. 5-6.
[31] Vgl. Hett/Tuchel, Die Reaktion des NS-Staates, S. 522.
[32] Vgl. Voss, Erbe und Rezeption des 20. Juli 1944, S. 6.
[33] Vgl. Steinbach, Der 20. Juli 1944, S. 5.
[34] Vgl. Maltzan, Der 20. Juli im Bewußtsein der Deutschen, S. 8-9.
[35] Vgl. Steinbach, Der 20. Juli 1944, S. 5.
[36] Vgl. dens., Widerstand im Widerstreit, S. 369; vgl. auch Steinert, Der Krieg und die Deutschen, S. 469.
[37] Vgl. Fest, Staatsstreich, S. 338. Die durch den SD aufgestellte Behauptung, Hitler sei niemals beliebter gewesen als nach dem gescheiterten Attentat, ist als sehr zweifelhaft anzusehen, schließlich konnte das Deutsche Reich zu diesem Zeitpunkt keinerlei Erfolgsmeldungen mehr aufbringen, und die Bevölkerung hatte unter großer Bedrohung und zum Teil sogar materieller Not zu leiden. Die Berichte des SD sind letztendlich als Bestandteil der Bemühungen des Regimes zu erachten, die „Volksgemeinschaft“ propagandistisch auszurichten und ein möglichst geschlossenes Meinungsbild herzustellen. Sie dienten jedoch keinesfalls als Seismograph im Dienste einer akribischen Meinungsforschung, wie sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert hat. Darüber hinaus dürfte in der Zeit nach dem Attentat, als die weitreichende Vernetzung der Verschwörer zutage trat, das Bedürfnis nach Affirmation besonders groß gewesen sein und der SD als Teil der deutschen Geheimdienste extremem unter Druck gestanden haben, waren ihm doch offensichtlich die Vorbereitungen zum Staatsstreich entgangen. Auch wenn die SD-Berichte hinsichtlich der Zustimmung der Bevölkerung zu Hitler, die etwa nach dem Sieg über Frankreich deutlich größer gewesen sein dürfte als nach dem 20. Juli, übertreiben, so lassen sie dennoch den Schluß zu, daß es dem Regime anhand der in der Folge des 20. Juli verbreiteten Propaganda noch einmal gelang, das Volk auf Hitlers Kurs einzuschwören.
[38] Vgl. Danyel, Der 20. Juli, S. 222.
[39] Vgl. Fest, Staatsstreich, S. 337.
[40] Vgl. Jäckel, Wenn der Anschlag gelungen wäre, S. 72; vgl. auch Giordano, Die zweite Schuld, S. 79.
[41] Vgl. Dipper, Verräter oder Helden?, S. 307.
[42] Vgl. Noelle-Neumann, Wandlungen der deutschen Demokratie 1953-1991, S. 635.
[43] Vgl. Hentschel/Noelle-Neumann, Geschichtsbewußtsein als demoskopisches Problem, S. 197; vgl. auch Kutsch, Einstellung zum Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit, S. 443.
[44] Vgl. Neumann, Was sagen die Repräsentativ-Befragungen, S. 560; vgl. auch. Hentschel/Noelle-Neumann, Geschichtsbewußtsein als demoskopisches Problem, S. 197; vgl. auch Kutsch, Einstellung zum Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit, S. 443.
[45] Vgl. Merritt, Public opinion in occupied Germany, S. 32. Den Ausführungen Kutschs (Einstellung zum Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit, S. 424-425) zufolge habe der Wert Ende 1945 gar 53 Prozent betragen.
[46] In der amerikanischen Besatzungszone lag die Zustimmung im August 1947 bei 55 Prozent, im November bei 52 Prozent. In der britischen Besatzungszone lagen die Werte im September bei 50 Prozent, im Dezember bei 54 Prozent. In der französischen Zone wurde Ende 1947 ein Wert von 44 Prozent gemessen; vgl. hierzu Kutsch, Einstellung zum Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit, S. 429; vgl. auch Merritt, Public opinion in occupied Germany, S. 32-33.
[47] Vgl. Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie, Bd. 9, S. 635.
[48] Die genaue Fragestellung lautete: „Wann in diesem Jahrhundert ist es nach Ihrem Gefühl Deutschland am besten ergangen?“ Auf Platz eins landete die Zeit vor 1914 mit 45 Prozent; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 3, S. 230.
[49] Die genaue Fragestellung lautete: „Wenn jemand sagt, der nationalsozialistische Staat war ein Unrechtsstaat, ein Verbrecherregime: Nach dem, was Sie heute über die Hitler-Zeit wissen oder persönlich erlebt haben - würden Sie sagen, das stimmt, das war ein Unrechtsstaat, ein Verbrecherregime, oder kann man das nicht sagen?“; vgl. hierzu Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie, Bd. 8, S. 191.
[50] Die genaue Fragestellung lautete: „Welcher großer Deutsche hat Ihrer Ansicht nach am meisten für Deutschland geleistet?“ Hitler landete mit 10 Prozent auf Platz zwei hinter Bismarck mit 35 Prozent; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 1, S. 132.
[51] Vgl. Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 4, S. 144.
[52] Vgl. Lutz, Das Geschichtsbewußtsein der Deutschen, S. 116.
[53] Die genaue Fragestellung lautete: „Alles, was zwischen 1933 und 1939 aufgebaut worden war, und noch viel mehr, wurde durch den Krieg vernichtet. Würden Sie sagen, daß Hitler ohne den Krieg einer der größten deutschen Staatsmänner gewesen wäre?“; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 3, S. 233.
[54] Vgl. Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 5, S. 204.
[55] Vgl. Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie, Bd. 10, S. 514.
[56] Vgl. König, Das Erbe der Diktatur, S. 169.
[57] Vgl. Merritt, Public opinion in occupied Germany, S. 31. In derselben Umfrage vertraten 30 Prozent die Auffassung, daß „Neger“ eine minderwertige Rasse verkörperten.
[58] Die genaue Fragestellung lautete: „Wie ist überhaupt ihre Einstellung gegenüber den Juden?“; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 1, S. 128.
[59] Die genaue Fragestellung lautete: „Würden Sie auf Grund Ihrer Beobachtungen sagen, daß der Antisemitismus – die Abneigung gegenüber den Juden – seit 1945 in Deutschland zugenommen oder abgenommen hat?“; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 1, S. 128.
[60] Die genaue Fragestellung lautete: „Sollten Personen, die sich heute in Deutschland antisemitisch betätigen, von den Gerichten bestraft werden?“; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 1, S. 131.
[61] Die genaue Fragestellung lautete: „Würden Sie sagen, es ist für Deutschland besser, keine Juden im Land zu haben?“; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 1, S. 131.
[62] Die genaue Fragestellung lautete: „Es gibt ganz verschiedene Ansichten darüber, was eine Rasse ist. Was meinen Sie: Gehören die Juden zu einer anderen Rasse als wir?“; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 3, S. 215.
[63] Die genaue Fragestellung lautete: „Würden Sie ein Mädchen (einen Mann) jüdischer Abstammung heiraten beziehungsweise geheiratet haben?“; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 1, S. 131.
[64] Die genaue Fragestellung lautete: „Glauben Sie, daß die Nationalsozialisten die Abneigung gegen die Juden vermehrt haben, oder glauben Sie, daß die antijüdische Propaganda eher das Gegenteil bewirkt hat?“ In derselben Umfrage wurde erhoben, inwiefern der Nationalsozialismus die Einstellung gegenüber den Juden im guten oder im schlechten Sinne verändert hat. Immerhin 21 Prozent gaben an, daß sie der NS-Propaganda Vertrauen geschenkt hätten; vgl. hierzu Jahrbuch der öffentlichen Meinung, Bd. 1, S. 129.
[65] So der Titel von Steinbachs Aufsatz.
[66] Vgl. Holler, 20. Juli 1944, S. 275.
[67] Vgl. Danyel, Der 20. Juli, S. 227.
[68] Die genaue Fragestellung lautete: „Man hört manchmal, daß die deutsche Bevölkerung im Dritten Reich alles mitgemacht und zuwenig Widerstand gegen Hitler geleistet hat. Wie sehen Sie das: Gab es Ihrer Ansicht nach im Dritten Reich für die Bevölkerung Möglichkeiten zum Widerstand, oder gab es solche Möglichkeiten praktisch nicht?“; vgl. hierzu Jahrbuch der Demoskopie, Bd. 9, S. 381.
[69] Vgl. Voss, Erbe und Rezeption des 20. Juli 1944, S. 30.
[70] Vgl. Büchel, Der Deutsche Widerstand, S. 11; vgl. auch Rothfels, Die deutsche Opposition gegen Hitler, S. 19-20.
[71] Vgl. Voss, Erbe und Rezeption des 20. Juli 1944, S. 31.
[72] Vgl. Emrich/Nötzold, Der 20. Juli 1944 in den offiziellen Gedenkreden der Bundesrepublik und in der Darstellung der DDR, S. 4.
[73] Vgl. Voss, Erbe und Rezeption des 20. Juli 1944, S. 31.
[74] Vgl. Kettenacker, Die Haltung der Westalliierten, S. 24.
[75] Vgl. Möller, Widerstand in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, S. 19.
[76] Churchill zitiert nach Kettenacker, Die Haltung der Westalliierten, S. 21.
[77] Harvey zitiert nach Voss, Erbe und Rezeption des 20. Juli 1944, S. 32.
[78] Vgl. Kettenacker, Die Haltung der Westalliierten, S. 20-21.
[79] Herald Tribune (ohne Datumsangabe) zitiert nach Donate, S. 298.
[80] Vgl. Kettenacker, Die Haltung der Westalliierten, S. 20-22.
[81] Vgl. Sösemann, Grundlagen, S. 520.
[82] Vgl. Danyel, Der 20. Juli, S. 228.
[83] Vgl. Pfeil, „Nicht alle Deutschen haben ein Herz aus Stein“, S. 23.
[84] Vgl. Voss, Erbe und Rezeption des 20. Juli 1944, S. 32.
[85] Vgl. Dipper, Verräter oder Helden?, S. 299. Dieser Darstellung widerspricht insbesondere Frei (Erinnerungskampf, S. 496) ausdrücklich und begründet dies mit den bis 1949 energisch vorangetriebenen Unterstützungsmaßnahmen der britischen und amerikanischen Militärbehörden, die den überlebenden Widerstandskämpfern und ihren Angehörigen mit Wohlwollen begegnet seien und Spendenaktionen organisiert hätten. Obwohl Frei in diesem Punkt vorbehaltlos zuzustimmen ist, kann aus den alliierten Hilfsmaßnahmen keineswegs darauf geschlossen werden, daß die Besatzungsmächte in ihrer offiziellen Darstellung dem 20. Juli Anerkennung gezollt hätten, zumal weder irgendwelche Politiker-Ansprachen, noch aufsehenerregende Pressedarstellungen existieren, die dies belegen könnten.
[86] Vgl. Kettenacker, Die Haltung der Westalliierten, S. 25, 27.
[87] Vgl. Danyel, Der 20. Juli, S. 231.
[88] Churchill soll demnach gesagt haben: „In Deutschland lebte eine Opposition, die durch ihre Opfer und entnervende internationale Politik immer schwächer wurde, aber zu dem Edelsten und Größten gehört, was in der politischen Geschichte aller Völker hervorgebracht wurde. […] Diese Toten vermögen nicht alles zu rechtfertigen, was in Deutschland geschah, aber ihre Taten und Opfer sind das Fundament eines neuen Aufbaus.“ Diese Äußerung Churchills ist erstmals 1952 von Eberhard Zeller (Geist der Freiheit, S. 323) überliefert und seitdem immer wieder, insbesondere bei Gedenktagsreden ungeprüft zitiert worden, so etwa von Karl Ibach (Der Freiheit eine Gasse, 1958, S. 9), von Franz Thedieck (Einheit und Freiheit, 1963, S. 1137), von Kai-Uwe von Hassell (Das Vermächtnis des 20. Juli, 1964, S. 1088), von Carl Zuckmayer (Die Opposition in Deutschland, 1969, S. 107), aber auch in neueren wissenschaftlichen Darstellungen, wie unter anderem bei Holler (20. Juli 1944, S. 159) und Kittel (Die Legende von der „Zweiten Schuld“, S. 202).
[89] Vgl. Voss, Erbe und Rezeption des 20. Juli 1944, S. 32.
[90] Vgl. Trevor-Roper, The last days of Hitler, S. 57.
[91] Siehe Dulles, Germany’s Underground.
[92] Es dauerte bis 1954, ehe mit Wheeler-Bennets Untersuchung der Machtstaatspolitik der deutschen Armee 1918 bis 1945 erneut eine Studie erschien, die sich mit den politischen Zielvorstellungen der Männer des 20. Juli auseinandersetzte, ohne dabei ihre ehrenhaften Motive in Frage zu stellen; vgl. hierzu Wheeler-Bennett, The Nemesis of Power, speziell S. 691-693.
[93] Siehe Gibbon, The Shirt of Nessus.
[94] Vgl. Büchel, Der Deutsche Widerstand, S. 13-15.
[95] Vgl. Benz, Zum Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, S. 59.
[96] Vgl. Steinbach, Widerstand im Dritten Reich – die Keimzelle der Nachkriegsdemokratie?, S. 89; vgl. auch Wiggershaus, Zur Bedeutung und Nachwirkung des militärischen Widerstandes, S. 506.
[97] Heuss, An die Witwe eines der Opfer des 20. Juli, 1952, S. 927.
[98] Vgl. Steinbach, Widerstand im Dritten Reich – die Keimzelle der Nachkriegsdemokratie?, S. 90.
[99] Vgl. Wöll, „Wegweisend für das deutsche Volk“, S. 20.
[100] Regierungserklärung vom 2. Oktober 1951 zitiert nach Kittel, Die Legende von der „Zweiten Schuld“, S. 192.
[101] Adenauer zitiert nach ebd.
[102] Vgl. Kittel, Die Legende von der „Zweiten Schuld“, S. 193
[103] Vgl. ebd., S. 193-194.
[104] Am Nachmittag des 20. Juli 1944 hatte Major Remer vom Kommandanten in Berlin, dem zu den Verschwörern gehörenden Generalleutnant von Hase, den Befehl erhalten, das gesamte Regierungsviertel mit seinen drei Kompanien hermetisch abzuriegeln. Remer führte den Befehl zunächst aus, wurde jedoch später von Leutnant Dr. Hagen, der als Verbindungsoffizier des Wachbataillons zum Reichspropagandaministerium tätig war, veranlaßt, Reichsminister Dr. Goebbels umgehend aufzusuchen. Im Amtszimmer des Propagandaministers telefonierte Remer mit Hitler, der diesem den Befehl zur Niederschlagung des Putsches erteilte. Das Wachbataillon verwarf daraufhin die von den Widerstandskämpfern erteilten Befehle und besetzte das Gebäude des Oberkommandos der Wehrmacht in der Bendlerstraße, das sich bis zu diesem Zeitpunkt in den Händen der Männer um Stauffenberg befand; vgl. hierzu Steinbach, „Stachel im Fleisch der deutschen Nachkriegsgesellschaft“, S. 7; vgl. auch Wassermann, Zur juristischen Bewertung des 20. Juli 1944, S. 70. Nach Remers eigener Darstellung seien die Erschießungen bereits durchgeführt gewesen, als er im Bendlerblock eintraf; vgl. hierzu Remer, Der 20. Juli 1944, S. 5f., insbesondere S. 14.
[105] Remer zitiert nach Frei, Erinnerungskampf, S. 500.
[106] Vgl. Wasserman, Bewertung, S. 70-71.
[107] Vgl. Steinbach, „Stachel im Fleisch der deutschen Nachkriegsgesellschaft“, S. 7.
[108] Fritz Bauer, der nach seinem Wechsel nach Frankfurt einen geradezu legendären Ruf erlangt hatte, war in der Weimarer Republik Amtsrichter und überzeugter Republikaner. Die Nationalsozialisten verfolgten ihn wegen seiner Herkunft und nahmen ihn in Schutzhaft. Bauer konnte nach Dänemark und 1943 nach Schweden fliehen, bevor er 1949 nach Deutschland zurückkehrte; vgl. hierzu Holler, 20. Juli 1944, S. 123; vgl. auch Voss, Erbe und Rezeption des 20. Juli 1944, S. 8.
[109] Vgl. Frei, Erinnerungskampf, S. 501
[110] Vgl. Holler, 20. Juli 1944, S. 122-123. Den Vorwurf, er führe einen inszenierten Schauprozeß, nahm der Bauer hin.
[111] Vgl. ebd., S. 124-125.
[112] Vgl. ebd., S. 125.
[113] Vgl. Wassermann, Zur juristischen Bewertung des 20. Juli 1944, S. 72.
[114] Diese Aussage findet sich in Mein Kampf, Bd. 1, 104.
[115] Diese Aussage findet sich in Mein Kampf, Bd. 2, 593.
[116] Vgl. Holler, 20. Juli 1944, S. 125.
[117] Vgl. Wassermann, Zur juristischen Bewertung des 20. Juli 1944, S. 72.
[118] Vgl. Holler, 20. Juli 1944, S. 126.
[119] Bauer zitiert nach Steinbach, Widerstand. Ein Problem zwischen Theorie und Geschichte, S. 316.
[120] Vgl. Wassermann, Zur juristischen Bewertung des 20. Juli 1944, S. 73.
[121] Vgl. Steinbach, Postdiktatorische Geschichtspolitik, S. 35.
[122] Der Braunschweiger Zeitung vom 11. März 1952 zufolge hatte das Gericht schon während des Verfahrens Hunderte von Briefen erhalten, in denen sich die Mehrzahl der Absender auf die Seite des Angeklagten schlug; vgl. hierzu Wassermann, Zur juristischen Bewertung des 20. Juli 1944, S. 73.
[123] Vgl. ebd., S. 74-75.
[124] Vgl. ebd., S. 76.
[125] Vgl. Frei, Erinnerungskampf, S. 501; vgl. auch Wassermann, Widerstand als Rechtsproblem, S. 209.
[126] Vgl. Wassermann, Zur juristischen Bewertung des 20. Juli 1944, S. 76.
[127] Zitiert nach Steinbach, Widerstand. Ein Problem zwischen Theorie und Geschichte, S. 318.
[128] Vgl. Wassermann, Zur juristischen Bewertung des 20. Juli 1944, S. 76.
[129] Vgl. dens., Widerstand als Rechtsproblem, S. 209.
[130] Vgl. Frei, Erinnerungskampf, S. 501.
[131] Vgl. Wassermann, Zur juristischen Bewertung des 20. Juli 1944, S. 77.
[132] Vgl. Kittel, Die Legende von der „Zweiten Schuld“, S. 195.
[133] Vgl. Wassermann, Zur juristischen Bewertung des 20. Juli 1944, S. 77, 79.
[134] Vgl. Wöll, „Wegweisend für das deutsche Volk“, S. 22-23.
[135] Vgl. Voss, Erbe und Rezeption des 20. Juli 1944, S. 9.
[136] Vgl. Holler, 20. Juli 1944, S. 173.
[137] Vgl. Steinbach, Widerstand. Ein Problem zwischen Theorie und Geschichte, S. 319.
[138] Vgl. dens., „Stachel im Fleisch der deutschen Nachkriegsgesellschaft“, S. 9; vgl. auch Voss, Erbe und Rezeption des 20. Juli 1944, S. 9.
[139] Vgl. Voss, Erbe und Rezeption des 20. Juli 1944, S. 9.
[140] Vgl. ebd.
[141] Reuter, Das erste Fanal, 1953, S. 42.
[142] Vgl. Steinbach, Widerstand als Gegenstand der öffentlichen Diskussion, S. 25.
[143] Reuter, Das erste Fanal, 1953, S. 43.
[144] Schröder, Mahnende Verpflichtung, 1954, S. 1191.
[145] Vgl. Holler, 20. Juli 1944, S. 173.
[146] Vgl. ebd., S. 148, 275; vgl. auch Wiggershaus, Zur Bedeutung und Nachwirkung des militärischen Widerstandes, S. 514.
[147] Die Länder waren an dieses Gebot, das erst 1963 aufgehoben wurde, nicht gebunden; vgl. hierzu Aufruf der Bundesregierung zum Gedenken an die Männer und Frauen der deutschen Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus, 1963, S. 1123; vgl. auch Holler, 20. Juli 1944, S. 135, 153. Obwohl die Bundesregierung mit einer derartigen Regelung der Stimmungslage großer Teile der Bevölkerung hinsichtlich des 20. Juli Rechnung trug, stieß sie die Überlebenden und Angehörigen des 20. Juli vor den Kopf. Entrüstet gab Paul Graf York von Wartenburg (Erbe und Verantwortung, 1954, S. 97) zu bedenken: „Die mannhafte Erhebung des ostdeutschen Arbeiters gegen seinen Unterdrücker festlich zu begehen, den 17. Juni zu einem nationalen Feiertag zu erklären – das tut man mit Fug, aber man kann es auch wagen, weil die Nation in dieser Tat sich selbst wiederfindet. Der 20. Juli 1944 hingegen, unpopulär wie er ist, wird nicht durch die Beflaggung der Amtsgebäude als nationales Ereignis von Rang dem Volk in Erinnerung gebracht.“
[148] Vgl. Steinbach, Widerstandsforschung im politischen Spannungsfeld, S. 610.
[149] Nach der Vereidigung der ersten Soldaten der Bundeswehr wurde Konrad Adenauer von Journalisten gefragt, ob denn die neue Armee von den alten Offizieren der Wehrmacht, dem Offizierskorps Adolf Hitlers geführt werden sollte. Der Bundeskanzler antwortete schlicht, daß er nicht glaube, der NATO 18jährige Generale anbieten zu können; vgl. hierzu Buck, Die Rezeption des 20. Juli 1944, S. 223.
[150] Der Eid von 1934 war persönlich auf Hitler abgefaßt und in verbaler Nähe zu jenem Schwur, den die alten Offiziere ihrem König oder dem deutschen Kaiser geleistet hatten: „Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.“[150]; vgl. hierzu. Holler, 20. Juli 1944, S. 132-133.
[151] Vgl. Frei, Erinnerungskampf, S. 494.
[152] Vgl. Wiggershaus, Zur Bedeutung und Nachwirkung des militärischen Widerstandes, S. 510.
[153] Jodl zitiert nach Kittel, Die Legende von der „Zweiten Schuld“, S. 194.
[154] Rundstedt zitiert nach Kittel, Die Legende von der „Zweiten Schuld“, S. 194.
[155] Vgl. Donate, Deutscher Widerstand, S. 251; vgl. auch Kittel, Die Legende von der „Zweiten Schuld“, S. 194.
[156] Vgl. Allensbacher Berichte, Nr. 15, 1951, S. 8.
[157] Hansen zitiert nach Meyer, Soldaten ohne Armee, S. 720-721 sowie nach Hartwig, Der 20. Juli 1944, S. 27.
[158] Der Eid wurde in einem Gesetz am 20. August 1934 erlassen; vgl. hierzu Donate, Deutscher Widerstand, S. 287.
[159] Vgl. ebd., S. 288.
[160] Der Eid der Bundeswehr lautet bis heute: „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“; vgl. hierzu Hartwig, Der 20. Juli 1944, S. 30; vgl. auch Kittel, Die Legende von der „Zweiten Schuld“, S. 194. In seinem Katechismus für Soldaten hatte Ernst Moritz Arndt (zitiert nach Donate, Deutscher Widerstand, S. 290), eines der größten Vorbilder in der Bundeswehrtradition bis heute, bereits eineinhalb Jahrhunderte zuvor angemerkt: „Sie meinen, wenn sie zur Fahne eines Königs oder Fürsten geschworen haben, müssen sie blind alles tun, was er ihnen gebietet. Sie achten sich also nicht als Menschen, die einen freien Willen vor Gott erhalten haben, sondern als dumme Tiere, die sich treiben lassen. Und diesen tierischen Zustand und diesen blinden Gehorsam gegen ihren Herren nennen sie dann Soldatenehre. […] Das ist aber wahre Ehre, daß keine Gewalt noch Herrschaft den edlen und freien Mann zwingen kann, das Schändliche oder Unrecht zu tun oder zu tun helfen.“ Helmut von Moltke (zitiert nach Donate, Deutscher Widerstand, S. 290), der Feldherr von Königgrätz und des Krieges von 1870/71, hatte als Losung ausgegeben: „Überhaupt, Gehorsam ist Prinzip, aber der Mensch steht über dem Prinzip.“
[161] Vgl. Hartwig, Der 20. Juli 1944, S. 30.
[162] Vgl. Buck, Die Rezeption des 20. Juli 1944, S. 227.
[163] Vgl. ebd., S. 230; vgl. auch Holler, 20. Juli 1944, S. 210.
[164] Vgl. Wiggershaus, Zur Bedeutung und Nachwirkung des militärischen Widerstandes, S. 515.
[165] Vgl. Hartwig, Der 20. Juli 1944, S. 28-29.
[166] Vgl. Allensbacher Berichte, Nr. 15, 1951, S. 8; Nr. 16, 1984, S. 18.
[167] Vgl. Macioszek, Das Problem der Tradition in der Bundeswehr, S. 17, 21.
[168] Vgl. Wiggershaus, Zur Bedeutung und Nachwirkung des militärischen Widerstandes, S. 518.
[169] Vgl. Buck, Die Rezeption des 20. Juli 1944, S. 225; vgl. auch Wiggershaus, Zur Bedeutung und Nachwirkung des militärischen Widerstandes, S. 511.
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