Bachelorarbeit, 2017
50 Seiten
Abkürzungsverzeichnis/Gesetzesverzeichnis
Symbolverzeichnis
A. Einleitung
I. Problemstellung
II. Lösungsansätze
B. Was ist Gerechtigkeit?
I. Ansätze nach Platon und Aristoteles
1. Ansatz nach Platon
2. Ansatz nach Aristoteles
II. Ansatz nach Immanuel Kant
III. Ansatz nach John Rawls
IV. Ansatz nach Mason Gaffney
C. Rechtfertigung einer Grundsteuer
I. Allgemeiner Charakter der Steuer
II. Rechtfertigung der Steuer
D. Grundlagen aktuellen Rechts (Stand: März 2017)
I. Steuerobjekt
II. Bewertungsverfahren
III. Steuerbefreiungen
IV. Steuersubjekt
V. Steuermessbetrag
1. Bemessungsgrundlage
2. Steuermesszahl
VI. Hebesatzrecht
VII. Besteuerungsverfahren
VIII. Kritik
E. Reformmodelle
I. Nord-Modell
1. Charakter des Modells
2. Subsumtion der Gerechtigkeitsvorstellungen
II. Süd-Modell
1. Charakter des Modells
2. Subsumtion der Gerechtigkeitsvorstellungen
III. Kombinationsmodell
1. Charakter des Modells
2. Subsumtion der Gerechtigkeitsvorstellungen
IV. Bundesratsmodell
1. Charakter des Modells
2. Subsumtion der Gerechtigkeitsvorstellungen
F. Bodenwertmodell
I. Der Boden als Lebensgrundlage
1. „Die Erde ist des Herrn“
2. „Der Boden als soziale Hypothek“
II. Charakter des Modells
III. Subsumtion der Gerechtigkeitsvorstellungen nach Gaffney und Konklusion
G. Gesamtfazit
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten
Die Ansprüche könnten höher nicht sein: fair, einfach, akzeptabel, zeitgemäß und natürlich gerecht. Dies sind nur einige, wenige Forderungen, die verschiedene Akteure an eine Reform der Grundsteuer stellen.
Wenn sich im Laufe des Jahres 2017 die obersten Hüter der deutschen Verfassung in Karlsruhe zum Spruch erheben werden, steht für den hiesigen Fiskus Einiges auf dem Spiel.
Denn seit Jahrzehnten wird zwar Land auf, Land ab viel diskutiert und geforscht. Reformanträge wurden geschrieben und wieder verworfen; Fensterreden, von Volksvertretern aller politischer Couleur, gehalten.
Doch geschehen ist bisher –nichts!
In einem sind sich alle Akteure jedoch einig: Die Grundsteuer ist dringend reformbedürftig und weist erhebliche Mängel auf.
Zu Kritik veranlasst die Verwendung von veralteten Einheitswerten als Bemessungsgrundlage. Diese geht in den „alten“ Bundesländern auf den 1.Januar 1935 und in den „neuen“ Bundesländern auf den 1.Januar 1964 zurück.
Bereits 2010 hat der Bundesfinanzhof in München erhebliche Zweifel an einer Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer geäußert und nun dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dies erzeugte Druck auf die aktuelle Bundesregierung, weshalb man eine Grundsteuerreform anstieß, die nun überraschend, möglicherweise aufgrund der nahenden Bundestagswahl in diesem Herbst, „auf Eis gelegt“ wurde. Über die wahren Gründe schweigt die Bundesregierung bisweilen.
In meiner nachfolgenden Arbeit werden unterschiedliche, aktuell diskutierte, Reformansätze untersucht und in ein Verhältnis zur Gerechtigkeit gestellt. Hierzu ist zunächst erforderlich, dass verschiedene Gerechtigkeitsvorstellungen beschrieben werden. Danach werde ich das aktuelle Grundsteuersystem darstellen und sodann in die Diskussion von Reformvorschlägen einsteigen.
Eines scheint jedoch den Verfassern von fast allen Reformansätzen klar zu sein. Effizienz und Gerechtigkeit kann nicht gleichzeitig gelingen. Oder doch?
Eine Besteuerung nach dem Bodenwert, welcher in der Orthodoxie (leider) keine große Rolle zu spielen vermag, könnte den gordischen Knoten lösen; und - basierend auf Mason Gaffneys´ Philosophie - beweisen, dass beides, Effizienz und Gerechtigkeit, doch gleichzeitig möglich sein kann.
Seit Jahrtausenden versuchen Menschen in Gemeinschaft zu leben. Zahlreiche, ob glückliche oder unglückliche, Erfahrungen haben sie gelehrt, dass das Zusammenleben nur unter einer Bedingung möglich ist. Es muss ein Austausch zwischen Geben und Nehmen stattfinden. Dieses Wechselverhältnis hat man Gerechtigkeit genannt.[1]
Das Wort „Gerechtigkeit“ entspringt dem Lateinischen „iustitia“ und setzt voraus, dass, wenn man etwas nimmt, auch etwas Gleichwertiges geben muss, damit ein Gleichgewicht wiederhergestellt werden kann.[2]
Die philosophische Betrachtungsweise hat sich im Laufe der Jahrtausende ständig verändert und weiterentwickelt. An dieser Stelle werden vier Denkschulen diskutiert, welche verschiedene Gerechtigkeitsvorstellungen aufweisen; nämlich die von Platon/Aristoteles, Kant, Rawls und Gaffney.
Die Ausführungen von Platon (427-347 v. Chr.) und seinem Schüler Aristoteles (384-322 v. Chr.) gelten als die Klassiker frühen Rechtsdenkens.
Nach Platon ist die Gerechtigkeit untrennbar verbunden mit einem idealen Staat. Das Problem der Gerechtigkeit könnte man aber nur lösen, wenn man nicht die äußeren, sondern die seelischen Güter betrachtet. Somit könnten diesen idealen Staat nur diejenigen gerecht und gut lenken, die zur Erkenntnis des seelisch Guten gelangt sind. Damit meint Platon vor allem die Philosophen selbst. Diese sollten in einem Auswahlverfahren aus allen Bürgern eines Staates ausgewählt werden und einen langen Bildungsweg durchlaufen haben, um schließlich als Könige herrschen zu können und die übrigen Bürger, nach deren Qualifikationen, in andere Stände einzuweisen.[3]Dies stellt eine extrem autoritäre Staatsform dar.[4]
In Platons idealem Staat herrscht erst dann Gerechtigkeit, wenn das Erstreben nach äußerem Reichtum, Ansehen, usw. als minderwertig angesehen wird. Der wahre Reichtum würde demgegenüber aus dem Streben nach Weisheit und Erkenntnis entstehen. Der Schlüssel hierzu führe über die Bildung, die den Menschen zukommen müsste.[5]
Deswegen würde in Platons idealem Staat auch Gerechtigkeit herrschen. Damit setzte sich Platon von der üblichen Praxis seiner Zeit ab, wonach Bildung lediglich eine vorübergehende und unbedeutende Beschäftigung der Jugend sei.[6]
Solange der ideale Staat nicht möglich ist, sollen zumindest die Gesetze herrschen.[7]Diese sollen das Allgemeinwohl als Ziel festlegen. Die Gerechtigkeit soll die Grundlage aller anderen Tugenden sein. Zu den Tugenden zählt Platon: Weisheit, Tapferkeit und Mäßigung.[8]
Aristoteles hat weitestgehend die Lehren von Platon, als dessen Schüler, übernommen und erweitert. So widmete er auch ein ganzes Buch seiner Ethiken, der Gerechtigkeit.[9]
Aristoteles sieht in der Gerechtigkeit auch die höchste aller Tugenden, fügt aber nähere Bestimmungen hinzu. Er geht davon aus, dass der Mensch ein vernunftbegabtes und rationales Seelenteil hat. Ebenso aber auch einen vernunftlosen Teil. Der rationale Teil bilde intellektuelle Fähigkeiten aus; während der vernunftlose Teil ethische Tugenden, wie Tapferkeit oder Besonnenheit, also den Charakter eines Menschen forme.[10]
Aristoteles unterscheidet, im Gegensatz zu seinem Lehrer, bereits in verschiedene Formen der Gerechtigkeit. Er erkennt dieiustitia universalis(allgemeine Gerechtigkeit). Diese verpflichtet jeden Einzelnen einer Gesellschaft zu Gehorsam gegenüber dem Staat und eine Ausrichtung seiner Handlungen zum Allgemeinwohl. Weiter wird in dieiustitia particularis(besondere Gerechtigkeit) unterschieden. Diese enthält wiederum dieiustitia destributiva(austeilende Gerechtigkeit) und dieiustitia retributiva(ausgleichende Gerechtigkeit). Welche wiederum in drei Unterkategorien, dieiustitia commutativa(Tauschgerechtigkeit), dieiustitia restitutiva(Wiedergutmachungsgerechtigkeit) und dieiustitia vindicativa(Strafgerechtigkeit) unterteilt werden kann.
Verwirklicht wäre demnach die Gerechtigkeit im Gemeinwesen also dem Staat, in dem alle Mitglieder der Gemeinschaft das maximale Glück erreichen können.[11]
Von Aristoteles schließlich stammen auch die ersten Gerechtigkeitslehren. In seinem fünften Buch der Ethik beschreibt er die Gerechtigkeit als Leitprinzip des Rechts und Kern des Gleichheitsgedankens. Das Gleiche sei ein Mittleres; eine Mitte aus dem Zuviel und dem Zuwenig. Somit sei auch das Recht ein Mittleres.[12]
Die Darstellungen von Platon und Aristoteles zeigen, dass die Menschen einander in einigen Beziehungen gleich und in anderen Beziehungen ungleich sind. Beide wollten Bildung als Maß für den Bezug zur Gerechtigkeit nehmen. Jedoch hatte schon Platon erkannt, dass dieses Maß letztlich alleine bei Gott liegt.[13]
Immanuel Kant (1724-1804) versteht, im Gegensatz zu Platon und Aristoteles, die Gerechtigkeit nicht mehr primär als Tugend.[14]Vielmehr ist für Kants Philosophie die Gerechtigkeit Grundlage des sittlich-moralischen Handelns und des vernünftigen Zusammenlebens innerhalb einer staatlichen Gemeinschaft. Die Gerechtigkeit dient demnach auch als Ordnungsmittel, ohne die der Mensch als höheres Wesen wertlos wäre.[15]
Aus seiner Denkschule entspringt derkategorische Imperativ, der besagt das man „so handeln soll, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte!“[16]
Demnach bedingt der kategorische Imperativ ein Sittengesetz, welches gerechtes Handeln und eine gerechte staatliche Ordnung garantiert. Ein moralischer Staat legt unparteilich Gesetze für alle fest und lenkt dadurch den Einzelnen. Folglich muss sich aber auch jeder Einzelne in seinem individuellen Willen beschränken, damit die Würde eines jeden einzelnen Menschen gewahrt werden kann.[17]Diese Würde bestimmt sich daraus, als das sie nicht in Wert oder Preis gemessen werden kann.[18]
Ausgehend von der Würde jedes Einzelnen, erhält jeder Mensch einen Anspruch auf Freiheit. Kant unterscheidet in dieFreiheit der Willkürund dieFreiheit des Willens. Hierunter soll sich entweder jeder auf eigenen Wegen sein Glück suchen (Freiheit der Willkür); oder sich selbst ein Gesetz sein (Freiheit des Willens).[19]Hierbei darf aber die Willkür nicht in Konflikt zu den einzelnen Regeln des vernünftigen Zusammenlebens geraten. Diese Gedanken Kants gelten heute im Übrigen noch in den Überlegungen zu den sogenannten Grundrechtsschranken desdeutschen Grundgesetzes fort.[20]
Ferner bedingt die Gerechtigkeit die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Aus diesem Grunde müssen, laut Kant, Urteile von Gerichten auch jeder zeitlichen Veränderung standhalten, weshalb man sie auch nicht aufheben dürfe.[21]
Kant galt als großer Freund der Individualität jedes Einzelnen, mündigen, Bürgers. Schließlich sieht er in der Übernahme von eigener Verantwortung einen großen Schritt in Richtung Gerechtigkeit. Diese Individualität gewährt Kant jedoch lange nicht jedem Menschen. Frauen und (nicht selbstständig) Beschäftigte spricht er die Mündigkeit, weil Sie von jemand anderem abhängig seien (Ehemann oder Dienstherren), kategorisch ab.[22]
Wenn auch Kants Ausführungen hierdurch nicht ganz ohne Kritik bleiben können, so ist seine weitere Bedeutung für die Philosophie - und damit der Entwicklung des Gerechtigkeitsbegriffs - unbestritten. Kant leitet ein neues Zeitalter ein, welches von der Kritik der Vernunft (nach Aristoteles) gekennzeichnet ist und die Würde jedes Einzelnen in den Vordergrund stellt.[23]
John Rawls (1921-2002) war Professor für Philosophie an der Harvard-Universität. Er wurde von einem liberalen Politikverständnis geprägt, welches jedem Menschen so viel Entscheidungsfreiheit wie möglich einräumt.[24]
In seiner Theorie greift er auf einen Urzustand (original position) zurück. In diesem Zustand haben alle Menschen eine faire Haltung. Dies bedeutet, dass jeder Mensch rational und frei sein eigenes Interesse verfolgt. Ebenso billigt er aber auch allen übrigen Menschen die individuelle Interessenverfolgung zu und akzeptiert diese.[25]
Nach Rawls werden soziale Ungleichheiten nur dann akzeptiert, wenn auch die schwächsten Mitglieder einer Gesellschaft Nutzen aus der Ihnen eingeräumten Entscheidungsfreiheit ziehen können.
Eine weitere Voraussetzung vom Urzustand nach Rawls ist derSchleier der Unwissenheit. Im Urzustand weiß kein Mensch, welche soziale Stellung oder welche Begabung er haben wird. Dies ist auch mithin gleich, denn der Mensch würde ohnehin im Urzustand, unabhängig seiner sozialen Herkunft, akzeptiert werden. Aus dieser Haltung soll ein Gesellschaftsmodell entstehen, bei der alle Gerechtigkeitsgrundsätze von jedem akzeptiert würden.
Rawls geht sogar noch einen Schritt weiter und entwickelte dasDifferenzprinzip. Hiernach muss, nach der These des Urzustands, grundsätzlich jeder damit rechnen, wirtschaftlich schlechter als die Mehrheit gestellt zu sein. Da alle Gerechtigkeitsgrundsätze von jedem akzeptiert würden, wäre es auch akzeptiert, dass das Einkommen der sozial schwächsten Gruppe entsprechend an das Einkommen aller anderen Gruppen angepasst würde.[26]
Rawls skizziert einen sozial integrierten, fairen, Bürger, der sich und seine Umwelt achtend, mit umfangreichen Freiheiten ausgestattet ist.[27]Damit verknüpft Rawls klassische liberale Theorien mit modernen Elementen.[28]
Schließlich zielen Rawls Thesen auf eine gesamtgesellschaftliche Kooperation, mit dem Ziel der Gerechtigkeit, ab. Anders als bei Kant wird hier niemand ausgeschlossen - im Gegenteil. Es werden sogar sozial Schwache wirtschaftlich aufgewertet, um gleiche Teilhabe von jedem Menschen zu ermöglichen.[29]
Mason Gaffney (*1923) ist ein bekannter US-amerikanischer Ökonom. Er gilt als Anhänger des Georgismus, benannt nach der Philosophie des Wirtschaftswissenschaftlers Henry George (1839-1897). Gaffney hatte eine Professur an der University of California (Riverside, USA) inne und ist Autor von vielen englischsprachigen Fachbüchern.
Nach seiner Philosophie könne Gerechtigkeit nur dann herrschen, wenn eine neuartige Wirtschaftsordnung etabliert würde. Ähnlich wie Rawls sollte zunächst ein freier Markt dem Gemeinwohl und dem privaten Interesse dienen.
Dies müsste mit einer Regierung zusammengeführt werden. Richtig zusammengebracht liefert diese Symbiose materiellen Wohlstand, sowie gesellschaftliche Solidarität.[30]
In dieser Ordnung könnte die gesamte Bevölkerung ohne Armut leben.
Die erste Reformbewegung auf diesem Feld wurde allerdings von Henry George begründet.
Grundsätzlich ging es um eine Reform des Einkommens, welches im Faktor Boden lag. Dies jedoch war eine Bedrohung für diejenigen, welche de facto Renten aus diesem Produktionsfaktor generieren konnten.[31]
Trotz allem Bestreben von George, Gerechtigkeit und soziale Sicherheit herzustellen, wurde er mit seinen Ideen von den führenden Industrienationen ignoriert.[32]
Schließlich war es Gaffney, der die Idee von Henry George wieder aufgriff und entscheidend erweiterte.
Die Leitlinien Gaffneys bestehen in einem Modell, welches individuelle Freiheit gewährt, aber gleichzeitig eine ehrliche Regierungsführung voraussetzt.
Er geht davon aus, dass Steuern und Abgaben zu Lasten des ökonomischen Überschusses gehen. Dieser schlägt sich in den Bodenrenten nieder. Demnach wäre eine direkte Steuer auf Renten effizient, da sie diese in den privaten Märkten um die Summe der Steuern reduziert.[33]
Gaffney belebt Themen, die so selbst von Henry George übersehen wurden. Nach George waren die Grenzen des Wachstums (Verknappung des Landes) fern. Allerdings hat sich in den letzten 150 Jahren viel verändert. Die Weltbevölkerung ist fast um das Fünffache gewachsen. Die Plünderung von Bodenschätzen führte zu Umweltzerstörungen und Klimaveränderungen. Hierdurch verknappten sich endliche Ressourcen, bei gleichzeitig spektakulären Renten für deren Inhaber.[34]
Gaffney geht, anders als Rawls, noch einen großen Schritt weiter. Er sieht nicht nur die Gerechtigkeit in einer gesamtgesellschaftlichen Kooperation, welche die Umwelt im Blick hat.
Gaffney verknüpft Ökonomie, Ökologie und eine faire Regierung, als eine Strategie für eine gerechte Weltordnung.
Trotz erheblicher verfassungsmäßiger Bedenken ist die Grundsteuer eine stabile Einnahmequelle der Gemeinden und als solche für diese unverzichtbar. Mit einem stabilen Aufkommen von aktuell ca. 13 Milliarden Euro,[35]ist sie eine Steuer die, neben der Gewerbesteuer, nur den Gemeinden zusteht.[36]
Die Grundsteuer gilt als eine der ältesten Steuern und geht bis in das Jahr 2000 vorChristus zurück.[37]
Noch vor einer Einführung der Einkommensteuer, galt sie als Hauptsteuer und blieb dies bis in das frühe 19. Jahrhundert hinein.[38]Mit zunehmendem Siedlungsbau und der Verstädterung in Deutschland beschränkte sich die Grundsteuer nicht mehr nur auf die Besteuerung des landwirtschaftlichen Bodens, sondern erstreckte sich auch auf die städtischen Gebäude und dessen Grundbesitz.[39]
Die Grundsteuer ist eineRealsteuer(§ 3 II AO) auf den Vermögensbestand bezogen, im Sinne einerSonderertragsteuer. Sie besteuert den Ertrag, welcher dem lokalen Grundbesitz entstammt und berücksichtigt die persönlichen Lebensverhältnisse des Eigentümers nicht.[40]
Ebenso wenig enthält die Konzeption der Grundsteuer persönliche Freibeträge. Auch berücksichtigt sie nicht die mit dem Grundbesitz möglicherweise zusammenhängenden monetären Schulden.[41]
Daher ist sie keine Subjekt-, sondern eineObjektsteuer.[42]
Der Gesetzgeber hat die Grundsteuer in Artikel 106 VI GG ausdrücklich als Gemeindesteuer benannt. Sie soll daher die Aufwendungen der Gemeinden für Infrastrukturleistungen auffangen, die durch die Nutzung des Grundbesitzes ausgelöst wurden.[43]
Die Grundsteuer war als Sollertragssteuer solange berechtigt, bis sie durch die Einkommensteuer, als Hauptsteuer, verdrängt wurde. Trotzdem wurde sie als solche beibehalten und führt unweigerlich zu fragwürdigen Überlagerungen und Mehrfachbelastungen desselben Einkommens.[44]
Das Bundesverfassungsgericht[45]hatte diese Sonderbelastung des Vermögens mit derFundustheoriegerechtfertigt. Hiernach sollen „fundierte“ Vermögenseinkommen belastungswürdiger sein, als „unfundierte“ Arbeitseinkommen. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass Vermögen nicht automatisch Erträge generiert. Auch ist es mit dem Zweck, den Steuerpflichtigen zu bestmöglicher Ressourcennutzung anzuhalten, unvereinbar.[46]
Dies hat das Bundesverfassungsgericht[47]zwar für die Nutzung von Humankapital gesehen; toleriert aber gleichzeitig die Sollertragsbesteuerung von Sachkapital. Hier liegt eine Diskriminierung vor, die das Schrifttum herrschendablehnt.[48]
Steuerliche Leistungsfähigkeit setze ferner Liquidität in Form der Steuerzahlung voraus. Diese sei als Zahlungsfähigkeit zu verstehen.[49]Wenn kein Ertrag generiert werden könne, wären analog hierzu auch keine liquiden Mittel vorhanden. Damit könnten dem Steuerpflichtigen, zusätzlich zur Steuerlast, weitere Nachteile entstehen. So müsse er zusätzlich beispielsweise einen Kredit nehmen. Laut der Fundustheorie würde die Fähigkeit der Steuerzahlung einfach unterstellt werden.
Demgegenüber ist die Fundustheorie, auch Leistungsfähigkeitsprinzip genannt, der oberste Vergleichsmaßstab gerechter Verteilung steuerlicher Lasten.[50]
Dieses Prinzip wird aus dem Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 I GG abgeleitet. Dieser besagt, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden muss. Folglich sollten auch zur Lastenverteilung unterschiedliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse berücksichtigt werden.
Dem Leistungsfähigkeitsprinzip würde am ehesten eine Bewertung gerecht werden, die sich am Verkehrswert orientiert.[51]
Überwiegend wird allerdings dasÄquivalenzprinzipzur Rechtfertigung der Grundsteuer herangezogen.[52]
Dieses System charakterisiert vor allem eine enge räumliche Bindung zwischen Steuergläubiger und Steuerpflichtigem.[53]Dem liegt ein Austauschgedanke zu Grunde, indem der Marktmechanismus auf das Verhältnis zwischen Bürger und Staat übertragen wird.[54]Dies bedeutet, dass die Eigentümer über die Grundsteuer einen Ausgleich für die Bereithaltung kommunaler Infrastruktur erbringen. Die Grundsteuer wird mit der Nutzung des Grundbesitzes gerechtfertigt. Dieser Überlegung entspricht es, dass die Grundsteuer mittlerweile üblicherweise auf den Mieter als Nutzer überwälzt wird.[55]
Alleine dieses Vorgehen rührt scheinbar spätestens aus den 1940er-Jahren. Schließlich gab es bereits während der 1.Legislatur des Deutschen Bundestages ein Bestreben, diese Umlegung aufzuheben; jedoch ohne Erfolg.[56]
[...]
[1] Aivanhov,Das Gesetz der Gerechtigkeit und das Gesetz der Liebe, S. 5
[2] Hauser,in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 2, S. 330
[3] Kuttner/Roßner,Recht und Gerechtigkeit, S. 30
[4] Haft,Aus der Waagschale der Justitia, S. 116
[5] Kuttner/Roßner,Recht und Gerechtigkeit, S. 30
[6] Haft,Aus der Waagschale der Justitia, S. 116
[7] sog. Nomokratie („Herrschaft des Gesetzes“)
[8] Hauser,in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 2, S. 330
[9] Hauser,in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 2, S. 330
[10] Kuttner/Roßner,Recht und Gerechtigkeit, S. 31
[11] Kuttner/Roßner,Recht und Gerechtigkeit, S. 32
[12] Haft,Aus der Waagschale der Justitia, S. 121
[13] Haft,Aus der Waagschale der Justitia, S. 122
[14]Loos,in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 2, S. 335
[15]Kuttner/Roßner,Recht und Gerechtigkeit, S. 33
[16]zitiert nach:Kuttner/Roßner,Recht und Gerechtigkeit, S. 33, Fußnote 21
[17]Ladwig,Gerechtigkeitstheorien, S. 100
[18]Holzleithner,Gerechtigkeit, S. 32
[19]Kuttner/Roßner,Recht und Gerechtigkeit, S.33
[20]Hufen,in: Freiheitsindex Deutschland 2013, S. 56
[21]Kuttner/Roßner,Recht und Gerechtigkeit, S. 33
[22]Holzleithner,Gerechtigkeit, S. 32
[23]Haft,Aus der Waagschale der Justitia, S. 142
[24]Kuttner/Roßner,Recht und Gerechtigkeit, S. 34
[25]Kuttner/Roßner,Recht und Gerechtigkeit, S. 35
[26]Kuttner/Roßner,Recht und Gerechtigkeit, S. 35
[27]Ladwig,Gerechtigkeitstheorien, S. 178
[28]Holzleithner,Gerechtigkeit, S. 40
[29]Holzleithner,Gerechtigkeit, S. 41
[30]Löhr,in: Das Ende der Rentenökonomie, S. 16
[31]Löhr,in: Das Ende der Rentenökonomie, S. 17
[32]Löhr,in: Das Ende der Rentenökonomie, S. 25
[33]Feder,in: Löhr (Hrsg.), Das Ende der Rentenökonomie, S. 42
[34]Feder,in: Löhr (Hrsg.), Das Ende der Rentenökonomie, S. 47
[35]Pressemitteilung, Statistisches Bundesamt, 26. August 2016, 296/16
[36]Mayer,Steuerrecht I, S. 129, Rn 514
[37]Seer,in: Tipke/Lang, Steuerrecht, S. 869, Rn 1
[38]Siebert,Reform der Grundsteuer, S. 17
[39]Seer,in: Tipke/Lang, Steuerrecht, S. 869, Rn 1
[40]Mayer,Steuerrecht I, S. 127, Rn 501
[41]Seer,in: Tipke/Lang, Steuerrecht, S. 869, Rn 1
[42]Mayer,Steuerrecht I, S. 127, Rn 502
[43]Mayer,Steuerrecht I, S. 127, Rn 501
[44]Seer,in: Tipke/Lang, Steuerrecht, S. 870, Rn 2
[45]BVerfGE 65, 323
[46]Hey,in: Tipke/Lang, Steuerrecht, S. 81, Rn 63
[47]BVerfGE 93, 121
[48]Hey,in: Tipke/Lang, Steuerrecht, S. 81, Rn 63;Birk/Desens/Tappe:Steuerrecht, S. 12, Rn 33
[49]Hey,in: Tipke/Lang, Steuerrecht, S. 81, Rn 64
[50]Hey,in: Tipke/Lang, Steuerrecht, S. 72, Rn 40
[51]Löhr,Wirtschaftsdienst 2011, S. 337
[52]Seer,in: Tipke/Lang, Steuerrecht, S. 870, Rn 2
[53]Hey,in: Tipke/Lang, Steuerrecht, S. 75, Rn 46
[54]Siebert, Reform der Grundsteuer, S. 33
[55]Hey,in: Tipke/Lang, Steuerrecht, S. 870, Rn 2
[56]Bundestags-Drucksache1/772 vom 27.März 1950
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