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Bachelorarbeit, 2017
56 Seiten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung, Relevanz und Aufbau der Arbeit
2 Printmedienjournalismus
2.1 Historischer Überblick 1995 bis 2015
2.2 Medien als vierte Gewalt
3 Digitaler Journalismus
3.1 Technische Grundlagen und historische Entwicklungsphasen
3.2 Besonderheiten des digitalen Journalismus
3.3 Messgrößen im digitalen Journalismus
3.4 Langjährige Fixierung der Verlage auf Werbeumsätze
3.5 Nachhaltige Enttäuschung über Werbeumsätze
3.6 Einstellungen und Verhaltensweisen des Publikums
4 Handlungsmöglichkeiten der Verlage
4.1 Print weiter pflegen und innovative Titel einführen
4.2 Alle Erlösquellen für digitalen Journalismus erschließen
4.3 Zusätzliche Nachfrage durch Internationalisierung erschließen
4.4 In Journalismus-ferne Geschäftsfelder investieren
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Index der Verbraucherpreise
Abbildung 2: Nettowerbeumsätze Presse und Online/Mobil
Abbildung 3: Veränderung der Nettowerbeumsätze gegen Vorjahr
Abbildung 4: Anzeigen- und Vertriebsumsätze der Zeitungen
Abbildung 5: Verkaufte Auflage der Nachrichtenmagazine
Abbildung 6: Visits bei „Spiegel online“ von Oktober 2015 bis Oktober 2016
Abbildung 7: Unique User journalistischer Angebote im August 2016
Abbildung 8: Regelmäßige, gewohnheitsmäßige Information
Abbildung 9: Bedarfsgesteuerte ad-hoc-lnformation
Zeitungen und Zeitschriften sind periodisch erscheinende Druckwerke mit informativen und unterhaltenden Inhalten, von Journalisten erstellt und von Verlagen herausgegeben (Pürer, H./Raabe, ป., 2007, S. 9). Nach einer langen Zeit der relativ stetigen evolutionären Entwicklung in der „Gutenberg-Ära“ - die ersten deutschen Zeitungen erschienen zu Beginn des 17. Jahrhunderts (Böhn, A./Seidler, A., 2008, S. 61) - hat die digitale Technik einen grundlegenden Strukturwandel ausgelöst.
Unstrittig ist in Wissenschaft und Praxis, dass die journalistische Ethik und die Grundregeln des journalistischen Handwerks unabhängig von der Technik gelten sollten. Das maßgebliche Regelwerk bilden in Deutschland die „Publizistischen Grundsätze“, kurz „Pressekodex“ genannt. Sie wurden erstmals im Jahr 1973 vom Deutschen Presserat veröffentlicht und gelten seit 2009 ausdrücklich auch für den digitalen Journalismus. Der Presserat ist eine Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle, die paritätisch von den Verlegerverbänden und Journalistengewerkschaften getragen wird.[1]
Schon vor gut zwei Jahrzehnten starteten die ersten Angebote von Zeitungen und Zeitschriften im Internet. Angesichts dessen ist bemerkenswert, dass Aussagen von Journalisten und Verlegern noch immer von eigenartigen Widersprüchen geprägt sind. Auf der einen Seite gibt es große Begeisterung über neue Möglichkeiten der redaktionellen Arbeit in der digitalen Welt, über steigende Reichweiten, jederzeit abrufbare Informationen und Partizipationsmöglichkeiten des Publikums. Dem Journalismus sagen manche sogar ein „goldenen Zeitalter“ voraus (Blau, 2010, S. 138 sowie Schulz, 2016, S. 48). Auf der anderen Seite wird Stellenabbau beklagt, gibt es ständige „Sparrunden“ in den Verlagen und die Einstellung von Titeln wie zum Beispiel der „Financial Times Deutschland“ im Jahr 2012. Ein führender österreichischer Journalist veröffentlichte in Buchform sogar schon einen provokanten „Nachruf“ auf die Zeitung (Fleischhacker, 2014).
Es handelt sich นทา einen scheinbaren Widerspruch, der schnell aufzulösen ist: Die optimistischen stimmen stellen auf faszinierende technische Möglichkeiten der Digitalisierung ab. Wer sich pessimistisch äußert, denkt hingegen an die ökonomischen Zwänge, denkt daran, dass die meisten digitalen Verlagsprodukte finanzielle Verluste produzieren. Oft können diese Verluste noch mit Gewinnen aus dem Printgeschäft ausgeglichen werden. Doch das Printgeschäft der Zeitungsund Zeitschriftenverlage schrumpft infolge der Digitalisierung.
Das Dilemma der Verlage lässt sich also kurz so beschreiben: Ihre Verlust bringenden arbeitenden digitalen Produkte Stoßen auf wachsende Resonanz in der Bevölkerung und drängen die noch rentabel arbeitenden Printprodukte zurück - langsam, aber sicher. Welche Handlungsmöglichkeiten haben die Verlage angesichts dieser Konstellation, wenn sie auch in der längerfristigen Zukunft noch unabhängigen Journalismus anbieten wollen?
Das Ziel der Arbeit ist es, die oben aufgeworfene Frage nach einer Chance und den Handlungsoptionen zu beantworten, die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage im Zuge der digitalen Transformation haben. Die Relevanz dieser Frage kann zum einen schon aus der beträchtlichen wirtschaftlichen Bedeutung der Verlage abgeleitet werden, über die Größenordnungen in Deutschland geben die beiden Branchenverbände Auskunft, der VDZ für Zeitschriften und der BDZV für Zeitungen:
Die im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) organisierten Verlage beschäftigen 60.000 Mitarbeiter und erzielten 2015 einen Gesamtumsatz von 14,7 Milliarden Euro. Das Kerngeschäft ist Print mit einem Anteil von 60 Prozent. 18 Prozent entfallen auf das Digitalgeschäft und 22 Prozent auf sonstige Geschäfte. Die Zahl der Publikumszeitschriften mit mindestens vierteljährlichem Erscheinen belief sich im 1. Quartal 2016 auf 1.589 (VDZ, 2016).
Dem BDZV gehören 281 Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von 13,7 Millionen Verkaufsexemplaren an sowie 13 Wochenzeitungen mit rund einer Million verkauften Exemplaren. Mit Zeitungsverkauf und Printwerbung setzten die Verlage 2015 rund 7,6 Milliarden Euro um (BDZV, 2016, S. 7).
Zum anderen ergibt sich die Relevanz der Fragestellung aus der Funktion, die der unabhängige Journalismus als „vierte Gewalt“ für die freie Meinungsbildung und eine funktionsfähige Demokratie hat. „Ohne die Vermittlung durch journalistisch aufbereitete Informationen wäre politische Meinungsbildung in komplexen Gesellschaften nicht möglich“, stellt der Medienwissenschaftler Stefan Münker fest (Münker, 2009, S. 121).
Vor der Frage nach den Handlungsoptionen muss zunächst eine Bestandsaufnahme stehen, eine Ist-Analyse: Wie hat das Zusammenwirken von technischer Innovation und ökonomischem Strukturwandel zu der jetzigen Situation geführt? Dazu beschreibt Abschnitt 2 den allmählichen Schrumpfprozess, dem der Printjournalismus ausgesetzt ist, und Abschnitt 3 untersucht die Entwicklung des digitalen Journalismus. Welche Handlungsoptionen die Verlage haben, wird in Abschnitt 4 diskutiert. Im abschließenden Abschnitt 5 gilt es, ein kurzes Fazit zu ziehen und einen Ausblick zu geben. Die Betrachtung konzentriert sich auf den deutschen Markt. Auf markante Entwicklungen bei großen internationalen Medienmarken, die in Deutschland oft als Vorbilder dienen, wird punktuell hingewiesen.
Unter „Printmedien“ bzw. „Presse“ sollen im Folgenden Zeitungen und Publikumszeitschriften verstanden werden. Einige kleinere Segmente (Fachzeitschriften, konfessionelle Presse, Kundenzeitschriften) werden ausgeklammert. Sie weisen Besonderheiten auf, deren Berücksichtigung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.
Den Zenit ihrer Auflagen und Reichweiten hatten manche Printmedien und speziell die Tageszeitungen schon überschritten als 1994 die ersten Verlagsseiten im Internet starteten. Negativtrends lassen sich demnach nicht allein auf die Digitalisierung zurückführen (Haller, 2014, S. 55). Andere Einflussfaktoren waren die Einführung des Privatfernsehens im Jahr 1984 (Fleischhacker, 2014, S. 117), die zunehmende Mobilität, die Individualisierung der Lebensstile und der Trend zu Single-Haushalten, der dem Abonnement nicht förderlich gewesen sein dürfte (Pürer, H./Raabe, ป., 2007, S. 319f).
Betrachtet man die Presse als Ganzes, so lassen sich anhand der Daten für die Zeit von 1995 bis 2015 einige übergreifende Entwicklungen beobachten.
Die Verkaufsauflagen sind kontinuierlich geschrumpft. Zwischen 1995 und 2015 sank die verkaufte Auflage bei Publikumszeitschriften um 21 Prozent und bei Tageszeitungen um 39 Prozent (ZAW, 2016, S. 268 น. 294).[2] Um den Effekt auf die Umsätze im Vertrieb zu begrenzen, erhöhte man die Preise stärker als es der allgemeinen Verbraucherpreisentwicklung entsprochen hätte. Die Verlage hoben die Preise für Zeitungen und Zeitschriften im Einzelverkauf und im Abonnement zwischen 1995 und 2015 um 96 Prozent an, während die Verbraucherpreise insgesamt nur um 33 Prozent stiegen (Abb.1). Möglicherweise beschleunigten die Verlage mit dieser Preispolitik ungewollt die Abwanderung von Käufern und Lesern ins Internet. Denn während die Verlage für Print höhere Preise verlangten, boten sie im Internet eine wachsende Menge von Inhalten gratis an. Teilweise wurden in Print und Online dieselben Texte veröffentlicht. Die Übernahme von Printtexten „durch das Gratismedium Online (bedeutete) eine indirekte Abwertung des Bezahlmediums Zeitung“ (Haller, 2014, S. 77). In anderen Ländern verlief die Entwicklung ähnlich wie in Deutschland. Die Zeitungen „haben sich ruiniert, indem sie im Internet gegen sich selbst konkurriert haben“, zitiert Stephan Ruß-Mohl das Urteil des amerikanischen Medienexperten John McManus (Ruß-Mohl, 2009, S. 195).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 17, Reihe 7 (Daten wurden neu basiert auf das Jahr 1995)
Eine Zeitreihe für die Vertriebsumsätze der gesamten Presse steht, soweit erkennbar, nicht zur Verfügung. Die Daten für Zeitungen (Details folgen in Abschnitt 2.1.1) weisen darauf hin, dass die Vertriebsumsätze zumindest zeitweise durch die starken Preiserhöhungen stabilisiert werden konnten und dass der Anteil der Vertriebsumsätze an den Gesamtumsätzen im Zeitverlauf stieg. Wahrscheinlich gelten diese Tendenzen des Zeitungsbereichs auch für die Presse insgesamt.
Werbeumsätze bilden die zweite finanzielle Säule der Presseverlage. Die Netto- werbeumsätze der Zeitungen und Publikumszeitschriften wuchsen in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zunächst noch kräftig an, folgen aber seit dem Jahr 2000 einem Abwärtstrend, für den ein Ende nicht abzusehen ist (Abb. 2). Diese Daten stammen vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Der ZAW veröffentlicht auch Zahlen über die steigende Online- und Mobilwerbung. Dabei handelt es sich ausschließlich um Display-Werbung, in Deutschland auch Bannerwerbung genannt. Darunter ist in Abgrenzung zur textbasierten Suchwortwerbung (der Haupteinnahmequelle von Google) die „Online-Werbung mittels grafischer Werbemittel“ zu verstehen, „bei denen neben Text auch Elemente wie Animationen, Bilder oder Videos eingesetzt werden können“.[3]
Diese Werbegelder fließen nur zum Teil in die Kassen der Verlage. An ihnen partizipieren neben den Websites der Verlage auch reichweitenstarke Online-Portale wie T-Online oder Web.de, außerdem die Sites von TV-Sendern wie RTL oder ProSieben und publizistische Angebote wie die „Huffington Post“, die keine Wurzeln in der Verlagsbranche haben. Doch selbst wenn den Presseverlagen die Einnahmen aus der Display-Werbung komplett zu Gute kommen würden, sähe ihre längerfristige finanzielle Perspektive bedrohlich aus. Denn die deutsche Presse verliert in den letzten Jahren stets mehr an Werbeumsatz gegenüber dem Vorjahr als die gesamte Display-Werbung online und mobil hinzugewinnt. Im Jahr 2015 büßten die Zeitungen und Zeitschriften gegenüber dem Vorjahr Werbeumsätze in Höhe von 304 Millionen Euro ein, während der gesamte Zuwachs der digitalen Display-Werbung sich auf nur 81 Millionen Euro belief. (Abb. 3).
Abbildung 2: Nettowerbeumsätze Presse und Online/Mobil
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
[1] Der Pressekodex und alle Informationen zum Presserat können im Internet unter www.presserat.de abgerufen werden.
[2] Es handelt sich jeweils um solche Titel, die der IVW-Auflagenprüfung unterliegen. Der ZAW (Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft) veröffentlicht in seinem Jahrbuch lange Zeitreihen auf Basis der IVW- Daten für das vierte Quartal eines jeden Jahres..
[3] Diese Definition stammt aus dem Glossar der AGOF. Es ist zu finden unter AGOF.de.