Bachelorarbeit, 2016
35 Seiten, Note: 1,7
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Geschichte des ErbStG
3. Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht
3.1 Behandlung von Betriebsvermögen im ErbStG
3.2 Verfassungswidrigkeit der §§ 13a, 13b und 19 Abs. 1 ErbStG
4. Vergleich verschiedener Reformvorschläge
4.1 Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 7. August 2015
4.2 Reformvorschlag des IMK
4.3 Reformvorschlag von Houben & Maiterth
5. Kritische Beurteilung
6. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mit dem Urteil vom 17. Dezember 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die Behandlung von Betriebsvermögen, gemäß §§ 13a, 13b und 19 Abs. 1 ErbStG, für verfassungswidrig erklärt. Dies ist nach den Urteilen vom 22. Juni 1995 und dem 7. November 2006 bereits das dritte Mal innerhalb von weniger als 20 Jahren, dass die jeweils geltende Ausgestaltung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes für gleichheits- und verfassungswidrig erklärt wurde.
In dieser Arbeit wird erläutert, weshalb die Behandlung von Betriebsvermögen im aktuellen ErbStG als verfassungswidrig eingestuft wurde, wie eine Neuregelung des Gesetzes ausgestaltet werden könnte und ob es ökonomisch sinnvoll ist, eine umfangreiche Begünstigung von Betriebsvermögen im ErbStR weiterhin vorzunehmen.
Um dies zu beantworten, wird zunächst ein Überblick über die Entstehungsgeschichte des ErbStG gegeben und anschließend erfolgt die Erläuterung der wichtigsten Paragraphen des aktuellen ErbStG. Darauf folgend wird die Behandlung von Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht erklärt und auf die verfassungswidrige Begünstigung, auf die sich das Urteil des BVerfG vom 17. Dezember 2014 bezieht, eingegangen. Im weiteren Verlauf werden verschiedene Reformvorschläge für ein neues ErbStG dargestellt, anhand derer sich zeigen wird, dass von einer nur leichten Modifikation der aktuellen Fassung, einer starken Begrenzung der Begünstigungen bis hin zu einer kompletten Abschaffung der Steuerbefreiungen unterschiedliche Ansätze möglich sind um das ErbStG an die aktuelle Rechtsprechung anzupassen. In der kritischen Beurteilung wird vor allem auf mögliche Liquiditätseffekte eingegangen, welche durch die Abschaffung der Steuerbefreiungen entstehen können. Ebenfalls wird erläutert, durch welche Indikatoren die zukünftige Ausgestaltung des ErbStG bestimmt wird und ob es gesamtwirtschaftlich effizient ist die Verschonung von Familienunternehmen im ErbStG beizubehalten. In einem abschließenden Fazit erfolgt die Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen und in einem Ausblick wird die Frage beantwortet, ob zu erwarten ist, dass die Bundesregierung bis zu der gesetzten Frist vom 30. Juni 2016 ein neues ErbStG verabschieden wird. Auch wird thematisiert, welche Folgen bei Nichteinhalten dieser Frist drohen.
Die Erbschaftsteuer ist eine der ältesten nachweisbaren Steuern weltweit. Ihr erster Beleg datiert aus dem Jahr 117 v. Ch. im alten Ägypten als so genannte Besitzwechselabgabe.[1] Die ersten Überlegungen in Richtung einer ErbSt im deutschsprachigen Raum stammen aus dem 16. Jahrhundert, veranlasst durch die entstandene Finanznot aufgrund der Türkenkriege. Zu einer Einführung kam es damals jedoch nicht.[2] Resultierend aus der hohen Verschuldung vieler Länder kam es Ende des 19. Jahrhunderts zu einer europaweiten Einführung, bzw. zur weiteren Ausgestaltung der ErbSt.[3] Die rechtliche Ausgestaltung war aber in den einzelnen deutschen Ländern sehr unterschiedlich. 1873 führte Preußen das erste moderne ErbStG ein, eine einheitliche Einführung im gesamten deutschen Reich scheiterte jedoch am jeweils unterschiedlichen bürgerlichen Recht.[4] Durch die Einführung eines Bürgerlichen Gesetzbuches mit einem Geltungsbereich für das gesamte deutsch Reich im Jahr 1896 wurde die letzte Barriere überwunden und am 03. Juni 1906 das Reichserbschaftsteuergesetz eingeführt (RGBl. 1906, S. 654). Die Strukturen des damaligen Gesetzes sind im heutigen ErbStG noch erkennbar. So richteten sich bspw. auch damals schon die Freibeträge und Steuersätze nach dem Grad der Verwandtschaft und der zu versteuernde Betrag richtete sich nach dem Wert des Erbanfalls. Außerdem waren auch damals schon Ausnahmen für landwirtschaftlichen Besitz vorhanden.
Nach dem 1. Weltkrieg wurde am 10. September 1919 ein neues Erbschaftsteuergesetz verabschiedet, dessen größte Änderung die Nachlasssteuer war, welche vorab auf den Nachlass entrichtet werden musste und ergänzend zur Erbanfallsteuer ausgestaltet wurde.[5] Diese überhöhte Besteuerung wurde aber bereits 1922 wieder abgeschafft. Um die fehlenden Steuereinnahmen wieder auszugleichen, wurde jedoch gleichzeitig eine Vermögensteuer eingeführt (RGBl. 1922, S. 335). Das ErbStG 1919 wurde durch das ErbStG 1925 abgelöst, welches die Steuerfreiheit des Ehegattenerwerbs auf die Fälle beschränkte, in denen „Abkömmlinge“ aus der Ehe hervorgegangen waren (RGBl. I 1925, S. 320). Vor allem aber änderte sich der Steuertarif. Die Steuertarife wurden von sechs auf fünf gekürzt und es erfolgte die Einführung leicht niedrigerer Steuersätze. In den Folgejahren gab es eine Vielzahl von Änderungen des ErbStG, insbesondere im Hinblick auf die Steuerpflicht des Erwerbs von Ehegatten und Kindern sowie die Tarife. Das ErbStG war aber von 1925 in verschiedenen Fassungen bis zum 31.12.1973 geltendes Recht.[6]
Mit Gesetz vom 17. April 1974 (BGBl. I 1974, S. 933) wurde rückwirkend zum 1. Januar 1974 ein neues ErbStG in Kraft gesetzt und damit eine grundlegende Reform geschaffen. Mit der Neuregelung sollte die Steuergerechtigkeit gefördert und eine Vereinfachung der Besteuerungspraxis erreicht werden. Eine Vereinfachung sollte vor allem durch zusätzliche Freibeträge bei kleinen Erwerben im Familienkreis erzielt werden. Für die Förderung der Steuergerechtigkeit wurden größere Erwerbe außerhalb der Familie stärker belastet. Die Bestimmungen dieses Gesetzes bilden bis heute den wesentlichen Bestand des geltenden ErbStR. Im Rahmen der Wiedervereinigung wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1991 für das ErbStG ein neues Rechtsgebiet hergestellt, welches auch die Gebiete der ehemaligen DDR umfasste (BGBl. II 1990, S. 518).
Im Jahr 1992 kam es durch das Steueränderungsgesetz (BGBl. I 1992, S. 298) zu einer Neuregelung der Betriebsvermögensbewertung, welche verdeutlichte, dass durch Änderungen im BewG auch Änderungen im ErbStR, ohne Eingriff in den Text des ErbStG selbst, herbeigeführt werden können. An die Stelle der Werte für die Vermögensaufstellung wurden damals die Bilanzsteuerwerte gesetzt (§ 12 Abs. 5 iVm §§ 99 Abs. 1, 109 Abs. 1 BewG). Dadurch sollte eine Vereinfachung des Rechnungswesens und zeitgleich eine deutliche Entlastung der Betriebsvermögen erreicht werden.[7]
Das ErbStG wurde bis heute mehrfach durch verschiedene BVerfG Urteile für verfassungswidrig erklärt. Ein damit verbundener wichtiger Reformschritt war die Änderung des ErbStG durch das Jahressteuergesetz 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I 1996, S. 2049-2055). In der Entscheidung vom BVerfG vom 22. Juni 1995 wurde die ungleiche Bewertung von Grundbesitz und Kapitalvermögen im ErbStR beanstandet.[8] Die Neuregelung kürzte die bisherigen vier Steuertarife auf drei und reduzierte dabei die Zahl der Steuerstufen. Außerdem wurden die Freibeträge für nahe Angehörige erhöht und in den §§ 13a und 19a ErbStG Verschonungsregeln für den Erwerb von Betriebsvermögen eingeführt. § 13a ErbStG wurde jedoch mit dem Urteil vom 17. Dezember 2014 des BVerfG für verfassungswidrig erklärt, die Gründe werden in Kapitel 3 näher erläutert. Außerdem wurde durch die Neufassung des BewG die Grundbesitzbewertung nun die durch die §§ 138ff BewG deutlich angehobenen Bedarfswerte verwendet.
Mit dem Urteil vom 7. November 2006 (BStBl. II 2007, S. 192) wurden die Bewertungsvorschriften für Betriebsvermögen, Gesellschaftsanteile, Grundbesitz und LuF Vermögen verworfen und eine klare Trennung von Bewertungs- und Verschonungsregeln verlangt. Außerdem sollten Begünstigungen zielgenauer formuliert und durch Gemeinwohlgründe gerechtfertigt werden. Mit dem Erlass des ErbStRG vom 24. Dezember 2008 (BGBl. 2008, S. 3018) hat der Gesetzgeber versucht, die Reformziele (Entlastung der mittelständischen Wirtschaft und Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben) umzusetzen, indem sich die Wertansätze für Betriebsvermögen, Gesellschaftsanteile, Grundbesitz und luf Vermögen nun am gemeinen Wert orientierten. An die Stelle des Freibetrags und des Bewertungsabschlags nach § 13a ErbStG a. F. traten ein Verschonungsabschlag von 85 Prozent bzw. 100 Prozent (siehe Kapitel 3) und ein Abzugsbetrag von 150.000 Euro. Außerdem wurden die Voraussetzungen für den Verschonungsabschlag durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22. Dezember 2009 (BGBl. I 2009, S. 3950) noch wesentlich abgemildert.
Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (BGBl. I S. 378), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 2. November 2015 (BGBl. I S. 1834) ist untergliedert in die Abschnitte Steuerpflicht (§§ 1-9 ErbStG), Werteermittlung (§§ 10-13c ErbStG), Berechnung der Steuer (§§ 14-19a ErbStG), Steuerfestsetzung und Erhebung (§§ 20-35 ErbStG), sowie Ermächtigungs- und Schlussvorschriften (§§ 36-37a ErbStG). Nach § 1 Abs. 1 ErbStG unterliegen der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) der Erwerb von Todes wegen, die Schenkung unter Lebenden, die Zweckzuwendungen und unter bestimmten Voraussetzungen das Vermögen einer Stiftung und eines Vereins (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Nach § 2 ErbStG muss der Erblasser, der Schenker oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ein Inländer sein, damit unbeschränkte Steuerpflicht gilt. Ist dies nicht der Fall, liegt aber Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG vor, greift die beschränkte Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG).
Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§ 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG). Außerdem richtet sich die Bewertung, soweit in § 12 Abs. 2 bis 7 ErbStG nicht etwas anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des ersten Teils des BewG (§ 12 Abs. 1 S. 1 ErbStG). In § 13 ErbStG sind verschiedene persönliche Steuerbefreiungen aufgeführt, der Hauptteil dieser Arbeit beschäftigt sich aber mit den Paragraphen §§ 13a und 13b ErbStG, in denen die Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften geregelt ist. Der Fokus liegt hierbei auf den Betriebsvermögen. Die Steuersätze, unterteilt in Steuerklassen nach § 15 ErbStG, sind in § 19 ErbstG festgelegt. Zusätzlich gelten Freibeträge für den Erwerb (§§ 16, 17 ErbStG).
Nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG steht das Steueraufkommen der Erbschaftsteuer den Ländern zu und wird nach Art. 108 Abs. 2 GG durch die Landesfinanzbehörden verwaltet.
Außerdem ist die Erbschaftsteuer nach dem BFH-Urteil vom 30.11.2011 (II B 60/11) eine Verkehrsteuer. Das Erbschaftsteueraufkommen war im Jahr 2015 mit 6,29 Milliarden Euro die Landessteuer mit dem zweithöchsten Steueraufkommen. Nur die Grunderwerbsteuer wies ein höheres Aufkommen, in Höhe von 11,25 Milliarden, auf.[9],[10]
Die Erbschaftsteuer gilt heute als bevorzugtes steuerliches Verteilungsinstrument, da sie eine Steuer auf leistungslose Vermögenszuwachse ist und damit auch unter Gesichtspunkten der Verteilungsgerechtigkeit besonders legitimiert ist. Durch progressive Steuertarife in der ErbSt wird das Ziel der Umverteilung auch in der steuerpolitischen Praxis deutlich.[11]
Nachdem ein Überblick über die Entstehung und entscheidenden Reformen des ErbStG gegeben wurde, behandelt Kapitel 3 nun die Behandlung von Betriebsvermögen im ErbStG und beschreibt das Urteil und die Urteilsbegründung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der aktuellen Behandlung von Betriebsvermögen.
Die Steuerbegünstigungen für Betriebsvermögen sind nach §§ 13a und 13b ErbStG bestimmt.[12] Nach § 13a Abs. 1 ErbStG iVm § 13b Abs. 1 ErbStG bleiben 85 Prozent des Werts von Betriebsvermögen außer Ansatz, dies ist der Verschonungsabschlag nach dem Grundmodell. Ein Verschonungsabschlag ist laut Definition „das Recht, den Wert eines begünstigten Vermögenserwerbs bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer durch einen Gegenposten zu neutralisieren und so im Ergebnis „außer Ansatz“ zu lassen“.[13] Nach § 13a Abs. 1 ErbStG bleibt das begünstigte Vermögen „insgesamt“ außer Ansatz, gleichzeitig wird jedoch auf § 13b Abs. 4 ErbStG verwiesen, welcher eine 85 Prozent Grenze zieht. Es ist also eine Begünstigung von 85 Prozent gemeint, die Wortwahl dieses Paragraphen kann daher als unglücklich bezeichnet werden. Voraussetzung für die Gewährung des Verschonungsabschlags ist, dass die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen des Betriebs innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb insgesamt 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (Mindestlohnsumme).[14] Die Ausgangslohnsumme ist hierbei der Durchschnitt der Lohnsummen der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer endenden Wirtschaftsjahre. Dies gilt aber nur, solang die Ausgangslohnsumme nicht 0 Euro beträgt und der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte aufweist. Zusätzlich dürfen während der Behaltensfrist von fünf Jahren nach § 13a Abs. 5 ErbStG fünf weitere Bedingungen nicht verletzt werden, so würde bspw. die Veräußerung eines Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs zur Nachversteuerung führen (§ 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG). Die letzte Voraussetzung für den Verschonungsabschlag ist, dass das Verwaltungsvermögen maximal 50 Prozent des Gesamtvermögens ausmachen darf. Verwaltungsvermögen ist dabei Vermögen, welches lediglich zur Renditeerzielung genutzt wird, bspw. zur Nutzung überlassene Grundstücke an Dritte oder auch Kunstgegenstände, solange der Handel dieser oder deren Verarbeitung nicht Hauptzweck des Unternehmens sind (§ 13b Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5 ErbStG).
Außerdem können nach § 13a Abs. 8 ErbStG sogar 100 Prozent des Betriebsvermögens außer Ansatz bleiben (Optionsmodell). Hierzu müssen jedoch verschärfte Bedingungen erfüllt werden. Die Lohnsummenfrist sowie die Behaltensfrist werden von fünf auf sieben Jahre erhöht und die maßgebende Lohnsumme steigt von 400 auf 700 Prozent. Außerdem darf das Verwaltungsvermögen, gemäß § 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG, maximal zehn Prozent, anstatt 50 Prozent, betragen.
Der Verschonungsabschlag wird ohne Einschränkungen jedem Steuerpflichtigen gewährt und muss nicht beantragt werden, sondern wird von Amts wegen berücksichtigt. Die Lohnsummenstabilität (§ 13a Abs. 1 S. 2-5 ErbStG) sei dabei laut Gesetzgeber als Voraussetzung für die Steuerbefreiung festgelegt. Diese Aussage ist jedoch missverständlich, da der Verschonungsabschlag von Amts wegen sofort berücksichtigt und gewährt wird, bevor geprüft werden kann, ob diese nach fünf Jahren eingehalten wurde. Hier zeigt sich, dass die Lohnsumme nicht die Voraussetzung für die Steuerbegünstigung ist, sondern das Nichteinhalten dieser die Voraussetzung für die Kürzung oder den Wegfall des Verschonungsabschlags darstellt.[15] Der Paragraph weist aber auch inhaltliche Lücken auf, da nicht geregelt ist, was geschieht, wenn das Optionsmodell beantragt wird, die Bedingungen jedoch verfehlt werden. Dabei stellt vor allem die Begrenzung des Verwaltungsvermögens von 50 auf zehn Prozent eine große Hürde dar, die überwunden werden muss. Es sollte jedoch davon ausgegangen werden, dass, im Falle der Nichteinhaltung dieser Grenze, das Finanzamt die Option als nichtig ansieht und das Grundmodell greift. Da das Ziel dieses Paragraphen die Verschonung von Betriebsvermögen und damit den Schutz von Arbeitsplätzen vorsieht, wäre es eine Fehlinterpretation die Begünstigung völlig entfallen zu lassen, wenn die Voraussetzungen des Optionsmodells verfehlt werden.[16]
In § 13a Abs. 2 ErbStG ist außerdem ein Abzugsbetrag von 150.000 Euro festgelegt, welcher Vermögen, die nicht zum begünstigten Vermögen nach § 13b Abs. 1 ErbStG gehören, außer Ansatz stellt. Wenn dieses Vermögen mehr als 150.000 Euro beträgt, verringert sich dieser Betrag jedoch um 50 Prozent des diese Wertgrenze übersteigenden Betrags. Außerdem kann der Abzugsbetrag nur einmal innerhalb von zehn Jahren für anfallende Erwerbe einer Person berücksichtigt werden. Sowohl der Verschonungsabschlag als auch der Abzugsbetrag entfallen, soweit der Erwerber begünstigtes Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers oder Schenkers auf einen Dritten übertragen muss. Gleiches gilt für die Übertragung von begünstigtem Vermögen im Rahmen der Teilung auf Miterben (§ 13a Abs. 3 ErbStG). Der Wert des begünstigten Vermögens, welches ein Dritter im Rahmen der Teilung erhält, erhöht sich, wenn der Dritte selber nicht begünstigtes Vermögen hingibt. Und zwar um den Wert des hingegebenen Vermögens, maximal jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens (§ 13b Abs. 3 ErbStG).
Nach § 13b Abs. 1 ist festgelegt, welche Wirtschaftsgüter zum begünstigten Vermögen gehören. Dies sind der inländische Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (gem. § 168 Abs. 1 Nr. 1 BewG), inländische Betriebsvermögen (gem. §§ 95 bis 97 BewG) und Anteile an Kapitalgesellschaften bei 25 Prozent Mindestbeteiligung.
Zusätzlich existiert noch eine Tarifbegrenzung für Personen der Steuerklassen II und III beim Erwerb von Betriebsvermögen nach § 19a Abs. 1 ErbStG. In diesem Fall wird ein Entlastungsbetrag nach § 19a Abs. 4 ErbStG gebildet und von der tariflichen Erbschaftsteuer abgezogen.
Nach § 28 ErbStG kann die auf den Erwerb von Betriebsvermögen anfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu 10 Jahre gestundet werden, wenn dies zum Erhalt des Betriebs notwendig ist. Bei Erwerb von Todes wegen ist diese Stundung zinslos.
Mit dem Urteil vom 17. Dezember 2014 hat das BVerfG die §§ 13a, 13b und 19 Abs. 1 ErbStG für verfassungswidrig erklärt und der Bundesregierung den Auftrag erteilt, eine Neuregelung dieser Paragraphen bis zum 30. Juni 2016 zu treffen.[17] Diese Vorgabe konnte bis heute jedoch nicht erfüllt werden und es ist zu erwarten, dass diese Frist verpasst wird.[18]
In der Urteilsbegründung erklärt das BVerfG die steuerliche Privilegierung von kleinen und mittleren Betrieben, welche in personaler Verantwortung geführt werden, für verfassungskonform, da bei diesen sonst durch die Erbschaftsteuerlast Arbeitsplätze gefährdet sein könnten. Der Gesetzgeber soll nicht daran gehindert werden, mit Hilfe des Steuerrechts außerfiskalische Förderziele zu verfolgen. Weil aber auch große Unternehmen in den Genuss dieser steuerlichen Begünstigungen kommen, ohne dass eine Bedarfsprüfung durchgeführt wird, besteht ein verfassungswidriger Vorgang, der gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
Die Verschonungsregeln sind also nicht per se verfassungswidrig, der Gesetzgeber soll weiterhin einen Gestaltungsspielraum behalten, jedoch ist die konkrete Ausgestaltung zu korrigieren und Ausnahmen von der Besteuerung stichhaltig zu begründen. Das BVerfG führt weiter aus, dass die Verschonungsregeln zur Ungleichbehandlung der Erwerber betrieblichen und nicht betrieblichen Vermögens führen. Hinzu kommen Abschläge wie der Abzugsbetrag, gem. § 13a Abs. 2 ErbStG und die generelle Anwendung der günstigeren Steuerklasse, gem. § 19a Abs. 1 ErbStG, die diese Ungerechtigkeit weiter fördern. Die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil von maximal 50 Prozent ist ebenfalls unverhältnismäßig. Fast 90 Prozent der Betriebe in Deutschland haben nicht mehr als 20 Beschäftigte, daher verfolgt diese Regelung insbesondere das Ziel der Verwaltungsvereinfachung. Dieser Aufwand ist jedoch nicht so hoch, als das eine fast flächendeckende Freistellung zu rechtfertigen wäre. Ebenfalls ist die Grenze von 50 Prozent zulässigen Verwaltungsvermögens zu hoch gesetzt und ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund ist nicht erkennbar. Zusätzlich lassen laut Urteilsbegründung §§ 13a und 13b ErbStG auch Gestaltungen zu, die zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung führen. So kann bspw. durch Betriebsaufspaltung in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft auch ein Betrieb mit mehr als 20 Beschäftigten die Lohnsummenpflicht nach § 13a Abs. 1 S. 4 ErbStG umgehen.[19]
§ 19 Abs. 1 ErbStG sei in seiner Ausführung, mit der Gleichstellung von Personen der Steuerklassen II und III zwar verfassungsrechtlich hinzunehmen, in Verbindung mit den Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG aber ebenfalls verfassungswidrig. Die Entscheidung fiel sowohl im Urteil als auch in der Begründung einstimmig aus.
Bis zum Inkrafttreten der Neuregelung, spätestens zum 30. Juni 2016, soll die derzeitige materiell-rechtlich verfassungswidrige Regelung aber übergangsweise fortgelten.
Im Folgenden werden nun drei unterschiedliche Vorschläge zur Reformierung der Betriebsvermögensbegünstigung im ErbStG vorgestellt. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung werden dabei die verfassungswidrigen Teile des ErbStG nur „minimalinvasiv“[20] geändert und durch einen neuen § 13c ErbStG ergänzt. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) orientiert sich an diesem Vorschlag, schlägt jedoch stärkere Beschränkungen für die steuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen vor und Prof. Dr. Houben und Prof. Dr. Maiterth empfehlen eine drastische Kürzung, indem sie sämtliche sachlichen Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen für Betriebsvermögen aus dem Gesetz streichen.
Am 7. August 2015 hat das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beschlossen. Als Vorlage diente der Referentenentwurf des BMF vom 1. Juni 2015, welcher die Grundstrukturen der §§ 13a und 13b ErbStG beibehält. Das Ziel war eine minimalinvasive und aufkommensneutrale Lösung.
Zunächst wurden die §§ 13c, 13d und 28a ErbStGE neu eingefügt.[21] Die Angabe zu § 13c ErbStGE lautet „Verschonungsabschlag bei Großerwerben von begünstigtem Vermögen“, die Angabe zu § 13d ErbStGE: „Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke“ und die Angabe zu § 28a ErbStGE lautet „Verschonungsbedarfsprüfung“. Um das ErbStG gemäß den Beanstandungen des BVerfG zu korrigieren, erfolgt im Gesetzesentwurf eine Positivdefinition des begünstigten Vermögens, im Gegensatz zur Negativdefinition in der alten Fassung. Demnach ist das Vermögen begünstigt, das seinem Hauptzweck nach überwiegend einer originär land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient (§ 13b Abs. 3 S. 1 ErbStGE). Hiermit wird die zielgenaue Abgrenzung von verschonungswidrigem Vermögen von nicht verschonungswidrigem Vermögen erreicht und missbräuchlichen Gestaltungen wie der „Cash-GmbH“[22] sollen so die Grundlage entzogen werden.[23] Jedoch muss ein Unternehmen über einen gewissen Umfang an liquiden Mitteln zur Kapitalstärkung verfügen, daher wäre die pauschale Einordnung von bestimmten Vermögen als Verwaltungsvermögen falsch. Aus diesem Grund gibt es den „Finanzmitteltest“, welcher einen Missbrauch durch den Ausweis überhöhter Barmittel als Betriebsvermögen ausschließen soll (gem. § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 4a ErbStG). Dabei werden die Bankguthaben mit den Schulden des Unternehmens saldiert und falls der Saldo positiv ist, dieser Überschuss dem Verwaltungsvermögen zugerechnet, soweit er 20 Prozent des Betriebsvermögens übersteigt. Verbleibende Schulden werden anteilig dem begünstigten und dem nicht begünstigten Vermögen zugerechnet. Außerdem darf ein Teil des nicht begünstigten Vermögens in Höhe von 10 Prozent wie begünstigtes Vermögen behandelt werden.
[...]
[1] Vgl. Troll, M. / Gebel, D. / Jülicher, M. (2009), Rdn. 60 und 61.
[2] Vgl. Troll, M. / Gebel, D. / Jülicher, M. (2009), Anm. 61.
[3] Vgl. Siegel, T. (2012), S. 2.
[4] Vgl. Siegel, T. (2012), S. 3.
[5] Vgl. Siegel, T. (2012), S. 3.
[6] Vgl. Meincke, J. (2009), Anm. 13.
[7] Vgl. BGBl. I 1992, S. 323.
[8] BVerfG vom 22.06.1995, BStBl. 1995 II S. 671.
[9] Vgl. Statistisches Bundesamt (2015a).
[10] Vgl. Statistisches Bundesamt (2015b).
[11] Vgl. Rietzler, K. / Scholz, B. / Teichmann, D. et al. (2016), S. 10.
[12] Zur tabellarischen Übersicht der Verschonungsregeln siehe Anhang 1.
[13] Meincke, J. (2009), S. 496.
[14] Zur Lohnsumme zählen nur Arbeitnehmer, die ausschließlich oder überwiegend für den Betrieb tätig sind.
[15] Vgl. Meincke, J. (2009), S. 499.
[16] Vgl. Meincke, J. (2009), S. 517.
[17] Der Kläger des Ausgangsverfahrens hatte gegen die nur für das Jahr 2009 vorgesehene Gleichstellung von Personen der Steuerklassen II und III geklagt, mit der Hoffnung der Steuerherabsetzung für Personen der Steuerklasse II. Diese Klage blieb erfolglos und am 27. September 2012 legte der BFH im Revisionsverfahren dem BVerfG die Frage vor, ob § 19 Abs. 1 ErbStG in der 2009 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 13a und 13b ErbStG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist.
[18] Ob der verfassungswidrige Teil des ErbStG dann über die Frist hinaus besteht, wird in Kapitel 6 erläutert.
[19] Vgl. BVerfG vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12.
[20] So äußerte sich der Leiter der Steuerabteilung des Bundesministeriums der Finanzen auf einer Veranstaltung der Stiftung Familienunternehmen am 8. Januar 2015 zu der Frage, wie weitreichend die Änderungen am ErbStG ausfallen werden.
[21] Bundesregierung (2015), Artikel 1.
[22] Eine Cash-GmbH ermöglicht die steuerfreie Schenkung und Vererbung von Bargeld nach Einlage in ein Betriebsvermögen.
[23] Vgl. Schmidt, O. (2015), S. 6.
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