Masterarbeit, 2017
80 Seiten, Note: 1,0
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG
2 KONZEPTIONELLE GRUNDLAGEN
2.1 Definition Allianz
2.2 Theoretische Erklärungsansätze für die Gründung von Allianzen
2.3 Motive von Allianzen.
2.4 Typologien von Allianzen
2.5 Allianz-Governance-System.
3 METHODE DER SYSTEMATISCHEN LITERATURANALYSE.
4 ERGEBNISSE DER SYSTEMATISCHEN LITERATURANALYSE
4.1 Problematik der Definition und Messung des Scheiterns
4.1.1 Perspektiven der Erfolgsmessung
4.1.2 Messgrößen von Erfolg und Misserfolg.
4.2 Theoretische Erklärungsansätze für gescheiterte und instabile Allianzen
4.3 Überblick über die Literatur auf Basis der Lebensphasen einer Allianz
4.3.1 Merkmale des Allianz initiierenden Unternehmens
4.3.2 Phase 1: Entscheidung zur Initiierung
4.3.3 Phase 2: Partnerselektion
4.3.4 Phase 3: Verhandlung und Gründung
4.3.5 Phase 4: Implementierung und laufender Geschäftsbetrieb
4.3.6 Externe Umweltfaktoren
5 DISKUSSION DER ERGEBNISSE
5.1 Diskussion der Ergebnisse auf Basis der fünf Analyseebenen einer Allianz
5.1.1 Ebene der externen Umwelt
5.1.2 Ebene der Allianzpartner und deren Beziehung zueinander
5.1.3 Ebene der Governance einer Allianz
5.1.4 Ebene der Allianz
5.1.5 Personelle Ebene
5.2 Kritische Würdigung der Forschungsmethoden der Allianzliteratur
5.3 Limitationen der vorliegenden Forschungsarbeit.
6 FAZIT UND AUSBLICK
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Übersicht über die Analysestruktur inklusive einer Auswahl der unter- suchten Forschungsbeiträge
Tabelle 2: Übersicht über die verwendeten Messgrößen der Instabilität in empiri- schen Arbeiten
Abbildung 1: Aufgliederung der Forschungsbeiträge nach der angewandten Forschungsmethode
Abbildung 2: Fünf Analyseebenen einer Allianz
Problemstellung
Weltweit setzen Unternehmen zunehmend stark auf die Gründung von Allianzen als Ko- operationsform (Kale & Singh, 2009, S. 45; Shah & Swaminathan, 2008, S. 471). Seit den frühen 1990er-Jahren wächst die Anzahl der neu gegründeten Allianzen besonders stark (Duysters & de Man, 2003, S. 51; Parkhe, 1993, S. 301). Schon im Jahr 2000 er- wirtschafteten die bedeutendsten europäischen und US-amerikanischen Unternehmen über 20 % ihrer Erlöse auf Basis von Allianzen, wobei der Anteil am Gesamterlös danach noch einmal gestiegen ist (Harbison, Pekar, Moloney & Viscio, 2000, S. 1 ff.; Mascarenhas & Koza, 2008, S. 122). Trotz der zunehmenden Verbreitung und obwohl Unternehmen nach Auffassung von Wissenschaftlern und Praktikern durch die Gründung von Allianzen Ressourcen bündeln, Kosten sparen, schneller auf Entwicklungen am Markt reagieren und sich Investitionsrisiken teilen können, scheitert ein Großteil dieser interorganisationalen Kooperationen (Schilke, 2007, S. 8-15). Dabei schwankt die Quote der fehlgeschlagenen Allianzen je nach Studie zwischen 30 % und 70 % (Inkpen & Beamish, 1997, S. 177; Kale & Singh, 2009, S. 45; Lunnan & Haugland, 2008, S. 545; Park & Ungson, 2001, S. 38).
Diese Entwicklung in der Praxis hat dazu geführt, dass Wissenschaftler sich in der Ver- gangenheit immer häufiger der Frage widmeten, wieso und unter welchen Begleitumstän- den Allianzen zwischen Unternehmen scheitern. Während eine Stichwortsuche1 nach dem Scheitern von Allianzen in den 1980er-Jahren lediglich 37 Ergebnisse lieferte, wuchs die Anzahl der relevanten Beiträge in der Fachliteratur von 139 in den 1990er-Jahren auf 335 in den 2000er-Jahren an. Bei genauer Analyse der vorhandenen Literatur zeigt sich jedoch ein sehr fragmentierter Forschungsstand, wodurch die Literatur im Ganzen sehr komplex wirkt.
Bereits seit den frühen 1990er-Jahren fokussieren Autoren ihre Forschung auf einzelne Teilaspekte entlang unterschiedlicher Dimensionen, um Faktoren zu identifizieren, die das Scheitern einer Allianz begünstigen. Manche Autoren konzentrieren ihre Forschung anhand der zeitlichen Dimension auf bestimmte Phasen im Lebenszyklus einer Allianz, wie beispielsweise die Partnerwahl (Park & Ungson, 1997; Rahman & Korn, 2014; Xia, 2011). Andere Autoren differenzieren zwischen Allianzen mit zwei und mehreren Part- nern, um spezielle Netzwerkeffekte in Allianzen zu analysieren (Greve, Baum, Mitsuhashi & Rowley, 2010; Polidoro, Ahuja & Mitchell, 2011). Während die Forschung eine umfangreiche Auswahl an Faktoren identifiziert, die das Scheitern einer Allianz be- günstigen können, werden in der Literatur jedoch heterogene Definitionen und Messgrö- ßen für das Scheitern einer Allianz benutzt (Hatfield, Pearce, Sleeth & Pitts, 1998, S. 356 ff.; Yan & Zeng, 1999, S. 402 f.). Manche Autoren (Barkema & Vermeulen, 1997; Pangarkar, 2003; Park & Russo, 1996) nutzen bspw. die Lebensdauer einer Allianz als Indikator für Erfolg und Misserfolg. Im Gegensatz dazu argumentieren Inkpen und Bea- mish (1997, S. 182), dass die Auflösung einer Allianz auch auf einen Erfolg hindeuten kann, falls die Auflösung vorab geplant war, und dass vielmehr jeder Partner in einer Allianz individuelle Kriterien wählt, um Erfolg bzw. Misserfolg zu messen. Diese hete- rogenen Definitionen erschweren nicht nur das Verständnis, sondern beeinträchtigen auch den zukünftigen Forschungsprozess.
Die Komplexität des Forschungsstandes ist zudem den unterschiedlichen Forschungsme- thoden der Allianzliteratur geschuldet. Empirische Forschungsbeiträge basieren auf qua- litativen- oder quantitativen Forschungsmethoden. Die quantitative Allianzforschung wird davon dominiert, dass Wissenschaftler (z. B. Barkema & Vermeulen, 2016; Dhanaraj & Beamish, 2004; Makino, Chan, Isobe & Beamish, 2007) auf Basis von Da- tensätzen und Hypothesentests überprüfen, ob statische Faktoren (z. B. Altersunterschied der Partnerunternehmen) mit dem Scheitern einer Allianz im Zusammenhang stehen. An- dere Wissenschaftler (z. B. Doz, 1996; Hutt, Stafford, Walker & Reingen, 2000; Soulsby & Clark, 2011) versuchen hingegen im Bereich der qualitativen Forschung den dynami- schen Prozess des Scheiterns von Unternehmenskooperationen genauer zu verstehen und bedienen sich Fallstudien und Interviews.
Auch auf Basis anerkannter Theorien (z. B. Transaction Cost Economics (TCT), Agency Theory, Game Theory) lässt sich das Scheitern von Allianzen nicht isoliert erklären (Das & Teng, 2000, S. 78 ff.). Zwar bieten diese theoretischen Betrachtungsweisen wertvolle Erkenntnisse, jedoch lässt sich auf Basis der Theorien auch gegenteilig argumentieren (Das & Teng, 2000, S. 78 ff.). In der Literatur wird das Scheitern einer Allianz zum Beispiel anhand der Game Theory erklärt. Dabei gleicht die Situation einer Allianz einem Gefangenendilemma mit einer Spielrunde, in der beide Unternehmen unsicher bezüglich der Intentionen des Allianzpartners sind und deshalb opportunistisch und nicht im Sinne des Gemeinwohls der Allianz handeln (Das & Teng, 2000, S. 78-81). Das und Teng (2000, S. 80) zeigen jedoch, dass das traditionelle Gefangenendilemma mit einer Spielrunde keine hinreichende Erklärung für das Scheitern von Allianzen liefert, da die Realität einer Allianz eher der Situation mit mehreren Spielrunden entspricht, in denen die Akteure unter Umständen einen Anreiz haben zu kooperieren.
Neben den reinen theoriebasierten Erklärungsversuchen finden sich in der Literatur auch konzeptionelle Frameworks, die danach streben, das Scheitern von Allianzen ganzheitlich zu erklären (Das & Teng, 2000, S. 93; Park & Ungson, 2001, S. 41). Jedoch stützen so- wohl Das und Teng (2000), Park und Ungson (2001) als auch andere Autoren (z. B. White, 2005; Wittmann, 2007) ihre Ergebnisse lediglich auf traditionelle Literaturanaly- sen. Im Gegensatz zu einem systematischen Literaturüberblick gilt der traditionelle An- satz als problematisch, da weder die Kriterien für die Selektierung der Literatur unabhän- gig von der Perspektive der Autoren gewählt wurden, noch die zugrunde gelegten Such- begriffe nachvollziehbar protokolliert wurden (Tranfield, Denyer & Smart, 2003, S. 209 f.). Somit können die Ergebnisse bisheriger Literaturanalysen zum Scheitern von Allianzen aufgrund der subjektiven und nicht reproduzierbaren Auswahl der Literatur Lücken und Unzulänglichkeiten aufweisen. Obwohl die Ursachenforschung zum Schei- tern von Allianzen seit den Beiträgen von Das und Teng (2000) und Park und Ungson (2001) einen Wissenszuwachs verzeichnen konnte, gab es bisher keinen nennenswerten Versuch, die Literatur auf Basis einer systematischen Literaturanalyse zu ordnen.
Zielsetzung
Um die beschriebene Forschungslücke zu schließen, werden in dieser Arbeit systematisch sowohl empirische als auch konzeptionelle Forschungsbeiträge, die Hinweise auf das Scheitern von Allianzen geben können, gesichtet, analysiert und konsolidiert. Ziel dieser Arbeit ist es, das Scheitern aus der Perspektive der Allianz zu betrachten und das Ver- ständnis zu erweitern, wieso Allianzen fehlschlagen. Ob die Entscheidung, eine Allianz zu gründen, aus der Perspektive eines Unternehmens strategisch suboptimal war oder ist, steht hingegen nicht im Fokus dieser Arbeit. Diese Arbeit bedient sich eines hohen Ab- straktionsgrades mit dem Ziel, übergeordnete Zusammenhänge zwischen aus der Litera- tur ersichtlichen Faktoren als Explanans für das Explanandum gescheiterter Allianzen aufzudecken. Die Konsolidierung der Literatur zielt darauf ab, die Komplexität des aktuell fragmentierten Forschungsstandes zu reduzieren. Zusätzlich soll diese Arbeit nicht nur Forschungslücken aufdecken, um die zukünftige Ursachenforschung für das Scheitern von Allianzen zu erleichtern, sondern auch Managern aus Praxis zeigen, welche Umstände dazu führen können, dass Allianzen fehlschlagen.
Vorgehen
Nach der Einleitung werden in Kapitel 2 konzeptionelle Grundlagen beschrieben und eine Arbeitsdefinition für das Konzept der Allianz erarbeitet. Darüber hinaus werden im Ka- pitel 2 Motive und theoretische Erklärungsansätze für die Bildung von Allianzen erläu- tert, eine Typologisierung gängiger Allianzformen vorgenommen sowie Bestandteile ei- nes Allianz-Governance-Systems dargestellt. Im Anschluss wird in Kapitel 3 die Metho- dik des systematischen Literaturüberblicks beschrieben. Dabei werden sowohl die erar- beiteten Suchbegriffe als auch die verwendeten Datenbanken für die Literaturrecherche dargelegt. Darüber hinaus wird in Kapitel 3 der mehrstufige Filterprozess vorgestellt, der zur Auswahl der relevanten Literatur geführt hat. Im Kapitel 4 wird zunächst untersucht, wie sich Misserfolge in Allianzen messen lassen. Dazu werden die in der Literatur ver- breiteten Herangehensweisen zur Erfolgsmessung von Allianzen gegenübergestellt und im Anschluss daran auf ihre Eignung zur Messung von Misserfolgen überprüft. Ebenso werden in diesem Kapitel die in der Literatur vorhanden theoretischen Erklärungsansätze für das Scheitern von Allianzen dargestellt. Am Ende des Kapitels 4 werden die aus der Literatur ersichtlichen Faktoren, die zum Scheitern einer Allianz führen oder dies begün- stigen können, über den Lebenszyklus einer Allianz hinweg systematisch analysiert. Im Anschluss an die Kategorisierung und Deskription der relevanten Forschungsbeiträge werden die Ergebnisse dieser Masterarbeit auf Grundlage der fünf Ebenen einer Allianz - (1) Ebene der externen Umwelt, (2) Ebene der Allianzpartner und deren Beziehung, (3) Ebene der Governance einer Allianz, (4) Ebene der Allianz und (5) personelle Ebene - in verdichteter Form darstellt. Ebenso werden in diesem Zusammenhang die bisherige For- schung kritisch gewürdigt, zukünftige Forschungsempfehlungen diskutiert sowie Limita- tionen dieser Arbeit aufgezeigt. Die Masterarbeit endet mit einem Fazit und einem Aus- blick in Kapitel 6.
In der wirtschaftswissenschaftlichen Fachliteratur hat der Begriff der Allianz zahlreiche Erscheinungsformen. Dabei werden die Termini Koalition, Kooperation, Allianz und strategishe Allianz oft synonym verwendet (Hammes, 1994, S. 19). Sofern sich bspw. die Begriffe der Allianz und der strategischen Allianz voneinander abgrenzen lassen, kann festgehalten werden, dass strategische Allianzen - im Gegensatz zu Allianzen ohne stra- tegische Bedeutung - durch ihren langfristigen Charakter geprägt sind, wobei die Gren- zen zwischen den Konzepten fließend verlaufen. Die Analyse der Literatur zeigt jedoch auch, dass identische Begriffe zur Beschreibung interorganisationaler Partnerschaften un- terschiedlich definiert werden. Im Folgenden wird am Beispiel der strategischen Allianz erläutert auf welcher Weise sich die Definitionen in der Literatur unterscheiden, um im Anschluss eine Arbeitsdifinition des Begriffes Allianz festzulegen.
Der Begriff der strategischen Allianz tritt seit den 1980er-Jahren in der wirtschaftswis- senschaftlichen Literatur auf, wobei die Thematik unabhängig von der Bezeichnung schon deutlich früher Gegenstand der Forschung war (Hammes, 1994, S. 16; Pfeffer & Nowak, 1976). Da trotz dieser langen Historie eine einheitliche Definition für den Ter- minus der strategischen Allianz fehlt, werden in der Forschung unterschiedliche Unter- nehmensbeziehungen unter demselben Begriff subsumiert (Hammes, 1994, S. 17-28).
Das und Teng (2000, S. 77) verwenden eine weit gefasste Begriffsbestimmung und be- schreiben eine strategische Allianz als unternehmensübergreifende Vereinbarung mit dem Zweck, gemeinschaftliche strategische Ziele zu verfolgen. Gulati (1998, S. 293) wird in seiner Definition konkreter und betont, dass strategische Allianzen freiwillige Rege- lungen zwischen Organisationen sind, die sich über horizontale und vertikale Grenzen erstrecken. Im Gegensatz zu Gulati sind Backhaus und Piltz (1990, S. 1 ff.) in ihrer Defi- nition deutlich restriktiver und bezeichnen Vereinbarungen zwischen Unternehmen un- terschiedlicher Geschäftsfelder nicht als Allianzen. Backhaus und Piltz (1990, S. 1 ff.) subsumieren dementsprechend vertikale Zusammenschlüsse nicht unter dem Konzept der Allianz.
In der Literatur herrscht zudem Uneinigkeit darüber, inwiefern Beziehungen mit Kapital- beteiligungen und Gemeinschaftsunternehmen als strategische Allianzen bezeichnet wer- den können (Hammes, 1994, S. 18). Während Barringer und Harrison (2000, S. 391) Al- lianzen als lose miteinander gekoppelte interorganisationale Beziehungen bezeichnen, welche die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens nicht miteinschließen, subsu- mieren Das und Teng (2000, S. 77) sowie Inkpen und Beamish (1997, S. 178) Gemein- schaftsunternehmen und Joint Ventures unter dem Konzept der Allianz. Backhaus und Piltz (1990, S. 1) argumentieren, dass die Selbstständigkeit der involvierten Partner in einer strategischen Allianz nicht verletzt werden darf, und schließen somit einseitige und gegenseitige Eigenkapitalbeteiligungen der Partner aus. Im Gegenzug dazu sind Kapital- verflechtungen für andere Autoren kein Ausschlusskriterium (Gulati, 1995, S. 88; Yoshino & Rangan, 1995, S. 8).
Um in dieser Arbeit den aktuellen Stand der Literatur möglichst umfangreich zu analysieren und dadurch gegebenenfalls auch Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Formen von Allianzen in Bezug auf das Scheitern aufzuzeigen, wird eine weit gefasste Arbeitsdefinition des Begriffes Allianz benutzt:
Eine Allianz ist eineüber horizontale, vertikale oder diagonale Unternehmensgrenzen geschlossene Partnerschaft zwischen zwei oder mehreren Unternehmen, um eine Vielzahl von unterschiedlichen Motiven zu erreichen. Dabei können diese Partnerschaften rein vertraglich geschlossen werden, den Erwerb von einseitigen oder gegenseitigen Beteili- gungen miteinschließen oder auch auf der Gründung eines Joint Ventures beruhen. Fu- sionen, bei denen Unternehmen ihre volle rechtliche Selbstständigkeit aufgeben, werden ebenso wie vertragslose wiederkehrende Transaktionen zwischen Unternehmen am Markt nicht als Allianz bezeichnet.
Aus theoretischer Sichtweise liefern vielzählige Konzepte Erklärungen für die Existenz von Allianzen. Im Folgenden werden die in der Allianzforschung am weitesten verbreiteten theoretischen Erklärungsansätze in komprimierter Form zusammengefasst.
Transaction Cost Economics
Analyseeinheit der Transaction Cost Economics (TCE) ist die Transaktion zwischen Or- ganisationen. Die TCE beruht auf der Annahme, dass Unternehmen kostenoptimale Ent- scheidungen treffen, um Transaktions- und Produktionskosten innerhalb von institutio- nellen Arrangements zu minimieren (Williamson, 1979, S. 245). Dabei können Unter- nehmen zwischen klassischen Verträgen (Abwicklung von Transaktionen über den Markt), neoklassischen Verträgen (Abwicklung über langfristige Verträge in Form von Allianzen) und relationalen Vertragsbeziehungen (Abwicklung in Organisationen - Hier- archie) wählen (Williamson, 1979, S. 248-251). Gemäß der TCE werden Transaktionen, bei denen hohe Transaktionskosten auftreten können, innerhalb der Organisation selbst abgewickelt (Hierarchie), da Transaktionskosten innerhalb einer Organisation effektiv kontrolliert werden können. Transaktionen werden hingegen über den Markt abgewickelt, falls niedrige Transaktionskosten absehbar sind und so Produktionskosten gespart werden können. Sofern Transaktionen mittlere Werte an Transaktionskosten innehaben, die je- doch nicht hoch genug sind, dass sie eine vertikale Integration rechtfertigen, werden Un- ternehmen Allianzen gründen (Gulati, 1995, S. 87). Die Kosten einer Transaktion werden durch drei wesentliche Eigenschaften bestimmt: ihre Frequenz, die Unsicherheit, mit der sie belastet sind, und die Spezifität der in ihr ausgetauschten Werte und benötigten Inve- stitionen (Williamson, 1979, S. 250-254). Falls mittlere Werte von Unsicherheit und Spe- zifität bei mehrfacher Wiederholung der Transaktion vorliegen, bewegen sich die Trans- aktionskosten ebenfalls im mittleren Bereich, und Unternehmen greifen auf hybride For- men zwischen Markt und Hierarchie (bspw. Allianzen) zurück (Williamson, 1979, S. 250-254).
Resource-based View
In den 1990er-Jahren begannen Wissenschaftler, die Existenz von Allianzen auf Basis der Resource-based View (RbV) zu begründen. Dabei beruht die RbV auf den Annahmen, dass Unternehmen aus heterogenen Bündeln von Ressourcen bestehen und dass sich die Unterschiede in den Ressourcen nicht leicht überwinden lassen (Barney, 1991, S. 105). Zudem begründet die RbV nachhaltige Wettbewerbsvorteile dadurch, dass Unternehmen strategische Ressourcen besitzen, die wertvoll, rar, schwer imitierbar und nicht substitu- ierbar sind (Barney, 1991, S. 105 ff.). Aus diesem Grund versuchen Unternehmen einer- seits, eigene strategische Ressourcen zu kontrollieren und zu schützen. Andererseits ge- hen Unternehmen Allianzen ein, um einen schnellen Zugang zu wertvollen Ressourcen der Partner zu erhalten, mit dem Ziel, die eigene Wettbewerbsposition zu stärken (Eisenhardt & Schoonhoven, 1996, S. 136). Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die benötigten Ressourcen fest mit der Partnerorganisation verbunden sind, sich nicht am Markt handeln lassen bzw. nicht durch Mergers & Acquisitions (M&A) erlangt werden können (Das & Teng, 2000a, S. 36). Allianzen zwischen Unternehmen können insbeson- dere einen schnellen und kostengünstigen Zugang zu Know-how ermöglichen, wenn be- stimmtes Wissen in einer Organisation benötigt wird, aber intern nicht vorhanden ist (Madhok, 1997, S. 43).
Organizational Learning Perspective und Knowledge-based View
Gemäß der Organizational Learning Perspective (OLP) kann organisationsbezogenes Lernen als der Prozess beschrieben werden, in dem Akteure in einer Organisation Wissen generieren und dieses Wissen auf neue Sachverhalte anwenden können (Miller, 1996, S. 486). Organisationen können dabei von den Routinen und dem Wissen anderer Organi- sationen profitieren. Dementsprechend gründen Organisationen Allianzen, um sich das Wissen bzw. die Routinen des Allianzpartners anzueignen (Anand & Khanna, 2000, S. 313; Kogut, 1988, S. 323). Die Knowledge-based View (KbV), die als Erweiterung der OLP verstanden werden kann, geht davon aus, dass die Gründung von Allianzen nicht nur dazu beitragen kann, dass Organisationen sich das Wissen des Allianzpartners aneig- nen können, sondern auch dass die beteiligten Allianzpartner aufgrund der Partnerschaft zusätzliche Effizienzgewinne bei der Anwendung des Wissens generieren können (Grant & Baden-Fuller, 2004, S. 65-68).
Resource Dependence Theory
Die Resource Dependence Theory (RDT) erklärt, auf welche Art und Weise externe Res- sourcen von anderen Organisationen das Verhalten der fokalen Organisation beeinflussen (Pfeffer & Salancik, 1978). Da Organisationen für ihre wirtschaftliche Aktivität auf eine stabile Versorgung mit externen Ressourcen angewiesen sind, sind Organisationen ab- hängig von ihrer Umwelt einschließlich anderer Organisationen (Pfeffer & Salancik, 1978, S. 47). Gemäß der RDT ist diese Abhängigkeit nicht einseitig, sondern gegenseitig, wobei das Abhängigkeitsverhältnis nicht symmetrisch sein muss (Pfeffer & Salancik, 1978, S. 53). Die Stärke der jeweiligen Abhängigkeit hängt unter anderem davon ab, wie bedeutsam die Ressourcen der anderen Organisation für das eigene wirtschaftliche Han- deln sind und welche alternativen Möglichkeiten bestehen, um die Ressourcen zu bezie- hen (Pfeffer & Salancik, 1978, S. 46-50). Ziel der Unternehmen ist es, das Überleben der eigenen Organisation zu sichern und die Abhängigkeit von anderen Organisationen zu kontrollieren und zu reduzieren (Das & Teng, 2000b, S. 80). Dabei können Organisatio- nen die Abhängigkeit von anderen Organisationen reduzieren, indem sie sich Zugriff auf externe Ressourcen verschaffen. Akquisitionen und Allianzen stellen demnach Instru- mente dar, um Zugriff auf externe Ressourcen zu erhalten und die Abhängigkeit von an- deren Organisationen zu reduzieren.
In der Praxis können Unternehmen sowohl mehrere Motive simultan verfolgen als sich auch aufgrund eines dominanten Motivs zur Gründung einer Allianz entscheiden. Zahl- reiche Wissenschaftler unternahmen in der Vergangenheit den Versuch, die möglichen Motive zur Gründung von Allianzen zu kategorisieren, wobei sich diese Arbeit nachfol- gend an der weitverbreiteten Motivtypologie von Müller-Stewens und Hillig (1992, S. 78 ff.) orientiert. Dabei sei erwähnt, dass diese Motive sich weder gegenseitig ausschließen noch den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Im Folgenden wird zwischen (1) Ressourcen-, (2) Zeit-, (3) Kosten-, (4) Markt- und (5) Risikomotiven differenziert (Müller-Stewens & Hillig, 1992, S. 78 ff; Schilke, 2007, S. 10 ff.):
(1) Unter den Ressourcenmotiven lässt sich der Zugang zu Ressourcen und Kompetenzen des Allianzpartners subsumieren. Unternehmen verfolgen insbesondere dann das Ziel, auf die Ressourcen und Kompetenzen des Partners zuzugreifen, wenn diese nicht selbst aufgebaut oder am Markt erworben werden können.
(2) Neben den Ressourcenmotiven spielen Zeitmotive insbesondere aufgrund der immer kürzer werdenden Innovationszyklen eine zunehmend bedeutsame Rolle. Unterneh- men gründen demnach Allianzen, um eine rasche und effiziente Produktentwicklung zu gewährleisten.
(3) Ebenso gründen Unternehmen Allianzen, um Kosten zu reduzieren. Allianzen ermög- lichen eine höhere Auslastung der Produktionskapazitäten, die Ausnutzung von Ska- lenvorteilen, die Nutzung gemeinschaftlicher Distributionskanäle sowie die Realisie- rung von komparativen Kostenvorteilen in internationalen Partnerschaften.
(4) Darüber hinaus greifen Unternehmen auf das Instrument der Allianz zurück, wenn sie in neue geografische Märkte eintreten oder in neue Produktmärkte expandieren.
(5) Überdies sind Unternehmen mittels Allianzen er Lage, sich Risiken zu teilen, falls große Investitionen unter Unsicherheit - wie bspw. die Forschung und Entwicklung eines neuen Produkts oder die Investition in einen neuen Produktionsstandort - getä- tigt werden sollen.
Zahlreiche Einflussfaktoren führen dazu, dass Allianzen zwischen Unternehmen in der Praxis in einer Vielzahl von unterschiedlichen Formen auftreten. Es lassen sich jedoch ebenso Gemeinsamkeiten zwischen Allianzen beobachten, die eine Charakterisierung er- möglichen. Um die heterogenen Erscheinungen der betrieblichen Praxis zu ordnen und je nach Forschungsgegenstand differenziert zu untersuchen, schlagen zahlreiche Wissen- schaftler verschiedene Typologien vor (Das & Teng, 2000a, S. 15; Hammes, 1994, S. 33- 45; Lutz, 1993, S. 50-56). Neben zahlreichen anderen existierenden Dimensionen zur Klassifizierung von Allianzen können interorganisationale Partnerschaften sowohl nach dem Institutionalisierungsgrad, der Richtung der Verbindung als auch dem Internationa- lisierungsgrad eingeordnet werden. Im Weiteren werden die einzelnen Ausprägungen die- ser Typologien näher beschrieben.
Klassifikation nach dem Institutionalisierungsgrad
Hammes (1994, S. 44) klassifiziert Allianzen nach dem Grad ihrer Institutionalisierung und trennt zwischen vertragslosen, vertragsbasierten und eigenkapitalbasierten Partner- schaften. Die Ausgestaltungsform mit dem niedrigsten Institutionalisierungsgrad ist die vertragslose Zusammenarbeit, die aufgrund der angewandten Arbeitsdefinition nicht als Allianz bezeichnet wird. Vertragsbasierte Allianzen verzichten auf Kapitalbeteiligungen der Partnerunternehmen und besitzen einen mittleren Grad der Institutionalisierung (Hammes, 1994, S. 44). Die vollständig institutionalisierte Zusammenarbeit stellt den Gegenpol zur vertragslosen Zusammenarbeit dar. Vollständig institutionalisiert bedeutet in diesem Fall, dass die Partner ein Joint Venture gründen und gemeinschaftlich die Ei- genkapitalpositionen des Joint Ventures halten. Ebenfalls eigenkapitalbasiert sind Allian- zen mit Minderheitsbeteiligungen. Während bei einem Joint Venture ein Gemeinschafts- unternehmen gegründet wird, an dem zwei oder mehrere Unternehmen Eigenkapitalan- teile halten, beruhen Allianzen mit Minderheitsbeteiligungen auf einem gegenseitigen oder einseitigen Kauf von Minderheitsanteilen des Eigenkapitals eines oder mehrerer Partner (Gulati, 1995, S. 88).
Die Wahl des Institutionalisierungsgrades kann unter anderem, jedoch nicht ausschließ- lich, von den vier Faktoren Fristigkeit der Ziele, Aktivitäten innerhalb der Allianz, Ver- trauensverhältnis und Nationalisierungsgrad zwischen den Partnern abhängen. Da sich Kapitalverflechtungen nicht kurzfristig revidieren lassen, werden die eigenkapitalbasier- ten Formen der Allianzen hauptsächlich zur Erreichung langfristiger Ziele eingesetzt (Das & Teng, 2000a, S. 87). Der beabsichtigte Zeithorizont der Zusammenarbeit kann bei ver- tragsbasierten, nicht eigenkapitalbasierten Allianzen kürzer ausfallen. Sofern Allianzen eine Forschungs-und-Entwicklungskomponente beinhalten, setzen die beteiligten Unter- nehmen verstärkt auf eigenkapitalbasierte Allianzen (Gulati, 1995, S. 101). In diesen Fäl- len könnten die Eigenkapitalbeteiligungen als zusätzlicher Kontrollmechanismus dienen (Gulati, 1995, S. 91 f.). Im Gegensatz dazu verzichten Unternehmen häufiger auf Eigen- kapitalbeteiligungen, wenn sie bereits zuvor in anderen Allianzen zusammengearbeitet haben (Gulati, 1995, S. 102). Gulati (1995, S. 91-94) begründet den Verzicht auf Eigen- kapital damit, dass die Partner in vorangegangenen Allianzen Vertrauen entwickelt haben können, was den Kontrollmechanismus Eigenkapital ersetzen kann. Ebenso konnte em- pirisch bestätigt werden, dass Allianzen zwischen innerstaatlichen Partnern seltener ei- genkapitalbasiert sind als Allianzen zwischen Partnern aus unterschiedlichen Herkunfts- staaten (Gulati, 1995, S. 102). In der Literatur finden sich zudem Hinweise, dass Eigen- kapitalbeteiligungen opportunistisches Verhalten in Allianzen reduzieren können (Gulati, 1995, S. 88 f.). Ein bedeutender Nachteil der eigenkapitalbasierten Allianzen ist jedoch die Tatsache, dass die Auflösung dieser Beziehungen sich aufgrund der engen Zusam- menarbeit und den Kapitalbeteiligungen meist schwierig gestaltet, da Eigenkapitalbetei- ligungen bewertet und gehandelt werden müssen (Gulati, 1995, S. 88 f.). Vertragsbasierte Allianzen können hingegen schneller gegründet und mit geringeren Hindernissen wieder aufgelöst werden.
Klassifikation nach der Richtung der Verbindung
Unternehmen können sich untereinander in (1) horizontaler, (2) vertikaler und (3) diagonaler Richtung verbinden und expandieren (Bühner, 2013, S. 380):
(1) In horizontalen Allianzen sind die initiierenden Partnerunternehmen auf derselben Produktionsstufe einer Branche tätig, die Leistungstiefe wird durch die Zusamme n- arbeit nicht erweitert. Die beteiligten Partnerunternehmen horizontaler Allianzen können eine Vielzahl von Motiven haben. Sei es die Bündelung von Ressourcen zur Sicherung komplementärer Kompetenzen, zur Kosten- und Risikoteilung oder zur Ausnutzung von Skalenvorteilen (Fleischer, 1997, S. 17). Allgemein gesprochen möchten Unternehmen des gleichen Wirtschaftszweiges zusammenarbeiten, um ge- meinsam strategische Wettbewerbsvorteile zu sichern oder zu realisieren. Da hori- zontale Allianzen zwischen direkten und indirekten Wettbewerbern auftreten, beste- hen von Natur aus Zielkonflikte zwischen den initiierenden Partnerunternehmen (Kogut, 1989, S. 183). Diese Zielkonflikte dürften besonders ausgeprägt sein, falls es sich um Allianzen zwischen direkten Wettbewerbern handelt, die auf denselben Märkten vergleichbare Produkte anbieten, da die Partner einerseits kooperieren möchten und andererseits jedoch um Marktanteile kämpfen. Bei dieser Form der Zu- sammenarbeit können zudem unkontrollierte Informationsflüsse und der Diebstahl von Wissen besonders schnell negative Auswirkungen für einen der beiden Partner haben. Horizontale Allianzen, in denen die Allianzpartner nur indirekt miteinander im Wettbewerb stehen - also bspw. ihre Produkte nicht auf denselben Märkten an- bieten - bergen jedoch ebenfalls Risiken, da eine Partei in der Allianz das gewonnene Wissen nutzen könnte und zum direkten Wettbewerber der anderen Partei wird, indem die eine Partei z. B. in den Heimatmarkt der anderen Partei eintritt.
(2) Vertikale Allianzen werden zwischen Unternehmen aus unterschiedlichen, aufeinan- derfolgenden Produktions- und/oder Handelsstufen derselben Wertschöpfungskette geschlossen (Lutz, 1993, S. 52). Im Gegensatz zu horizontalen Allianzen stehen die Partner einer vertikalen Allianz nicht direkt oder indirekt miteinander im Wettbe- werb, sondern vielmehr in einer regulären Geschäftsbeziehung (Hammes, 1994, S. 41). Ein Unternehmen kann dabei seine Leistungstiefe in zwei Richtungen ausweiten: Downstream kann eine engere Zusammenarbeit mit den eigenen Lieferanten erfolgen, upstream können Allianzen mit Abnehmern geschlossen werden. Die Ausweitung der Leistungstiefe in Zusammenarbeit mit einem Partner derselben Wertschöpfungskette oder desselben Wertschöpfungssystems kann Quelle eines Wettbewerbsvorteils sein (Porter, 1985, S. 34). Die Ziele vertikaler Allianzen können vielfältig sein und er- strecken sich von der gemeinsamen Forschung und Entwicklung von Komponenten und Produkten über die Optimierung der Logistik und Maßnahmen zur Qualitätssi- cherung bis hin zur Sicherung knapper Ressourcen. Obwohl die Partner in vertikalen Allianzen nicht in einer Wettbewerbsbeziehung zueinander stehen, bestehen Risiken für beide Partner. Nach Hammes stehen die Partner in einer „potentiellen Wettbe- werbsbeziehung“ (Hammes, 1994, S. 41), weil Partner mittels Vorwärts- oder Rück- wärtsintegration in das Geschäft des anderen vorstoßen können und somit eine Über- nahme anstreben oder zum direkten Wettbewerber werden können.
(3) Diagonale Allianzen beschreiben Partnerschaften zwischen Unternehmen unter- schiedlicher Branchen. Zwischen den Partnern diagonaler Allianzen besteht weder eine Wettbewerbsbeziehung noch ist dies eine Zusammenarbeit von Lieferant und Abnehmer. Diese Form der Allianz wird z. B. zwischen Unternehmen und Non-Pro- fit-Organisationen geschlossen, tritt in Forschungsprojekten zwischen Unternehmen und Regierungsorganisationen auf und ist vor allem dann zu beobachten, wenn Bran- chen aufgrund des technologischen Wandels enger zusammenwachsen (Volery & Mansik, 1998, S. 988). Zwischen Partnern diagonaler Allianzen aus unterschiedlichen Branchen bestehen größere Hindernisse, dass ein Partner in das Geschäftsfeld des anderen expandiert und so seinem Partner Marktanteile streitig macht. Dennoch kann dies ebenso wenig ausgeschlossen werden wie die Tatsache, dass Partner opportunistisch handeln und gegen Verträge verstoßen.
Kategorisierung nach dem Internationalisierungsgrad
Grundlegend kann zwischen nationalen und internationalen bzw. multinationalen Allian- zen differenziert werden. Während die beteiligten Partner in nationalen Allianzen aus demselben Staat stammen, arbeiten in inter- bzw. multinationalen Allianzen zwei bzw. mehrere Partner aus unterschiedlichen Staaten zusammen. In Zeiten einer globalisierten Wirtschaft sind inter- und multinationale Allianzen eher die Regel als die Ausnahme (Sell, 2002, S. 22). Im Vergleich zu nationalen Partnerschaften können grenzüberschrei- tende Allianzen besondere Chancen bieten, jedoch auch größeren Risiken ausgesetzt sein. Die Motive internationaler Allianzen umfassen insbesondere den Transfer von Techno- logie, Know-how und Kapital, dienen der Ausnutzung von Kostenvorteilen im Ausland und/oder ermöglichen einen schnellen Zugang zu lokalen Ressourcen und/oder etablier- ten Vertriebsstrukturen in fremden Ländern. Grenzüberschreitende Allianzen in der Form internationaler Joint Ventures (IJV) werden in der Literatur als effektives Instrument im Rahmen von Markteintrittsstrategien in Schwellen- und Entwicklungsländer beschrieben (Yan, 1998, S. 772). Da IJV oftmals eine höhere politische Akzeptanz als die Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland genießen, können IJV bei restriktiven Investitions- gesetzgebungen eine Option zum Verzicht auf eine innerbetriebliche Auslandsaktivität darstellen (Sell, 2002, S. 61; Zielke, 1992, S. 41). Neben dem normalen Geschäftsrisiko können die Risiken in grenzüberschreitenden Allianzen insbesondere interkultureller, volkswirtschaftlicher und politischer Natur sein.
Da kein Allianzpartner seine Autonomie während der interorganisationalen Zusamme n- arbeit aufgibt, kann die Entscheidungsfindung in Allianzen besonders problematisch sein. Darüber hinaus können die Verwaltungsstrukturen und -mechanismen in Allianzen be- sonders komplex sein, da sie von zweiter Ordnung sind und die Verwaltung der Verwal- tung von Individuen behandeln (Borys & Jemison, 1989, S. 234). Das Governance-Sy- stem in Allianzen umfasst alle formalen und informalen Vereinbarungen, um eine Allianz zu lenken, zu organisieren und zu regulieren (Albers, 2010, S. 205). Um im späteren Ver- lauf dieser Arbeit zu prüfen, inwiefern gewählte Verwaltungs- und Aufsichtsstrukturen bzw. -mechanismen dazu beitragen können, dass eine Allianz scheitert, erscheint eine vorherige Zerlegung in die Komponenten eines Governance-Systems hilfreich. Diese Ar- beit folgt der Konzeptualisierung von Albers (2010, S. 205-209), da er bestehende An- sätze zur Allianzaufsicht und -verwaltung zu einem Governance-System, das aus einer statischen Governance-Struktur sowie aus dynamischen Governance-Mechanismen be- steht, integriert.
Allianz-Governance-Struktur
Die Governance-Struktur einer Allianz beruht auf formal festgelegten Regularien und lässt sich anhand der drei Dimensionen Zentralisierung, Spezialisierung und Formalisie- rung beschreiben (Albers, 2010, S. 207 f.). Der Grad der Zentralisierung legt fest, inwie- fern die Entscheidungsmacht und Verfügungsgewalt einer Allianz auf einzelnen Hierar- chieebenen oder auf einzelnen Personen dieser Hierarchieebenen konzentriert ist. Eine Governance-Struktur ist spezialisiert, falls die beteiligten Partnerunternehmen einen fest zugeordneten Allianzmanager bestimmen oder eine eigenständige Allianzfunktion er- schaffen, um die allianzbezogenen Aufgaben zu organisieren. Seit den 1990er-Jahren er- schaffen Unternehmen verstärkt diese Positionen und Funktionen mit den Zielen, aus Er- fahrungen vergangener Allianzen zu lernen sowie klare externe und interne Verantwort- lichkeiten zu schaffen (Dyer, Kale & Singh, 2001, S. 38-41; Rahman & Korn, 2014, S. 8). Der Grad der Formalisierung eines Governance-Systems bezieht sich darauf, in welchem Umfang verbindliche Vereinbarungen und Regeln festgehalten werden, um auf mögliche Eventualitäten zu reagieren (Albers, 2010, S. 208).
Allianz-Governance-Mechanismen
Albers (2010) folgend, wird die Governance-Struktur durch die Governance-Mechanis- men ergänzt, welche die verantwortlichen Akteure bzw. ihr Handeln kontrollieren, koor- dinieren und motivieren. Die Allianzpartner implementieren Kontrollmechanismen und überwachen dabei die Gegenpartei, um Risiken zu steuern und zu minimieren (Gulati & Singh, 1998, S. 785 ff.). Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit kann Kontrolle als ein Prozess verstanden werden, mit dem Unternehmen das Verhalten der beteiligten Akteure auf Basis von bestimmten Mechanismen dahin gehend beeinflussen wollen, dass ein die übergeordneten Ziele der Allianz förderndes Verhalten erreicht wird (Flamholtz, Das & Tsui, 1985, S. 38). Neben zahlreichen anderen Kategorisierungen lassen sich die in der Praxis existierenden Kontrollmechanismen in formale und informale Kontrollformen gliedern (Langfield-Smith, 2006, S. 754 f.). Formale Kontrollen werden in der Regel ver- traglich vereinbart, um entweder die Arbeitsergebnisse oder das Verhalten der beteiligten Akteure zu überwachen (Langfield-Smith, 2006, S. 754). In diesem Sinne können auch Eigenkapitalbeteiligungen als ein formaler Kontrollmechanismus verstanden werden (Das & Teng, 1998, S. 506). Im Gegensatz zu formalen Kontrollen werden informale Kontrollmechanismen nicht explizit vereinbart, sondern leiten sich aus den Werten und Normen einer Organisationskultur ab, wodurch sich die beteiligten Akteure implizit an- gemessen verhalten sollen (Langfield-Smith, 2006, S. 754). Dabei ist es möglich, den dahinterstehenden Sozialisierungsprozess aktiv zu gestalten und auf dieser Weise Nor- men und Werte in einem Unternehmen oder in einer interorganisationalen Zusamme nar- beit zu etablieren (Das & Teng, 2001b, S. 273 f.). Vertrauen wird in der Literatur eben- falls als informaler Kontrollmechanismus genannt (Kale & Singh, 2009, S. 49). Da ge- genseitige Abhängigkeiten zwischen den Allianzpartnern bestehen, müssen sich die Part- ner gegenseitig bis zu einem gewissen Maß vertrauen, dass sich ihr Gegenüber kompati- bel zur Erreichung der übergeordneten Ziele der Allianz verhält (Ring & Van de Ven, 1992, S. 488 f.; Rousseau, Sitkin, Burt & Camerer, 1998, S. 395). Das Vertrauen in einer Allianz kann dabei als ein psychologischer Zustand definiert werden, der durch vertrau- ensbildende Maßnahmen gefördert werden kann (Das & Teng, 2001b, S. 271-276; Rousseau et al., 1998, S. 395). In der Literatur herrscht bisher Uneinigkeit über die Wech- selwirkungen zwischen formalen und informalen Kontrollmechanismen: Während eine Strömung der Forschung argumentiert, dass formale Kontrollmechanismen ein Substitut für informale Kontrollen darstellten, sind andere Forscher der Auffassung, dass infor- melle Kontrollmechanismen formale Kontrollen komplementieren könnten (Kale & Singh, 2009, S. 49).
Die Koordination in Allianzen umfasst das Verknüpfen, Synchronisieren und Angleichen von einzelnen Aktionen der beteiligten Partner (Okhuysen & Bechky, 2009, S. 464-470). Aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit müssen die Allianzpartner ihre einzelnen Ak- tionen und Tätigkeiten untereinander koordinieren, damit die übergeordneten Ziele der Allianz erreicht werden können. Der Koordinationsbedarf zwischen den Allianzpartnern hängt vor allem davon ab, wie komplex die Aufgaben sind, welche externen und internen Unsicherheitsfaktoren die Zusammenarbeit beeinflussen können und wie eng die Partner miteinander zusammenarbeiten (Gulati, Wohlgezogen & Zhelyazkov, 2012, S. 535; Park & Russo, 1996, S. 878 f.). Vergleichbar mit der intraorganisationalen Koordination kön- nen auch die Allianzpartner in der interorganisationalen Koordination zwischen einem Mix aus drei verschiedenen Koordinationsmechanismen wählen (Albers, 2010, S. 208). Erstens können sich die Partner informell austauschen, wann immer es nötig ist, zweitens kann eine übergeordnete Instanz Anweisungen erteilen und drittens können die Arbeitsabläufe und Prozesse standardisiert und Richtlinien aufgestellt werden (Albers, 2010, S. 208; Kale & Singh, 2009, S. 50).
Den letzten Governance-Mechanismus nach Albers (2010, S. 209) stellen Anreizsysteme dar, welche die Koordination und Kontrolle in Allianzen unterstützen. Dies können einerseits Sicherheitsmechanismen und Strafen sein, die Unternehme n davor abschrecken sollen, opportunistisch zu handeln, andererseits können Synergievergütungen die beteiligten Partnerunternehmen bzw. die verantwortlichen Akteure zu erwünschtem Verhalten motivieren und belohnen (Albers, 2010, S. 209).
Der Prozess der systematischen Literaturanalyse, die in dieser Arbeit angewendet werden soll, basiert auf den Empfehlungen von Tranfield et al. (2003). Der systematische Litera- turüberblick ist dem traditionellen Ansatz, der jedoch die bisherige Allianzforschung do- miniert, methodisch überlegen (vgl. S. 3). Bei einer systematischen Literaturanalyse wer- den die Kriterien für die Selektierung der Literatur erst nach einer gründlichen Sichtung des Forschungsstandes festgelegt. Die anschließende Auswahl der Literatur erfolgt auf Basis der zuvor festgelegten Kriterien. Diese Herangehensweise soll gewährleisten, dass die Wahl der Literatur nicht auf der voreingenommenen Perspektive des Autors beruht (Tranfield et al., 2003, S. 215). Zudem wird der gesamte Auswahlprozess der Literatur protokolliert, um Transparenz und Replizierbarkeit sicherzustellen (Tranfield et al., 2003, S. 215). Mit der Methode des systematischen Literaturüberblicks wurde im Rahmen dieser Arbeit ein siebenstufiger Prozess angewandt, um relevante Forschungsbeiträge zum Scheitern von Allianzen zu identifizieren:
(1) Zunächst fand eine ausgiebige Sichtung der Literatur zu Allianzen statt. Gesucht wurde in der Datenbank Business Source Complete (via EBSCO Host), welche die Volltexte von über 3.800 wirtschaftswissenschaftlichen Zeitschriften enthält. Um eine Auswahl an relevanter und methodisch stringenter Literatur zu garantieren, wurden ausschließlich Artikel in wissenschaftlichen Fachzeitschriften berücksichtigt. Ziel dieser ersten Literaturrecherche war es, Begriffe herauszuarbeiten, die in Forschungs- beiträgen verwendet werden, um das Scheitern von Allianzen zu beschreiben. Um eine umfassende Reflexion der Allianzliteratur zu gewährleisten, wurde in dieser Ar- beit ein Zeitfenster für die Literaturauswahl von Januar 1990 bis zum Beginn dieser Arbeit im Oktober 2016 gewählt. Der Anfangszeitpunkt des Zeitfensters im Jahr 1990 lässt sich dadurch begründen, dass die Allianzliteratur in den 1990er-Jahren einen deutlichen Zuwachs verzeichnen konnte. Da sowohl konzeptionelle als auch empiri- sche Forschungsbeiträge bedeutsame Erkenntnisse über das Scheitern von Allianzen aufzeigen können, wurden beide Kategorien gleichbedeutend mit in die Auswahl ein- bezogen.
(2) Eine vorläufige Auswahl der gewählten Suchbegriffe wurde anschließend im Gradu- ierenden-Kolloquium am Seminar für Unternehmensführung und Logistik an der Uni- versität zu Köln besprochen und erweitert. Ebenso wurde auf Basis der Diskussion im Kolloquium die Entscheidung getroffen, sich für die finale Suche nicht ausschließ- lich auf die Ergebnisse der Datenbank Business Source Complete (via EBSCO Host) zu verlassen, sondern parallel eine identische Suche in der Datenbank ABI/INFORM Complete durchzuführen, um die Ergebnisse abzugleichen. Ergebnis der ersten beiden Prozessschritte war die Bestimmung der Termini für die finale Suche: Um die hete- rogene Terminologie der Literatur zu berücksichtigen, wurden zwei umfangreiche Gruppen von Suchbegriffen bestimmt. Während die erste Gruppe die unterschiedli- chen Kooperationsformen berücksichtigt und aus den Wörtern Alliance, Joint Venture und Cooperation besteht, werden in der zweiten Suchgruppe die Synonyme für das Scheitern (fail*, terminat*, instab*, dissol*, withdraw*, surviv* und unsuccessful) beschrieben.2
(3) Danach wurden die Suchanfragen in den beiden zuvor genannten Datenbanken durch- geführt. Es wurde nach Artikeln gesucht, die mindestens einen Terminus der ersten Suchgruppe im Titel sowie mindestens einen Begriff der zweiten Suchgruppe im Ab- stract enthalten. Umgekehrt wurde auch nach Artikeln gesucht, die mindestens einem Terminus der zweiten Suchgruppe im Titel und gleichzeitig einem Begriff der ersten Suchgruppe im Abstract beinhalten. Falls mindestens ein Begriff beider Suchgruppen ausschließlich im Titel enthalten war, wurde der Artikel ebenfalls berücksichtigt. Die gewählten Suchkriterien lieferten 587 Ergebnisse.
(4) Daraufhin wurden die Titel der Fachzeitschriften überprüft, in denen die gefundene n Beiträge veröffentlicht wurden. Artikel, die in Fachzeitschriften ohne wirtschaftswis- senschaftlichen Fokus (Fachzeitschriften mit einem medizinischen Fokus, z. B. Ame- rican Journal of Public Health; mit einem politischen Fokus, z. B. Post-Soviet Affairs.
[...]
1 Gesucht wurde ausschließlich nach Artikeln in englischer Sprache in Fachzeitschriften in der Datenbank Business Source Complete (Via EBSCO Host). Um die heterogene Terminologie der Literatur zu berück- sichtigen, wurden zwei umfangreiche Gruppen von Suchbegriffen bestimmt. Während die erste Gruppe die unterschiedlichen Kooperationsformen berücksichtigt und aus den Wörtern Alliance, Joint Venture und Cooperation besteht, werden in der zweiten Suchgruppe die Synonyme für das Scheitern (fail*, ter- minat*, instab*, dissol*, withdraw*, surviv* und unsuccessful) beschrieben. Es wurde nach Artikeln ge- sucht, die mindestens einen Terminus der ersten Suchgruppe im Titel sowie mindestens einen Begriff der zweiten Suchgruppe im Abstract, enthalten. Umgekehrt wurde auch nach Artikeln gesucht, die mindestens einen Terminus der zweiten Suchgruppe im Titel und gleichzeitig einen Begriff der ersten Suchgruppe im Abstract beinhalten. Falls mindestens ein Begriff beider Suchgruppen ausschließlich im Titel enthalten war, wurde der Artikel ebenfalls berücksichtigt.
2 Bei der Schreibweise von bspw. terminat* wurde ein Platzhalter verwendet. Das * ersetzt beliebig viele Zeichen. Diese Suchanfrage liefert dementsprechend Ergebnisse für die Wörter termination, terminate usw.
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