Bachelorarbeit, 2012
47 Seiten, Note: 1,3
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anhangverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Motivation, Praxisrelevanz und Struktur der Arbeit
2 Grundlagen bezüglich der Bewertung von Arztpraxen
2.1 Definition einer Arztpraxis als freiberufliche Einrichtung
2.2 Komponenten des Gesamtwertes von Arztpraxen
2.3 Erläuterung von Bewertungsanlässen
2.4 Unterschiede zwischen Arztpraxen und Großunternehmen
2.5 Anforderungen an die Verfahren zur Ermittlung eines realistischen Praxiswertes
3 Methoden zur Bewertung von Arztpraxen
3.1 Methoden zur Ermittlung des Substanzwertes
3.1.1 Restwertmethode
3.1.2 Bundesärztekammermethode zur Substanzwertberechnung
3.1.3 Indizes-Methode
3.1.4 Evaluation der Methoden zur Berechnung des Substanzwertes
3.2 Methoden zur Ermittlung des Goodwills
3.2.1 Bundesärztekammermethode zur Goodwillberechnung von 1987
3.2.2 Bundesärztekammermethode zur Goodwillberechnung von 2008
3.2.3 Umsatz- und Gewinnmethode
3.2.4 Gemischte Umsatz- und Gewinnmethode
3.2.5 Indexierte Basis-Teilwert-Methode
3.2.6 Evaluation der Methoden zur Berechnung des Goodwills
3.3 Methoden zur Ermittlung des Gesamtpraxiswertes
3.3.1 Multiplikatoren
3.3.2 Ertragswertverfahren
3.3.3 Modifiziertes Ertragswertverfahren
3.3.4 Modifiziertes Discounted Cashflow-Verfahren
3.3.5 Stuttgarter Verfahren
3.3.6 Evaluation der Methoden zur Ermittlung des Gesamtpraxiswerts
3.4 Zusammenfassung der Analyse der Bewertungsmethoden
4 Diskussion der Bewertungsmethoden
5 Konzeption und Erstellung eines Standardbewertungs-Tools
5.1 Ziele und Aufgaben des Bewertungstools
5.2 Bewertung einer Beispielpraxis
5.3 Diskussion der ermittelten Praxiswerte
6 Zusammenfassung und Ausblick
6.1 Zusammenfassung
6.2 Offene Forschungsfragen
6.3 Ausblick
7 Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Evaluation der Methoden zur Bewertung von Arztpraxen
Abbildung 2: Sensitivitätsanalyse zur modifizierten Discounted Cashflow-Methode
Abbildung 3: Entwicklung des Zinssatzes deutscher 10-jähriger Staatsanleihen
Tabelle 1: Überblick über vorherrschende Methoden zur Bewertung von Arztpraxen
Tabelle 2: Faktoren zur Ermittlung des Substanzwertes nach der Bundesärztekammermethode
Tabelle 3: Ermittelte Praxisgesamtwerte der Bewertung einer Beispielpraxis
Anhang 1: Fachgruppenmultiplikatoren bzgl. der gemischten Umsatz- und Gewinnmethode
Anhang 2: Berechnungsschritte zur Ermittlung des Free Cashflows
Anhang 3: Berechnungsschritte zur Berechnung des WACC
Anhang 4: Dokumentation des Tools zur Bewertung von Arztpraxen
Anhang 5: Einnahmenüberschussrechnung der Beispielpraxis aus dem Jahre 2004
Anhang 6: Entwicklung des Zinssatzes deutscher 10-jähriger Staatsanleihen
Anhang 7: Protokoll zum Gespräch mit Frau Dorothy Mehnert, Senior Referentin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 30.08.2012
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Verschiedene Anlässe, wie beispielsweise die Aufgabe einer Arztpraxis aus Altersgründen führen dazu, dass der Praxiswert beziffert werden muss. Bei der Bewertung gibt es eine Vielzahl an Methoden, die sich hinsichtlich ihres Detailgrades oder ihrer zeitlichen Orientierung unterscheiden.
Diese Arbeit analysiert die vorherrschenden Bewertungsverfahren vor einem betriebswirtschaftlichen Hintergrund und zeigt auf, inwieweit die Methoden Besonderheiten bei der Bewertung von Arztpraxen berücksichtigen. Im Unterschied zu der Bewertung von Großunternehmen spielt beispielsweise das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und seinen Patienten eine wichtige Rolle. Diesen und weitere Unterschiede gilt es in klassischen betriebswirtschaftlichen Methoden wie dem Discounted Cashflow-Verfahren abzubilden.
Darüber hinaus wird die Anwendung dreier Methoden durch ein Bewertungstool anhand einer Beispielpraxis getestet. Hierbei treten Unterschiede zwischen den ermittelten Praxiswerten auf, die beispielsweise aus unterschiedlichen Zeithorizonten oder verschiedenen verwendeten Kennzahlen resultieren.
Several occasions such as selling a medical practice for reasons of age raise the question of how much the institution is worth. There are a variety of methods to determine the value of a medical practice that differ in various ways, such as their level of detail and temporal orientation. This thesis analyzes the dominant valuation methods from an economic point of view and illustrates the extent to which special characteristics of a medical practice are taken into account. In contrast to valuing large companies, for instance, the relationship of trust between the doctor and his patients plays an important role and has to be taken into consideration. In order to calculate a reasonable value it is crucial to include those variations in well-known and widely accepted valuation methods like the Discounted Cashflow approach.
The application of three methods will be tested by a valuation tool that is based on an exemplary medical practice. The determined values resulting from applying the three methods differ, which results from different time horizons or the use of different performance indicators.
In der Betriebswirtschaftslehre ist die Bewertung von Unternehmen ein zentraler Untersuchungsgegenstand. Verfahren wie die Discounted Cashflow-Methode sind mittlerweile zu breit akzeptierten Standards geworden. Diese Erkenntnis lässt sich jedoch nicht auf die Bewertung von Arztpraxen übertragen, welche in der Betriebswirtschaftslehre bislang keinen großen Stellenwert einnimmt. So gibt es in ganz Deutschland lediglich 14 Sachverständige zum Thema Praxisbewertung.1 Diese vertreten zudem unterschiedliche Meinungen in Bezug auf die Bewertungsmethoden, weshalb die Diskussion über ein allgemeingültiges Bewertungsverfahren anhält.2 In eine Praxisbewertung sind je nach Anlass verschiedene Parteien wie der Veräußernde, der Erwerber, Praxismakler, Versicherungskaufleute, Finanzdienstleister, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberatungen involviert.3 Daher müssen die ermittelten Praxiswerte möglichst realistisch und transparent sein. Dies ist jedoch nur bei einer nachvollziehbaren Anwendung der Verfahren gegeben. Die vorherrschenden unterschiedlichen Meinungen resultieren jedoch in einer Intransparenz hinsichtlich der Bewertungsmethoden.
Vor diesem Hintergrund ist es Ziel dieser Arbeit, einen bewertenden Überblick über die Methoden zur Praxisbewertung zu geben, um deren Anwendung für außenstehende Betrachter transparent zu gestalten. Zudem werden Vorschläge zur Weiterentwicklung der Methoden nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben aufgezeigt sowie ein Standardtool zur Bewertung von Arztpraxen konzipiert.
Der erste Teil der Arbeit besteht darin, Arztpraxen als Untersuchungsobjekt genauer zu definieren und konzeptionell abzugrenzen, um die Grundlage für die Bewertung zu schaffen. Daran schließt sich im zweiten Teil eine Analyse und Evaluation der bestehenden Verfahren an, welche im dritten Teil diskutiert werden. Die Konzeption und Anwendung des Standardbewertungstools wird im vierten Teil näher erläutert, bevor abschließend ein Blick auf die Zukunft geworfen wird.
Im Folgenden wird die Grundlage für die Analyse der Bewertungsmethoden geschaffen. Hierzu werden eine freiberufliche Arztpraxis und ihr Gesamtwert definiert. Anschließend werden Bewertungsanlässe und die sich daraus ergebende Unterschiede zu Großunternehmen beschrieben. Diese resultieren wiederum in besonderen Anforderungen an Bewertungsmethoden für Arztpraxen, die im letzten Schritt aufgezeigt werden und die Überleitung zur Analyse der Methoden bilden.
Die selbstständig ausgeübte Berufstätigkeit eines Arztes gehört nach § 18 EStG und § 1 PartGG zu den freien Berufen, welche daher nicht der Gewerbeordnung unterliegen. Damit sind Ärzte nicht bilanzierungspflichtig, weshalb in den meisten Praxen eine Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG erstellt wird. Ein wichtiges Merkmal einer freiberuflichen Tätigkeit ist die hohe Personengebundenheit. Insbesondere bei Arztpraxen beruht der Erfolg primär auf dem Vertrauen der Patienten gegenüber dem Arzt.4
Eine weitere Definition ist die freiberufliche Praxis als „Summe aller Beziehungen, Aussichten und Möglichkeiten, die sich der Berufsangehörige durch eine erfolgreiche Ausübung seines Berufes verschafft “5 Bereits an dieser Stelle wird einer zukunftsorientierten Sichtweise eine hohe Bedeutung zugeordnet, was bei der Analyse der Methoden eine zentrale Rolle einnehmen wird.
Der Gesamtwert einer Arztpraxis setzt sich zusammen aus einem materiellen und einem immateriellen Wert.
Der materielle Wert, genannt Substanzwert, entspricht der Summe der Zeitwerte der bilanzierungsfähigen Wirtschafsgüter, „ohne die die Ausübung der Tätigkeit nicht möglich, in vielen medizinischen und freiberuflichen Einrichtungen sogar völlig undenkbar wäre “6 Der Zeitwert ist nicht gleichzusetzen mit dem Buchwert, welcher nur dann mit dem Zeitwert übereinstimmt, wenn die buchhalterischen Abschreibungen der realen Wertminderung entsprechen.
Den zweiten Teil bildet der immaterielle Wert, genannt Goodwill. Er „verkörpert die Aussicht einer Praxis auf zukünftige Gewinne (...), wird durch die Praxis gebildet und ist untrennbar mit der Praxis verbunden “7 In der Realität macht der Goodwill oft 70% des Kaufpreises aus.8 Daher ist der bei einer getrennten Ermittlung des immateriellen und materiellen Praxiswertes der Goodwillberechnung eine besondere Bedeutung zuzurechnen.
In Summe ergeben der Wert des Sachvermögens und der Goodwill den Praxisgesamtwert. Es gilt nach Gleichung 1:
ges : :
Vges = Praxisgesamtwert
VSW = Substanzwert
VGW = Goodwill
Zu beachten ist an dieser Stelle, dass der objektiv festgestellte Praxiswert nicht zwangsweise dem Kaufpreis entspricht „Bewertungen gehen grundsätzlich der Kaufpreisfindung voran und haben die Funktion, Preisgrenzen festzulegen. Diese Bewertungen sind die Ausgangsposition für die anstehenden Preisverhandlungen.“910
Bei einer Praxisbewertung geht es in der Regel um zwei Parteien, die exakte Werte über den Praxiswert benötigen. Der klassische Fall ist die Bewertung aufgrund einer geplanten Veräußerung der Praxis. So ergab eine Studie der Universität Erlangen, dass 35,5% der Vertragsärzte mit dem Gedanken spielen, ihre Praxis aufzugeben und damit zu veräußern.11 Weitere Bewertungsanlässe sind zum einen nach subjektiven und zum anderen nach objektiven Gründen zu unterscheiden.
Im Bereich der subjektiven Gründe sind geplante Kooperationen der häufigste Fall, beispielsweise die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums. Auch bei Investitionsvorhaben oder Umstrukturierungen muss der Praxiswert ermittelt werden, da häufig Fremdkapital aufgenommen wird und somit ein Gutachten für den Fremdkapitalgeber erforderlich ist.
Objektive Gründe für eine Praxisbewertung sind die Veräußerung einer Praxis aus Altersgründen sowie Krankheit oder Tod des Inhabers. Ein weiterer Grund sind Ehescheidungen, bei denen nach § 1363 BGB Zugewinnausgleichsberechnungen durchzuführen sind. Aber auch ein Zulassungsentzug oder ein Insolvenzverfahren machen die Erstellung eines Bewertungsgutachtens notwendig.12
Die klassischen betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden zielen auf die Bewertung von Großunternehmen ab. Vergleicht man jedoch Großunternehmen mit Arztpraxen, ergeben sich mehrere Unterschiede, die bei der Wahl der entsprechenden Bewertungsmethode zu berücksichtigen sind.
Der wichtigste Unterschied ist, dass bei Arztpraxen „der Praxiswert (…) personenbezogen ist. Er besteht im Normalfall aus (...) dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient (...). Gibt der praktizierende Arzt seine Tätigkeit auf, endet dieses Verhältnis und der übernehmende Arzt hat die Chance, dieses ertrauensverhältnis auf seine Person zu übertragen “13 Die Wertschöpfung in freiberuflichen Praxen erfolgt daher immateriell und individuell. Zudem ist der Praxiswert „im Wesentlichen von der Tüchtigkeit der jeweiligen Inhaber abhängig (…) und davon, wieweit diese in der Lage sind, ihre speziellen Aufgaben zugunsten der Patienten oder Kunden zu erfüllen."14 Die angebotenen Produkte, d.h. Leistungen des Arztes spielen eine vernachlässigbare Rolle. Bei Großunternehmen besteht im Allgemeinen kein intensives Vertrauensverhältnis zwischen Dienstleister und Kunde. Ein persönliches Wirken des Geschäftsführers ist nicht erforderlich, zudem ist dieser austauschbar.
Ein weiterer Unterschied ergibt sich in Hinblick auf gesetzliche Regelungen. Arztpraxen werden von der staatlichen Seite weitaus stärker reguliert als Großunternehmen. Ein Beispiel sind Gebührenordnungen. Preise, Leistungserbringungen und Honorare sind fest geregelt und limitieren folglich das Budget einer Arztpraxis.15 Angesichts verschiedener gesellschaftlicher und demographischer Faktoren sind auch in Zukunft weitreichende Reformen zu erwarten. Ein Beispiel ist der Wandel hin zu einer älteren Gesamtbevölkerung. Großunternehmen unterliegen keiner Gebührenordnung und können ihre Preise, Produkte und Gehälter dem Markt entsprechend frei gestalten. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung sieht in den gesetzlichen Regelungen und der politischen Einflussnahme einen wichtigen Unterschied im Vergleich zu Großunternehmen.16
Neben den genannten Gründen sind auch Restriktionen wie Zulassungsbeschränkungen, Werbeverbote sowie die Beschränkung auf bestimmte Fachgebiete als wertbeeinflussende Faktoren zu nennen.17
Bei einer Bewertung bleibt im ungünstigen Fall der Preis hinter dem Marktwert der Praxis zurück und der abgebende Arzt verspielt einen Teil seiner Altersversorgung.18 Um einen realistischen Praxiswert zu ermitteln, sind einerseits allgemeine betriebswirtschaftliche Grundsätze, andererseits die oben beschriebenen Unterschiede bei Arztpraxen zu berücksichtigen. Im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Grundsätze sollte die Berechnung des Praxiswertes demnach zukunftsorientiert und transparent erfolgen. Es ist der zukünftige Nutzen für den Erwerber abzuschätzen, den dieser durch Kapitaleinsatz erhält.19 Dieser Grundsatz ist auch mit der oben beschriebenen Definition einer Arztpraxis zu vereinbaren. Die dabei verwendeten Kennzahlen müssen dem tatsächlichen Wert entsprechen bzw. realistisch prognostiziert werden und zudem durch die Tätigkeit des Inhabers beeinflussbar sein. Darüber hinaus sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Fachrichtungen zu berücksichtigen Jede „unterliegt (...) anderen Kriterien, die in einer korrekten Bewertung zu erfassen, zu berechnen und zu bewerten sind “20 So sind Investitionen in der Radiologie oder Kardiologie beispielsweise weitaus kostspieliger als es in anderen Fachrichtungen der Fall ist. Abschließend sollte auch die hohe Personengebundenheit Einzug in die Methodik erhalten.
Bei der folgenden Evaluierung der Bewertungsmethoden werden diese dahingehend geprüft, ob diese Anforderungen erfüllt werden.
Die Bewertungsverfahren werden danach gegliedert, ob der Substanzwert, der Goodwill oder der Praxiswert als Ganzes ermittelt wird und ob es sich dabei um ein vergangenheits-, gegenwarts- oder zukunftsorientiertes Verfahren handelt. Bei letzterem werden zukunftsbezogenen Ereignisse miteinbezogen, beispielsweise zukünftige Erlöse oder Änderungen in der Gesetzgebung.
Ein tabellarischer Überblick über die vorgestellten Bewertungsmethoden ist Tabelle 1 zu entnehmen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Überblick über vorherrschende Methoden zur Bewertung von Arztpraxen21
Der Substanzwert entspricht der Summe der Vermögensgegenstände, die einem Unternehmer zum Bewertungszeitpunkt dienen.22 Beispielsweise sind die klassischen Elemente des Anlagevermögens wie Praxiseinrichtung, Räumlichkeiten oder Kraftfahrzeuge dem Substanzwert zuzuordnen. Diese müssen während der Bewertung hinsichtlich ihres Zustandes und der Verfügbarkeit geprüft werden. Forderungen und liquide Mittel des Umlaufvermögens „spielen im Normalfall bei der Bewertung einer Arztpraxis keine Rolle. Der Verkäufer nimmt Forderungen und flüssige Mittel mit in sein Privatvermögen, sodass diese hierbei nicht berücksichtigt werden “23 24
Die Restwertmethode ermittelt den Wert des Substanzwertes durch eine Gewichtung des marktüblichen Anschaffungswertes mit der restlichen Nutzungsdauer. Die notwendigen Daten wie technische Lebensdauer sind durch Recherche in entsprechenden Datenbanken ermittelbar.25
Es gilt nach Gleichung 2:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten26
Die von der Bundesärztekammer empfohlene Methode zur Ermittlung des Substanzwertes besteht darin, nach ihrem Anschaffungszeitpunkt kategorisierte Wertgegenstände mit entsprechenden Faktoren zu bewerten. Diese Faktoren berücksichtigen technische Neuerungen, amtliche Auflagen sowie Preisentwicklungen und sind Tabelle 2 zu entnehmen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Faktoren zur Ermittlung des Substanzwertes nach der Bundesärztekammermethode27
Die Indizes-Methode lässt in die Substanzwertermittlung eine Vielzahl an Parametern wie die Restnutzungsdauer, den Betriebszustand oder Preisentwicklungen zwischen Anschaffung und Bewertung miteinfließen.
Der Substanzwert der Arztpraxis berechnet sich nach Gleichung 4:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Anschaffungswert wird im ersten Teil der Formel mit der prozentualen Restnutzungsdauer, dem Gebrauchswertfaktor und dem Verhältnis der Preisindizes gewichtet. Der Gebrauchswertfaktor gibt Aufschluss über die Gebrauchstauglichkeit des zu bewertenden Wertgegenstandes. So sprechen erforderliche Reparaturen für einen niedrigen Gebrauchswertfaktor. Das Verhältnis der Preisindizes spiegelt die durchschnittliche Entwicklung des effektiven Verkaufspreises des Wertgegenstandes wider. Die Indizes sind der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Fachserie 17 zu entnehmen.
Der zweite Teil der Gleichung 4 gewichtet den Anschaffungswert ebenfalls mit der prozentualen Restnutzungsdauer und zusätzlich noch mit dem Mindestwertfaktor noch betriebsfähiger Anlagen. Letzterer wird von einem Sachverständigen gemäß Betriebstauglichkeit und Resteinsatzdauer bestimmt.
Der Substanzwert eines einzelnen Wertgegenstandes ergibt sich schließlich aus dem Maximum der beiden errechneten Werte. Dies resultiert aus dem Sachverhalt, dass Wertgegenstände noch betriebsfähig sein können, obwohl ihre technische Nutzungs- und Lebensdauer bereits abgelaufen ist. Die Berechnung gemäß dem ersten Teil der Formel führt demnach zu keinem brauchbaren Ergebnis. Summiert man abschließend über alle Wertgegenstände, erhält man den Substanzwert der zu bewertenden Arztpraxis.
Die Restwertmethode legt anstelle des steuerlichen Restbuchwerts die tatsächliche Restnutzungsdauer des Wirtschaftsgutes zu Grunde und zeichnet sich durch eine nachvollziehbare Anwendung aus. Dem steht der Nachteil der aufwändigen Datenaufbereitung bei einer Vielzahl von Wertgegenständen gegenüber. Zudem wird ein außergewöhnlich schlechter Zustand eines Wertgegenstandes nicht berücksichtigt, da zur Bewertung nur die durchschnittliche Nutzungsdauer hinzugezogen wird.
Die Substanzwertermittlung nach der Bundesärztekammermethode ist einfach anwendbar, besitzt jedoch eine begrenzte Aussagefähigkeit. Dies wird insbesondere durch die Tatsache unterstrichen, dass Wertgegenstände mit unterschiedlichen technischen Lebensdauern identisch bewertet werden und die verwendeten Faktoren nicht nachvollziehbar sind. Die Indizesmethode arbeitet weitaus exakter als die beiden vorherigen, da verschiedene wertbestimmende Einflüsse wie Preisentwicklungen in die Berechnung miteinbezogen werden. Damit erhält man einen differenzierten und damit realistischen Substanzwert der Arztpraxis.
Nachteilig wirkt sich der sehr hohe Berechnungsaufwand sowie eventuelle Fehler bei den auf Schätzungen beruhenden Gebrauchs- oder Mindestwertfaktoren aus.
Zusammenfassend wird für die Berechnung des Substanzwertes einer Arztpraxis die Restwertmethode empfohlen, da sie einen Kompromiss zwischen Differenzierungsgrad und nachvollziehbarer Anwendung eingeht.
Bei der Gründung besitzt eine Praxis keinen immateriellen Wert. In der Fachwelt wird angenommen, dass eine Praxis nach etwa drei Jahren eingeführt und ein Patientenstamm aufgebaut ist. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass sich bei einer Praxisübernahme ein Goodwill innerhalb von drei bis fünf Jahren verflüchtigt. Die Höhe des Goodwills korreliert folglich mit dem Alter der Praxis.28
Der Goodwill unterliegt zudem weiteren Einzugsgrößen, beispielsweise der Übertragbarkeit des Patientenstamms. Durch eine Praxisveräußerung besteht die Möglichkeit, dass Patienten aufgrund der hohen Personenbezogenheit der ärztlichen Dienstleistungen bei einem Wechsel des Praxisinhabers abwandern. Je größer der bestehende Patientenstamm und je höher die Wahrscheinlichkeit, dieses Vertrauensverhältnis auf den übernehmenden Arzt zu übertragen, desto höher der Goodwill.29 Auch die Patientenstruktur beeinflusst die Höhe des Goodwills. Als Beispiele sind hier die Aufteilung zwischen Kassen- und Privatpatienten oder das Alter zu nennen. Weitere wertbeeinflussende Faktoren sind der Praxisstandort, die vorherrschende Arztdichte, die angebotenen Leistungen, die Mitarbeiter und die Organisationsstruktur.
Für eine aussagekräftige und realistische Bewertung müssen diese Faktoren in den Verfahren implizit oder explizit berücksichtigt werden.30
Die Bundesärztekammer erarbeitet Richtlinien zur Praxisbewertung, um ihrer Aufgabe als Interessen vertretende Instanz der Arztpraxen gerecht zu werden. 1987 wurde die rechtlich nicht verbindliche Bundesärztekammermethode veröffentlicht. Auch wenn 2008 eine überarbeitete Version der Methode publiziert wurde, werden auch heute Praxen nach der älteren Methode bewertet, weshalb eine nähere Betrachtung der Methode von 1987 sinnvoll ist.
Ausgangsbasis für die Berechnung des Goodwills ist der um personengebundene Tätigkeiten bereinigte und damit übertragbare durchschnittliche Umsatz der letzten drei Jahre sowie der kalkulatorische Arztlohn.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Abziehen des kalkulatorischen Arztlohnes beruht auf der Annahme, „dass die Anstellung als Klinikarzt eine sichere Alternative zum Kauf einer Praxis darstellt. (…) Der Kauf einer Arztpraxis rechnet sich deshalb wirtschaftlich nur, wenn mit der Praxis mehr verdient werden kann, als im Klinikum.“31 Damit entspricht der kalkulatorische Arztlohn den Opportunitätskosten des Arztes, da dieser auf die Verwendung seiner persönlichen Arbeitskraft außerhalb der Praxis verzichtet.32 Die Höhe des kalkulatorischen Arztlohnes richtet sich nach dem geltenden Gehalt für Oberärzte im öffentlichen Dienst.
Durch Variierung des Multiplikators 1/3 ist es möglich, Zu- und Abschläge aufgrund wertbeeinflussender Faktoren miteinzubeziehen.
Die erneuerte Version der Bundesärztekammermethode unterscheidet sich von der älteren dadurch, dass zum einen Kosten und zum anderen eine zukunftsorientierte Sichtweise berücksichtigt werden. Letztere wird durch das Ersetzen des Multiplikators durch einen Prognosemultiplikator sichergestellt. Dieser gibt die „Anzahl der Jahre an in denen von einer Patientenbindung durch die ätigkeit des bisherigen Inhabers ausgegangen werden kann “33
Demnach gilt nach Gleichung 5.1:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Vgl. Gespräch mit Dorothy Mehnert, Senior Referentin Kassenärztliche Bundesvereinigung vom 30.08.2012, Anhang 7.
2 Vgl. Zur Mühlen et. al (2010), S. 1.
3 Vgl. Schmid-Domin (2009), S. 205.
4 Vgl. Schmid-Domin (2009), S. 99.
5 Englert (1997), S. 36.
6 Frielingsdorf (2007), S. 38.
7 Schmid-Domin (2009), S. 102.
8 Vgl. Schmeisser (2004), S. 17.
9 Schmid-Domin (2009), S. 115.
10 Vgl. Zur Mühlen et. al (2010), S. 12-16.
11 Vgl. Dieke et. al (2002), S. 49.
12 Vgl. Schmid-Domin (2009), S. 112.
13 Zur Mühlen et. al (2010), S. 2.
14 Frielingsdorf (2007), S. 4.
15 Vgl. Schmid-Domin (2009), S. 100.
16 Vgl. Gespräch mit Dorothy Mehnert, Senior Referentin Kassenärztliche Bundesvereinigung vom 30.08.2012, Anhang 7.
17 Vgl. Willms (2008), S. 8.
18 Vgl. Naumann (2008), S. 13.
19 Vgl. Achleitner / Thommen (2009), Seite 715.
20 Frielingsdorf (2001), S. 73.
21 Eigene Darstellung.
22 Vgl. Wollny (1994), S. 299.
23 Zur Mühlen et. al (2010), S. 21.
24 Vgl. Schmid-Domin (2009), S. 121.
25 Vgl. Frielingsdorf (2007), S. 90.
26 Vgl. Schmid-Domin (2009), S. 120-121.
27 Vgl. Schmid-Domin (2009), S. 121-122; Zur Mühlen et. al. (2010), S.21-24.
28 Vgl. Schmid-Domin (2009), S. 129.
29 Vgl. Schmidt-von Rhein (1997), S. 50.
30 Vgl. Bundesärztekammer (1987), S. 926 -929.
31 Naumann (2008) S. 14.
32 Vgl. Schmid-Domin (2009), S. 147.
33 Bundesärztekammer / Kassenärztliche Vereinigung (2008), S. 2778-2780.
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