Diplomarbeit, 2017
37 Seiten, Note: 13,00
1 Einleitung
2 Geschichtlicher Überblick
2.1 Erste Aufzeichnungen
2.2 Beginnende Regulierung
2.3 IAS 22,
2.4 Entwicklung in Deutschland
3 Definitionen
3.1 Geschäftswert
3.2 Unternehmenszusammenschlüsse
3.3 Kapitalkonsolidierung
4 Rechtliche Situation
4.1 National
4.1.1 Originärer Geschäftswert
4.1.2 Derivativer Geschäftswert
4.2 Internationaler Rechnungslegungsstandard
4.2.1 IFRS Grundlagen
4.2.2 Behandlung des Goodwill
4.3 Firmenwert im Rahmen der Konzernrechnungslegung
4.3.1 Grundlagen
4.3.2 Neubewertungsmethode
5 Der negative Geschäftswert
5.1 Fallkonstellationen
5.2 National
5.2.1 Der negative Firmenwert im Asset- Deal (Einzelabschluss)
5.2.2 Share- Deal im Zuge der Konzernrechnungslegung
5.3 IFRS Regelwerk
6 Wertermittlung
6.1 Gesamtbewertungsverfahren
6.2 Einzelbewertungsverfahren
6.3 Mischverfahren
6.4 Exemplarisch: Brutto- Methode des Discounted- Cashflow- Verfahrens
7 Darstellung eines börsennotierten Falles
7.1 Beteiligungssachverhalt
7.2 Rechtliche Einordnung
7.3 Bewertung
8 Literaturverzeichnis
Es handelt sich bei Rechtsfragen des Firmenwerts nicht um ein Nischenproblem, denn er spielt insbesondere im Rahmen der Konzernrechnungslegung eine bedeutende Rolle. Zu verweisen ist auf statistische Erhebungen, wonach 97,78 % der börsennotierten Unternehmen an den Börsen DAX, MDAX, SDAX, TecDax in 2012 einen Firmenwert auswiesen mit Gesamtbuchwert von ca. 237 Mrd. €[1].
Im Rahmen dieser schriftlichen Arbeit soll ein Überblick über das Phänomen Geschäfts/ Firmenwert bzw. international: Goodwill verschafft werden. Goodwill hat sich über eine Periode von ca. 450 Jahren entwickelt, deswegen wird eine Annäherung über die Geschichte erfolgen. Anschließend wird der Begriff und seine Abgrenzung definiert.
Die rechtliche Würdigung besteht aus der bilanzrechtlichen Situation derzeit im HGB und dem internationalen Rechnungslegungsstandart des IASB.
Wie sich im Verlauf der Arbeit zeigen wird, ist der Geschäfts- oder Firmenwert (GoF) höchst differenziert zu betrachten und eine Frage der Perspektive. Fragen bezüglich des GoF treten bei Unternehmensverkäufen, Veräußerung von Mitunternehmeranteilen oder sogar nur Anteilskäufen auf, je nach Größe des Unternehmens im Einzelabschluss oder Konzernabschluss. Für bestimmte Konzerne sind die IFRS Regelungen des IASB relevant.
Aufgrund der Komplexität des Themas mit seinen vielen verschiedenen Ausprägungen ist der tatsächliche Anspruch dieser Arbeit einen Überblick über das Thema GoF mit seinen vielen rechtlichen Aspekten zu schaffen.
Entsprechend wird auch im vorletzten Kapitel verfahren, wo wiederrum ein Überblick über das bekannte Bewertungsverfahren zur Unternehmenswertermittlung gegeben wird.
Im letzten Kapitel wird die Wandlung der Gigaset Sparte der Siemens AG bis hin zum eigenen börsennotierten Unternehmen beleuchtet mit Aufgriff verschiedener Aspekte des GoF.
Wissenschaftlich anerkannte Meinung ist, dass ein Geschäftswert das erste Mal in der Geschichte 1571 erwähnt wurde[2]. “I gyue to John Stephen …. My whole interest and good will of my Quarelle”, was erstmals bedeutete, zumindest schriftlich bekannt, dass jemand in einer geschäftlichen Transaktion seine Gewinnerwartungen und „Goodwill“ abtrat. Überliefert ist eine erste Definition des „Goodwill“ aus England um 1810, wonach Lord Elton in einer Bar Goodwill als die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden das Geschäft auch weiterhin aufsuchen werden, bezeichnete[3].
Die älteste schriftlich bekannte Definition stammt aus dem Jahr 1882 und definiert Goodwill erstmals als Gewinnerwartung, zumindest die Chance weitere Gewinne zu erzielen aus einem bereits vorhandenen Gewerbebetrieb. Ferner schlussfolgert der Autor Bithell, dass der Goodwill selbst veräußerbar sei[4].
Die erste Entwicklungsphase der Anerkennung eines Geschäftswerts kann man bis in das 20. Jahrhundert sehen. Diese erste Phase ist gekennzeichnet davon, dass es noch keine Regulierung oder gesetzliche Standards gab. Die Evolution des Geschäftswerts geht einher mit der Änderung der Wirtschaftsstruktur bzw. ihrer teilnehmenden Subjekte. Mit der zunehmenden Bedeutung von Körperschaften und Personengesellschaften war ein Geschäftswert nicht länger in Einheit mit der Person des Geschäftsbetreibers, also des Einzelunternehmens. Die Übertragung eines Geschäftswerts bekam also eine größere Bedeutung[5].
Die amerikanischen Steuerbehörden entschieden 1913 eine Auffassung zu vertreten, wonach der Geschäftswert als Wirtschaftsgut erfasst wurde, allerdings statisch und ohne Möglichkeit einer Abschreibung[6]. Eine Wendung wurde um 1944 vollzogen, wonach der Geschäftswert als immaterielles Wirtschaftsgut genauer definiert wurde mit der weiteren Möglichkeit einen Wert abzuschreiben, allerdings nur soweit eine Dauer definitiv bestimmbar war[7].
In Frankreich wurden immaterielle Wirtschaftsgüter ab 1925 legal definiert und somit wurde auch ein etwaiger übertragener Unternehmenswert Gegenstand der Parlamentsdebatte. Ein Geschäftswert wurde als steuerbefreit angesehen, dementsprechend war auch auf Käuferseite eine steuermindernde Wirkung, also ein Betriebsausgabenabzug, nicht vorgesehen[8]. Diese Auffassung hielt bis in die 1980er Jahre, also bis zu einer beginnenden internationalen Harmonisierung der Bilanzierungsstandards.
1973 wurde das „International Accounting Stardards Committee“ (IASC) als privatrechtlicher Verein mit Sitz in London gegründet. Die Arbeit des IASC führte 1983 mit dem IAS 22 „Accounting for Business Communications“ zum ersten internationalen Standard zur Bilanzierung eines derivativen Goodwill. Dieser sah ein Wahlrecht zwischen Aktivierung und planmäßiger Abschreibung oder erfolgsneutraler Verrechnung mit dem Eigenkapital vor[9]. Auch in den folgenden zwei Jahrzehnten war der GoF stets Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Debatte, was bei jeder Standardaufarbeitung mit Änderungen verbunden war. Richtungsweisend schließlich ist die Überarbeitung aus dem Jahr 1998 mit der Einführung eines sog. jährlichen Impairment- Tests (= Werthaltigkeitstest).
Hier geht die Evolution des GoF in den heutigen Standard der Rechnungslegung über, mit welchem sich Kapitel 6 befasst.
Erste handelsrechtliche Vorschrift zur bilanziellen Behandlung eines GoF war das Aktiengesetz von 1884[10]. Die frühe Auffassung der Literatur erkannte den originären GoF nicht als Vermögensgegenstand an, durch Gesetz verfestigt wurde dies 1937 mit einer Änderung des AktG.
Auch ein negativer GoF war bereits Anfang des 20. Jahrhunderts ein Thema mit dem sich der damalige Reichsfinanzhof auseinandersetzte, wie z.B. in Urteilen zum negativen GoF[11].
Tatsächlich lässt sich feststellen dass in Deutschland die grundlegende rechtliche Behandlung eines GoF in den letzten neunzig Jahren keiner großen Wende unterworfen war. Erwähnenswert ist, dass mit Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) das siebzigjährige Aktivierungswahlrecht des derivativen GoF abgeschafft wurde[12].
Abstrakt wird der Geschäftswert als immaterieller Vermögengegenstand bezeichnet[13], welcher entweder durch entgeltlichen Erwerb einer Firma oder Anteile (derivativ) oder selbst geschaffen, also Wertschöpfung im eigenen Unternehmen, (originär) entsteht.
Aus der geschichtlichen Entwicklung heraus, ist ein GoF bzw. Goodwill als Chance zu bezeichnen. Die Chance auf zukünftige Gewinne, Wertsteigerung des Unternehmens, Ausbau der Marktstellung. Im Geschäftswert spiegeln sich Erwartungen wieder, die Erwartung der zukünftigen Entwicklung. Die Kapitalisierung dieser Chancen und Erwartungen ist der Kaufpreis, welcher bei einer Firmenübernahme bezahlt wird. Tatsächliches physisches Vermögen abgezogen und was übrig bleibt, ist das, was als Geschäftswert bezeichnet wird.
Rechnerisch ist der Geschäftswert der Mehrwert eines Unternehmens über den Substanzwert abzüglich Schulden hinaus[14]. Der Substanzwert ist die Summe der zu Teilwerten bewerteten Vermögensgegenstände und Schulden. In diesem Zusammenhang wird auch der Begriff des Teilreproduktionswertes verwendet, was verdeutlichen soll, dass das Unternehmen nicht allein mit den bilanzierungsfähigen Wirtschaftsgütern und Schulden reproduziert werden kann. Ein Betrag in Höhe des Teilreproduktionswertes dürfte demnach nicht ausreichend sein um ein Unternehmen in gleicher Art und Güte nachzubauen[15].
Problematisch ist also die weitere Definition der sog. geschäftswertbildenden Faktoren, die Verkörperung der benannten Chancen und Möglichkeiten.
Worauf könnten diese zurückgeführt werden?
Dies sind unternehmensbezogene Faktoren, welche auf internen oder externen Einflüssen beruhen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[16]
Es handelt sich hierbei um zwei verschiedene Arten einer Unternehmenstransaktion. Die Unterscheidung ist relevant aufgrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen für einen GoF.
Share Deal ist der Unternehmenskauf durch Erwerb von Anteilen an dem Unternehmen, also Aktien oder Mitunternehmeranteile. Hierbei bleibt die rechtliche Selbstständigkeit des übernommenen Unternehmens unberührt. Mögliche Folge hierbei kann ein Konzernverhältnis (Mutter/Tochter- Unternehmen) sein. Es erfolgt kein Ausweis eines GoF im Einzelabschluss, weil es sich um einen Aktivtausch handelt. Ein Goodwill würde aber im Rahmen der Kapitalkonsolidierung im Konzernabschluss zu berücksichtigen sein[17].
Asset Deal (Singularzession) ist der komplette Erwerb der einzelnen Vermögenswerte (Aktiva/Passiva) bezeichnet. Diese werden dergestalt übertragen, dass der Erwerber selbstständig am Wirtschaftsverkehr teilnehmen kann. Das erworbene Unternehmen verliert seine rechtliche Eigenständigkeit. Ein derivativer GoF ist nun im Einzelabschluss auszuweisen.
Die mögliche dritte Form eines Unternehmenszusammenschlusses, die echte Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung i.S. des UmwG (international: legal merger). Diese wird rechtlich wie ein Asset Deal behandelt[18].
Eine Kapitalkonsolidierung gibt es lediglich im Rahmen eines Konzernabschlusses und dient dem Zweck das vorhandene Eigenkapital für den Verbund aufzuzeigen[19].
Die tatsächliche Problematik ergibt sich aus der korrekten Erfassung der mit der Konzernmutter verbundenen Unternehmen und des Vermeidens von Doppelerfassungen.
Die Pflicht zur Kapitalkonsolidierung und der Begriff des konsolidierungspflichtigen Kapitals ergibt sich gesetzlich aus § 300 I HGB.
Zu einem Konzernabschluss verpflichtet und damit auch zur Kapitalkonsolidierung, ist ein Unternehmen, welches als Muttergesellschaft beherrschenden Einfluss auf ein Tochterunternehmen mittelbar oder unmittelbar ausübt, vgl. § 290 HGB. Beherrschender Einfluss ist die dauerhafte Bestimmung der Geld- und Finanzpolitik[20].
Für den originären Geschäftswert besteht ein generelles Aktivierungsverbot[21]. Nach herrschender Lehre wird bereits das Vorliegen eines Vermögensgegenstandes verneint[22]. Dies gilt trotz der allgemein gesetzlichen Erwähnung des Firmenwerts als Bilanzposition in § 266 II A I Nr. 3 HGB.
Abgeleitet wird diese Auffassung aus dem Umkehrschluss aus § 246 I S. 4 HGB und demnach kann auch das Vollständigkeitsgebot des § 246 I S. 1 HGB nicht gelten.
Ein entgeltlich erworbener Geschäftswert ist aktivierungspflichtig. § 246 I S. 4 HGB enthält eine Legaldefinition und fingiert den derivativ erworbenen Geschäftswert als Vermögensgegenstand.
Die letzte Änderung trat durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG[23] ) ein. Das handelsrechtliche Aktivierungswahlrecht nach § 255 IV HGB a. F. wurde durch die Aktivierungspflicht ersetzt.
Durch das BilMoG erledigte sich auch der Literaturstreit über die handelbilanzielle Rechtsnatur des Geschäftswertes, welcher vorher existierte. Fraglich war Klassifizierung, ob Vermögensgegenstand, Bilanzierungshilfe oder Wert eigener Art. Der Diskurs findet nun nur noch auf Ebene des negativen GoF statt. Ebenso fand eine Annäherung an die International Financial Reporting Standards (IFRS) statt.
[...]
[1] Küting DStR 2013,1794
[2] Leake, S. 35.
[3] Owens: „Goodwill in the Accounts“, The University Journal of Business, 1 (3), S. 282
[4] Bithell: A Counting House Dictionary, S. 142
[5] Hughes, S. 18/19
[6] Garcia, S. 9
[7] ARB No. 24 „Accounting for Intangible Assets“ (US- Administration Review Board), 1944.
[8] Garcia in: A Brief History of Accounting for Goodwill in Japan and France: War, Tax and Accounting Practice
[9] Sigloch/Weber in:Michalski GmbHG, Rn. 657.
[10] Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18.07.1884, RGBl 1884, S. 123-170
[11] RFH v. 13.01.1920 I A 232/19; v. 15.10.1924 VI e A 174/24
[12] Wagenseil, S. 192.
[13] Vgl. Gesetzgebungsverfahren zu BilMoG: BilMoG-Ref-E, S. 93, BilMoG-RegE, S. 47
[14] BFH, BB 93, 1914; Baumbach Hopt, HGB, 37. Auflage, zu § 246, Rn 9.
[15] Wöhe, StuW, 1980, S. 89ff
[16] Arnold in: Die Bilanzierung des Geschäfts- oder Firmenwertes in der Handels-, Steuer- und Ergänzungsbilanz
[17] Buchholz, S. 75.
[18] Ohms, S. 128.
[19] Wohlgemuth inBeck`sches Steuerberater-Handbuch 2015/2016; C. Grundlagen des Konzernabschlusses, Rn 80.
[20] Merkt in: Baumbach/Hopt, HGB- Kommentar, 37. Auflage, zu § 290, Rn. 7.
[21] BFH/NV 06, 822
[22] Baumbach Hopt, HGB, 37. Auflage, zu § 246, Rn 9
[23] Bundesgesetzblatt Teil I 2009, Nr. 27, BilMoG vom 25.05.2009
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