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Bachelorarbeit, 2012
41 Seiten, Note: 1,0
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anhangsverzeichnis
1 Einführung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Theoretische Grundlagen: Corporate Governance, Eigentum und Kontrolle
2.1 Corporate Governance und Eigentumsverhältnisse
2.1.1 Der Begriff der Corporate Governance
2.1.2 Trennung, Eigentum und Kontrolle als ökonomisches Problem
2.1.3 Eigentum und Kontrolle in alternativen Corporate Governance-Systemen
2.2 Corporate Governance- Systeme in Russland
2.2.1 Privatisierung der russischen Staatsbetriebe
2.2.2 Das russische Corporate Governance-System
3 Empirische Untersuchung: Eigentums- und Kontrollverhältnisse in russischen Aktiengesellschaften
3.1 Datenbasis und Auswertungsmethode
3.2 Befunde: „Ownership and Control"
3.2.1 Eigentumsverhältnisse in Russland
3.2.2 DieRolledesStaates
3.2.3 Die Rolle der Oligarchen und Managerunternehmen
3.2.4 Unternehmensstrategie
3.3 Diskussion der Befunde
4 FazitundAusblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Eigentümerstruktur Russland 2010
Abbildung 2: Identität der größten Kapitaleigner 2010
Abbildung 3: Anteil der Staatsunternehmen an Schlüsselbranchen nach Umsatz
Abbildung 4: Lorenzkurve Umsatz der Unternehmen 2010
Abbildung 5: Branchen der 10 Umsatzstärksten Unternehmen
Abbildung 6: Eigentümerstruktur der 10 größten Unternehmen ohne Staatsunternehmen
Tabelle 1: Anteil Staatsunternehmen an allen Unternehmen
Tabelle 2: Anteil der 10 Umsatzstärksten Unternehmen am Gesamtumsatz
Tabelle 3: Eigentümer- und managerbeherrschten Unternehmen
Anhang 1: Lorenzkurve der 10 Umsatzstärksten Unternehmen
Anhang 2: Produktdiversifikation Eigentümer und Managerunternehmen
Anhang 3: Produktdiversifikation Privat und Staatsunternehmen
Anhang 4: Test auf Normalverteilung
Anhang 5: Signifikanz für Kruskal-Wallis-Test
Anhang 6: Kruskal-Wallis-Test
Anhang 7: Signifikanz für Mann-Whitney-Test
Anhang 8: Mann-Whitney-Test
In den letzen Jahren ist der Begriff „Corporate Governance“ zu einem Modethema geworden und nicht nur in Amerika oder Deutschland wird über diesen Begriff auf zahlreichen Konferenzen und in diversen Wirtschaftszeitschriften diskutiert. Zentraler Bestandteil dieser Diskussion ist die Frage, wer die jeweilige Verfügungsgewalt hat und wie diese ausgeübt bzw. wer, hinsichtlich dieser, kontrolliert wird.
Auch in Russland hat die Bedeutung der Corporate Governance zugenommen. Besonders seit der Privatisierungsphase Anfang der 90er Jahre in welcher der Wandel von einer Planwirtschaft zur Marktwirtschaft vollzogen werden sollte. Die Umverteilung der wirtschaftlichen Eigentumsrechte führte in den neu geschaffenen Aktiengesellschaften zu einer Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt. Hierbei wird die Verfügungsgewalt von den Managern ausgeübt und die Aktionäre sind die Eigentümer. Um die verschiedenen Interessen der Anspruchsgruppe zu wahren, wurde eine Art Ordnungsrahmen für die Führung und Kontrolle von Gesellschaften geschaffen. Dieser fällt heute unter den Begriff der Corporate Governance. Das Leitbild dieses Terminus ist die angelsächsische Unternehmenskultur.
Nach der Privatisierungsphase musste in Russland ein neues Corporate Governance- System geschaffen werden. Die russische Regierung entschied sich für die weitgehende Übernahme des angelsächsischen Modells, ohne jedoch die erforderlichen Rahmenbedingungen zu beachten.
In der allgemeinen Fachliteratur zum Thema Corporate Governance wird die These vertreten, wonach eine Anpassung der internationalen Corporate Governance-Systeme in Richtung des angelsächsischen-Systems stattfindet. Inwieweit das russische Corporate Governance-System mit dem angelsächsischen Modell konvergiert, soll im Rahmen einer empirischen Untersuchung, im Verlauf dieser Arbeit, näher untersucht werden.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen empirischen Abschnitt. Im Theorieteil soll das notwenige Grundwissen über Corporate Governance vermittelt werden. In der empirischen Analyse sollen daraufhin die, im Theorieteil bereits aufgestellten Hypothesen untersucht werden.
Der theoretische Teil dieser Arbeit beginnt mit der umfangreichen Klärung des Begriffes der Corporate Governance. Hierzu werden verschiedene Definitionen und Übersetzungen des Terminus herangezogen. Im Folgenden wird das zentrale Problem der Corporate Governance, nämlich die Trennung von Eigentum und Kontrolle, im Rahmen der Prinzipal-Agent-Theorie behandelt. Danach erfolgt eine umfassende Darstellung der vorherrschenden Corporate Governace-Systeme mit ihren spezifischen Eigentumsverhältnissen und Kontrollmechanismen. Auf dieser Basis wird anschließend das russische Corporate-Governance-System behandelt. Zuerst wird die, für das russische Corporate Governance-System prägende Privatisierungsphase und die, daraus entstandenen, drei Hauptakteure auf dem russischen Aktienmarkt, dargestellt.
Nach Abschluss des theoretischen Abschnitts folgt der empirische Teil dieser Arbeit. Der empirische Teil beginnt mit der Vorstellung der vorliegenden Datenbasis und den verwendeten Auswertungsmethoden. Die aus der Datenbasis gewonnenen Befunde werden im Folgenden genauer vorgestellt. Zuerst werden die vorliegenden Eigentumsverhältnisse dargestellt. Anschließend wird die Rolle der drei im Theorieteil vorgestellten Hauptakteure, auf dem Aktienmarkt, empirisch untersucht. Im Rahmen der Diskussion der Befunde sollen die wesentlichen Erkenntnisse hervorgehoben werden. Zum Abschluss werden die wesentlichen Tatsachen in einem Fazit kurz zusammengefasst und es erfolgt eine Einschätzung der möglichen Entwicklung des russischen Corporate Governance- Systems.
Theoretische Grundlagen: Corporate Governance, Eigentum und Kontrolle
Um den Zusammenhang von Untemehmenserfolg und Untemehmensstruktur analysieren zu können, sollte zunächst der Begriff Corporate Governance definiert werden. Der Begriff Corporate Governance hatte seinen Ursprung vor ca. 25 Jahren im angelsächsischen Raum und existiert in Deutschland erst seit Mitte der 90er Jahre.1 Bis heute existiert noch keine allgemein akzeptierte Definition für den Begriff Corporate Governance. Im deutschsprachigen Raum besitzt der Begriff vielfältige Bedeutungen, wie z.B. Unternehmensverfassung, Unternehmensüberwachung oder Unternehmensführung und Unternehmenskontrolle.2 Dies allein wäre aber eine zu enge Betrachtungsweise, um als direktes Äquivalent zum angelsächsischen Terminus zu gelten. Die Bedeutung des Begriffs reicht weit über dies hinaus, da hierbei nur die rechtlichen Gegebenheiten fokussiert werden und nicht das breite Spektrum des Begriffs abgedeckt wird.3 Die Unternehmensverfassung regelt durch die Festlegung von Informations- und Entscheidungsrechten der, am Unternehmen beteiligten Interessengruppen primär die Binnenordnung des Unternehmens, während im Rahmen der Corporate Governance vermehrt auch die rechtliche und faktische Einbindung der Gesellschaft in ihrem Umfeld diskutiert wird.4 Somit lässt sich das Corporate Governance-System als ein komplexes Geflecht mehrerer, miteinander verbundener Sub-Systeme klassifizieren, in dem Unternehmensorgane, Kontrollsysteme, das Gesetzgebungssystem, die Kultur eines Landes wie auch der Kapitalmarkt in einem wechselseitigem Zusammenhang fungieren.5
Corporate Governance betreffen im wesentlichen die Fragen nach der Leitung, der Kontrolle und der Überwachung der unternehmerischen Tätigkeit.6 Hierzu gehören neben Unternehmensstrukturen, den Verhaltensempfehlungen und -pflichten für die Organe eines Unternehmens (und Unternehmensstrukturen) auch die Beziehungen des Unter- nehmens zu seinen Shareholdem und seinen Stakeholdem.7 Ausgehend von der extemen Perspektive der Corporate Governance, lassen sich zwei zentrale Hauptströmungen charakterisieren, welche mit den Oberbegriffen „eng“ und „weit“ beschrieben werden können.8 Corporate Governance im engeren Sinne stellen die Vertragsbeziehung zwischen Managern und Aktionären in den Mittelpunkt. Der Fokus richtet sich hierbei ausschließlich auf die Interessenwahrung und Erfolgsbeteiligung der Kapitaleigner, durch die Ma- nager.9 In diesem Fall gilt die Legitimationsfrage der Corporate Governance, d.h. welche Interessen zu wahren sind, als geklärt.10 So heißt es bei Shleifer und Vishny:
„ Corporate Governance deals with the ways in which the suppliers of finance to corporations assure themselves of getting a return on their investment. [,..]How do suppliers of finance control managers? [...] Our perspective on corporate governance is a straightforward agency perspective, sometimes referred to as separation of ownership and control. We want to know how investors get the managers to give them back their money.”11
Wird der Begriff Corporate Governance dagegen weiter aufgefasst, wie es in Kontinentaleuropa der Fall ist, sind die legitimierten Interessen nicht von vornherein gegeben. Corporate Governance im weiteren Sinne umfassen die, vorher erwähnte, Unternehmensverfassung, der sich nicht nur die Aktionäre (Shareholder-Ansatz) sondern auch breite Interessengruppen (Stakeholder-Ansatz), mit ihren expliziten und impliziten Ansprüchen, unterwerfen.12 Ziel ist es, die verschiedenen Interessen der Shareholder und Stakeholder mit Hilfe der Corporate Governance, auf Basis von ausgesprochenen oder unausgesprochenen Verträgen, in Einklang zu bringen.13 So lässt sich die Beschreibung von Landoo in seinem Aufsatz der Corporate Governance in Europa beispielhaft für den Stakeholder -Value-Ansatz einbringen: „[...] Corporate Governance can be defined as the whole system of rights, processes and controls established internally and externally over the management of a business entity with the objective ofprotecting the interests of all the stakeholders. ”14
In dieser Arbeit wird der Fokus, mit der Betrachtung der Eigentumsverhältnisse und der Kontrollausübung in Unternehmen, auf die Behandlung der engen Definition der Corporate Governance, gelegt. Nach dieser Betrachtungsweise kristallisiert sich ein Schlüsselproblem heraus, nämlich der potenzielle Konflikt zwischen Manager und Kapitaleig-15 1 2 3 4 ner, welche die zentralen Interessengruppen bilden. Nachfolgend wird dieser Konflikt mit der Abhandlung der Prinzipal-Agent-Problematik näher beleuchtet.
Der Grundgedanke der kapitalistischen Unternehmensordnung besteht darin, dass die Ziele und die Politik des Unternehmens alleine von den Interessen der Kapitaleigner bestimmt werden. Die Personen, die ihr Eigentum für die Teilnahme am Marktprozess riskieren, sollen auch die wirtschaftlichen Entscheidungen im Unternehmen treffen und gleichzeitig die Konsequenzen in Form von Gewinnen oder Verlusten tragen. Durch die Einbringung des Eigentums an den Produktionsmitteln, wird die Einheit von Risiko, Kontrolle und Gewinn gesichert. Somit ist die Herrschaft der Kapitaleigner im Unternehmen nicht willkürlich gewählt, sondern durch die daraus resultierende Absicht der Gewinnmaximierung, funktional für die Wohlfahrt aller, im Wirtschaftsprozess beteiligter Interessengruppen.16
Die zentrale Frage, die sich hier stellt ist, wieso es dann zu einer Trennung zwischen Eigentum und Kontrolle kommt. Gründe hierfür sind, dass es bereits im Laufe der Industrialisierung, die zu einem Wachstum und einer geographischen Ausdehnung der Unternehmen führte, die Unternehmensleitung stetig komplexer wurde. Die ständig wachsenden Ansprüche an den Eigentümer, machten es erforderlich, qualifizierte Angestellte (Manager) mit der Unternehmensführung zu beauftragen. Diese Entwicklung führte zunehmend zu einer Trennung zwischen Eigentum und Unternehmensführung.17 Die Trennung zwischen Eigentum und der Kontrolle von diesem, sowie die damit verbundenen Probleme, ist zentraler Bestandteil der Prinzipal-Agent-Theorie, die im Folgenden thematisiert wird.
In der Prinzipal-Agent-Theorie wird zunächst grundlegend zwischen einem Prinzipal (Auftraggeber) und einem Agenten unterschieden. Letzterer wird beauftragt, bestimmte Handlungen vorzunehmen bzw. Leistungen zu erbringen, da er zur Bewältigung dieser Aufgaben besser befähigt ist.18
Beispielhaft für das Auftreten von Prinzipal-Agent-Beziehungen ist die Aktiengesellschaft. Hier beauftragen die Aktionäre (Prinzipals) den Vorstand (Agenten) mit der Aufgabe der Leitungsfunktion. Das Risiko der Unternehmen tragen aber weiterhin die
Aktionäre.19 Der Einsatz eines kompetenten und fachkundigen Managements (Agenten), kann der Unternehmung weitreichende Gewinne bescheren.20 Da eine Aktiengesellschaft zumeist über breitgestreute Besitzanteile verfügt, wäre eine gemeinschaftliche Führung ohne einen Agenten sehr schwierig, da es ansonsten zu großen Koordinationsproblemen kommen würde.21 Zudem ermöglichen Aktiengesellschaften die Finanzierung großer Unternehmen, bei welchen jeder Aktionär durch die Höhe seiner Anteile an der Gesellschaft das Risiko, welches er tragen möchte, selbst festlegen kann.22 Trotz der eben beschriebenen Vorteile einer Aktiengesellschaft kann es im Rahmen der Prinzipal-Agent-Theorie zu einer Vielzahl von Konflikten zwischen Eigentümern und Managern kommen. Im Folgenden wird genauer auf die einzelnen Problemfelder zwischen Eigentümer und Manager, im Rahmen der Prinzipal-Agent-Theorie eingegangen. Als erstes wird die Prinzipal-Agent-Vertragsbeziehung näher charakterisiert. Dabei schließen die Eigentümer mit den Managern einen Vertrag, in dem die Ziele und Handlungsspielräume der Agenten festgelegt werden. Da diese Verträge aber nie vollständig d.h. in dem Maße, dass alle spezifischen Bedingungen und Umweltzustände berücksichtigt werden, sind, eröffnet dies dem Manager Handlungsspielräume.23 Der Agent kann so seinen Nutzen, z.B. durch einen geringeren Arbeitseinsatz steigern, da der Prinzipal das Auszahlungsergebnis nicht immer auf den Arbeitseinsatz des Agenten zurückführen kann. Dieser wird neben der, durch den Agenten zu verantwortenden Komponente, auch von exogenen Umwelteinflüssen beeinflusst.24
Neben der problematischen Gestaltung von optimalen Verträgen, spielt die Tatsache, dass die Manager und Eigentümer unterschiedliche Ziele zur Maximierung ihres Nutzens anstreben bzw. eine gar gegenläufige Anreizstruktur aufweisen, eine Rolle. Dabei lassen sich die Anreizprobleme weiter in Partizipation und Zeithorizont unterscheiden. Die Manager und Kapitaleigner sind zu einem unterschiedlichen Anteil am Risiko und Erfolg beteiligt.25 Während die Manager ein vertraglich zugesichertes Gehalt beziehen, hängt das Einkommen der Eigentümer von den zufließenden Mitteln wie Kursgewinne, Dividende und sonstige Bezugsrechte ab.26 Sollte die Gesellschaft in Schieflage geraten, würden die Eigentümer deutlich härter getroffen als die Manager, da diese im Falle einer Insolvenz ihr gesamtes Kapital verlieren würden. Im Gegensatz dazu ist der Anteil am Privatvermögen, den Manager in die Gesellschaft einbringen eher gering. Zwar investier ein Manager Humankapital in die Gesellschaft, doch im Falle einer Insolvenz hat dies keine so weitrechenden Konsequenzen für den Manager wie für den Eigentümer, da das investierte Humankapital im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht derart spezifisch ist, als dass es nicht auch in einem anderen Unternehmen eingesetzt werden könnte. Ein weiterer Konfliktpunkt besteht im unterschiedlichen Zeithorizont der Manger und Eigentümer. Während Kapitalgesellschaften darauf ausgerichtet sind, auf Dauer zu existieren, beträgt die Verweildauer von Managern nur eine bestimmte Periode. Dies kann dazu führen, dass Investitionen durchgeführt werden, die nur einen kurzfristigen positiven Effekt haben, während Investitionen mit langfristigen positiven Effekten, die somit zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens beitragen, nicht realisiert werden. Dies schadet nicht nur den Aktionären, sondern auch der Volkswirtschaft als Ganzes.27 Die Kosten, die nun ein Aktionär aufwenden muss um dieses eigennützige Verhalten des Managers einzuschränken, werden als Agenturkosten bezeichnet.28 Da diese Kosten für einen Kleinaktionär zu hoch wären, besteht ein geringer Anreiz in Kontrollsysteme zu investieren.29 Im folgenden Kapitel wird auf die verschiedenen Corporate Gover- nance-Systeme eingegangen, mit deren Hilfe versucht wird das Prinzipal-AgentProblem und die damit verbundenen Agenturkosten zu reduzieren.
Nachdem nun der Begriff Corporate Governance ausführlich definiert wurde und anschließend die Prinzipal-Agent-Theorie, mitsamt der damit verbundenen Konfliktpotenziale zwischen Eigentümern und Managern, vorgestellt wurde, soll jetzt eine Klassifizierung der existierenden Corporate Governance-Systeme erfolgen.
Da der Kapitalmarkt eine wichtige Möglichkeit zur Unternehmensfinanzierung darstellt, sollen mit Hilfe der Corporate Governance-Systeme die Interessen der Kapitalgeber, sowie deren Finanzierungsbereitschaft geschützt werden.30 Um dies sicherzustellen existieren eine Reihe von Vorschlägen zur Einordnung der länderspezifischen Corporate Governance-Systeme.
Da in dieser Arbeit der Schwerpunkt auf dem Konflikt der Eigentums- und Kontrollsi- tuation liegt, ist der Aspekt der Kontrollphilosophien zur Unterscheidung, Analyse und zum Vergleich von Corporate Governance-Systemen, besonders geeignet. Diese lassen sich unterscheiden in Exit, Voice und Loyalty, was auch eine Erfassung realtypischer Unternehmensordnungen ermöglicht.31 So sollen durch die Gesamtheit der Regelungen und Mechanismen eines Unternehmens die Interessen der Anteilseigner, der Gläubiger und der Mitarbeiter im Rahmen der Unternehmenspolitik gewahrt und durchgesetzt werden.32 Im Folgenden werden die drei Kontrollsysteme Exit, Voice und Loyalty thematisiert.
Das Exit-System ist dadurch gekennzeichnet, dass die Anteilseigner bei Unzufriedenheit mit der Unternehmensführung oder bei schlechten Geschäftsergebnissen ihre Anteile verkaufen. Die somit freigewordenen Mittel werden in Unternehmen mit attraktiverer Verzinsungsoption reinvestiert.33 Als klassisches Beispiel gelten hier das britische und US-amerikanische System.34 Eine breite Streuung der Unternehmensanteile und eine, damit gleichbedeutende Abwesenheit dominanter Eigentümer, erleichtert die Abwanderung und eine Neuinvestition.35 Aus dem Verkauf der Anteile resultiert ein gesunkener Börsenkurs des betroffenen Unternehmens. Dies kann dazu führen, dass ein anderes Unternehmen diese Anteile aufkauft, um dann mit hoher Wahrscheinlichkeit das Management neu zu besetzen.36 Somit wird das Management indirekt über die Exit-Option am Kapitalmarkt kontrolliert.37 Durch diesen Kontrollmechanismus soll ein opportunistisches Verhalten des Managements unterbunden werden und Anreize geschaffen werden, ein akzeptables Unternehmensergebnis zu erreichen. Dies führt dazu, dass die Agency kosten, die im vorherigen Kapitel beschrieben worden sind, zwischen den Eigentümern und der Unternehmensleitung reduziert werden.38 All dies führt dazu, dass die Manager eine Maximierung des Shareholder-Value als oberstes Unternehmensziel ausgeben. Da die Unternehmenskontrolle und -finanzierung über den Kapitalmarkt abgewickelt wird, ist ein gut funktionierender Kapitalmarkt essenziell. Durch die breitgestreute Anteilsstruktur ist das Interesse der Aktionäre an einer aktiven Teilnahme, an der organisationsinternen Kontrolle der Unternehmensführung, gering. Demzufolge lohnt es sich für den einzelnen Aktionär nicht in Kontrollmechanismen zu investieren.39 Durch einen schwachen Kündigungsschutz und die Tatsache, dass die Arbeitnehmer sich an der Unternehmenspolitik nicht beteiligen können, dominiert die Exit-Option auch bei den Arbeitnehmern.40
Als klassisches Beispiel für das Voice-System gilt Deutschland.41 Zentrales Merkmal des Voice-Systems ist die strikte Trennung zwischen der Leitungs- und Kontrollfunkti- on.42 So ist durch den Aufsichtsrat mit seinen Informations-, Kontroll- und Widerspruchsrechten, die Möglichkeit zu organisationsinternem Widerspruch institutionali- siert.43 Der Aufsichtsrat setzt sich in der Regel aus Arbeitnehmervertreter und Vertretern der Kapitaleigner zusammen. So entsteht eine direkte interne Kontrolle des Managements durch Aktionäre und Arbeitnehmer.44 Es kann also im Gegensatz zum Exit- System von einem Stakeholder-Value-Ansatz gesprochen werden.45 Um entsprechend hohen Einfluss auf die Unternehmenspolitik per Voice-Option ausüben zu können, wird ein hoher Anteilsbesitz angestrebt. Dies führt in Voice geleiteten Corporate Gover- nance-Systemen zu einer, im Vergleich zum angelsächsischen Exit-System, hohen Eigentümerkonzentration. Dadurch spielt die Abwanderung durch den Kapitalmarkt für die Aktionäre keine große Rolle, sodass auf diesem nur wenige Unternehmensanteile gehandelt werden. Aufgrund der geringen Liquidität des Kapitalmarkts wird die Unternehmensfinanzierung durch Bankkredite realisiert. Bedingt durch die hohen Verflechtungen, einen unterentwickelten Kapitalmarkt und die Kreditfinanzierung durch die Banken, ist der Gläubigerschutz, verglichen mit dem Anlegerschutz, stark ausgeprägt.46 Passend dazu verfügen die Arbeitnehmer sowohl über weitrechende Mitbestimmungsrechte in der Unternehmenspolitik, als auch über einen ausgeprägten Kündigungs- schutz.47 Somit erfolgt die Kontrolle nicht, wie beim Exit-System, über den Kapitalmarkt, sondern durch interne Mechanismen, in welchen Großaktionäre, Hausbanken und personelle Verflechtungen prägend für die Kontrolle sind.48
Um einen vollständigen Überblick der herrschenden Corporate Governance-Systeme zu erhalten, wird im Folgenden kurz das Loyalty-System auf Grundlage der japanischen
Untemehmenskultur behandelt. Im Loyalty-System besteht zwischen Eigentümern, Management und Arbeitnehmern ein Konsens über das Unternehmensziel. Dieses ist der Fortbestand des Unternehmens. So kommt es zwischen den Interessengruppen zu keinem Konflikt, was wiederum ein Kontrollgremium überflüssig macht.49 Nachdem eine vollständige Klassifikation der vorherrschenden Corporate Governance- Systeme nach Kontrollphilosophien erfolgt ist, soll nun auf Basis dieser das russische Corporate Governance-System eingeordnet werden.
Nach dem Zusammenbruch der sowjetischen Planwirtschaft, sollte in Russland eine neue Wirtschaftsordnung, die als Marktwirtschaft bezeichnet werden kann, entstehen. Dazu wurden in den Jahren 1992 bis 1997 im Rahmen der Privatisierung mehr als 16.000 mittlere und große Unternehmen in privates Eigentum überführt. Dabei erhielt bis Mitte 1994 jeder russische Staatsangehörige ein sog. „Voucher“ mit einem Nominalwert von 10.000 Rubel.50 Dieser verbriefte einen Anteil an einem, zuvor privatisierten Unternehmen in Rechtsform einer AG, welchen er gegen die Aktien des jeweiligen Zielbetriebs auf den öffentlichen Voucher-Auktionen eintauschen konnte.51 Auf diese Weise wurden 29% der Aktienanteile, der zu privatisierenden Unternehmen, veräußert. Zusätzlich wurde eine Belegschafts- und Managerprivatisierung durchgeführt, die in drei Optionen aufgeteilt wurde. Bei der ersten Option konnte die Belegschaft maximal 25% des Aktienkapitals kostenlos in Form von Namensaktien, ohne Stimmrechte, erhalten. Zusätzlich konnten 10% des Aktienkapitals um 30% vergünstigt erworben werden. Die Betriebsdirektoren konnten darüber hinaus weitere 5% in Form normaler Aktien kaufen, so konnten die Insider maximal 40% der Anteile halten. Bei der zweiten Variante konnten die Insider 51% der Aktiengesamtheit zum 1,7- fachen des Nominalwertes auf sich vereinen. Bei der dritten Variante konnte das Management unter Einhaltung bestimmter Auflagen, wie z.B. keine Entlassungen, 20% der Unternehmensanteile zum nominellen Ausgangspreis erwerben. Nach der Insider- und Voucher-Privatisierung blieben 15-20% der Kapitalanteile beim Staat.52
Die russische Regierung erhoffte sich, dass die Massenprivatisierung über die kostenlose Ausgabe von Privatisierungsgutscheinen, eine breite Schicht von Kleinaktionären, wie in den USA, schaffen würde.53 Diese Verbreitung der Anteile auf viele Kleinaktionäre sollte einen liquiden Kapitalmarkt bilden.54 Zusätzlich sollten externe Investoren als zentrale Kapitalquelle für erforderliche Modernisierungen fungieren.55 Daher entschied sich die russische Regierung Mitte der 1990er für die weitgehende Übernahme des angelsächsischen Corporate Governance-Systems.56 Durch diese neue Kapitalmarktstruktur sollte die Unternehmenskontrolle nach dem Exit-System erfolgen. Diese Erwartungen erfüllten sich allerdings nicht, da die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implementierung des angelsächsischen Modells nicht gegeben waren. Das Rechtssystem war nicht in der Lage die Rechte der Kleinaktionäre zu schützen, was auch die ausländischen Investoren abschreckte. Zusätzlich führte die kostenlose Ausgabe der Voucher dazu, dass bei den Aktionären kein echtes Eigentümerbewusstsein und auch keine Kapitalzufuhr für Investitionen und Restrukturierung realisiert werden konnte.57 Durch diese Missstände, die am Anfang der Privatisierung vorherrschten, haben sich als Hauptakteure folgende Marktteilnehmer herausgebildet: der Staat, die sog. „Oligarchen“ und die Minderheitsaktionäre. Um nun festzustellen, welcher Ansatz sich in Russland herauskristallisiert, wird im Folgenden auf die Eigentümerstruktur und auf die Machtverhältnisse zwischen den Akteuren eingegangen.58
[...]
1 Vgl. Gerum, E. (2007), S. 5.
2 Ebd. S. 4.
3 Vgl. Wentges, P. (2002), S. 72.
4 Vgl. Von Werder, A. (2009), S. 4.
5 Vgl. Wentges, P. (2002), S. 10.
6 Vgl. Eibelshäuser, B. (2011), S. 7.
7 Vgl. Grundmann, S./Mülbert, P. (2001), S. 215.
8 Vgl. Bress, S. (2008), S. 14f.
9 Vgl. Bress, S. (2008), S. 14.
10 Vgl. Gerum, E. (2007), S. 6f.
11 Shleifer, A./ Vishny, W. (1997), S. 154.
12 Vgl. Bress, S. (2008), S. 15.
13 Ebd.
14 Landoo, K. (1995), S. 15.
15 Vgl. Gerum, E. (2004), S. 247.
16 Vgl. Wentges, P. (2002), S. 29.
17 Vgl. Fritsch, M/ Wein, T./ Ewers, H. (2007), S. 294.
18 Vgl. Voigt, S. (2009), S. 84f.
19 Vgl. Gerum, E. (2007), S. 90.
20 Vgl. Metten, M. (2010), S. 47.
21 Vgl. Gerum, E. (2007), S. 90.
22 Vgl. Gerum, E. (2007), S. 12f.
23 Vgl. Bress, S. (2008), S. 17f.
24 Vgl. Hilpisch, Y. (2005), S. 78.
25 Vgl. Bress, S. (2008), S. 17.
26 Vgl. Hilpisch, Y. (2005), S. 83.
27 Vgl. Voigt, S. (2009), S. 85.
28 Vgl. Metten, M. (2010), S. 49.
29 Vgl. Lattemann, S. (2009), S. 47.
30 Vgl. Brühl, K. (2009), S. 16f.
31 Vgl. Gerum, E. (2007), S. 28.
32 Vgl. Brühl, K. (2009), S. 96.
33 Vgl. Gerum, E. (2007), S. 29
34 Vgl. Brühl, K. (2009), S. 96.
35 Vgl. Leem, G. (2010), S. 80
36 Vgl. Gerum, E. (2007), S. 29.
37 Vgl. Leem, G. (2010), S. 80.
38 Vgl. Brühl, K. (2009), S. 97.
39 Vgl. Gerum, E. (2007), S. 29.
40 Ebd.
41 Vgl. Meckl, R. (2011), S. 111.
42 Vgl. Gerum, E. (2007), S. 29.
43 Vgl. Meckl, R. (2011), S. 112.
44 Vgl. Weimer, J./ Pape, J. C. (1999), S. 157.
45 Vgl. Brühl, K. (2009), S. 18.
46 Vgl. Brühl, K. (2009), S. 99.
47 Vgl. Berrar, C. (2001), S. 38.
48 Vgl. Gerum, E. (2007), S. 30.
49 Vgl. Priewe, J. (2000), S. 50.
50 Vgl. Lattemann, C. (2009), S. 169f.
51 Vgl. Priewe, J. (2000), S. 49f.
52 Vgl. Pleines, H. (2006), S. 268.
53 Vgl. Lattemann, C. (2010), S. 171.
54 Vgl. Pleines, H. (2006), S. 271.
55 Ebd. S. 268.
56 Vgl. Lattemann, C. (2010), S. 170f.
57 Vgl. Svetlova, E. (2003), S. 246.
58 Ebd. S. 247f.