Examensarbeit, 2004
141 Seiten, Note: 1
1 Einleitung
1.1 Vorwort
1.2 Thema der Arbeit- Zielsetzung
1.3 Aufbau
2 Aktuelle Erkenntnisse zum Fernsehkonsum und Fernsehmotiven von Grundschulkindern
2.1 Quantitative Daten zum Fernsehkonsum von Kindern
2.1.1 Der Stellenwert des Fernsehens unter den Freizeitbeschäftigungen
2.1.2 Verweildauer vor dem Fernseher
2.2 Fernsehvorlieben und Motive
2.2.1 Was sehen Kinder im Fernsehen ?
2.2.2 Warum sehen Kinder fern?
2.2.3 Was wollen Kinder aus dem Fernsehen lernen?
2.3 Durch welche Faktoren wird der Fernsehkonsum beeinflusst?
2.3.1 Allgemeine soziale Rahmenbedingungen
2.3.2 Familienformen
2.3.3 Fernsehrestriktionen der Eltern
2.3.4 Vorbildfunktion der Eltern
2.3.5 Herkunftsmilieu (Sozialer Status)
2.4 Verständnis der Fernsehinhalte
2.4.1 Kognitive, soziale und moralische Entwicklung des Kindes
2.4.2 Fernsehverständnis in Abhängigkeit von der Altersstufe
3 Auswirkungen auf die Gesundheit
3.1 Abläufe während des Fernsehkonsums
3.1.1 Visuelle Leistungen und der Einfluss auf das Sehvermögen
3.1.2 Visuelle und auditive Wahrnehmung und Aufmerksamkeit
3.2 Langfristige psychische Auswirkungen des Fernsehkonsums
3.2.1 Emotionen und Fernsehen
3.2.2 Macht Fernsehen ängstlich?
3.3 Langfristige Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung
3.3.1 Einfluss auf das Vorstellungsvermögen
3.3.2 Wissen Fernsehkinder mehr?
3.3.3 Einfluss der Intelligenz auf die Verarbeitung von Fernsehinformationen
3.3.4 Macht Fernsehkonsum sprachlos?
3.3.5 Lesen vs. Fernsehen
3.3.6 Auswirkungen auf die Schreib- und Lesekompetenz
3.3.7 Fernsehkonsum im Zusammenhang mit Schulleistungen
3.4 Langfristige Auswirkungen auf das Verhalten
3.4.1 Hyperaktivität oder Trägheit - Folgen von erhöhtem Fernsehkonsum?
3.4.2 Verändertes Freizeitverhalten
3.4.3 Ersetzt Fernsehen eigenes Erleben?
3.4.4 Exkurs: Macht Fernsehgewalt gewalttätig ?
3.5 Langfristige Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit
3.5.1 Verändertes Bewegungsverhalten durch Fernsehkonsum?
3.5.2 Verändertes Ernährungsverhalten durch Fernsehkonsum?
3.5.3 Übergewicht infolge von Bewegungsmangel und falscher Ernährung
3.5.4 Auswirkungen auf die Gesundheit im Erwachsenenalter
4 Ausblick: Fernseherziehung als Gesundheits- erziehung
4.1 Öffentliche Fernsehreglementierung
4.2 Fernseherziehung im Elternhaus
4.2.1 Aktuelle Situation
4.2.2 Regeln für eine sinnvolle Fernseherziehung
4.3 Schulische Fernseherziehung
4.3.1 Aktuelle Situation in der Schule
4.3.2 Ausgewählte Praxisbeispiele für Medienarbeit mit Kindern
5 Interviews mit Kindern
5.1 Daten über die Interviewpartner
5.2 Ablauf der Interviews
5.3 Auswertung der Interviews
5.3.1 Verhalten der Kinder beim Interview
5.3.2 Fernsehverhalten
5.3.3 Bewusstsein über Fernsehwirkungen
5.3.4 Fernseherziehung im Elternhaus
5.3.5 Fernseherziehung in der Schule
5.3.6 Allgemeine Auswertung
6 Abschlussbemerkungen
7 Literaturverzeichnis
7.1 Bücher
7.2 Aufsätze aus Büchern
7.3 Zeitschriften
7.4 Internet
8 Anlagen
9 Eidesstattliche Erklärung
„Früher war alles besser!“ Wie oft hört man diesen Satz oder hat ihn vielleicht selbst schon gedacht?
Früher, da spielten die Kinder noch draußen, kletterten auf Bäume, stauten Bäche, machten sich dreckig und sammelten in der Natur Erfahrungen aus erster Hand, während die Kinder heute in Betonwüsten leben und ihre Zeit mit Fernsehschauen, Computerspielen und Rumhängen verbringen. Die heutigen Kinder haben weniger soziale Kontakte, Eltern, die keine Zeit für sie aufwenden können, sie versagen in der Schule, wie uns die PISA- Ergebnisse vor Augen halten, sie werden aggressiv, sind faul, antriebslos und unkonzentriert, undankbare Egoisten mit hohen Ansprüchen.
„Was soll nur aus unseren heutigen Kindern werden?“ fragen Medien, Eltern, Lehrer und Politiker.
Aber war es nicht schon immer so, dass man frühere Zeiten verherrlichte und sich Sorgen machte über die Kinder und Jugendlichen? Oder steht es wirklich so schlimm um unsere Kinder?
Untersuchungen haben gezeigt, dass unsere Sorgen durchaus nicht unbegründet sind. Es steht nicht gut um die Gesundheit der Kinder.
„Gemessen an den Indikatoren der Morbiditäts- und Mortalitätsstatistiken hat sich in den westlichen Industrienationen die gesundheitliche Lage der Kinder innerhalb einer Generation erheblich verbessert“. (Settertobulte 1997, S.3) Infektionskrankheiten sind leichter zu heilen und selbst genetische Defekte können erfolgreich behandelt werden, jedoch ergeben sich „neue Gesundheitsrisiken aus sich verändernden Lebensweisen und Umweltbedingungen“. (Settertobulte 1997, S.3) Es wird ein Anstieg verzeichnet an Diabetes Typ II bei Jugendlichen, sowie Herz-Kreislaufkrankheiten[1], Allergien und Unfällen.
Viele Schulanfänger leiden unter Haltungsschäden, motorischen Störungen, Rückenschmerzen und Übergewicht. Aus einer Münchener Schuleingangsuntersuchung geht hervor, dass nur 30% der Schulanfänger in der Lage sind, auf Anhieb einen Purzelbaum zu machen. 60% der Kinder haben bereits Haltungsschäden, 44% klagen über gelegentliche Rückenschmerzen, 40% haben Koordinationsschwächen, und 20% sind übergewichtig. (vgl. http://www.Familienhandbuch.de/cmain/f_Aktu-elles/ a_Kindliche Entwicklung/ s 596.html)
Auch psychische und kognitive Probleme wie Konzentrationsstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Wahrnehmungsstörungen, Sprachstörungen, Ängste und Lernstörungen nehmen zu.
1996/1997 wurde im Raum Bielefeld der „Bielefelder Grundschulsurvey“ durchgeführt, in dem Viertklässler und ihre Eltern nach Gesundheitsbeeinträchtigungen und gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen befragt wurden. Während sich im Bereich Hygiene keine auffälligen Befunde ergaben, waren Ernährungs-, Bewegungsverhalten und Fernsehgewohnheiten alarmierend. (vgl. Settertobulte 1997)
In dieser wissenschaftlichen Arbeit wird ein besonderes Augenmerk auf den Fernsehkonsum der Kinder gerichtet.
Fernsehen- ein Thema mit dem sich jeder in irgendeiner Form auskennt. Fast jeder kennt solche Situationen: man ist erschöpft, hatte einen langen anstrengenden Tag, kommt nach Hause und möchte einfach nur abschalten, sich ablenken. Man schaltet den Fernseher ein, zappt wahllos durch die Programme bis man etwas Interessantes gefunden hat. Wird das Dargebotene langweilig, so zappt man einfach weiter. Man ist zu müde zum Lesen, man möchte sich von den alltäglichen Sorgen distanzieren, man sucht Zerstreuung: Fernsehen als Helfer bei Langeweile oder Sorgen, als Gesellschaftsersatz, als Begleitung zum Essen.
Wir meinen zu wissen, dass Talkshows niveaulos, Serien unrealistisch, Reportagen übertrieben, Nachrichtensendungen in den öffentlich-rechtlichen Sendern seriös und Filme und Sendungen oft leichte Kost, brutal oder sexistisch sind. Kaum einer macht sich allerdings Gedanken, ob Fernsehen ungesund oder schädlich sein könnte.
Fernsehen gehört aber heutzutage nicht nur zum Leben der Erwachsenen dazu, sondern ist auch ein fester Bestandteil im Leben der Kinder geworden.
Bei einer Umfrage des TV-Senders FoxKids (Premiere World) wurden Kinder zwischen 6 und 13 Jahren gefragt, was sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden, wobei der Fernseher unangefochten auf Platz eins der Antworten lag. (vgl. www.lifeline.de/cda/page/center/0,2845,8-4780,FF.html)
„Mindestens ein Fernsehapparat steht in mehr als 98% aller deutschen Haushalte und in etwa jedem 5. deutschen Kinderzimmer. Der Fernsehkonsum nimmt über die Jahre hinweg zu und liegt im Durchschnitt bei etwa 2 Stunden pro Tag“[2] . (Spitzer 2003, S.113) Angesichts solcher Zahlen ist es nicht verwunderlich, wenn schon vom „Familienmitglied Fernseher“ gesprochen wird.
Welche Auswirkungen hat dieser hohe Fernsehkonsum auf die kindliche Entwicklung? Ist der Fernsehkonsum ein Faktor für den schlechten Gesundheitszustand der Kinder? Welche Spätfolgen sind zu erwarten bei Kindern, die zuviel Fernsehen? Ist Fernsehen wirklich so gefährlich, ja vielleicht sogar eine Droge, wie A. Quattrocchi feststellt: „Genau, Fernsehen ist eine Droge. Die Droge unserer Zeit. Eine leichte oder eine schwere Droge? Sie ist leicht, weil sie nicht tötet, aber schwer, weil sie abhängig macht. Wie sehr, das liegt ganz an euch. Schaut euch doch einmal an: Starrer, glasiger Blick, herunterhängender Unterkiefer, halboffener Mund, stundenlang klebt ihr vor dem Bildschirm, für euch selbst und für eure Umgebung verloren. Tag für Tag, alles in euch aufnehmend, vom Fernsehquiz über Film zum Sport, wahllos alles. Ja, der Fernsehsüchtige macht wie der Drogenabhängige kaum noch Unterschiede, jede Droge ist ihm recht.“ (Quattrocchi 1994, S.8)
Oder ist die Aufregung um das Fernsehen eine reine „Panikmache“? Dr. Wilhelm Kleine, Professor an der Sporthochschule Köln hält viele Untersuchungen für unzulänglich und pauschalisierend: „ Die Auseinandersetzung über die Lebens- und Bewegungswelt von Kindern leidet über weite Strecken geradezu unter der Absolutsetzung subjektiver Sichtweisen, der Simplifizierung von Sachverhalten und der Bevorzugung von „Wenn- Dann- Schemata“: Viel Fernsehen impliziert wenig Bewegung, Fernsehen macht aggressiv, Landkinder bewegen sich mehr als Stadtkinder.“ (Kleine 1997, S.487)
Die möglichen Auswirkungen des Fernsehkonsums auf den Gesundheitszustand sollen in dieser Arbeit umfassend beleuchtet werden. Das bedeutet, dass der Begriff „Gesundheit“ nicht nur auf das rein Körperliche bezogen wird, sondern ganzheitlich zu verstehen ist und somit auch den geistigen und emotionalen Zustand beinhaltet.
Mit Hilfe von empirischen Untersuchungen und Studien erfolgt eine Betrachtung der Auswirkungen auf den Körper, das Gesundheitsverhalten als auch auf die Gefühlswelt, das soziale Verhalten und die geistige Entwicklung von Kindern.
Leider gibt es zu einigen Fragestellungen noch recht wenige Untersuchungen. Zu der Frage etwa, ob Fernsehkonsum einen Einfluss auf das Ernährungsverhalten hat, liegen noch keine deutschen Untersuchungen vor.
Über bestimmte Einzelbereiche wie etwa die Auswirkungen von Gewalt im Fernsehen oder Werbung findet man zahlreiche Literatur, während hingegen die generellen Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung in der Forschung bisher eher vernachlässigt wurden.
Auch sind die Untersuchungsergebnisse manchmal widersprüchlich, so dass man den Eindruck gewinnen könnte, dass eine Untersuchung ein bestimmtes erwünschtes Ergebnis forcieren soll.
Um die Folgen des Fernsehkonsums auf die Gesundheit diskutieren zu können werde ich zunächst einen Überblick geben über das aktuelle Konsumverhalten und die Fernsehmotive von Kindern. Dieses Kapitel beinhaltet den Stellenwert des Fernsehens unter den Freizeitbeschäftigungen, die Verweildauer vor dem Fernseher sowie Gründe für den Fernsehkonsum der Kinder. Außerdem soll geklärt werden, ob die familiäre und soziale Situation einen Einfluss nimmt auf das Fernsehverhalten. Den Abschluss dieses einführenden Kapitels bildet eine Auseinandersetzung mit dem Verständnis der Fernsehinhalte in Abhängigkeit vom Alter des Zuschauers.
Im zweiten Teil meiner Arbeit beschäftige ich mich dann genauer mit den gesundheitlichen Auswirkungen. Dabei geht es zunächst um Abläufe während des Zuschauens, also um Aufmerksamkeit und um den Einfluss auf die Augen. Es folgen dann die langfristigen Auswirkungen auf den Körper, die Psyche, die kognitive Entwicklung sowie das Verhalten.
Bei den psychischen Auswirkungen geht es insbesondere um das Thema Angst, bei den kognitiven und körperlichen Auswirkungen liegen die Schwerpunkte auf der Sprachentwicklung, der Schreib- und Lesekompetenz bzw. dem Bewegungsverhalten.
Der dritte Teil gibt einen Ausblick auf eine sinnvolle Fernseherziehung in der Schule und im Elternhaus. Dabei wird zunächst jeweils die aktuelle Situation beleuchtet. Im Anschluss soll der Frage nachgegangen werden, ob und wie man das Fernsehen bei richtigem Umgang positiv nutzen und in das Leben der Kinder integrieren kann.
Den Abschluss der Arbeit bildet ein praktischer Teil, nämlich Interviews mit Kindern im Alter von 8 –10 Jahren zu zwei in der Forschung bisher eher weniger behandelten Fragestellungen.
Mit Hilfe von Befragungen wurde eruiert, ob Kinder im Grundschulalter ein Bewusstsein über Fernsehwirkungen besitzen, d.h. ob sie über die Folgen von Fernsehkonsum reflektieren.
Weiterhin sollte herausgefunden werden, ob im Elternhaus und in der Schule eine Fernseherziehung stattfindet und wenn ja in welcher Form.
Dieser erste Teil der Arbeit soll einen Überblick bieten über das aktuelle Fernsehkonsumverhalten von Kindern. Dabei geht es um den Stellenwert des Fernsehens unter den Freizeitbeschäftigungen, die Frage nach dem Ausmaß des Konsums, also wie viele Stunden und zu welchen Zeiten Kinder fernsehen. Es wird versucht zu klären warum Fernsehen gerade auch für Kinder eine so beliebte Tätigkeit ist, welche Motive es dafür gibt und was Kinder bevorzugt anschauen.
Außerdem wird der Einfluss der familiären Situation auf das Fernsehverhalten analysiert.
Ein weiteres Kapitel widmet sich dem Thema „Altersabhängiges Verständnis“. Hier wird dargestellt, in welchem Alter Kinder welche Inhalte verstehen und vor allem wie sie diese verstehen.
Dieses erste große Kapitel bildet eine Grundlage für den Hauptteil dieser Arbeit, in dem der Frage nach dem Einfluss des Fernsehkonsums auf die Gesundheit nachgegangen wird.
Quantitative Daten zum Fernsehkonsum von Kindern finden sich sehr zahlreich in der Literatur, allerdings weichen diese Ergebnisse teilweise stark von einander ab. Die Methoden mit denen z. B. die Sehdauer[3] von Kindern erhoben wird, sind oft durch die äußeren Umstände sehr fehlerbehaftet und ungenau.
Befragt man jüngere Kinder per Interview, so sind diese meist nicht in der Lage, ihr Sehverhalten realistisch einzuschätzen, da sie noch kein sicheres Zeitempfinden besitzen. Befragt man hingegen die Eltern, so machen diese oft falsche Angaben, da sie sich nicht eingestehen oder zugeben wollen, wie viel Zeit ihr Kind wirklich vor dem Fernseher verbringt.
Die genausten Ergebnisse erhält man per GfK-Recorder[4], wobei hier aber die Ungenauigkeit darin besteht, dass jüngere Zuschauer das Gerät nicht immer richtig bedienen, da per Personentaste eingeschaltet werden muss, wer gerade fern sieht. (vgl. Theunert 1995, S.16-17)
Außerdem veralten die erhobenen Daten sehr schnell, da sich das Sehverhalten auch heute noch ständig ändert. Früher lag dies an der sich ständig erhöhenden Zahl von Sendern und den veränderten Freizeitbeschäftigungen von Kindern. Da diese Faktoren seit einigen Jahren als relativ konstant zu betrachten sind, bedingen sich momentane Veränderungen eher durch das Hinzukommen von anderen Medien wie Computer (und damit verbundene Internetnutzung) und Spielkonsolen.
Die im folgenden aufgeführten Daten stammen aus der Studie KIM- Kinder und Medien (2000)[5], einer Studie vom Westdeutschen Rundfunk in Kooperation mit dem Sender Freies Berlin und dem DeutschlandRadio (2001)[6], sowie aus dem Beitrag „Was Kinder sehen“ basierend auf Daten der AGF/GfK- Fernsehforschung (2002)[7].
Das Fernsehen steht den Privathaushalten seit den 50er Jahren zur Verfügung. Anfangs war Fernsehen noch ein Gesellschaftsereignis, da nur wenige Leute einen Fernseher besaßen. Man traf sich zu großen Sportübertragungen beim Nachbarn oder in einer Gaststätte.
In den 70 er Jahren verbreitete sich dann das Medium mehr und mehr, in den 80er Jahren wurde das Programmangebot durch die Privatsender erweitert und es gab 24 Stunden am Tag Programm.
Heutzutage gibt es im Grunde keinen Haushalt mehr ohne Fernsehgerät[8], in vielen Haushalten existieren sogar Zweit- und Drittgeräte, während die Ausstattung mit Telefon hingegen nur bei 97%, mit Radio und Videorecorder bei 94% liegt.
Nach Angaben der Eltern haben bereits etwa 34 % der Kinder von 6-13 Jahren ein eigenes Fernsehgerät in ihrem Zimmer[9]. (vgl. Feierabend 2001, S. 348)
Ältere Kinder und Jungen besitzen dabei eher einen eigenen Fernseher als jüngere Kinder und Mädchen. (vgl. Eckhardt 2002, S.88)
Dementsprechend groß ist auch die Nutzung dieses Mediums. Etwa 80% der Kinder zwischen 6 und 13 Jahren sehen täglich fern[10].
Bei den präferierten Freizeitbeschäftigungen[11] liegt „Fernsehen“ mit 35% auf Platz 2 hinter „Freunde treffen“ mit 40%. Auf den Plätzen 3-10 folgen „Draußen spielen“ (33%), „Sport treiben“ (18%), „Drinnen spielen“ (17%), „Computer“ (16%), „Mit Tier beschäftigen“ (13%), „Musikkassetten“ (13%), „Malen/Zeichen/Basteln“ (10%), „Familie, Eltern“ (9%). Beschäftigungen wie Lesen, Briefe schreiben oder Musizieren werden kaum genannt. (vgl. Feierabend 2001, S. 347).
Schaut man sich hingegen die wirklich ausgeübten Tätigkeiten der Kinder an, so liegt Fernsehen auf Platz 2 hinter „Hausaufgaben machen“, was aber eher als Pflicht und nicht als Freizeitbeschäftigung zu bezeichnen ist.
In der Studie wurde gefragt, welchen Tätigkeiten die Kinder jeden/fast jeden Tag nachgehen. Hier war mit 81% „Hausaufgaben und Lernen“ auf Platz 1, „Fernsehen“ mit 80% auf Platz zwei. Danach folgten erst mit 56% „Drinnen spielen“, „Freunde treffen“ mit 53% und „Draußen spielen“ mit 51%. (vgl. Abbildung 2.1.1)
Bei der Studie zur Mediennutzung (WDR,DLR, SFB) wurden die Kinder nach ihren Tätigkeiten am Vortag befragt. Hier lagen die Medien mit 93,1% deutlich an der Spitze. Fernsehen ist hierbei mit 79,4% das Leitmedium, wobei aber sogar 27% angaben, ein Buch gelesen zu haben. Nach den Medien folgt „Im Haushalt helfen“ mit 45,3%, „Spielen“ mit 44,9%, „Sport“ mit 37,7% und „Freunde treffen“ mit 30,3%. Hausaufgaben machen taucht überhaupt nicht auf. (Eckhardt 2002, S.92)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.1.1 : Freizeitaktivitäten nach Angaben der Kinder (jeden Tag/fast jeden Tag, in %) (Feierabend 2001, S. 346)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vergleicht man die Ergebnisse für die präferierten Beschäftigungen und die wirklichen Beschäftigungen, fällt auf, dass sich Kinder zwar sehr für das Fernsehen interessieren, sich aber auch wahrscheinlich so intensiv mit diesem Medium beschäftigen, weil es so wenig Aufwand erfordert, man nicht aus dem Haus gehen muss und diese Tätigkeit auch alleine ausüben kann. Auch wenn sich Kinder am liebsten mit Freunden treffen würden, so haben sie hierfür eben nicht immer die Möglichkeit.
Dass Fernsehen für Kinder jedoch sehr wichtig ist, zeigt eine Untersuchung, bei der Kinder danach befragt wurden, wie sehr sie das Fernsehen vermissen würden, wenn es keins mehr geben würde. Dabei wurde eine Skala von 1 bis 4 verwendet. 76 % der Kinder gaben an, dass sie ganz traurig wären (1), nimmt man noch die Kinder dazu, die angaben, traurig (2) zu sein, so liegt der Wert bei 94%. (vgl. Eckhart 2002, S.97)
Wie lange ein Kind im einzelnen vor dem Fernseher sitzt, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Kabel- oder Satellitenfernsehen, also ein großes Angebot an Programmen, ein eigener Fernseher sowie ein wenig anregendes soziales Umfeld erhöhen den Fernsehkonsum. Jungen und ältere Kinder schauen ebenfalls mehr fern. Ebenso werden kleinere Kinder von älteren Geschwistern oft zum späten Fernsehen oder zum Schauen von nicht altersgemäßen Programmen „verführt“ und der Konsum erhöht sich. (vgl. Theunert 1995 S. 18-22) Außerdem sehen Kinder in Ostdeutschland mehr fern als Kinder in Westdeutschland.
Durchschnittlich liegt die Verweildauer[12] pro Tag vor dem Fernseher bei den 3-13 jährigen bei 151 Minuten und die Sehdauer bei 97 Minuten. Die 3-5 jährigen sehen nur etwa 71 Minuten pro Tag fern (Verweildauer: 117 Minuten), die 10-13 jährigen mit 116 Minuten Sehzeit (Verweildauer: 172 Minuten) am meisten von den befragten Kindern. Bei Personen ab 14 Jahren steigt die Sehzeit jedoch sogar noch auf 215 Minuten pro Tag (die Verweilzeit auf 283 Minuten).
Betrachtet man das ganze Jahr, so liegt die durchschnittliche Sehzeit der 3-13 jährigen im Januar und Februar mit 108 Minuten am höchsten und im Juli/August mit 84 Minuten am niedrigsten, was aber sehr leicht erklärbar ist, da im Sommer aufgrund der Witterung eher Tätigkeiten außer Haus nachgegangen werden kann.
Verteilt auf die Woche wird am Wochenende mehr Zeit vor dem Fernseher verbracht. Von Montag bis Donnerstag liegt der Durchschnitt bei 88 Minuten Sehdauer, am Samstag und Sonntag bei 114 bzw. 110 Minuten.
Auf den einzelnen Tag verteilt steigt die Sehzeit der 3- 13 jährigen bis 20 Uhr an, die Hauptsehzeit liegt zwischen 18 bis 22.30 Uhr. Bei den 3-5 jährigen ist um 18.45 Uhr die größte Nutzung zu verzeichnen, bei den 10-13 jährigen zwischen 19 Uhr und 21.30 Uhr. Um 23 Uhr sitzen immerhin noch 4 % der 3-13 jährigen vor dem Fernseher. (vgl. Feierabend 2003, S.167-171)
Oft werden in der Literatur die Kinder je nach Ausmaß des Fernsehkonsums in Gruppen aufgeteilt. Es wird unterschieden nach den Wenigsehern (weniger als 60 Minuten Verweildauer), den Normal- oder Durchschnittssehern (zwischen 60 und 180 Minuten Verweildauer) und den Vielsehern (mehr als 180 Minuten). Unter den 3-13 jährigen zählen etwa 40% zu den Wenigsehern, 50% zu den Durchschnittssehern und 10% zu den Vielsehern[13]. (vgl. Feierabend 1998, S.170 und Fischer 2000, S.35)
Dass Fernsehen eine beliebte Freizeitbeschäftigung ist, in die ab einem Alter von etwa 3 Jahren viel Zeit investiert wird, wurde im vorhergehenden Kapitel bereits dargelegt. Was aber schauen sich Kinder gerne an? Sind es die für sie bestimmten Kindersendungen oder aber interessieren sie sich mehr für das Erwachsenenprogramm? Und warum schauen sie so gerne, investieren Stunden in eine virtuelle Welt, statt zu spielen, Freunde zu treffen und selbst etwas zu erleben?
Man findet kaum ein Kind, das nicht gerne fern sieht. Was suchen Kinder für ihr Leben, für ihre Entwicklung und ihr Erwachsenwerden im Fernsehen? Was ist so faszinierend an den Inhalten?
Da diese Fragen nach den Vorlieben und den Motiven ineinander verwoben sind, sollen diese zwei Bereiche in einem Kapitel zusammen behandelt werden, wobei aber zunächst einmal ausführlicher betrachtet werden soll, was Kinder sich ansehen und danach der Frage nach dem „Warum“ nachgegangen werden soll.
Innerhalb der bereits erwähnten Studie vom Westdeutschen Rundfunk in Kooperation mit dem Sender Freies Berlin und dem DeutschlandRadio (2001) wurden Kinder zwischen 7 und 13 Jahren nach ihren Lieblingssendungen gefragt. Diese wurden dann nach verschiedenen Genres zusammengefasst (vgl. Eckhardt 2002, S.96):
- Zeichentrickfilme und Cartoons (z. B. Simpsons, Pokémon)
- Serien und Soaps für Jugendliche und Erwachsene (z. B. Unter Uns)
- Vorschulserien ( z. B. Sendung mit der Maus)
- Musiksendungen für Jugendliche (z. B. Bravo TV)
- Spielfilme
- Sportsendungen (z. B. Ran)
- Reality-TV (z. B. Big Brother)
- Nachrichten, Wissenssendungen (z. B. Logo)
- Rate- und Gameshows (z. B. Wer wird Millionär?)
Im Grunde genommen sehen Kinder also das gleiche wie auch Erwachsene, es tauchen fast aus jedem Bereich Sendungen auf.
Im folgenden soll nun u.a. genauer betrachtet werden, welche Genres besonders beliebt sind, wie sich das Sehverhalten mit dem Alter verändert und ob es Geschlechterunterschiede gibt.
- Bevorzugte Sender
Anhand von Daten der AGF/GfK-Fernsehforschung[14] wurden die Marktanteile (im Jahr 2002) der einzelnen Sender bei der Nutzung durch Kinder von 3 bis 13 Jahren ermittelt. Hierbei lag der Marktanteil der vier öffentlich-rechtlichen Sender ARD, ZDF, Dritte und KI.KA. bei 25,7%, die sieben Privatsender RTL, RTL 2, Super RTL, SAT.1, ProSieben, Vox und Kabel 1 kamen auf 62,2%.
Der beliebteste Sender ist bei den Kindern Super RTL mit einem Marktanteil von 18,7%. Danach folgen RTL und RTL2. Betrachtet man nur die Zeit von 6.00 Uhr bis 19 Uhr, so liegt der KI.KA. auf Platz 2.
- Ansprüche an das Programm
Wenn Kindern fernsehen, dann haben sie bestimmte Erwartungen, die sich erfüllen müssen, damit aus dem Fernsehkonsum eine befriedigende Beschäftigung wird.
Das Hauptanliegen ist dabei die Überschaubarkeit, Sicherheit und Verlässlichkeit, sowie feste Rahmenbedingungen des Programms. Dazu gehört das Wissen über den Aufbau, den dramaturgischen Ablauf und das spezifische Erzählmuster der Sendung.
Der Aufbau sollte hierbei klar und überschaubar sein und die Spannungsbögen besonders bei kleineren Kindern nicht zu lang, d.h. die Spannung sollte immer mal wieder aufgelöst werden und in Phasen der Entspannung münden. Besonders wichtig ist auch das gute Ende, damit sich die Kinder wieder von der Problematik lösen können und das Gesehene sie nicht langfristig beunruhigt.
Außerdem mögen Kinder ein „überschaubares Personal“, also nicht zu viele verschiedene, sondern wenige vertraute Darsteller und bekannte Handlungsorte. Daher kommt auch die Vorliebe für Serien. Besonders für jüngere Kinder ist es wichtig, dass sie erkennen, wer „gut“ und wer „böse“ ist. Zu komplizierte Persönlichkeiten würden verwirren. Sehr beliebt sind Sendungen mit einem omnipotenten Superhelden, in den Wünsche und Phantasien hineinprojiziert werden können, und einem menschlichen Nebenhelden, mit dem man sich aufgrund seiner Schwächen und Fehler identifizieren kann.
Bei Zeichentrickfilmen lieben kleinere Kinder besonders einen „weichen Zeichenstil“, also runde und weiche Formen.
Ein letzter Punkt sind die auditiven Gestaltungselemente. Kinder widmen Geräuschen und Musik sehr viel Aufmerksamkeit, da sie mit möglichst vielen Sinnen das Programm erleben wollen. ( vgl. Rogge 1997, S.24-28)
- Bevorzugte Programmsparten
In der Studie „Kinder und Medien“ (1990) wurden 3 bis 13 jährige Kinder mit einer offenen Fragestellung nach ihren Programmpräferenzen befragt. Hier lagen die Zeichentrickfilme mit 84% in Westdeutschland an erster Stelle. Es folgten Actionprogramme mit 79%, lustige Filme mit 77%, Tiersendungen mit 75% und Quiz- und Showsendungen mit 69%. Ganz am Ende der Beliebtheitsskala lagen mit 14% die Nachrichten und mit 8% Politische Sendungen. (vgl. Horn 1996, S.30)
Bei einer aktuelleren Studie von 2002 (AGF/GfK-Fernsehforschung), die allerdings eine etwas andere Einteilung vornahm, zeigten sich ähnliche Ergebnisse. Hier wurde ermittelt, wie viele Stunden der Gesamtfernsehzeit auf welche Programmsparte entfallen.
Mit 56% lag der Bereich Fiktion an erster Stelle. Innerhalb dieses Bereichs war auch hier der Zeichentrickfilm auf Platz 1, danach folgten Serien, Spannung (Western, Krimis, Horror) und Komödien. Der Rest der Fernsehzeit entfiel auf die Bereiche Information mit 13%, Unterhaltung mit 12%, Werbung mit 11% und Sport mit 4%. (vgl. Feierabend 2003, S.176-178)
Aus den im vorhergehenden Kapitel erläuterten Gründen lieben besonders Vorschulkinder Trickfilmserien, aber auch Kindersendungen wie die „Sesamstraße“ oder die „Sendung mit der Maus“. Schon mit Beginn des Grundschulalters nimmt das Interesse an Kindersendungen ab, während das Interesse an Zeichentrickfilmen bis zur Pubertät erhalten bleibt.
Jüngere Grundschulkinder bevorzugen dabei märchenhafte und phantastische Geschichten, mit Guten und Bösen und dem Einsatz von Magie und Zauber. Ab einem Alter von 8 oder 9 Jahren sollten die Geschichten dann etwas realistischer sein. Bevorzugt werden außergewöhnliche Alltagshandlungen und Abenteuergeschichten mit Spannung, Komik und Sprachwitz. Werbung ist ausschließlich bei jüngeren Kindern aufgrund der kurzen Einzelspots sehr beliebt.
Ab einem Alter von 10 Jahren entsteht dann bei den Jungen ein gesteigertes Interesse an Action- und Abenteuerserien. Auch wenn Spannung, Tempo von beiden Geschlechtern erwünscht sind, lehnen Mädchen hingegen Kampf- und Actioninhalte eher ab und bevorzugen Geschichten, in denen es um Alltagsgeschehen, Familie, Freundschaft oder Partnerschaft geht. Sehr beliebt sind daher die Daily Soaps. Comedy und Shows werden von allen gerne konsumiert.
Tier- und Natursendungen werden durchgehend gerne gesehen, wobei sich vor allem jüngere Mädchen für Tiersendungen begeistern.
Für alle Kinder wichtig sind die Protagonisten. Sehen Vorschulkinder noch gerne Tier- und Phantasiewesen, so bevorzugen die älteren reale Menschen.
Insgesamt sehen besonders ältere Kinder gerne „vielschichtigere Charaktere, die sich mit originellen Ideen und einem umfangreichen Handlungsrepertoire in großen und kleinen Welten Geltung verschaffen. Über die Hälfte der 6- 13 jährigen mag besonders ´liebenswerte Chaoten´“ (Theunert 1995, S. 39), wie etwa Pippi Langstrumpf oder Alf.
Auch wenn Jungen eine Vorliebe für Kämpfer haben, so sollen diese sich jedoch nicht nur mit Gewalt und Kraft durchsetzen, sondern ebenso mit Intelligenz, Raffinesse und Schlagfertigkeit.
Allgemein wenig beliebt sind bei Kindern aller Altersgruppen Nachrichtensendungen. Fast zwei Drittel sehen diese oft mit den Eltern, interessieren sich aber nicht dafür. Das liegt aber hauptsächlich an der nicht kindgemäßen Aufmachung, denn 70% der 7-14% jährigen würden sich mehr Nachrichtensendungen für Kinder wünschen. Aus diesem Grund konsumieren sie dann aber häufig reißerische Magazine wie etwa „RTL-Explosiv“. (vgl. Theunert 1995, S.32-40 und Lerchenmüller-Hilse 1998 S.16-18)
- Wie erfolgt die Programmauswahl?
Es gibt verschiedene Arten auszuwählen, was man sich im Fernsehen anschaut. Normalerweise haben sogar schon sehr kleine Kinder im Kopf, wann und in welchem Programm ihre Lieblingssendungen kommen. Sie schalten dann gezielt ein.
Andere Kinder hingegen schalten den Apparat einfach ein und zappen sich dann durch die Programme, bis sie etwas Interessantes finden.
Oft wird auch während des Zuschauens umgeschaltet, wenn es langweilig, unverständlich oder zu aufregend wird. Kinder haben hier schon das Verhalten der Erwachsenen übernommen, nur Ausschnitte zu konsumieren, wobei aber die Gefahr besteht, Inhalte zu vermischen. (vgl. Theunert 1995, S.29-32)
Bei einer Studie wurden 532 Kinder zwischen 7 und 12 Jahren telefonisch zu ihrem Fernsehnutzungsverhalten befragt. Es zeigte sich, dass es genau die beschriebenen zwei Nutzertypen gibt:
1. mediumsorientierter Typus
Für diese Kinder sind nicht bestimmte Sendungen sondern das Fernsehen im allgemeinen wichtig. Sie haben einen relativ hohen Fernsehkonsum und suchen einen Zeitvertreib oder Unterhaltung.
2. programmorientierter Typus
Für diese Kinder ist der Informationsgehalt und die Geselligkeit (das gemeinsame Fernsehen) sehr wichtig, weshalb sie auch genau auswählen, welche Programme sie konsumieren, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Die Fernsehnutzung ist bei dieser Gruppe sehr viel geringer. (vgl. Abelman 2000, S.143-154)
Wenn man Kinder fragt, warum sie fernsehen, so antworten die meisten, dass Fernsehen Spaß mache, dass sie unterhalten werden wollen und man etwas lernen kann.
Ohne große Mühen und Anstrengungen kann man lachen, sich amüsieren und Spannung erleben. Kinder bekommen einen Einblick in die Welt der Erwachsenen, das Leben von Menschen in anderen Ländern, sie sehen Gegenden und Tiere, die ihnen im wahren Leben nie begegnen würden. Das eigene Blickfeld wird erweitert, ein neuer Erfahrungshorizont wird eröffnet, das Wissen vermehrt. In Medienhelden können Wünsche und Phantasien hineinprojiziert werden, man findet Anregungen zu den Problemen des eigenen Alltags, feste Programme strukturieren den Alltag und legen Zeitrahmen fest. Im Vergleich zu Erwachsenen, die oft aus Erschöpfung vor dem Fernseher sitzen, ist es oft die Neugier, etwas zu verpassen, die Kinder zum Zuschauen verleitet. (vgl. Aufenanger 1996, S.12-14 und Theunert 1995 S. 63-64)
Bei der schon erwähnten Studie „Kinder und Medien 2000“ wurden Kinder befragt, in welchen Situationen Fernsehen oder andere Medien (CD, Radio, Bücher, Computer, Video, Handy) wichtig sind. Die Langeweile vertreibt mit 46% am ehesten der Fernseher, auch beim Spaß haben und beim Trost spenden liegt er mit 23% und 21% vorne. Zum Abbau von Ärger und Frust wird der Fernseher zu 14% genutzt und das Zusammensein mit den Eltern ist ebenfalls durch das Fernsehen (49%) geprägt. Egal in welcher Gefühlslage sich der Konsument befindet, der Fernseher ist das wichtigste Medium, bei dem Abhilfe gesucht wird. (Feierabend 2001, S. 349-350)
In einer Österreichischen Studie aus dem Jahr 1992 wurde im Auftrag des Österreichischen Rundfunks ein Marktforschungsinstitut beauftragt, die Mediennutzung der 3-14 jährigen Kinder zu untersuchen. Per Fragebogen wurden die Kinder befragt, warum sie das am Tag zuvor gesehene Programm gewählt hatten. Ein Drittel antwortete „Sehe immer diese Sendung“, etwa 18% „Andere schauten auch zu“. Weitere wichtige Antworten waren „Sehe regelmäßig um diese Zeit fern“ oder „Mir war langweilig“. (vgl. Barth 1996, S.67-69) Diese Antworten zeigen, dass viele Kinder aus Langeweile fern sehen, dass aber viele Kinder selbst nicht wirklich begründen können, warum sie etwas schauen, wenn man sie offen antworten lässt.
In einer etwas älteren Untersuchung aus dem Jahr 1972 wurden Aufsätzen zum Thema „Warum ich Fernsehen mag“ von 726 Kindern im Alter von 9, 12 und 15 Jahren ausgewertet und eine Rangfolge der Fernsehmotive aufgestellt (vgl. Greenberg in Fischer 2000, S. 57):
1. aus Gewohnheit
2. zum Zeitvertreib
3. wegen der Gemeinschaft
4. zur Anregung
5. zum Lernen
6. zur Entspannung
7. zur Ablenkung
Außer diesen sieben expliziten von den Kindern selbst geäußerten Gründen gibt es nach Fischer (2000) noch weitere implizite Gründe, die sich auf das Erleben und Identifikation beziehen und dem Zuschauer nicht direkt bewusst sind. (vgl. Fischer 2000, S.62-66)
Entweder war diese Studie aufgrund der Aufsätze aussagekräftiger oder aber die Aussagen waren aufgrund des höheren Alters der Kinder differenzierter.
Es gibt also wie dargestellt etliche Gründe für Fernsehkonsum. Im folgenden soll versucht werden, diese einzelnen Motive zu sortieren und zu beschreiben.
Fischer (2000) hat die verschiedenen Bedürfnisse beim Fernsehen in vier Kategorien zusammengefasst (vgl. Abbildung 2.2.2 a).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2.2 a : Motive nach Kategorien geordnet (Fischer 2000, S.67)
Bei der Erläuterung der einzelnen Motive soll sich an der Struktur, jedoch nicht inhaltlich an der Kategorisierung von Fischer orientiert werden.
A) Information
Viele Kinder beantworten die Frage, warum sie fern sehen mit: „Da kann man was lernen“. Sicherlich ist dies eine Antwort, von der Kinder wissen, dass sie Erwachsenen gefällt, dennoch liegt in dieser Antwort ein großes Stück Wahrheit. Kinder sind neugierig und wollen viel erfahren von der Welt. Hierfür nutzen sie alle ihnen zugänglichen Quellen. Was die Kinder genau erfahren wollen, ist vom Alter aber auch von ihrem Umfeld abhängig und, inwieweit ihnen andere Möglichkeiten gegeben sind, Wissen vermittelt zu bekommen.
Kleine Kinder sind sehr fixiert auf konkrete Gegenstände und Vorgänge in ihrer Nähe, sie sind sehr auf sich selbst fixiert und interessieren sich dementsprechend für Hilfen zur Bewältigung ihres eigenen Lebens. Schon ab dem frühen Grundschulalter beginnt jedoch ein Interesse für allgemeine Fakten und Funktionsweisen sowie für das Leben und Verhalten von anderen Menschen an anderen Orten der Welt. Hier geht es um eine Horizonterweiterung über den eigenen Tellerrand hinaus. Die wichtigste Frage ist das „Warum?“, mit der Erklärungen für Geschehnisse gefordert werden.
Ältere Kinder streben insbesondere eine Strukturierung und Verknüpfung von Wissen an. Sie interessieren sich auch für die Welt der Erwachsenen und Wissen über globale Zusammenhänge, jedoch weiterhin an einzelne Schicksale gebunden.
Damit Kinder jedoch wirklich aus dem Fernsehen lernen können, müssen sie sich auch Medienwissen aneignen und das Dargebotene verstehen lernen. Dieses Spezialwissen hilft, Trickeffekte zu durchschauen, nicht alles was man sieht zu glauben und die Absichten hinter manchen Sendungen zu erkennen.
Gerade in diesem Zusammenhang, interessieren sich Kinder für die Grenzen zwischen Realität und Phantasie. Sie versuchen die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Menschen herauszufinden sowie die Grenzen der Wissenschaft und Technik.
In dieser Hinsicht bietet das Fernsehen den Kindern viele Möglichkeiten. (Theunert 1995, S. 70-77)
B) Orientierungen und persönliche Identität
Kinder suchen im Fernsehen unter anderem Orientierungen für ihren Lebensalltag und ihre Persönlichkeitsentwicklung. Die folgende Tabelle beinhaltet eine Aufschlüsselung dessen, was Kinder im Fernsehen zu finden hoffen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2.2 b: Was Kinder in Fernsehangeboten suchen (Theunert 1995, S.67)
Handlungsleitende und entwicklungsbedingteThemen- aktuelle Problemlagen
Kinder richten sich bei der Wahl des Programms sehr stark nach Themen, die sie zum aktuellen Zeitpunkt beschäftigen. Und genau unter dem für sie entscheidenden wichtigen Aspekt nehmen sie dann die Inhalte wahr. Sie suchen dabei nach Hinweisen und Lösungsmöglichkeiten, wie sie mit Problemen umgehen können oder aber erhoffen sich eine Bestätigung für selbst gefundene Bewältigungsstrategien.
Bei jüngeren Kindern handelt es sich zumeist um Probleme mit familiären Bezugspersonen. Sie suchen dann aber oft keine in der Realität einsetzbaren Lösungen, sondern träumen davon, ein Superheld zu sein oder aber zaubern zu können wie Märchenfiguren.
Ältere Kinder hingegen suchen nach echten realitätstauglichen Möglichkeiten, auch insbesondere in Bezug auf Freundschafts- und erste Liebesbeziehungen. (vgl. Lenssen 1996, S.124-125 und Theunert 1995 S.82-84)
Persönlichkeitsentwicklung- personale Vorbilder- Identifikationsfiguren
Kinder beschäftigt die Frage, wie man erwachsen wird, welche Eigenschaften man dazu braucht, wie man sich wohl dann fühlt und was man alles tun darf. Dies sieht man schon z. B. daran, dass sehr viele Kinder in Rollenspielen die Rolle von Erwachsenen übernehmen.
Kinder versuchen, ihre Position in der Familie und im Umgang mit Freunden zu finden und auch zu stärken, sie wollen sich gegenüber den Eltern durchsetzen, ihre Handlungsspielräume erweitern und an Selbstständigkeit gewinnen.
Ebenfalls bedeutend ist die Frage nach der Geschlechteridentität. Was macht einen Jungen aus und was ein Mädchen? Wie unterscheidet sich die Rolle des Mannes von der Rolle der Frau.
Kinder suchen im Fernsehen nach Hinweisen, die ihnen diese Entwicklungsfragen beantworten. Sie suchen einen Einblick in das Leben von Erwachsenen und versuchen herauszufinden, wie sich ein Mann oder eine Frau zu verhalten hat. Gerade ältere Kinder suchen aber auch nach Möglichkeiten, sich von den Erwachsenen abzugrenzen und ihren eigenen Weg zu finden und wollen „alles besser machen“. (vgl. Theunert 1995, S.78-82 und Gröbel 1994, S.25)
Hier ergibt sich die Problematik, dass Kinder, die sich zu stark am Fernsehen orientieren,sich falsche oder klischeehafte Rollenbilder aneignen.
Sehr typisch für Kinder und auch Jugendliche ist die Suche nach personalen Vorbildern, also nach Helden, an denen man sich orientieren kann, die Eigenschaften besitzen und Dinge tun, die man erstrebenswert findet.
Sie nehmen beim Fernsehen Rollen- und Handlungsmuster wahr und versuchen herauszufinden, welche dieser Fähigkeiten zu ihrer Persönlichkeit passen.
Diese Heldenfiguren sollten dabei aber nicht allmächtig und fehlerlos sein, sondern auch mit Schwächen ausgestattet und mit Witz und Cleverness ihre Aufgaben bewältigen.
Normalerweise werden bei dieser Suche nach Vorbildern eigene Vorstellungen bestätigt, modifiziert oder erweitert. Wenn ein Idealbild für das Kind nicht existiert, so wird es selbst hergestellt und aus verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen zusammengesetzt, so dass ein facettenreiches, differenziertes Vorbild entsteht. Kinder dichten oft Eigenschaften dazu, wenn ihnen diese bei Fernsehhelden fehlen.
Lebt ein Kind aber sehr isoliert in einer anregungsarmen Umwelt, so fixiert es sich völlig auf die zum Teil sehr simplen, einfach strukturierten Serienhelden und versucht, diese ohne eigene Modifikationen zu imitieren. (vgl. Theunert 1995, S.88-94 und Lenssen 1996, S.126-127)
Werte und Normen (ethisch normative Orientierungen)
Im Laufe ihrer Entwicklung müssen Kinder ein Werte- und Normengefüge aufbauen. Was ist richtig und was falsch? Was darf man und was nicht? Wo liegen die Unterschiede zwischen gesetzlichen Richtlinien und menschlicher Beurteilung? Kinder wollen ihre bereits entwickelten ethischen Maßstäbe im Fernsehen bestätigt wissen oder neue Erkenntnisse bekommen. Verfügt ein Kind bereits über eine fortgeschrittene geistige und sozial-moralische Entwicklung und kann auch mit den Eltern Fragen ausdiskutieren, so bietet das Fernsehen sicherlich Anregungen und führt zu einer differenzierteren Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellungen.
Muss jedoch ausschließlich das Fernsehen für die Entwicklung von einem Norm- und Werteverständnis herhalten, so kann es passieren, dass die Kinder sehr klischeehaft geprägt werden oder gewisse Dinge falsch interpretieren. In Filmen werden Probleme oft durch Waffengewalt gelöst, Gewalt wird durch Vernichtung des „Bösen“ gerechtfertigt, es gibt oft nur Schwarz-Weiß-Malerei, Minderheiten und alte Menschen tauchen sehr wenig im Fernsehen auf und Frauen sind grundsätzlich gutaussehend. Ist dem Kind also aufgrund einer fehlenden Kommunikation mit z. B. Eltern nicht bewusst, das vieles im Fernsehen fiktiv und simpel strukturiert ist, so können sich falsche oder wenig differenzierte Wertvorstellungen bei den Kindern festsetzen. (Theunert 1995, S. 84-87 und Wilkins 1984, S.34-35)
C) Unterhaltung
Das Fernsehen ist hauptsächlich ein Unterhaltungsmedium. Auch wenn man aus dem Fernsehen Informationen bezieht, so wird es im Gegensatz etwa zu einer Zeitung doch hauptsächlich dazu verwendet, vom Alltag abzuschalten, von Problemen abzulenken, Langeweile zu vertreiben oder einfach um sich zu vergnügen. Das häufigste Argument fürs Fernsehen ist: „...weil es Spaß macht“.
Langeweile, Gewohnheit und Entspannung
Langeweile und Gewohnheit sind sehr häufig genannte Gründe, wenn man Kinder befragt, warum sie fernsehen. Langeweile tritt auf, wenn Freizeitalternativen nicht vorhanden sind, wenn Freunde oder die Familie keine Zeit zum Spielen oder etwas unternehmen haben oder wenn Anregungen von Außen und Eigenaktivität fehlen. Die Kinder wählen in diesem Fall das Programm meist sehr desinteressiert und willkürlich aus.
Bei vielen Kindern gehört Fernsehen auch zum Tagesablauf. Beim Essen oder wenn der Vater nach Hause kommt, wird der Apparat eingeschaltet oder aber das Kind geht selbst direkt zum Fernseher und schaltet ohne Nachzudenken ein, wenn es aus der Schule kommt.
Entspannung ist ein Grund, der bei Kindern kaum vorkommt, höchstens um vom Schulalltag Abstand zu gewinnen. (vgl. Theunert 1995, S.65-55 und Fischer 2000, S.204-205)
Eskapismus, Emotionale Entlastung, Stimmungsmanagement
Diese Begriffe beschreiben einen Ausgleich, der im Fernsehkonsum gesucht wird. Die Kinder erzielen so eine Vermeidung oder auch Ablenkung von belastenden Situationen des Alltags. Dies können Konflikte mit den Eltern oder Geschwistern, Streit mit Freunden, Probleme in der Schule aber auch Mangel an Zuwendung und Geborgenheit sowie fehlende Freunde sein. Eskapismus meint eine Flucht vor den anstrengenden Anforderungen des Alltags, dem Kind vielleicht unverständlichen oder nicht zu bewältigenden Lebensumständen in die einfache, leichte schöne Welt des Fernsehens. Stimmungen können gezielt umgewandelt und ausgeglichen werden, ist man traurig oder wütend, so macht man sich gute Laune mit Hilfe von problemfreien, lustigen Sendungen. (vgl. Theunert 1995, S. 66-67 und Gröbel 1994, S.24-25)
Physiologische Anregung, Erlebnis, Bedürfnisbefriedigung
Dieser Bereich spielt eine sehr wichtige Rolle bei den Motiven für Fernsehkonsum für Zuschauer jeder Altersstufe. Ist der Alltag zu langweilig und physiologisch zu anregungsarm, so holt man sich im Fernsehen die ausgleichende Spannung, um ein seelisches Gleichgewicht herzustellen. Gerade Kinder, die im Gegensatz zu Erwachsenen sehr viel bewegungsfreudiger und interessierter an ihrer Umwelt sind, versuchen so ihre Neugier zu stillen und „Action“ zu haben. Das Programm sollte sowohl für Jungen als auch für Mädchen möglichst aufregend, temporeich und witzig sein und die Sinne anregen. Wie intensiv die sensorische Stimulation sein sollte hängt jedoch von der Persönlichkeit des einzelnen Zuschauers ab, wobei Jungen jedoch grundsätzliche ein höhere Reizsuchetendenz haben.
Untersuchungen haben gezeigt, dass es drei unterschiedliche Präferenztypen bei den Inhalten gibt:
1. Anregung durch Risiko (Krimis und Actionfilme); dieser Gruppe sind hauptsächlich Jungen zuzuordnen
2. Anregung durch soziale Ereignisse und Begegnungen (Soaps, Shows und Musik); hier sind eher die Mädchen vertreten
3. Beschäftigung mit intellektuellen und kulturellen Inhalten; nicht geschlechtsspezifisch
Zu der Bedürfnisbefriedigung durch das Fernsehen gehört nicht nur Spannung und Action, sondern auch das Stillen der Angst-Lust[15], wobei diese aber bei Kindern auch immer mit einem Wunsch nach Harmonie verbunden ist, weshalb zwar angsterzeugende Sendungen konsumiert werden, am Ende jedoch alles gut ausgehen sollte. (Theunert 1995, S. 67-70 und Gröbel 1994, S.24-25 und Lenssen 1996, S.125)
D) Integration und soziale Interaktion
Diese Gruppe von Motiven hat eine eher untergeordnete Bedeutung. Das noch am häufigsten auftretende Motiv ist das „gemeinsame Fernsehen mit der Familie“.
In vielen Familien sitzt man abends gemeinsam vor dem Fernseher, besonders am Wochenende werden gerne Shows gesehen. Hier ist das Fernsehen nicht das Handlungsziel sondern auch oft Mittel zum Zweck. Kinder sehen sich oft Dinge an, die sie nicht interessieren oder die nicht geeignet sind, nur um bei den Eltern zu sein oder nicht ins Bett zu müssen. Oft wird auch mit Geschwistern einfach mitgeschaut, besonders auch um mit den älteren mithalten zu können.
Das „Mitreden können“ unter Freunden ist ein weiterer Grund. Auch wenn mit Freunden zusammen selten ferngeschaut wird, so sind doch Filme und Fernsehfiguren oft Thema in der Schule. Um nicht zum Außenseiter zu werden, müssen also die gerade aktuellen Serien geschaut werden. Besonders für Jungen und ältere Kinder ist dies ein wichtiges Motiv.
Ein weiterer Grund ist das Alleine-Sein. Sind die Eltern aus dem Haus, so wird der Fernseher eingeschaltet, um das Gefühl vermittelt zu bekommen, dass man nicht alleine ist. Auch als Ersatz für fehlende Geschwister oder Spielgefährten wird der Fernseher eingesetzt. Negative Folgen zeigen sich, wenn zu Figuren aus Serien parasoziale Beziehungen aufgebaut werden und sie als Ersatz für echte Bezugspersonen fungieren. (vgl. Fischer 2000, S.201-203)
Kinder sind im Normalfall wissbegierig und streben nach neuen Erlebnissen und Erkenntnissen. In einer Untersuchung wurden die Interessen von 52 Jungen und Mädchen von 7 bis 12 Jahren ermittelt. Dabei wurden Spiele, Gespräche, visuelle Anreize und kreative Arbeiten eingesetzt, um möglichst aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen.
Das Hauptinteresse der Kinder liegt danach bei der Sozialen Umwelt. Natur und Technik spielen aber ebenfalls eine große Rolle. Jungen interessieren sich dabei im allgemeinen mehr für Funktionsweisen von Technischen Geräten und Mädchen eher für soziale Interaktionen. (vgl. Abbildung 2.2.3)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2.2.3 : Was Kinder wissen wollen (Theunert 2001, S.56)
Die wichtigsten Fragen[16], die Kinder dabei beschäftigen sind:
Was habe ich damit zu tun? (25%)
Wie funktioniert das? (14%)
Wie leben andere Menschen (11%)
Wie wende ich das an? (10%)
Was ist das? (9%)
Wieso handeln andere Menschen so? (9%)
Wie sieht die Welt der Tiere aus? (6%)
Besonders beliebte und bekannte Sendungen bei den Kindern sind Löwenzahn in ARD und KIKA (75% Bekanntheitsgrad), Phillips Tierstunde in ARD und KIKA (44%), Welt der Wunder auf ProSieben (42%), ReläXX auf KIKA (33%) und Galileo auf ProSieben (auch ca. 33%).
Bei der Befragung zu den verschiedenen Wissenssendungen konnten die positiven und negativen Urteile der Kinder zwei Kategorien zugeordnet werden. Eine wichtige Ebene ist der Wissensbereich. 20% der Kinder insgesamt und 25% der Grundschulkinder gaben an, dass ihnen Neues zu lernen besonders wichtig ist.
Die anderen Urteile bezogen sich auf Machart und Moderation. Hier lieben die Kinder faszinierende Bilder, gute Effekte, vorgeführte Experimente, anschauliche Demonstrationen, Vor-Ort-Reportagen, sachkundige Moderatoren und Mitmachaktionen. (Theunert/Eggert 2001, S. 47-59)
Wie viel ein Kind fernsieht und was es dabei präferiert ist von sehr vielen einzelnen Faktoren abhängig, die sich gegenseitig beeinflussen und daher schwer einzeln zu bewerten sind:
- Geschlecht
- Alter
- Anzahl der Fernseher im Haus
- Wohnverhältnisse
- Strukturierung des Alltags
- Freizeitbeschäftigungen
- Stellenwert des Fernsehens in der Familie/ Fernsehverhalten der Eltern
- Sozialer Status der Eltern (Ausbildung und Beruf)
- Fernseherziehung/Restriktionen
- Familienformen
- Schulleistungen
In zahlreichen Untersuchungen wurde herausgefunden, dass Jungen mehr fernsehen als Mädchen, ältere Kinder mehr als jüngere und mehr Fernseher im Haushalt, sowie ein eigener Fernseher im Kinderzimmer die Fernsehzeit erhöhen (vgl. Kapitel 1).
Im Folgenden soll nun hauptsächlich geklärt werden, wie es sich mit dem Einfluss der Familie, sowie dem sozialen Umfeld verhält, Faktoren, deren Einfluss doch recht schwer zu beurteilen ist und bei denen auch Untersuchungen keine absolut sicheren Ergebnisse liefern.
Etwa ein Viertel aller Familien lebt heutzutage äußert beengt, während ein Viertel über einen großen Wohnraum verfügt. Die restlichen 50% leben in einem ihrer Familienmitgliederzahl angemessenen Wohnraum. 75% aller Kinder besitzen ein eigenes Kinderzimmer.[17]
Ein beengter Wohnraum, sowie mangelnde ausserhäusige Spielmöglichkeiten in der näheren Umgebung (wie etwa Spielplätze, Wiesen, Garten etc.) haben einen erhöhten Fernsehkonsum zur Folge. Den Kindern mangelt es an Freizeitalternativen, das Fernsehen vertreibt die Langeweile und bietet ihnen zudem eine Möglichkeit, der „Enge“ ihrer Welt zu entfliehen.
Auch das Fehlen von Spielkameraden wie Freunden und Geschwistern, sowie das mangelnde Engagement der Eltern den Kindern Freizeitalternativen anzubieten, wirkt sich negativ auf das Fernsehverhalten aus.
Allerdings wurde herausgefunden, dass Kinder, die zu sehr auf ihre Freunde fixiert sind und nicht in der Lage sind, sich alleine zu beschäftigen, gerne auf das Fernsehen zurückgreifen, wenn die Spielgefährten keine Zeit haben.
Für Kinder, sie sich gerne alleine z. B. mit Lesen beschäftigen und kreativen Tätigkeiten nachgehen, ist das Fernsehen eher zweitrangig. Auch Verpflichtungen wie Mitgliedschaft in Vereinen verringern die Fernsehzeit. (vgl. Fischer 2000, S. 44-45 und S.221-224)
Nach Daten aus dem Jahr 1997 sind 50% aller Kinder Einzelkinder, 40% haben ein Geschwister und nur 10% leben in Großfamilien. 19% der Kinder wachsen bei nur einem Elternteil auf (vgl. Fischer 2000, S.44). Diese verschieden Familienformen bedingen ein unterschiedliches Fernsehverhalten.
In einer Untersuchung aus dem Jahr 1996 wurden 200 8-9 jährige Kinder sowie deren Eltern mit Hilfe von teilstandardisierten Fragebögen und Interviews nach ihren Fernsehgewohnheiten befragt. Die Teilnehmer wurden dabei in vier festgelegte Familientypen eingeteilt:
1. die Ein-Eltern-Familie
2. die Zwei-Eltern-Familie mit einem Kind
3. die Zwei-Eltern-Familie mit zwei Kindern
4. die Zwei-Eltern-Familien mit mehreren Kindern
Die anderen Variablen wie etwa das Alter der Mutter, die soziale Schicht, die Bildung etc. wurden konstant gehalten.
Es zeigte sich, dass der Umgang mit dem Fernsehen in kleineren Zwei-Eltern-Familien am problemlosesten ist. Die Eltern dieser zwei Gruppen wissen über das Fernsehverhalten ihrer Kinder Bescheid und glauben auch, dass sich ihre Kinder an die von ihnen aufgestellten Regeln halten. Sie beurteilen das Fernsehen recht positiv, sehen auch oft zusammen mit ihren Kindern fern und haben gemeinsame Fernsehvorlieben. Die Kinder werden so beim Sehen von ihren Eltern unterstützt, können über die Inhalte sprechen oder mit ihren Gefühlen bei den Eltern „Schutz“ suchen. Das Fernsehen wird in Kleinfamilien oft verwendet, um die Familie zusammenzuführen, also um etwas gemeinsam zu tun.
Problematischer gestaltet sich der Umgang mit dem Fernsehen bei den Großfamilien sowie bei den Ein-Eltern-Familien. Beide verfügen über beschränkte ökonomische Ressourcen, die Wohnverhältnisse sind oft beengt, wenig Freizeitalternativen vorhanden und die Mutter und/oder der Vater haben oft wenig Zeit. Zudem ist die Mutter häufig erschöpft und überfordert, entweder aufgrund des fehlenden Vaters oder aber aufgrund der großen Anzahl von Kindern.
In Großfamilien wird den einzelnen Kindern daher oft nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Die Kinder sehen oft alleine und ohne Regeln fern.
Bei den Ein-Eltern-Familien sehen die Mütter oft gemeinsam mit ihren Kindern fern, allerdings hauptsächlich, um eine intensive Beziehung zum Kind sowie Nähe während der Sehsituation herzustellen.
Da Alleinerziehende oft nur abends für ihr Kind Zeit haben und sie zudem keinen anderen Fernsehpartner haben, sitzen die Kinder in diesen Familien oft viel zu lange vor dem Fernseher, und schauen sich nicht kindgemäße Sendungen an. (vgl. Hurrelmann, 1996)
Einen sehr großen Einfluss hat auch die Fernseherziehung der Eltern. Fast 100% aller Eltern von 9-10jährigen Kindern und immerhin noch 73% der Eltern der 11-12jährigen kontrollieren den Fernsehkonsum ihrer Kinder. 75% der Eltern stellen inhaltliche und zeitliche Regeln für das Fernsehen auf, wobei gebildetere Eltern stärker eingreifen und eher den Konsum zeitlich stark begrenzen als Eltern niedrigerer sozialer Schichten.
Die Fernseherziehung beinhaltet jedoch selten Empfehlungen von Sendungen sondern hauptsächlich Verbote. Inhaltlich dürfen viele Kinder nur Kindersendungen schauen oder aber es besteht ein Verbot von Actionfilmen, Horrorfilmen, Krimis und Reality-TV sowie anderen zu sehr aufregenden Programmen.
In Hinblick auf die Zeit gibt es Eltern, die eine bestimmte Stundenzahl pro Tag oder eine feste Sehzeit festlegen oder aber Eltern, die Fernsehen nur an bestimmten Tagen zulassen.
Im allgemeinen wird so der Fernsehkonsum der Kinder stark reglementiert, wobei viele Kinder versuchen, die Verbote zu umgehen, indem sie bei Freunden oder Großeltern sowie heimlich schauen. (vgl. Fischer 2000, S.45-47 und 218-221)
Die Restriktionen der Eltern schränken den Fernsehkonsum zwar ein, haben aber wenig Einfluss auf die Einstellung des Kindes zum Fernsehen. Viel wichtiger für den eigenverantwortlichen Umgang mit dem Medium ist die Vorbildfunktion der Eltern.
Kinder entwickeln oft ähnliche Vorlieben und Verhaltensweisen wie die Eltern, was man in Bezug auf das Medienverhalten schon daran sieht, dass 30% aller Kinder den gleichen Lieblingssender haben wie ein Elternteil. Auch die Vorliebe für öffentlich-rechtliche oder für private Sender ist oft übereinstimmend.
Hat die Mutter einen hohen Fernsehkonsum, so ist meist auch der des Kindes erhöht. Auch ein abendliches gemeinsames Fernsehen mit der Familie führt zu einer Gewöhnung und Integration des Mediums in den Alltag. (vg. Fischer 2000, S. 47-49)
Interessant ist die große Kluft zwischen dem Nutzungsgrad der Eltern und ihrer medienkritischen Einschätzung. Ein Großteil der Eltern steht dem Fernsehen als Freizeitbeschäftigung für ihre Kinder äußerst ablehnend gegenüber. Dennoch verbringen Erwachsene weitaus mehr Zeit mit Fernsehen als Kinder. Eltern sollten also vor dem Aufstellen und Durchsetzen von Regeln zunächst ihr eigenes Verhalten überdenken. (Schönenberg 1996, S.114-115)
In einer Studie aus dem Jahr 2000 wurde anhand von AGF/GfK-Daten versucht herauszufinden, inwieweit die Milieuzugehörigkeit das Fernsehverhalten von Kindern beeinflusst.
Zum Einteilen der Familien in verschiedene soziale Gruppen wurde das Sinus-Milieu-Modell verwendet, das zwischen zwölf verschiedenen Milieus unterscheidet. Dabei werden die Menschen einmal nach ihrer sozialen Lage (Unterschicht bis Oberschicht) eingeteilt und zum anderen nach ihrer Lebensweise und Lebensauffassung sortiert (von einer konservativen Grundorientierung über eine materielle Grundorientierung bis hin zu einer Genuss- und Erlebnismentalität)[18].
Es wurden 1771 Kinder im Alter von 3-13 Jahren sowie deren Familien in die Untersuchung mit einbezogen.
Die Ergebnisse führten zu der Feststellung, dass das Milieu in dem die Kinder aufwachsen einen erheblichen Einfluss auf ihr Fernsehverhalten hat und dass die Nutzungszeit der Eltern mit der der Kinder korreliert.
[...]
[1] 25% der Kinder haben bereits eine Herz-Kreislaufschwäche und sind damit anfälliger für spätere Infarkte (vgl. Friedrichs 2004)
[2] In anderen Untersuchungen wird sogar eine 100% Ausstattung mit Fernsehgeräten sowie ein eigenes Gerät bei 34% der Kinder festgestellt. (vgl. Feierabend 2001, S. 348)
[3] „Sehdauer“ bezeichnet die Zeit, in der der Blick dem Bildschirm zugewandt ist. Die „Verweildauer“ hingegen ist die Zeit, die vor dem eingeschalteten Fernseher verbracht wird.
[4] GfK: Gesellschaft für Konsumforschung; der Recorder ist am Fernseher angeschlossen und registriert wie lange welcher Sender geschaut wird.
[5] Die Studie wurde im Auftrag des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest vom IFAK Institut Taunusstein im November/Dezember 2000 durchgeführt. Dabei wurden 1228 Kinder mündlich, sowie deren Erziehungsberechtigte schriftlich befragt. Dabei ging es um eine Analyse des Medienverhaltens (speziell auch um Computer und Internet). Die Studie ist veröffentlicht innerhalb des Aufsatzes „Kinder und Medien 2000: PC und Internet gewinnen an Bedeutung“ von S. Feierabend (2001)
[6] Bei dieser Studie ging es an sich um Bekanntheit, Nutzung, Bewertung und Image des Hörfunks. In Nordrhein-Westfalen und Berlin/Brandenburg wurden jeweils über 100 Kinder von 7 bis 14 Jahren, sowie ein Elternteil anhand eines voll strukturierten Fragebogens befragt. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in dem Artikel „Mediennutzung bei Kindern: Radio im Abseits?“ von J. Eckhardt (2002)
[7] Für diese Studie wurden 1624 Kinder zwischen 3 und 13 Jahren kontinuierlich befragt. Unter anderem erhielt die GfK ihre Daten mit Hilfe eines Apparates am Fernsehgerät, das die Fernsehnutzung aufzeichnet. Hierbei muss der Zuschauer einen Personenkopf betätigen, damit die Daten personenspezifisch gewonnen werden können. Analysiert werden sollte die Entwicklung verschiedener Indikatoren der Fernsehnutzung sowie geschlechts- und altersspezifische Unterschiede. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in dem Artikel „Was Kinder sehen“ von S. Feierabend (2003).
[8] Die Prozentzahlen schwanken zwischen 99,9 und 100%
[9] in Westdeutschland 29% und in Ostdeutschland sogar 51% (vgl. Feierabend 2001, S. 348)
[10] bei den 3-13jährigen sind es nach den Daten der AGF/GfK-Fernsehforschung nur 62% die täglich fern sehen (vgl. Feierabend 2003, S.167)
[11] In der Studie KIM 2000 wurden den Kindern 27 Freizeitbeschäftigungen zur Auswahl gegeben. Davon durften dann jeweils drei ausgewählt werden.
[12] zur Unterscheidung Verweildauer/Sehdauer siehe auch Kapitel 3.1.2
[13] Für die Zuordnung zu den Gruppen gibt es keine festen Regeln.
[14] Beschreibung der Studie: siehe Kapitel 2.1
[15] auf die Angst-Lust wird im Kapitel 3.2.2 noch ausführlicher eingegangen
[16] Basis: 141 Nennungen
[17] Die Angaben stammen aus dem Jahr 1994 und beziehen sich nur auf westdeutsche Familien
[18] vgl hierzu: Hierzu Nowak, Dorothea (2000): Die Sinus-Milieus im Fernsehpanel, Heidelberg
Der GRIN Verlag hat sich seit 1998 auf die Veröffentlichung akademischer eBooks und Bücher spezialisiert. Der GRIN Verlag steht damit als erstes Unternehmen für User Generated Quality Content. Die Verlagsseiten GRIN.com, Hausarbeiten.de und Diplomarbeiten24 bieten für Hochschullehrer, Absolventen und Studenten die ideale Plattform, wissenschaftliche Texte wie Hausarbeiten, Referate, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten, Diplomarbeiten, Dissertationen und wissenschaftliche Aufsätze einem breiten Publikum zu präsentieren.
Kostenfreie Veröffentlichung: Hausarbeit, Bachelorarbeit, Diplomarbeit, Dissertation, Masterarbeit, Interpretation oder Referat jetzt veröffentlichen!
Kommentare