Bachelorarbeit, 2017
79 Seiten, Note: 1,6
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau und Vorgehensweise
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Definition FinTech
2.2 Geschäftsmodell eines Kreditinstituts
2.3 Das SWOT-Modell als Analysemethode
2.4 Aufstellen von Anforderungen
3 FinTech-Markt in Deutschland
3.1 Beispiel N26
3.2 Beispiel Auxmoney
4 Analyse der Chancen und Risiken für die Geschäftsmodelle von Kreditinstituten unter Anwendung der SWOT-Analyse
4.1 Stärken und Schwächen der Geschäftsmodelle von Kreditinstituten
4.2 Chancen und Risiken für Geschäftsmodelle von Kreditinstituten durch FinTechs
4.3 Zusammenfassende Matrixdarstellung des SWOT-Modells
4.4 Überprüfung der Anforderungen
5 Handlungsempfehlungen für Kreditinstitute
6 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Weltweites Interesse im zeitlichen Verlauf gemessen an der Anzahl der Suchanfragen bei Google
Abbildung 2: FinTechs kategorisiert nach ihren Hauptanwendungsfeldern im Finanzsektor
Abbildung 3: FinTechs systematisiert nach den Wertschöpfungsbereichen einer Universalbank
Abbildung 4: Einordnung der Universalbanken im Geschäftsbankensystem in Deutschland
Abbildung 5: Rechtlicher Rahmen für Kreditinstitute
Abbildung 6: Finanzbedürfnispyramide
Abbildung 7: Transformationsfunktionen der Banken
Abbildung 8: Übersicht über die Leistungserstellungsprozesse einer Bank
Abbildung 9: SWOT-Matrix
Abbildung 10: Geografische Verteilung der deutschen FinTech-Unternehmen
Abbildung 11: Übersicht über die FinTech-Unternehmen
Abbildung 12: Prognose des Marktvolumens der deutschen FinTech-Segmente Finanzierung und Vermögensmanagement in EUR
Abbildung 13: Infografik zu FinTech in Deutschland
Abbildung 14: Firmenlogo N
Abbildung 15: Screenshots der N26-App
Abbildung 16: Produktpalette N
Abbildung 17: Firmenlogo Auxmoney
Abbildung 18: Ablauf einer Kreditanfrage bei Auxmoney
Abbildung 19: Verwendungszwecke der über Auxmoney vermittelten Kredite
Abbildung 20: Eigenkapital und Jahresüberschuss der Auxmoney GmbH seit Gründung
Abbildung 21: Entwicklung des Leitzinssatzes der EZB
Abbildung 22: Interesse an der verstärkten Nutzung von Apps im Bereich Finanzen
Abbildung 23: Ergebnisse der SWOT-Analyse dargestellt in der SWOT-Matrix
Abbildung 24: Finanzierungen der FinTechs UK und Deutschland im Vergleich
Abbildung 25: Die Top Finanzierungsdeals
„The digitization of just about everything [] is the most important phenomena of recent years. “[1]
Die Digitalisierung tangiert alle Lebensbereiche und hat weitreichende Auswirkungen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene. Sie verändert Konsumverhalten, Kommunikation, Strukturen, bestehende Normen und Werte. Der Strukturwandel zwingt Unternehmen dazu, umzudenken und sich digital aufzustellen, um den neuen Anforderungen der Konsumenten gerecht werden zu können und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.[2]
Wie gravierend die Auswirkungen der Digitalisierung auf eine Branche sein können, lässt sich am Bespiel der Musikindustrie veranschaulichen. Die Transformation von einem erfolgreichen Geschäftsmodell mit physischen Tonträgern über digitale Vertriebsmodelle zu Streaming-Diensten zeigt zum einen, dass sich durch die Digitalisierung vielfältige Chancen ergeben. Zum anderen, dass bei einer nicht erfolgten oder nicht erfolgreichen Anpassung an die veränderten Anforderungen des Marktes die Gefahr der Verdrängung vom Markt besteht.[3]
Auch im Finanzsektor zeigen sich die Auswirkungen der Digitalisierung. Ausgehend von der manuellen und papierhaften Durchführung sämtlicher Transaktionen, über mehrere Zwischenstufen der Entwicklung zu elektronischen, automatisierten Systemen, deren Funktionalität immer weiter zunimmt - das Bankgeschäft entwickelt sich durch IT stetig weiter.[4]
Ein relativ neues Phänomen der Digitalisierung im Finanzsektor sind sogenannte FinTechs. Nicht-Banken, die auf Konsum- und Surfverhalten der Nutzer zugeschnittene Lösungen für Smartphones und Tablet-PCs in Form von Apps und webbasierten Anwendungen anbieten.[5] Der Fokus dieser Anwendungen liegt meist auf einem bestimmten Kundenprozess wie beispielsweise Zahlungsverkehr, Finanzierung oder Geldanlage.[6] Damit treten FinTechs als neue Akteure in Geschäftsfelder ein, die traditionell von Banken und Sparkassen abgedeckt werden.[7] Vielzählige Befragungen ergeben, dass von FinTechs angebotene Produkte und Services immer bekannter und beliebter werden.[8] Auch aus dem Anstieg der Suchanfragen nach dem Stichwort FinTech bei der Suchmaschine Google lässt sich ein wachsendes Interesse für die FinTech-Technologien ableiten. Deutschland befindet sich, gemessen an der Anzahl der Suchanfragen, weltweit auf Platz neun.[9]
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Abbildung 1: Weltweites Interesse im zeitlichen Verlauf gemessen an der Anzahl der Suchanfragen bei Google[10]
Im Rahmen dieser Arbeit soll erarbeitet werden, inwiefern FinTechs eine Konkurrenz oder disruptive Technologie für die Geschäftsmodelle von Kreditinstituten darstellen bzw. Chancen und Potenziale für Banken aus den Lösungen der FinTechs identifiziert werden können.
Nach der Einleitung werden die theoretischen Grundlagen erarbeitet, die für das Verständnis der Arbeit notwendig sind. Hierfür wird zunächst der Begriff FinTech definiert und dargestellt, wie das Geschäftsmodell von Kreditinstituten aufgebaut ist. Des Weiteren erfolgt im zweiten Kapitel die Erläuterung des SWOT-Modells, das für die Analyse in Kapitel vier angewandt wird. In Kapitel 2.4 werden Anforderungen aufgestellt, unter denen FinTechs eine disruptive Technologie, also eine Gefahr für das klassische Geschäftsmodell eines Kreditinstituts, darstellen.
Im dritten Kapitel dieser Arbeit wird der FinTech-Markt in Deutschland anhand einer Studie des Bundesfinanzministeriums für Finanzen beleuchtet. Es werden zunächst Aussagen zum FinTech-Markt allgemein getätigt. Anschließend folgt die differenzierte Betrachtung des Geschäftsmodells und der Unternehmensgeschichte von zwei Best-Practice-Beispielen des deutschen FinTech-Marktes.
In Kapitel vier erfolgt anhand des SWOT-Modells die Analyse der von FinTechs ausgehenden Chancen und Risiken für die Geschäftsmodelle von Kreditinstituten. Im ersten Schritt werden durch eine Analyse der Stärken und Schwächen der Geschäftsmodelle von Kreditinstituten deren Kernkompetenzen herausgearbeitet. Im nächsten Schritt folgt die externe Analyse. Hier werden die Chancen und Risiken für Kreditinstitute durch den externen Faktor FinTechs erarbeitet. Anschließend werden die aus interner und externer Analyse erlangten Erkenntnisse in Form der Matrix des SWOT-Modells dargestellt. Im Gliederungspunkt 4.4 wird ein Bezug zu den in Punkt 2.4 aufgestellten Anforderungen genommen, unter denen FinTechs eine disruptive Technologie darstellen. Nach einer ausführlichen Auseinandersetzung sowohl mit dem klassischen Geschäftsmodell von Kreditinstituten als auch mit dem FinTech-Markt wird Bezug nehmend auf die formulieren Anforderungen eingeordnet, ob es sich bei FinTechs um eine disruptive Technologie handelt.
Im nächsten Abschnitt der Arbeit werden Handlungsempfehlungen für Kreditinstitute formuliert. Sie sollen die Antwort auf die Frage liefern, wie Kreditinstitute strategisch mit FinTechs umgehen sollten. Hier werden die Möglichkeiten dargestellt, wie Kreditinstitute von FinTech-Technologien profitieren können. Im letzten Teil der Arbeit werden die zentralen Erkenntnisse der Arbeit zusammenfassend aufgezeigt.
Der Begriff FinTech ist eine Kombination aus Financial Services und Technology. Die Geschäftsmodelle der FinTechs sind teilweise sehr unterschiedlich, deshalb gibt es keine einheitliche und geschlossene Definition. Grundsätzlich werden unter dem Begriff innovative technologische Lösungen für die Bereitstellung von Finanzprodukten durch Nicht-Banken verstanden.[11] Als Finanzinnovationen werden neue Lösungen bezeichnet, die einen Fortschritt hinsichtlich der Kostensenkung, Risikoreduktion oder Bedürfnisbefriedigung der Nachfrager bringen.[12]
Anbieter sind meist Start Ups. Der Begriff FinTech wird oft mit dem anbietenden Unternehmen gleichgesetzt.[13] Auch im Rahmen dieser Arbeit wird unter dem Begriff FinTech der Anbieter der Technologie verstanden.
FinTechs bieten App-basierte oder webbasierte Anwendungen an. Diese sind intuitiv bedienbar, einfach aufgebaut, schnell und unkompliziert. Die Anwendungen sind auf die Ansprüche des modernen, internetaffinen Kunden zugeschnitten. Der Kundennutzen steht im Fokus.[14]
Die Vorgehensweise von FinTechs lässt sich folgendermaßen beschreiben: Teile der Wertschöpfungskette von Banken werden herausgelöst. Davon sind primär die Prozesse betroffen, die ohne Schwierigkeiten standardisiert darstellbar sind. Demnach beschränken sich die von FinTechs angebotenen Produkte bisher hauptsächlich auf solche, die ohne regulatorische Hürden bzw. Banklizenz angeboten werden können.[15]
Im nächsten Schritt werden diese Prozesse automatisiert. Durch die Automatisierung können Transaktionskosten gesenkt werden. Damit treten neue Akteure mit modernen und günstigen Lösungen als Konkurrenten in den Markt der Finanzprodukte ein, der lange Zeit nur von Banken abgedeckt wurde.[16]
Es gibt verschiedene Ansätze, um die unterschiedlichen von FinTechs angebotenen Anwendungen logisch zu systematisieren. Beispielsweise können diese entsprechend ihrer Funktionen kategorisiert werden. Dadurch ergeben sich die vier möglichen in folgender Abbildung dargestellten Kategorien für die Zuordnung der FinTechs.[17]
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Abbildung 2: FinTechs kategorisiert nach ihren Hauptanwendungsfeldern im Finanzsektor[18]
Eine weitere Möglichkeit der Segmentierung ist die Einteilung der Geschäftsfelder von FinTechs in Anlehnung an die Wertschöpfungsbereiche einer Bank. Diese Einteilung ermöglicht eine bessere Vergleichbarkeit mit dem Geschäftsmodell eines klassischen Kreditinstitutes. In Abbildung drei sind die vier großen Bereiche und deren Unterkategorien, denen FinTechs zugeordnet werden können, dargestellt.[19]
Das erste dargestellte Segment der Finanzierung wird unterteilt in Crowdfunding und Kredite und Factoring. Crowdfunding ist eine alternative Finanzierungsart, bei der die Mittel durch eine Vielzahl an Personen zur Verfügung gestellt werden. Verwendungszweck einer Finanzierung über Crowdfunding sind vor allem soziale, karitative oder kreative Projekte bzw. die Kapitalbeschaffung von Start-Ups, die über die klassische Finanzierung bei einer Bank keinen Zugang zu Kapital bekommen. Abhängig von den vereinbarten Rückzahlungsmodalitäten wird Crowdfunding nach weiteren Unterkategorien differenziert. Beim spendenbasierten Crowdfunding bekommt die Crowd keine Gegenleistung, beim gegenleistungsbasierten Crowdfunding eine nicht monetäre Gegenleistung und beim Crowdinvesting erhält die Crowd einen Anteil am Kapital. Kreditnehmer können Privatpersonen oder Unternehmen sein.[20] Neben dem Crowdfunding gibt es auch FinTechs, die in Kooperation mit Banken ohne Einbeziehung der Crowd Kredite vermitteln oder innovative Factoring-Konzepte anbieten.[21]
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Abbildung 3: FinTechs systematisiert nach den Wertschöpfungsbereichen einer Universalbank[22]
Das zweite dargestellte Segment der FinTechs ist das Vermögensmanagement. Zu dieser Kategorie gehören FinTechs, die Vermögensverwaltung, Vermögensanlage, Beratung oder eine aggregierte Darstellung persönlicher Finanzdaten anbieten. Unterkategorien sind Robo-Advice, Social Trading, Personal Financial Management, Anlage und Banking.[23]
Robo-Advice ist ein Tool, das dem Anleger zu einer Anlageentscheidung verhilft und dabei auf menschliche Interaktion verzichtet. Die Beratung durch einen Experten wird dabei durch eine automatisierte, auf Algorithmen basierende Lösung ersetzt.[24]
Social Trading überträgt das Leader-Follower-Prinzip sozialer Plattformen auf Handelsplattformen und ermöglicht so die Kombination der Anlagestrategien privater und professioneller Trader. Ein bekanntes Beispiel für eine erfolgreiche Social Trading Plattform ist Wikifolio. Wikifolio ermöglicht Tradern, ihre Handelsstrategie in einem Musterdepot zu publizieren. Anleger können nach dem Social Media-Prinzip dieser Anlagestrategie folgen. Auch hier trifft der Anleger seine Investitionsentscheidung selbstständig ohne einen Berater.[25]
Personal Financial Management-Anwendungen ermöglichen den konsolidierten Überblick über alle bestehenden Konten, Anlagen und Kredite der verschiedenen Bankverbindungen. Alle Informationen werden in einer Anwendung zusammengeführt.[26]
Unter die Kategorie Anlage und Beratung fallen FinTechs, deren Geschäftsmodell zwar auf dem Vermögensmanagement basiert, die aber nicht den anderen Unterkategorien zugeordnet werden können. Beispielweise gibt es FinTechs, die Anlageberatung anbieten. Diese FinTechs sind allerdings nicht wie Robo-Advice vollkommen automatisiert und verzichten nicht absolut auf menschliche Interaktion.[27]
Das dritte dargestellte Segment ist das Zahlungsverkehr-Segment mit den dazugehörigen Unterkategorien alternative Bezahlverfahren, Kryptowährungen und weiteren FinTechs. Zum vierten Segment der sonstigen FinTechs werden solche zugeordnet, die aufgrund ihres Geschäftsmodells nicht den anderen Segmenten der klassischen Wertschöpfungsbereiche von Banken zugeordnet werden können.
Bereits aus diesem groben Überblick über die möglichen Geschäftsmodelle von FinTechs ist erkennbar, wie unterschiedlich das Tätigkeitsfeld, die individuelle Ausgestaltung und Strategie der Unternehmen sein kann. Aus diesem Grund ist die Einschätzung, ob das FinTech für seine Tätigkeiten einer Erlaubnis seitens der BaFin bedarf, schwierig und nur individuell zu beantworten. Grundsätzlich sind die Tätigkeiten im Sinne des §1 KWG erlaubnispflichtig.[28]
Die Legaldefinition eines Kreditinstituts findet sich in §1 KWG. Darunter sind Unternehmen zu verstehen, die gewerbsmäßig Bankgeschäfte betreiben. Zu Bankgeschäften im Sinne des §1 KWG zählen unter anderem das Einlagengeschäft, das Kreditgeschäft und das Depotgeschäft. Alle Kreditinstitute im Sinne des KWG sind Geschäftsbanken. In Deutschland sind sogenannte Universalbanken vorherrschend.[29] Diese lassen sich folgendermaßen im Geschäftsbankensystem einordnen:
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Abbildung 4: Einordnung der Universalbanken im Geschäftsbankensystem in Deutschland[30]
Im Gegensatz zu Spezialbanken, deren Geschäftsfeld sich auf eine Tätigkeit der in §1 KWG aufgezählten Bankgeschäfte beschränkt, führen Universalbanken Einlagen-, Kredit- und Effektengeschäft gleichzeitig aus.[31]
Eine wichtige Determinante der Geschäftsmodelle von Kreditinstituten sind die rechtlichen Regulierungen. Weil Banken gesamtwirtschaftlich betrachtet für die Stabilität von Bedeutung sind, gibt es viele gesetzliche Bestimmungen, die von Banken zu beachten sind. Die Gesamtheit der für Banken relevanten Gesetze ist nicht in einem Gesetzestext zusammengefasst, sondern ergibt sich aus der Kombination verschiedener Gesetzestexte.[32]
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Abbildung 5: Rechtlicher Rahmen für Kreditinstitute[33]
Der Begriff Geschäftsmodell beschreibt die Struktur eines Unternehmens, dessen Ziel es ist, einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen und Ertrag zu generieren. In der wissenschaftlichen Literatur herrscht die Meinung vor, dass Geschäftsmodell und Strategie nicht gleichzusetzen sind, obwohl die beiden Begriffe in nichtwissenschaftlicher Literatur fälschlicherweise oft synonym verwendet werden. Das Geschäftsmodell beschränkt sich auf die Interaktion der einzelnen Subelemente des Unternehmens und berücksichtigt nicht den Wettbewerb, während die Strategie des Unternehmens primär nach außen gerichtet ist und eine Wettbewerbspositionierung beinhaltet.[34]
Um das Geschäftsmodell einer Universalbank zu beschreiben, sind folgende Aspekte relevant: Welchen Nutzen bringt das Angebot der Bank dem Kunden? Wie ist der Wertschöpfungsprozess gestaltet? Wie wird der Ertrag generiert? Das Geschäftsmodell beantwortet diese Fragestellungen.[35]
Zunächst folgt die Betrachtung der Nutzendimension. Der Bedarf der Marktsubjekte, also privater Haushalte und Unternehmen, einer modernen Volkswirtschaft an Finanzprodukten ist groß. In unterschiedlichen Lebensstadien fragen sie Lösungen für Zahlungsverkehr, Finanzierungen, Anlage und Risikovorsorge nach.[36]
Um die unterschiedlichen Bedürfnisdimensionen der Kunden zu analysieren, eignet sich die Übertragung der Maslow’schen Bedürfnispyramide auf die Finanzbedürfnisse. Analog zur klassischen Bedürfnispyramide sind auch bei der Anwendung auf Finanzprodukte die Bedürfnisse hierarchisch gestaffelt. Beginnend bei dem elementaren Grundbedürfnis nach einer Kontoverbindung hin zu dem obersten Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Übertragen auf die Finanzbedürfnisse würde Selbstverwirklichung die Möglichkeit zur eigenständigen Aneignung von Wissen und die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Umwelt durch die Wahl des Finanzproduktes bedeuten.[37] Mit der breiten Angebotspalette einer Universalbank können die unterschiedlichen Bedürfnisse durch nur eine Bank befriedigt werden.
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Abbildung 6: Finanzbedürfnispyramide[38]
Durch die Versorgung durch eine Universalbank hat der Kunde zwei große Vorteile. Zum einen kann er Kostenvorteile realisieren, denn die Erhebung der für die Beratung notwendigen Informationen erfolgt nur ein Mal. Zukünftige Beratungsbedarfe basieren auf diesen Informationen. Zum anderen kann die Universalbank auf der Grundlage der vorhandenen umfassenden Informationen zum Kunden individuell und ganzheitlich beraten.[39]
Der Kunde hat also durch die Bereitstellung von Finanzprodukten mehrere Nutzen. Durch die Funktionen der angebotenen Produkte wird der Bedarf an Zahlungsverkehr, Finanzierung, Anlage und Sicherheit befriedigt. Außerdem hat er einen ökonomischen Nutzen in Form einer Kostenersparnis wegen der effizienten Informationsaufnahme und Informationsverwendung durch die Universalbank. Des Weiteren hat der Kunde bei einer Bereitstellung verschiedener Produktarten durch eine Bank den Nutzen der Zeitersparnis bei der Beschaffung.[40]
Immer wichtiger werden Sozial- und Individualbedürfnisse, also Bedürfnisse nach Vernetzung beziehungsweise nach permanenter Verfügbarkeit und Individualisierung der Bankdienstleistungen. Im Zeitalter der Digitalisierung hat sich die Erwartungshaltung der Konsumenten verändert. Kunden erwarten eine kanalübergreifende und von Öffnungszeiten unabhängige, komfortable Verfügbarkeit von Bankdienstleistungen. Die Reaktion der Banken auf diese Veränderung ist die Anpassung des Geschäftsmodells in Form der Multikanalintegration. Einerseits sind Kreditinstitute immer noch analog in Form von Filialen präsent. Die Verfügbarkeit der Bankdienstleistungen wird aber durch die Einrichtung von beispielsweise einem telefonischen Kunden-Center ausgeweitet. Zusätzlich sind Kreditinstitute auch digital durch das webbasierte Online-Banking und Banking-Apps präsent. Banken entwickeln neuerdings die Multikanal-Präsenz zu einer Omni-Channel-Präsenz weiter. Bei der Gestaltung der Prozesse wird der Fokus auf die Kundenperspektive gelegt.[41]
Als nächstes folgt die Betrachtung der Wertschöpfungsdimension zur Beschreibung des Geschäftsmodells eines klassischen Kreditinstituts. Im Grunde bestehen im volkswirtschaftlichen Kontext die Daseinsberechtigung und die Basis für die Tätigkeiten einer Bank darin, dass der Markt unvollkommen ist. Da keine vollkommene Markttransparenz gegeben ist, entstehen Informationsasymmetrien. Informationen sind asymmetrisch verteilt, wenn ein Wirtschaftssubjekt im Besitz relevanter Informationen ist, während sein Gegenüber ein Informationsdefizit hat. Die Konsequenz daraus ist, dass besser informierte Wirtschaftssubjekte diesen Vorteil bei Verträgen zum Nachteil anderer Wirtschaftssubjekte nutzen könnten. Um dieses Risiko auszuschließen, würden ökonomisch sinnvolle Verträge nicht zu Stande kommen. Für den Ausgleich der Informationsasymmetrien und die Vermeidung der daraus entstehenden negativen Folgen sind Vermittler notwendig. Banken agieren als solche Vermittler und übernehmen als Finanzintermediäre volkswirtschaftlich wichtige Transformationsfunktionen.[42]
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Abbildung 7: Transformationsfunktionen der Banken[43]
Banken treten als Intermediäre auf dem Markt auf und ersparen so den Wirtschaftssubjekten die Suche nach einem geeigneten Marktpartner und die daraus resultierenden Informationskosten. Diese Funktion wird als Informationstransformation bezeichnet.[44]
Neben der Informationstransformation betreiben Banken außerdem Liquiditäts- und Risikotransformation. Bei der Liquiditätstransformation differenziert man zwischen Fristen- und Losgrößentransformation. Fristentransformation bezeichnet den Ausgleich unterschiedlicher Laufzeiten der kurzfristigen Einlagen und der langfristig ausgegebenen Kredite. Losgrößentransformation bezeichnet die Transformation vieler kleiner Beträge, die in Form von Einlagen zufließen, in größere Beträge für die nachgefragten Kredite.[45]
Des Weiteren gehört auch die Risikotransformation zu den Funktionen der Banken. Horizontal betrachtet bedeutet es, dass Banken Bonitätsrisiken übernehmen, die sonst die Wirtschaftssubjekte selbst übernehmen müssten. Bei Zahlungsunfähigkeit von Schuldnern bekommen Gläubiger der Bank trotzdem ihre Einlagen. Vertikal betrachtet versteht man unter der Risikotransformation, dass aus Geschäften entstandene Risiken oder Verluste von einkalkulierten Risikoprämien anderer Geschäfte kompensiert werden.[46]
In der folgenden Darstellung wird eine Analogie zum industriellen Produktionsprozess hergestellt, um den konkreten Ablauf der Produktion der Bankleistungen darzustellen und zu systematisieren. Ein wichtiger Unterschied zur industriellen Herstellung substantieller Produkte ist, dass Banken immaterielle und abstrakte Dienstleistungen erstellen. Die Konsequenz daraus ist, dass keine Produktion auf Vorrat möglich ist, denn Dienstleistungen sind nicht lagerfähig. Produktion und Distribution finden gleichzeitig statt, abhängig von der auftretenden Nachfrage nach der jeweiligen Bankleistung. Banken müssen deshalb permanent ausreichende Ressourcen in Form von Personal, Räumlichkeiten und Technik vorhalten, um die Nachfrage befriedigen zu können.[47]
Die Funktion des internen Bereichs ist es, die Leistungsbereitschaft herzustellen und zu sichern. Diese Elemente sind zum einen Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit im externen Bereich, zum anderen abhängig von der externen Nachfrage. Der interne Bereich hat also eine derivative Eigenschaft und erfüllt eine Hilfsfunktion. Für die internen Prozesse muss sichergestellt werden, dass diese fehlerfrei laufen, wirtschaftlich sind und dass genug Ressourcen für eine schnelle Durchführung zur Verfügung stehen.[48]
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Abbildung 8: Übersicht über die Leistungserstellungsprozesse einer Bank[49]
Jede Bank entscheidet über die Wertschöpfungstiefe. Bei vielen Teilen der Wertschöpfungskette bestehen die Optionen selbst zu produzieren oder die Leistung einzukaufen.[50]
Die wichtigste Determinante der externen Vertriebsprozesse ist der Kunde, auf dessen Kooperation und Mitwirkung Banken angewiesen sind. Deshalb ist es wichtig, den Vertrieb aus der Kundenperspektive auszurichten und alle verfügbaren Kommunikationskanäle dafür zu nutzen.[51]
Die letzte für die Beschreibung des Geschäftsmodells eines Kreditinstituts zu betrachtende Dimension ist die Ertragsdimension. Banken generieren aus drei Quellen ihre Erträge: Zinsgeschäft, Provisionsgeschäft und Treasury.[52]
Der Zinsertrag der Banken setzt sich zusammen aus Struktur- und Konditionsbeitrag. Der Strukturbeitrag wird durch Fristentransformation erwirtschaftet. Zur Messung des Strukturbeitrags wird die Differenz zwischen der Kapitalbindungs- oder Kapitalüberlassungsprämie und dem Zinssatz für täglich fälliges Geld am Geld- und Kapitalmarkt gebildet. Unter dem Konditionsbeitrag ist die Differenz zwischen Kundenkondition und dem Opportunitätszinssatz für die gleiche Laufzeit am Geld- und Kapitalmarkt zu verstehen.[53]
Provisionserträge erwirtschaftet die Bank durch Vermittlung von Wertpapieren, Versicherungen, aus dem Zahlungsverkehr und dem Kartengeschäft. Für die Vermittlung erhält die Bank Provisionen vom Kooperationspartner.[54]
Das Treasury erwirtschaftet zum einen Erträge durch Fristentransformation, zum anderen durch Währungstransformation. Dafür nutzt das Treasury aktiv Differenzen der unterschiedlichen Kapital- und Zinsbindungsfristen am nationalen Geld- und Kapitalmarkt und die unterschiedlichen Verläufe der Zinsstrukturkurven der internationalen Märkte. Konkret nutzt es dafür Interbanken- und Wertpapiergeschäfte.[55]
Die SWOT-Analyse ist ein Instrument, das zur strategischen Planung von Unternehmen genutzt werden kann. Das Akronym steht für strenghts, weaknesses, opportunities und threats. Im ersten Schritt werden interne Stärken und Schwächen des Geschäftsmodells erarbeitet. Daraus wird ein vereinfachtes Bild des Unternehmens und seiner Kernkompetenzen abgeleitet. Im zweiten Schritt erfolgt eine Analyse der Chancen und Risiken für das Geschäftsmodell, die sich durch externe Faktoren ergeben. Dafür werden Trends beobachtet und entweder als Chance oder als Risiko eingeordnet.[56]
Die Ergebnisse aus interner und externer Analyse werden einander gegenübergestellt. Daraus gewonnene Erkenntnisse sollen dann in der Strategie des Unternehmens verwertet werden. Die Grundidee ist, die unternehmensinternen Stärken gezielt zu forcieren und gleichzeitig die unternehmensinternen Schwächen zu vermeiden bzw. zu kompensieren.[57]
[...]
[1] Brynjolfsson/ McAfee, 2014, S. 66.
[2] Vgl. Dapp, 2014, S. 3 f.; Vgl. Kinting/ Wißmann, 2016, S. 9.
[3] Vgl. Dapp, 2014, S. 13.
[4] Vgl. Alt/ Puschmann, S. 36-40.
[5] Vgl. Dapp, 2014, S. 5.
[6] Vgl. Alt/ Puschmann, 2016, S. 95.
[7] Vgl. Romanova/ Kudinska, 2016, S. 21.
[8] Vgl. Romanova/ Kudinska, 2016, S. 27.
[9] Vgl. Google, 2017, online im Internet.
[10] Google, 2017, online im Internet.
[11] Vgl. Springer Gabler Verlag, 2017a, online im Internet; Danker, 2016, S. 18; Deutsche Bundesbank, 2016, S. 72; Dorfleitner/ Hornuf, 2016, S. 5.
[12] Vgl. Frame/ White, 2014, S. 274.
[13] Vgl. Deutsche Bundesbank, 2016, S. 72.
[14] Vgl. Dapp, 2014, S. 5; Danker, 2016, S. 18.
[15] Vgl. Deutsche Bundesbank, 2016, S. 72; Dapp, 2014, S. 16; Dapp, 2014, S. 18.
[16] Vgl. Deutsche Bundesbank, 2016, S. 72; Dapp, 2014, S. 17; Dapp, 2014, S. 5; Kinting/Wißmann, 2016, S. 6.
[17] Vgl. Deutsche Bundesbank, 2016, S. 72.
[18] Deutsche Bundesbank, 2016, S. 73.
[19] Vgl. Dorfleitner/ Hornuf, 2016, S. 5.
[20] Vgl. BaFin, 2016, online im Internet; Dorfleitner/ Hornuf, 2016, S. 5 f.
[21] Vgl. Dorfleitner/ Hornuf, 2016, S. 7.
[22] Eigene Darstellung in Anlehnung an Dorfleitner/ Hornuf, 2016, S. 11.
[23] Vgl. Dorfleitner/ Hornuf, 2016, S. 7.
[24] Vgl. BaFin, 2017a, online im Internet.
[25] Vgl. Kern, 2017, S. 190; Wikifolio, 2017, online im Internet.
[26] Vgl. Dorfleitner/ Hornuf, 2016, S. 8.
[27] Vgl. Dorfleitner/ Hornuf, 2016, S. 8.
[28] Vgl. BaFin, 2017b, online im Internet; §32 KWG.
[29] Vgl. Bott, 2000, S. 20.
[30] Eigene Darstellung in Anlehnung an Hellenkamp, 2015, S.15.
[31] Vgl. Bott, 2000, S. 20; Büschgen/ Börner, 2003, S. 57.
[32] Vgl. Hellenkamp, 2015, S. 54 f.
[33] Eigene Darstellung in Anlehnung an Hellenkamp, 2015, S. 16.
[34] Vgl. Springer Gabler Verlag, 2017b, online im Internet; Schmidt, 2014, S. 95-98; Zollenkop/ Lässig, 2017, S. 70.
[35] Vgl. Schmallo, 2013, S. 48-56; Büschgen/Börner, 2003, S. 200.
[36] Vgl. Schildbach, 2012, S. 4; Kinting/ Wißmann, 2016, S. 12.
[37] Vgl Auge-Dickhut/ Koye/ Liebetrau, 2015, S. 196 f.
[38] Eigene Darstellung in Anlehnung an Auge-Dickhut/ Koye/ Liebetrau, 2014, S. 138.
[39] Vgl. Schildbach, 2012, S. 4.
[40] Vgl. Schmallo/ Rusnjak, 2016, S. 17.
[41] Vgl. Dapp, 2014, S. 5; Niebudek/ Adelt, 2015, S. 3; Kinting/ Wißmann, 2016, S. 9 f.; Braun, 2016, S. 79 f.; Hellenkamp, 2015, S. 47.
[42] Vgl. Springer Gabler Verlag, 2017c, online im Internet; Büschgen/ Börner, 2003, S.18 f.; Priewasser, 2001, S. 14 f.
[43] Eigene Darstellung in Anlehnung an Schierenbeck/ Hölscher, 1998, S. 22.
[44] Vgl. Büschgen/ Börner, 2003, S. 21; Priewasser, 2001, S. 15.
[45] Vgl. Büschgen/ Börner, 2003, S. 22; Heidorn, 2000, S. 6; Priewasser, 2001, S. 17.
[46] Vgl. Büschgen/ Börner, 2003, S. 23; Priewasser, 2001, S. 16; Heidorn, 2000, S. 7.
[47] Vgl. Hellenkamp, 2015, S. 9; Alt/ Puschmann, 2016, S. 47 f.
[48] Vgl. Büschgen, 1999, S. 310-324; Hellenkamp, 2015, S. 9 f.; Bieberstein, 2015, S. 3 f.
[49] Eigene Darstellung in Anlehnung an Büschgen, 1999, S. 320-324; Alt/ Bernet/ Zerndt, 2009, S. 57.
[50] Vgl. Börner, 2009, S. 125 f.
[51] Vgl. Büschgen, 1999, S. 312 f.
[52] Vgl. Schierenbeck/ Lister/ Kirmße, 2014, S. 67 f.; Schierenbeck/ Lister/ Kirmße, 2014, S. 76-81; Schierenbeck/ Lister/ Kirmße, 2014, S. 363; Thiesmeyer, 2015, S. 25.
[53] Vgl. Schierenbeck/ Lister/ Kirmße, 2014, S. 67 f.; Schierenbeck/ Lister/ Kirmße, 2014, S. 76-81; Thiesmeyer, 2015, S. 19.
[54] Vgl. Thiesmeyer, 2015, S. 25; Schierenbeck/ Lister/ Kirmße, 2014, S. 61.
[55] Vgl. Schierenbeck/ Lister/ Kirmße, 2014, S. 363.
[56] Vgl. Paul/ Wollny, 2012, S. 79-81; Dillerup/ Stoi, 2016, S. 288.
[57] Vgl. Paul/ Wollny, 2012, S. 81; Schmidt, 2014, S. 188; Dillerup/ Stoi, 2016, S. 288.
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