Diplomarbeit, 2005
87 Seiten, Note: 1,3
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abstract
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Inhaltliche Abgrenzung
1.3 Gang der Untersuchung
2 Grundlagen der Unternehmenssanierung
2.1 Das Unternehmen in der Krise
2.1.1 Krisenbegriff und Krisenmerkmale
2.1.2 Krisenarten
2.1.3 Krisenverlauf
2.1.4 Krisenentstehung
2.1.4.1 Krisenursachenforschung
2.1.4.2 Ursachen von Unternehmenskrisen
2.1.4.3 Merkmale von Krisenursachen
2.1.5 Krisenerkennung und –vermeidung
2.2 Die Überschuldungsprüfung
2.3 Die Unternehmenssanierung als Option der Krisenbewältigung
2.3.1 Begriffsbestimmung und -abgrenzung
2.3.2 Träger des Sanierungsmanagements
2.3.3 Die Sanierungsprüfung
2.3.3.1 Begriffsbestimmung
2.3.3.2 Sanierungsbedürftigkeit
2.3.3.3 Sanierungsfähigkeit
2.3.3.4 Sanierungswürdigkeit
2.3.4 Anforderungen an den Inhalt von Sanierungskonzepten
3 Möglichkeiten der Unternehmenssanierung unter dem Gesichtspunkt der
Überschuldung
3.1 Außergerichtliche Sanierungsmaßnahmen
3.1.1 Auflösung stiller Reserven
3.1.2 Zuführung von Eigenkapital
3.1.3 Rangrücktrittsvereinbarung
3.1.4 Der außergerichtliche Vergleich
3.2 Sanierung im Insolvenzverfahren
3.3 Gerichtliche versus außergerichtliche Sanierung
4 Der Forderungsverzicht
4.1 Zivilrechtliche Grundlagen und Formen des Forderungsverzichtes
4.1.1 Unbedingter Forderungsverzicht
4.1.2 Forderungsverzicht mit Besserungsabrede
4.2 Entscheidung
4.2.1 Zielsetzung der Gläubiger
4.2.1.1 Vorbemerkung
4.2.1.2 Banken
4.2.1.3 Lieferanten
4.2.1.4 Kunden
4.2.1.5 Arbeitnehmer
4.2.1.6 Staat/ Finanzamt
4.2.1.7 Eigentümer
4.2.1.8 Gemeinsam
4.2.1.9 Schlussfolgerung
4.2.2 Zielsetzung des Krisenunternehmens
4.3 Durchführung
4.4 Handels- und steuerrechtliche Behandlung
4.4.1 Handelsrechtliche Auswirkungen
4.4.2 Steuerrechtliche Auswirkungen
5 Zusammenfassung
Anhang
Literaturverzeichnis
Rechtsquellen- und Urteilsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen 1991 bis 2004
Abbildung 2: Krisenarten nach bedrohten Unternehmenszielen
Abbildung 3: Knotenpunkte der Unternehmenskrise
Abbildung 4: Der Krisenprozess
Abbildung 5: Exogene und endogene Krisenursachen
Abbildung 6: Überschuldungprüfung gemäß der zweistufigen Methode
Abbildung 7: Übersicht zur Abgrenzung der Begriffe Sanierung und Turnaround/ Restrukturierung
Abbildung 8: Triadenablauf der Sanierungsprüfung
Abbildung 9: Übersicht über den Ablauf des Insolvenzverfahrens
Abbildung 10: Aufbau des Sanierungsplanes
Abbildung 11: Zivilrechtliche Formen des Forderungsverzichtes mit Besserungsabrede
Abbildung 12: Entscheidungsfindung zum Forderungsverzicht
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die in den letzten Jahren kontinuierlich steigende Zahl von Unternehmensinsolvenzen verursacht jährlich einen volkswirtschaftlichen Schaden in Rekordhöhe. Der Zusammenbruch eines Unternehmens kommt in den seltensten Fällen plötzlich, sondern ist in der Regel das Ergebnis einer längeren krisenhaften Entwicklung. Als Hauptursachen hierfür sind Führungsfehler, eine zu geringe Eigenkapitalausstattung und die konjunkturelle Entwicklung zu nennen. Im Verlauf einer Krise nimmt die Existenzbedrohung für das Unternehmen zu und endet, sofern der Krisenprozess nicht gestoppt wird, mit seinem Untergang. Da die Handlungsalternativen im Krisenverlauf abnehmen, erhöht das frühzeitige Erkennen und Handeln die Chancen einer erfolgreichen Krisenbewältigung. Dem entgegen steht jedoch, dass der Krisenprozess meist erst in seinem späteren Verlauf erkannt wird, was die Verantwortlichen in ihrem Handlungsspielraum begrenzt und den Zeitdruck erhöht.
Befindet sich das Unternehmen im Zustand einer drohenden oder existenten Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung, liegt eine akute Existenzbedrohung vor. In dieser Krisenphase kommen Sanierungsmaßnahmen zum Einsatz, deren Ziel es ist, das Überleben des Unternehmens zu sichern. Voraussetzung hierfür ist, dass das sanierungsbedürftige Unternehmen sanierungsfähig ist und durch die an der Sanierung beteiligten Anspruchsgruppen als sanierungswürdig eingeschätzt wird. Grundlage sowohl für die Beurteilung von Sanierungsfähigkeit und –würdigkeit als auch für die Durchführung der Sanierung ist das Sanierungskonzept.
Sanierungsmaßnahmen können vor, aber auch in einem Insolvenzverfahren ergriffen werden. Jedoch sind die Erfolgschancen umso höher, je eher die Sanierung beginnt, was die Notwendigkeit ihres Einsatzes bereits im außergerichtlichen Verfahren impliziert. Zur Abwendung der Überschuldung kommen verschiedene geeignete Maßnahmen wie beispielsweise die Auflösung der stillen Reserven, Eigenkapitalzuführung, der Rangrücktritt oder der außergerichtliche Vergleich in Betracht.
Der Auflösung stiller Reserven in der Bilanz des Krisenunternehmens kommt in diesem Krisenstadium nur noch geringe Bedeutung zu, da sie meist bereits im Vorfeld vorgenommen wurde. Eine Eigenkapitalzuführung in Form einer Barkapitalerhöhung stellt sich aufgrund des erhöhten Zeitdruckes und einer mangelnden Bereitschaft möglicher Kapitalgeber in der Regel problematisch dar. Größere Bedeutung kommt der Eigenkapitalzuführung durch einen
debt-equity-swap als Form des außergerichtlichen Vergleiches zu.
Eines der wichtigsten und wirkungsvollsten Instrumente ist der Forderungsverzicht. Auch dieser kommt meist als Bestandteil eines außergerichtlichen Vergleiches zum Einsatz, da er aufgrund steuerlicher Auswirkungen als isolierte Maßnahme Nachteile gegenüber dem ebenso wirkungsvollen Rangrücktritt hat. Der Forderungsverzicht kann unbedingt, wobei die Forderung des Gläubigers entgültig erlischt, oder mit Besserungsabrede, wonach der Gläubiger nach erfolgreicher Sanierung seinen Anspruch wieder geltend machen kann, erfolgen.
Die Entscheidung der Gläubiger einen Sanierungsbeitrag zu leisten, erfolgt dabei grundsätzlich auf Basis eines Vergleiches zwischen Fortführungswert und Liquidationswert des Unternehmens. Jedoch wird ihre Entscheidung auch durch subjektive und teilweise nicht monetär quantifizierbare Vorteilhaftigkeitsüberlegungen beeinflusst. Dies macht eine konkrete Antwort auf die Frage nach ihrer Bereitschaft einen Forderungsverzicht zu leisten nicht möglich. Jedoch lassen sich anhand des in dieser Arbeit erstellten Interessenkataloges allgemeine Aussagen treffen. Zudem lassen sich aus ihm Anreize ableiten, mit denen das Unternehmen die Gläubiger in ihrer Entscheidung beeinflussen kann.
Die in den letzten Jahren steigende Zahl von Unternehmensinsolvenzen (siehe Abbildung 1) erreicht fast jährlich neue Rekorde. Allein in den letzten fünf Jahren stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen von noch 26.476 im Jahr 1999 auf 39.600 im Jahr 2004.[1] Der damit verbundene volkswirtschaftliche Schaden nahm im gleichen Zeitraum von 27,6 Milliarden Euro auf 39,4 Milliarden Euro zu.[2] Davon entfielen im Jahr 2004 11,9 Milliarden Euro auf die öffentliche Hand und 27,5 Milliarden Euro auf private Gläubiger.[3] Diese Entwicklungen zeigen, dass der Problemkreis der Unternehmenskrisen und ihre Abwendung zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen 1991 bis 2004
Quelle: Eigene Darstellung nach Statistisches Bundesamt (2005), S.4; Verband der Vereine Creditreform e.V. (2005), S.2 (für das Jahr 2004).
Zwar ist das dem darwinistischen Prinzip folgende Ausscheiden von ineffizienten Unternehmen Teil des Marktmechanismus, jedoch ist dieser Vorgang aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten negativ zu werten. Bereits Jäger erkannte die Insolvenz als einen „...Wertevernichter schlimmster Art und obendrein das teuerste Schuldentilgungsverfahren.“[4]. Zum einen werden bei der amtlichen Versteigerung des Vermögens des Unternehmens im Rahmen einer insolvenzrechtlichen Liquidation in der Regel keine fairen Preise erzielt. Zum anderen werden Strukturen zerstört, für deren Aufbau bei einer Neugründung erhebliche Kosten entstehen würden.[5] Somit kann die Rettung eines bestehenden Unternehmens als betriebswirtschaftlich vorteilhafter angesehen werden, als der Aufbau eines vergleichbar neuen.
Davon ausgehend konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf das Verfahren zur Abwendung der Unternehmensinsolvenz. Die hierfür verwendeten Begriffe der „außergerichtlichen Sanierung“ und der „freien Sanierung“[6] beschreiben bereits ihre Form als außerhalb der gesetzlichen Regelungen eines Insolvenzverfahrens und unter Vertragsfreiheit zwischen den beteiligten Parteien ablaufendes Verfahren[7].
Die ein Insolvenzverfahren auslösenden Tatbestände der Insolvenzordnung sind die drohende und existente Zahlungsunfähigkeit sowie die Überschuldung.[8] Für die vorliegende Arbeit wird sich bei der Betrachtung außergerichtlicher Sanierungsmaßnahmen auf den Tatbestand der Überschuldung und seiner Abwendung beschränkt. Als ein rechtlich einfaches und wirkungsvolles Instrument ist dabei der Forderungsverzicht zu nennen[9], auf dem der Schwerpunkt der Arbeit liegen wird. Dabei soll die Anwendbarkeit des Forderungsverzichtes sowie seine Vor- und Nachteile für die Gläubiger und das Schuldnerunternehmen im Vergleich zu anderen überschuldungsabwendenden Instrumenten untersucht werden. Zudem soll die Frage beantwortet werden, wovon die Zustimmung der Gläubiger abhängig ist und inwieweit sie durch Maßnahmen des Schuldnerunternehmens zu beeinflussen ist.
Bei dieser Betrachtung erfolgt eine Beschränkung auf Kapitalgesellschaften, insbesondere in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und der Aktiengesellschaft, die im Folgenden als Unternehmen bezeichnet werden. Die nachfolgend genannten anzuwendenden Vorschriften betreffen beide Rechtsformen gleichermaßen. Sofern sich unterschiedliche Anwendungen ergeben, wird darauf gesondert hingewiesen. In diesem Zusammenhang wird der Terminus der Geschäftsführung synonym für die Termini Geschäftsführer[10] und Vorstand[11] verwendet.
Um ein Unternehmen erfolgreich aus der Krise führen zu können, bedarf es zunächst eines genauen Verständnisses dieser. Daher werden in Kapitel zwei zunächst die Arten von Unternehmenskrisen, ihre Entstehung sowie der Krisenverlauf und seine Erkennung behandelt. In diesem Zusammenhang wird anschließend der Ablauf der Prüfung auf das Vorliegen des Überschuldungstatbestandes dargestellt. Darüber hinaus wird in diesem Kapitel auf die Sanierung als Krisenbewältigungsoption eingegangen und ihre Träger sowie die Sanierungsprüfung als ihre grundsätzliche Voraussetzung behandelt. Zudem wird der Inhalt eines Sanierungskonzeptes dargestellt.
In Kapitel drei werden die Möglichkeiten der außergerichtlichen sowie der gerichtlichen Sanierung sowohl rechtlich als auch inhaltlich näher erläutert und gegenübergestellt. Bei den dabei vorgestellten Maßnahmen wird auf das Ziel der Abwendung der Überschuldung abgestellt.
Kapitel vier behandelt dann den Forderungsverzicht als ein Instrument zur Sanierung im außergerichtlichen Verfahren. Zunächst werden die zivilrechtlichen Grundlagen gelegt. Der Schwerpunkt dieses Kapitels soll auf der Erstellung eines Interessenkataloges, der an der Sanierung beteiligten Gläubiger des Unternehmens liegen. Aus diesem sollen Hinweise abgeleitet werden, die für ihre Entscheidungsfindung bezüglich der Unterstützung der Sanierung, insbesondere ihrer Bereitschaft auf Forderungen zu verzichten, ausschlaggebend sind. Danach soll der Ablauf des Verfahrens dargestellt sowie die handels- und steuerrechtlichen Auswirkungen für die Beteiligten untersucht werden.
In Kapitel fünf werden abschließend die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst und der Forderungsverzicht im Vergleich zu anderen Instrumenten bewertet sowie Handlungs-empfehlungen für den Einsatz des Forderungsverzicht im außergerichtlichen Sanierungs-verfahren gegeben.
Das Wort „Krise“ entstammt dem griechischen Wort „krisis“ und meint im engeren Sinne eine Entscheidungssituation als Wendepunkt oder Höhepunkt einer gefährlichen Ent-wicklung.[12] Wiener und Kahn haben eine umfassende Charakterisierung des allgemeinen Krisenbegriffes anhand der folgenden zwölf Merkmale vorgenommen:
1. „Sie sind oft Wendepunkte in einer sich entwickelnden Abfolge von Ereignissen und Handlungen.
2. Sie bilden oft eine Situation, in der die Dringlichkeit des Handelns für die Beteiligten hoch ist.
3. Sie bedrohen Ziele und Werte.
4. Ihre Folgen haben schwere Konsequenzen für die Zukunft der Beteiligten.
5. Sie bestehen aus einem Zusammentreffen von Ereignissen, die neue Bedingungen zum Ergebnis haben.
6. Sie produzieren Ungewissheit in der Einschätzung der Situation und in der zu ihrer Bewältigung notwendigen Entwicklung von Alternativen.
7. Sie verringern die Kontrolle über Ereignisse und ihre Auswirkungen.
8. Sie erhöhen die Dringlichkeit, die Stress und Ängstlichkeit bei den Beteiligten bewirkt.
9. Die den Beteiligten zur Verfügung stehenden Informationen sind gewöhnlich ungenügend.
10. Sie erhöhen den Zeitdruck für die Beteiligten.
11. Sie ändern die Relationen zwischen den Beteiligten.
12. Sie erhöhen Spannungen, besonders in politischen Krisen, die Nationen betreffen.“[13]
Der Begriff der Unternehmenskrise entstammt der Betriebswirtschaftslehre. In deren einschlägiger Literatur gibt es zwar keine einheitliche Begriffsdefinition, jedoch wird immer auf eine das Unternehmen in seiner Existenz bedrohende Situation abgestellt.[14] Krystek definiert Unternehmenskrisen als “...ungeplante und ungewollte Prozesse von begrenzter Dauer und Beeinflussbarkeit sowie ambivalenten Ausgang. Sie sind in der Lage, den Fortbestand der gesamten Unternehmung substanziell und nachhaltig zu gefährden oder sogar unmöglich zu machen. Dies geschieht durch die Beeinträchtigung bestimmter Ziele (dominanter Ziele), deren Gefährdung oder gar Nichterreichung gleichbedeutend ist mit einer nachhaltigen Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung der Unternehmung als selbstständig und aktiv am Wirtschaftsprozess teilnehmender Einheit mit ihren bis dahin gültigen Zweck- und Zielsetzungen.“[15] Dieser Definitionsansatz enthält sowohl die negative Entwicklungsmöglichkeit hin zum Untergang der Unternehmung, als auch die Chance zur positiven Wende im Rahmen der Krisenbewältigung und soll dieser Arbeit zugrunde liegen. Die Begriffe Krise und Unternehmenskrise sollen in der vorliegenden Arbeit synonym gelten.
Zur Klassifizierung von Arten von Unternehmenskrisen sind in der Literatur verschiedene Ansätze zu finden, die sich an sehr unterschiedlichen Kriterien wie der strategischen Unternehmensentwicklung[16], dem Stadium im Lebenszyklus des Unternehmens[17], dem Aggregatzustand der Krise[18], den Ursachen[19] oder den bedrohten Unternehmenszielen[20] orientieren. Bei der von Müller vorgenommenen Klassifizierung anhand den bedrohten Unternehmenszielen ergeben sich vier Krisenarten: Strategische Krisen, Erfolgskrisen, Liquiditätskrisen und Insolvenz (siehe Abbildung 2).[21]
Abbildung 2: Krisenarten nach bedrohten Unternehmenszielen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach Böckenförde, B. (1991), S.19.
Der Krisenprozess kann in vereinfachter Form - wie in Abbildung 3 dargestellt - als eine Abfolge von Aktionen und Ereignissen verstanden werden, die durch die drei Knotenpunkte Anfang, Wendepunkt und Ende gekennzeichnet ist.[22]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Knotenpunkte der Unternehmenskrise
Quelle: Krystek, U. (1987), S.11 nach Pohl, H. (1977), S.76.
Zur näheren Betrachtung der Krise als Prozess bedarf es jedoch einer feineren Unterteilung in ihre einzelnen Phasen. Ein Unternehmen in einer Krisensituation durchläuft in einem dynamischen Prozess einzelne Krisenphasen, welche „...in Abhängigkeit vom Grad der Bedrohung dominanter und existenzieller Unternehmensziele zu verstehen...“[23] sind. Zu Beginn ist die Bedrohung der Ziele des Unternehmens noch kaum spürbar und nimmt mit Fortschreiten des Krisenprozesses weiter zu, bis hin zu einer für das Unternehmen existenz-bedrohenden Situation.[24] Mit der Erhöhung der Intensität der Bedrohung für das Unternehmen nehmen die Handlungsalternativen für das Management ab und das Ergreifen von Gegen-maßnahmen wird zunehmend dringender.[25] Somit ist eine frühzeitige Krisenerkennung ein entscheidender Einflussfaktor für eine erfolgreiche Krisenbewältigung. Die Erkennungsfolge der Krise ist jedoch der Entstehungsfolge gegenläufig, das heißt, dass die Krisensituation meist erst in einer späteren Phase erkannt wird.[26]
Die Literatur beschreibt verschiedene Ansätze einer Phaseneinteilung, deren Erläuterung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.[27] Müllers Ansatz zur Differenzierung von Krisenarten kann aufgrund ihrer zeitlichen Verknüpfung aber auch als Phasenmodell interpretiert werden.[28]
So beginnt eine charakteristische Krise (siehe Abbildung 4) in der Strategiekrise mit der Bedrohung und späterem Verlust von Erfolgspotentialen[29], die die Grundlage für den zukünftigen Erfolg des Unternehmens darstellen.[30] Dies kann beispielsweise ein fehlendes Nachfolgeprodukt für ein erfolgreiches Produkt sein, das in der Vergangenheit für hohe Unternehmensgewinne gesorgt hatte. Der Verlust der Erfolgspotentiale führt im Zeitverlauf zu einem Verfehlen von Erfolgszielen, wie etwa bei Gewinn, Rentabilität und Umsatz.[31] Das Unternehmen befindet sich dann in der Erfolgskrise. Ist es dem Unternehmen nicht möglich wieder nachhaltig Gewinne zu erzielen, kann dies wiederum zu einem Aufzehren der finanziellen Reserven führen. Das Unternehmen tritt dann in die Liquiditätskrise ein, die durch drohende Zahlungsunfähigkeit und/oder drohende Überschuldung gekennzeichnet ist. Den Sonderfall einer Krisenphase stellt die Insolvenz dar. Hier ist mit der Illiquidität und/oder Überschuldung bereits ein dominantes Ziel des Unternehmens verletzt wurden[32], jedoch besteht unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin die Möglichkeit der Erhaltung des Unternehmens als ganzes oder von wesentlichen Unternehmensteilen.[33]
Wesentlich für den Krisenprozess ist, dass er nicht alle vorgenannten Phasen durchlaufen muss.[34] Er kann durch geeignete Maßnahmen des Managements oder aufgrund externer Faktoren in seinem Verlauf gestoppt werden oder in eine vorgelagerte Krisenphase zurückfallen.[35] Weiterhin kann er auch mit dem direkten Eintritt in eine spätere Phase beginnen, wobei jedoch der Ausgangspunkt nach einer Untersuchung von Müller in der Mehrheit der Fälle im strategischen Bereich liegt.[36]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Der Krisenprozess
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Böckenförde, B. (1991), S.21 ff. und Walker, A. (1998), S.13.
Die betriebswirtschaftlich orientierte Krisenursachenforschung versucht durch die Ermittlung und Darstellung von spezifischen Ursache-Wirkungs-Komplexen eine Erklärung für das Entstehen von Unternehmenskrisen in einer allgemein gültigen Form zu finden, um daraus wesentliche Hinweise für die Krisenfrüherkennung und –bewältigung ableiten zu können. In der betriebswirtschaftlichen Krisenursachenforschung, deren Ansätze bereits aus den 30er Jahren stammen[37], sind mit der quantitativen und qualitativen Krisenursachenforschung zwei grobe Forschungsrichtungen zu erkennen.[38]
Die quantitative Krisenursachenforschung versucht anhand von statistisch leicht erfass-baren Unternehmensdaten wie Branche, Rechtsform, Größe, Alter etc., Merkmale zu finden, die sich in ihrer Wirkung als ursächlich für eine erhöhte Krisenanfälligkeit interpretieren lassen.[39] Zusammenfassend sind folgende Ergebnisse dieser Forschungsrichtung zu nennen[40]:
- Unternehmen bestimmter Branchen weisen eine erhöhte Insolvenzanfälligkeit auf
- die Krisenanfälligkeit wächst mit zunehmender rechtsformbedingter Haftungsbeschränkung (höchste Gefährdung bei GmbH und GmbH & Co. KG)
- die Insolvenzgefährdung nimmt mit wachsender Mitarbeiterzahl zu, fällt jedoch bei Großunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten wieder stark ab
- die Insolvenzanfälligkeit sinkt mit steigendem Unternehmensalter tendenziell
Diese Ergebnisse unterliegen in der Literatur grundsätzlicher Kritik. Beispielsweise sind nach Ansicht von Bea und Kötzle Rechtsform, Branche, Betriebsalter und –größe nicht als krisenverursachende Faktoren, sondern lediglich als Symptome von Unternehmenskrisen zu betrachten.[41] Darüber hinaus werden die sich häufenden Insolvenzen oder Krisen von großen und größeren mittelständischen Unternehmen mit langer Tradition sowie die gestiegene Zahl der Unternehmen mit der Rechtsform der GmbH als weitere Kritikpunkte angebracht.[42]
Die qualitative Krisenursachenforschung versucht hingegen, mittels Expertenbefragungen (beispielsweise von Insolvenzverwaltern, Unternehmensberatern, betroffenen Unternehmen) sowie durch Analyse individueller Krisenverläufe, allgemeingültige Hinweise auf Krisen-ursachen abzuleiten.[43] Auch die Aussagefähigkeit dieser Untersuchungen unterliegt der Kritik.[44] Als Schwächen werden unter anderem eine möglicherweise mangelnde Objektivität der Befragten, die begrenzte Anzahl der untersuchten Unternehmen sowie deren meist zufällige Auswahl und eine erschwerte Vergleichbarkeit von Untersuchungsergebnissen aufgrund unterschiedlicher Beurteilungskriterien angeführt.[45] Zusätzlich macht die Vielfalt der in den Umfragen erstellten Ursachenkataloge die Ableitung von allgemeingültigen Aussagen zu Krisenursachen fast unmöglich.[46] Trotz dieser Einwände wird den Ergebnissen dieser Forschungsrichtung eine höhere Aussagekraft zugesprochen, als aus dem quantitativen Ansatz.[47]
Als genereller Kritikpunkt zu beiden Forschungsrichtungen ist anzuführen, dass die vornehmliche Betrachtung von Insolvenzfällen, die Fälle erfolgreicher Krisenbewältigung sowie gescheiterte Unternehmen, bei denen es nicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekommen ist, nicht berücksichtigt.[48] Somit ist fraglich, wie sich diese Nichterfassung auf die Allgemeinheit der Untersuchungsergebnisse auswirkt und inwieweit die gewonnenen Erkenntnisse zu Insolvenzursachen somit mit den Ursachen von Unternehmenskrisen gleichgestellt werden können.
Krisenursachen können grundsätzlich anhand der auf Fleege-Althoff zurückgehenden Primär-einteilung in exogene und endogene Ursachen unterschieden werden.[49] Diese kann wie in Abbildung 5 dargestellt durch die von Reske, Brandenburg und Mortsiefer[50] vorgenommene Dreiteilung nach Entstehungsbereichen in überbetriebliche, zwischenbetriebliche und inner-betriebliche Ursachen erweitert werden.[51]
Einflüsse des überbetrieblichen Bereichs wirken von außen ohne die Möglichkeit der aktiven Beeinflussung des Unternehmens auf dieses ein.[52] Ihnen sind insbesondere die Tarif- und Sozialpolitik, die allgemeine Wirtschaftspolitik sowie die konjunkturelle Entwicklung zuzuordnen.[53] Zwischenbetriebliche Krisenursachen wirken von außen, aber unter Mit-wirkung des Unternehmens, auf dieses ein. Dem zwischenbetrieblichen Bereich sind unter anderem Banken, Lieferanten, Abnehmer und Konkurrenten zuzuordnen.[54] Innerbetriebliche Krisenursachen haben ihren Ursprung im Unternehmen selbst und sind hauptsächlich auf Managementfehler zurückzuführen.[55] Anlage 1 enthält eine Übersicht zu dem von Reske, Brandenburg und Mortsiefer als Vertreter der qualitativen Forschungsrichtung erstellten Ursachenkataloges.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Exogene und endogene Krisenursachen
Quelle: Eigen Darstellung in Anlehnung an Reske, W./Brandenburg, A./Mortsiefer, H.-J. (1976), S.55 ff. und Böckenförde, B. (1996), S.28.
Als häufigste Krisenursachen des endogenen Bereichs sind Führungsfehler und eine zu geringe Eigenkapitalausstattung der Unternehmen zu nennen.[56] Eine negative Konjunktur-entwicklung, strukturelle Veränderungen, wachsende Marktdiskontinuität und zunehmender Wandel im soziopolitischen Umfeld nehmen unter den exogenen Krisenursachen eine zentrale Stellung ein.[57] Inwieweit diese Faktoren jedoch als Ursachen und nicht lediglich als Symptome zu werten sind, ist strittig, da diese Bedingungen alle Unternehmen eines Markt-segmentes betreffen und während sie einige Unternehmen in eine Krisensituation bringen, können sich andere Unternehmen des Segmentes weiter erfolgreich am Markt behaupten.[58]
In einer Befragung im Auftrag der Deutschen Ausgleichsbank unter Mitgliedern der
DtA-Runde Tische gaben 80 Prozent der befragten Unternehmen an, dass ihre Krise auf externe Faktoren wie zum Beispiel die konjunkturelle Entwicklung zurückzuführen sei, wohingegen unternehmensexterne Experten in 60 Prozent dieser Fälle Managementfehler als Grund angaben.[59] Diese Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung kann unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass sich schleichend verstärkende Krisensymptome in Zeiten guter konjunktureller Entwicklung überdeckt und vom Management nicht erkannt werden und erst mit Verschlechterung der Marktbedingungen offen zu Tage treten.[60] Dies wirft wiederum die Frage auf, inwieweit sich exogen induzierte Elemente der Krisenver-ursachung auf Grund einer mangelnden Anpassungsfähigkeit der Unternehmung nicht letztlich auch der Unternehmensführung anlasten lassen.[61]
Krisenursachen sind durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet. Diese lässt sich nach Krystek wie folgt zusammenfassen[62]:
- Multikausalität von Krisenursachen: Unternehmenskrisen sind meist nicht auf nur eine Ursache zurückzuführen, sondern sind das Ergebnis aus dem Zusammenwirken einer Vielzahl von Faktoren.[63]
- Mehrstufigkeit von Krisenursachen: Unternehmenskrisen entstehen in der Regel durch komplexe Ursache-Wirkungs-Hierarchien. Eine auf einer vorgelagerten Ebene erkannte Ursache kann auf einer nachgelagerten Ebene zur Wirkung kommen.
- Multilokalität von Krisenursachen: Unternehmenskrisen sind selten nur einem Entstehungsort zuzuordnen. Sie können sowohl im innerbetrieblichen, im zwischenbetrieblichen oder überbetrieblichen Bereich, als auch im Zusammenwirken der einzelnen Bereiche entstehen. Die größte Bedeutung wird hier allerdings dem innerbetrieblichen Bereich zugeschrieben.
Die Krisenvermeidung ist im Hinblick auf die Zukunftssicherung des Unternehmens ein Grundziel der Unternehmensführung. Unter Krisenvermeidung wird das Verhindern eines Anwachsens von Unternehmenskrisen bis in ein akutes Stadium oder das vorbeugende Be-kämpfen bereits vorhandener aber noch verdeckter existenzbedrohender Prozesse verstanden.[64] Um rechtzeitig mit geeigneten Maßnahmen reagieren zu können, bedarf es eines Frühwarnsystems zur Erkennung dieser Prozesse. Zwar sieht das GmbHG und das AktG ein gesetzliches Frühwarnsystem zum Schutz der Gläubiger und Anteilseigener vor[65], das die Geschäftsführung bei Verlust der Hälfte des Stamm- beziehungsweise Eigenkapitals des Unternehmens zur Einberufung einer Gesellschafter- beziehungsweise Hauptversammlung verpflichtet, jedoch besteht bei einer derartigen Aufzehrung des Eigenkapitals die Krise bereits in einem fortgeschrittenem Stadium[66]. Daher bedarf es einer vorgelagerten Reaktions-schwelle zur Vermeidung einer existenzbedrohenden Situation.[67] Diese kann durch die Implementierung von Kriseninformationssystemen erreicht werden, welche Informationen aus dem Unternehmen und seiner Umwelt, die eine potentielle oder latente Gefährdung des Unternehmens signalisieren, rechtzeitig erfassen, erkennen und bewerten.[68] Da der Schwer-punkt dieser Arbeit auf der Bewältigung der Überschuldungssituation als Symptom der Liquiditätskrise liegt, soll auf die nähere Darstellung von Frühwarnsystemen verzichtet werden.[69] Nachfolgend wird sich auf die Diagnose des Überschuldungstatbestandes beschränkt.
Nach § 19 InsO ist bei juristischen Personen oder Gesellschaften, bei denen keine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist, neben der drohenden[70] und existenten[71] Zahlungsunfähigkeit, der Tatbestand der Überschuldung Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.[72] Überschuldung im rechtlichen Sinne liegt gemäß § 19 Abs. 2 InsO vor, „...wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unter-nehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.“
Die Feststellung der Überschuldung hat in einem Überschuldungstatus zu erfolgen.[73] Die darin zugrunde gelegten Ansätze und Bewertungen sind davon abhängig, ob dieser unter Liquidations- oder Fortführungsgesichtpunkten aufgestellt wird. Der Gesetzgeber legte sich mit § 19 Abs. 2 Satz 2 der Insolvenzordnung darauf fest, dass die Bewertung im Falle einer positiven Fortführungsprognose zu Fortführungswerten zu erfolgen hat und beendete damit die dazu in der Literatur geführte Diskussion[74] der Vergangenheit.
Somit handelt es sich bei der Überschuldungsprüfung um ein zweistufiges Verfahren. Auf der ersten Stufe wird eine Fortbestehensprognose abgegeben, die die Überlebenschancen des Unternehmens beurteilen und darüber Aufschluss geben soll, ob eine Liquidation oder Fortführung wahrscheinlicher ist. Ausgangspunkt hierfür ist ein aussagekräftiges und plausibles Unternehmenskonzept, aus dem die Finanzplanung für den Prognosezeitraum zu erstellen ist.[75] Dieser sollte mindestens ein Jahr betragen, um eine ausreichende Basis für eine Fortbestehensprognose darzustellen.[76] Ist in diesem Zeitraum davon auszugehen, dass das finanzielle Gleichgewicht des Unternehmens wiederhergestellt oder verbessert wird, ist die Fortbestehensprognose positiv.[77] Für den Fall, dass die Überschuldung in diesem Zeitraum bestehen bleibt, fällt die Prognose negativ aus.
Auf Grundlage des Ergebnisses wird auf der zweiten Stufe der Überschuldungsstatus zu Liquidations- oder Fortführungswerten aufgestellt.[78] Die dem Überschuldungstatus zugrunde-liegenden Ansatz- und Bewertungsgrundsätze haben sich wegen fehlender gesetzlicher Vorschriften am Zweck der Überschuldungsprüfung zu orientieren.[79] Auf eine nähere Dar-stellung soll hier jedoch verzichtet werden, da diese den Rahmen der Arbeit sprengen würde.[80] Abbildung 6 liefert zusammenfassend eine Übersicht zur Überschuldungsprüfung.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ausgehend von der Legaldefinition der Überschuldung, Maßnahmen zur ihrer Abwendung geeignet sind, wenn sie darauf abzielen, das Vermögen des Schuldners zu erhöhen oder die Verbindlichkeiten zu reduzieren. Aufgrund der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführung innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Überschuldung[81] ist der Zeitrahmen für den Einsatz von Maßnahmen zur Beseitigung der Überschuldung eng gesteckt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Überschuldungprüfung gemäß der zweistufigen Methode
Quelle: Drukarczyk, J./Schüler, A. (2000), S.124.
Das Wort „ sanieren “ stammt von dem lateinischen Verb „sanare“ ab, dessen Übersetzung „heilen“ oder „gesund machen“ bedeutet. Im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang versteht man unter Sanierung Maßnahmen zur Heilung eines notleidenden Unternehmens. In der Literatur sind verschiedene Definition zu finden, die sich vor allem darin unterscheiden, wie weit die im Rahmen der Sanierung zu ergreifenden Maßnahmen gefasst werden.[82] Übereinstimmung herrscht jedoch bezüglich deren Zielen: Fortführung des Unternehmens als rechtlich selbständige Wirtschaftseinheit und Beseitigung der existenziellen Bedrohungs-potentiale in einem bereits fortgeschrittenem Krisenstadium.[83] Es lassen sich im Wesentlichen zwei Ansätze unterscheiden. Die Sanierung im engeren Sinne umfasst lediglich finanz-wirtschaftliche Maßnahmen[84], die vordergründig auf die Beseitigung drohender und bestehender Zahlungsunfähigkeit sowie Überschuldung gerichtet sind, sowie Maßnahmen zur Neugestaltung der Finanzgrundlage.[85] Bei der Sanierung im weiteren Sinne „...werden alle Maßnahmen, die zur Wiedergesundung ... führen können, in die Sanierungsdefinition eingeschlossen.“[86] Dieser Ansatz wird mit der Notwendigkeit der Ergreifung von Maßnahmen erklärt, die auch das mittel- und langfristige Überleben eines Unternehmens sichern und somit über finanzwirtschaftliche Maßnahmen hinaus auf eine operative und strategische Neuausrichtung abzielen.[87]
Somit setzt die Sanierung definitionsgemäß in der Liquiditätskrise ein, in der bereits eine konkrete Gefahr der Insolvenz gegeben ist.[88] Für die vorliegende Arbeit wird der Definitions-ansatz der Sanierung im engeren Sinne zugrunde gelegt und die Betrachtung auf finanz-wirtschaftliche Maßnahmen beschränkt.
Im Zusammenhang mit der Verwendung des Begriffes „Sanierung“ bedarf es einer Abgrenzung zu den Begriffen „Turnaround“ und „Restrukturierung“, die in der Praxis häufig als Synonyme des Sanierungsbegriffes verwendet werden. Sie überschneiden sich zwar teilweise inhaltlich, sind aber nicht deckungsgleich. Eine von Praktikern häufig synonyme Verwendung ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass aufgrund der Nähe des Begriffes „Sanierung“ zum Insolvenzrecht, dieser mit dem Makel des Misserfolges behaftet ist[89] und die Verwendung von „Turnaround“ und „Restrukturierung“ ein „...nicht unbedeutendes psychologisches Hilfsmittel...“[90] ist, um sich einer externen Kritik zu entziehen sowie durch nicht allzu frühes Bekanntwerden der Krise das Unternehmens nicht zusätzlich zu belasten.[91]
In die deutschen Sprache übersetzt, bedeutet Turnaround Kehrtwendung, Richtungs-änderung, Wende und Herumreißen im Sinne des Herumreißens des Steuers. Im betriebs-wirtschaftlichem Zusammenhang ist eine drastische Kursänderung des Unternehmens gemeint, die als Reaktion aus dem Nichterreichen eines festgelegten minimalen Geschäfts-erfolges resultiert.[92] Turnaround- Maßnahmen „...umfassen Maßnahmen operativer und strategischer Natur...“[93] und werden bereits in einer frühen Krisenphase, nämlich der Strategie- und Erfolgskrise ergriffen. Definitionsgemäß erfolgt damit eine Abgrenzung von Turnaround und Sanierung anhand des Merkmals der Krisenphase, in der sie zum Einsatz kommen.
Der Begriff Restrukturierung bezieht sich auf „...eine umfassende Neugestaltung der Organisation...“[94] und somit auf eine Veränderung der Strukturen und Aktivitäten eines Unternehmens. Restrukturierungsmaßnahmen kommen dann zum Einsatz, wenn Ziele des Unternehmens nicht oder nur noch ungenügend erreicht werden[95] und werden damit, wie die des Turnaround- Managements, in einem frühen Krisenstadium, in dem noch keine konkrete Gefahr für das Fortbestehen des Unternehmens erkennbar ist, ergriffen.[96] Darüber hinaus sind sowohl die Maßnahmen der Restrukturierung als auch die des Turnaround- Managements auf eine mittel- und langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens gerichtet. Folglich können beide Begriffe synonym verwendet werden (siehe Abbildung 7).[97]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Übersicht zur Abgrenzung der Begriffe Sanierung und Turnaround/ Restrukturierung
Quelle: Böckenförde, B. (1996), S.8.
Das Sanierungsmanagement hat die Aufgabe, ein sanierungsbedürftiges Unternehmen aus der Krise zu führen und die langfristige Überlebensfähigkeit wieder herzustellen. Es kann sowohl aus unternehmensinternen, als auch –externen Personen zusammengesetzt werden. Zu den unternehmensinternen Trägern zählen die Unternehmensführung[98], die Aufsichts- und Kontrollorgane sowie das mittlere und untere Management.[99] Zu den möglichen externen Trägern des Sanierungsmanagements zählen Bankenvertreter, Unternehmensberater, professionelle Krisenmanager und Insolvenzverwalter.[100]
Da die Möglichkeit zur Erkennung einer Krise zuerst der Unternehmensführung gegeben ist, kommt diese auch an erster Stelle als Sanierungsmanagement in Betracht.[101] Geht die Initiative zur Bewältigung der Krise jedoch nicht von der Unternehmensführung aus, kann sie als ungeeignet angesehen werden.[102] Da in der Praxis die Erkennung von Krisen meist durch Kontrollorgane oder Unternehmensexterne erfolgt[103] und darüber hinaus berechtigte Kritik an der Unternehmensführung als Sanierungsmanagement aufgrund von Führungsfehlern als eine Hauptursache für Unternehmenskrisen besteht[104], werden Gläubiger dem gegenwärtigen Management die erfolgreiche Umsetzung eines Sanierungskonzeptes nur begrenzt zutrauen. Von eben diesem Vertrauen in die Fähigkeiten des Sanierungsmanagements hängt aber die Bereitschaft der Gläubiger, die Sanierung zu unterstützen, entscheidend ab.[105] Ein Führungs-wechsel kann zudem eine positive Signalwirkung auf interne und externe Interessengruppen des Unternehmens haben, indem ihnen angezeigt wird, dass man die bedrohliche Situation erkannt hat und das neue Management eine Wende einleiten wird.[106]
[...]
[1] Vgl. Statistisches Bundesamt (2005), S.4; Verband der Vereine Creditreform e.V. (2005), S.2.
[2] Vgl. Verband der Vereine Creditreform e.V. (2005), S.9.
[3] Vgl. Verband der Vereine Creditreform e.V. (2005), S.9.
[4] Jaeger, E. (1932), S.216. Jaeger spricht hier zwar vom Konkurs im Sinne des am 1.1.1999 von der Insolvenzordnung abgelösten Konkursrechts, jedoch zeigt die Entwicklung in der Insolvenzpraxis mit der bisher noch seltenen Anwendung des Insolvenzplanverfahrens und keiner nachhaltigen Erhöhung der Quoten für nicht aussonderungsberechtigte Insolvenzgläubiger, dass diese Auffassung auch weiterhin Gültigkeit hat, vgl. Thiel, A. (Krisennavigator 2004); Emmerich, V. (2003), S.9.
[5] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.4.
[6] Geprägt durch Karsten Schmidt, vgl. Schmidt, K. (1982), S.D103 f.
[7] Zusätzlich wird in diesem Zusammenhang in der Praxis auch der aus dem englischen Sprachraum stam-mende Begriff “workout” verwendet.
[8] Vgl. §§ 17 – 19 InsO.
[9] Vgl. Wittig, A. (2003), S.239; Lutter, M./Hommelhoff, P./Timm, W. (BB 1980), S.740.
[10] Im Sinne des § 35 GmbHG.
[11] Im Sinne des § 76 AktG.
[12] Vgl. Krystek, U. (1987), S.3.
[13] Wiener A. J./Kahn, H. (1962), S.17 f.
[14] Vgl. unter anderem Krystek, U. (2000), S.1886; o.V. (2000), S.3186 ff.; Walker, A. (1998), S.9 ff.
[15] Krystek, U. (1987), S.6 f.
[16] Bleicher unterteilt in Wachstums-, Schrumpfungs- und Stagnationskrise, vgl. Bleicher, K. (1976), S.62 ff.
[17] Albach unterteilt Gründungs-, Wachstums- und Alterskrise, vgl. Albach, H. (ZfB 1976), S.686 ff.; ähnlich Bellinger, B. (1962), S.49 ff.
[18] Krystek unterteilt in latente, potentielle, akut/beherrschbare und akut/nicht beherrschbare Unternehmens-krise; vgl. Krystek, U. (1987), S.29 ff.
[19] Fleege-Althoff nimmt eine grobe Unterteilung nach exogenen und endogenen Krisenursachenkomplexen vor, vgl. Fleege-Althoff, F. (1930), S.85. Turnheim unterscheidet in einer feineren Unterteilung in Wirtschafts-, Branchen- und Hauskrise, vgl. Turnheim, G. (1988), S.25; ähnlich Reske, Brandenburg und Mortsiefer, vgl. Reske, W./Brandenburg, A./Mortsiefer, H.-J. (1976), S.56.
[20] Vgl. Müller, R. (1986), S.53 ff.
[21] Vgl. Müller, R. (1986), S.53; diese Differenzierung wird auch noch in der jüngeren Literatur zum Thema der Unternehmenssanierung zugrunde gelegt, vgl. Kraus, K.-J./Haghani, S. (2004), S.15 ff.; Seefelder, G., (2003), S.57 ff.; Bergauer, A. (2001) S.4 ff.; Kraus, K.-J../Gless, S.-E. (1998), S.99.
[22] Vgl. Pohl, H. (1977), S.76.
[23] Böckenförde, B. (1996), S.22.
[24] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.22.
[25] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.22.
[26] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.21.
[27] Krystek gibt eine Übersicht zu verschiedenen Phasenmodellen, vgl. Krystek, U. (1987), S.21 ff.
[28] Vgl. Krystek, U. ( 1987), S.26.
[29] Nach Müller repräsentiert das Erfolgspotential alle im Unternehmen vorhandenen Voraussetzungen um langfristig am Markt operieren zu können, vgl. Müller, R. (1986), S.35 ff.
[30] Vgl. Müller, R. (1986), S.54.
[31] Vgl. Müller, R. (1986), S.54.
[32] Vgl. Müller, R. (1986), S.54 f.
[33] Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 3 dieser Arbeit.
[34] Vgl. Krystek, U. ( 1987), S.32.
[35] Vgl. Krystek, U. ( 1987), S.32.
[36] Danach entstehen 60 Prozent der Krisen im strategischen Bereich, 30 Prozent aller Krisen haben ihren Ausgangspunkt in der Erfolgskrise sowie 10 Prozent in der Liquiditätskrise, vgl. Müller, R. (1986), S.55 f.
[37] Vgl. Fleege-Althoff, F. (1930), S.1 ff.
[38] Vgl. Krystek, U. (1987), S.33.
[39] Vgl. Krystek, U. (1987), S.33.
[40] Vgl. Krystek, U. (1987), S.41.
[41] Vgl. Bea, F. X./Kötzle, A. (1983), S.566.
[42] Vgl. Krystek, U. (1987), S.44; ähnlich Bergauer, A. (2001) S.46; David, S. (2001), S.60.
[43] Vgl. Krystek, U. (1987), S.33.
[44] Vgl. Krystek, U. (1987), S.45.
[45] Vgl. Bergauer, A. (2001), S.47; Krystek, U. (1987), S.45.
[46] Vgl. Bergauer, A. (2001), S.47.
[47] Vgl. Bergauer, A. (2001), S.47; Krystek, U. (1987), S.45.
[48] Vgl. Bea, F. X./Kötzle, A. (1983), S.567.
[49] Vgl. Fleege-Althoff, F. (1930), S.85.
[50] Vgl. Reske, W./Brandenburg, A./Mortsiefer, H.-J. (1976), S.55.
[51] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.27 f.
[52] Vgl. Reske, W./Brandenburg, A./Mortsiefer, H.-J. (1976), S.56.
[53] Vgl. Reske, W./Brandenburg, A./Mortsiefer, H.-J. (1976), S.56.
[54] Vgl. Reske, W./Brandenburg, A./Mortsiefer, H.-J. (1976), S.56.
[55] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.29.
[56] Vgl. Krystek, U. (1987), S.45 ff. Krystek gibt einen Überblick zu Ergebnissen verschiedener Unter-suchungen der qualitativen Krisenursachenforschung aus den Jahren 1900 bis 1983. Dies wird auch durch verschiedene jüngere Studien bestätigt, vgl. Verband der Vereine Creditreform e.V. (2004), S.18; Tchouvakhina, M.V. (2003), S.5 ff.; Emmerich, V. (2002), S.7 (16).
[57] Vgl. Bergauer, A. (2001), S.48.
[58] Vgl. Bergauer, A. (2001), S.48; ähnlich Krystek, U. (1987), S.70 f.
[59] Tchouvakhina, M.V., (2003), S.6.
[60] Vgl. Seefelder, G. (2003), S.54.
[61] Vgl. Krystek, U. (1987), S.71 f.
[62] Vgl. Krystek, U. (1987), S.67 f.
[63] Weisel spricht hier sogar von einer unendlichen Anzahl von Unternehmens- und Umweltfaktoren, vgl. Weisel, E. (1982), S.256.
[64] Vgl. Krystek, U. (1987), S.121.
[65] Vgl. § 49 Abs. 3 GmbHG; § 92 Abs. 1 AktG.
[66] Die aus der Verlustsituation resultierende Reduzierung des Eigenkapitals lässt zumindest auf eine Erfolgskrise schließen.
[67] Vgl. Picot, G./Aleth, F. (1999), S.57.
[68] Vgl. Bea, F. X./Kötzle, A. (DB 1983), S.568.
[69] Zu Frühwarnsystemen siehe beispielhaft Krystek, U. (1987), S.147.
[70] Vgl. § 18 InsO.
[71] Vgl. § 17 InsO.
[72] In der Regel tritt die Überschuldung vor der Zahlungsunfähigkeit ein, vgl. Uhlenbruck, W. (2003), S.415.
[73] Vgl. IDW (2000), S.2064.
[74] Vgl. beispielhaft Schmidt, K. (2003), S.398 ff.; Wolf, T. C. (1998), S.11 ff.
[75] Vgl. IDW (WPg 1997), S.23 f.
[76] Vgl. IDW (WPg 1997), S.24.
[77] Vgl. IDW (WPg 1997), S.24.
[78] Vgl. IDW (WPg 1997), S.24.
[79] Die Ansatz- und Bewertungsvorschriften der §§ 246 ff. und 252 ff. HGB finden aufgrund ihrer Ungeeignetheit hierbei keine Anwendung, vgl. Uhlenbruck, W. (2003), S.420 ff.; Wolf, T. (1998), S.46 mw.N.; IDW (WPg 1997), S.24.
[80] Zum Ansatz und der Bewertung in der Überschuldungsbilanz siehe beispielhaft Wolf, T. (1998), S.46 ff.
[81] Vgl. § 130 a HGB; § 92 Abs. 2; § 64 Abs. 1 GmbHG; gleiches gilt für den Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit, für die drohende Zahlungsunfähigkeit besteht diese Antragspflicht nicht.
[82] Vgl. Krystek, U. (2000), S.2690; Potthoff, E. (1976), S.1570 f.; Schwarzecker, J. (1993), S.72; Vormbaum, H. (1995), S.530; Wöhe, G. (1987), S.506.
[83] Vgl. David, S. (2001), S.31.
[84] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.7.
[85] Vgl. Walker, A. (1998), S.16.
[86] Böckenförde, B. (1996), S.7.
[87] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.7.
[88] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.13.
[89] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.6, ähnlich Bergauer, A. (2001), S.8.
[90] Böckenförde, B. (1996), S.6.
[91] Vgl. Schmiedel, E. (ZfB 1984), S.763.
[92] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.8.
[93] Spielberger, K. (1996), S.12.
[94] Kieser, A./Bomke, P. (1995), S.1829.
[95] Vgl. Weiß, E. (2001), S.670.
[96] Vgl. David, S. (2001), S.31.
[97] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.7 ff.
[98] Nachfolgend bezieht sich die Verwendung der Begriffes „Unternehmensführung“ ausschließlich auf seinen institutionellen Definitionsansatz, vgl. Witte, E. (1980), S.136 ff.
[99] Vgl. Müller, R. (1986), S.429 f.
[100] Vgl. Müller, R. (1986), S.429 f.
[101] Vgl. Harz, M./Hub, H.-G./Schlarb, E. (1999), S.43.
[102] Vgl. Müller, R. (1986), S.425 (431 f).
[103] Vgl. Berger, R. (1988), S.796; Harz, M./Hub, H.-G./Schlarb, E. (1999), S.43.
[104] Nach Ansicht von Böckenförde kann eine Sanierung, die keine Veränderung der Führungsebene und
–prozesse beinhaltet, sogar als unvollständig und unwirksam angesehen werden, vgl. Böckenförde, B. (1996), S.104; ähnlich Emmerich, V. (2002), S.7.
[105] Vgl. Eidenmüller, H. (1999), S.414 ff.
[106] Vgl. Böckenförde, B. (1996), S.105; Eidenmüller, H. (1999), S.413; Turnheim, G. (1988), S.125.
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