Bachelorarbeit, 2014
63 Seiten
1. Abstract und Zusammenfassung
2. Einleitung
2.1 Entdeckung der Bakterien
2.2 Nachweis der Pathogenität von Bakterien
2.3 Entdeckung der Antibiotika
2.4 Entdeckung der Multiresistenz
2.5 Aktuelle Situation weltweit
2.6 Das Ziel der Bachelorarbeit
3. Persistente Zellen
4. Wirkung von Antibiotika
4.1 Hemmung der Zellwandsynthese
4.2 Hemmung der Proteinbiosynthese am Ribosom
4.3 Hemmung der DNA-Replikation durch Beeinträchtigung der Gyrase und der Topoisomerase
5. Ursachen der Multiresistenz
6. Mechanismen der Multiresistenz
6.1 Mechanismen der bakteriellen Antibiotika-Resistenz im Detail
6.1.1 Veränderung der Zielstruktur des Antibiotikums
6.1.1.1 Veränderung des bakteriellen Genoms durch Mutationen
6.1.1.2 Veränderung des bakteriellen Genoms durch Aufnahme von neuem genetischen Material
6.1.1.2.1 Mobile genetische Elemente
6.1.1.2.1.1 Plasmide
6.1.1.2.1.2 Insertionssequenzen
6.1.1.2.1.3 Transposons
6.1.1.2.1.4 Konjugative Transposons
6.1.1.2.1.5 Integrons
6.1.2 Verminderte Konzentration des Wirkstoffs an der Zielstruktur
6.1.3 Enzymatische Inaktivierung des Antibiotikums
6.1.3.1 Hydrolytische Inaktivierung
6͘1͘3͘2 β-Lactamasen
6.1.3.3 Gruppenübertragung
7. Bekämpfung von multiresistenten Bakterien
7.1 Entwicklung neuer Antibiotika
7.2 Aufspüren und Abtöten
7.3 Verhinderung der DNA-Reparatur
7.4 Einsatz von Bakterienviren
7.5 Einsatz von antimikrobiellen Peptiden
8. Ausblick
9. Literaturverzeichnis
10. Danksagung
The resistance of many pathogenic bacteria against antibiotics is an increasing global problem. In April 2014, the World Health Organization WHO warned that even simple infections could lead to life threatening, deadly diseases, and that we are heading for a “Post-antibiotic era”͘ This Bachelor thesis strives to give an insight into the historic background of antibiotics and explains their effect on bacteria. It describes the discovery and the cause of antibiotic resistance and explains the mechanisms bacteria use to fight antibiotics. Possible alternatives to antibiotic therapy for winning the fight against multiresistant strains are described. In addition, persister cells are discussed shortly. These are cells that are capable of surviving antibiotic treatment without using a genetic mechanism.
Die Resistenz vieler pathogener Bakterien gegen Antibiotika ist eine zunehmende globale Gefahr. Im April 2014 warnte die Weltgesundheitsorganisation WHO davor, dass selbst kleinste Infektionen nicht mehr heilbar sein und tödlich enden könnten und man auf eine Nach-Antibiotika-Ära zusteuere. Diese Bachelorarbeit soll einen Einblick in den geschichtlichen Hintergrund der Antibiotika geben und ihre Wirkung gegen Bakterien erläutern. Außerdem werden die Entdeckung und die Ursache der Antibiotikaresistenzen beschrieben und die Mechanismen erklärt, mit denen Bakterien es schaffen, den Antibiotika zu trotzen. Anschließend werden mögliche Alternativen zur Antibiotikatherapie vorgestellt, mit denen der Kampf gegen multiresistente Stämme gewonnen werden kann. Hinzukommend wird ein kurzer Blick auf persistente Zellen geworfen. Das sind Zellen, die unter Zuhilfenahme eines nicht-genetischen Mechanismus dazu in der Lage sind, eine Antibiotikabehandlung zu überleben.
“By the means of Telescopes, there is nothing so far distant but may be represented to our view; and by the help of Microscopes, there is nothing so small as to escape our inquiry; hence there is a new visible World discovered to the understanding.“ (Hooke, 1665)
Die Existenz von Mikroorganismen wurde erstmals zwischen 1665 und 1683 von Robert Hooke und ntoni van Leeuwenhoek belegt͘ In seinem Werk “Micrographia” (1665) beschrieb Hooke zum ersten Mal einen Mikroorganismus, den Mikropilz Mucor. Leeuwenhoek beobachte und charakterisierte etwas später mikroskopische Protozoen und Bakterien. Diese wichtigen Enthüllungen waren nur durch die Fähigkeit Hookes und van Leeuwenhoeks möglich, einfache und gleichzeitig geniale Mikroskope mit einer 25- bis 250-fachen Vergrößerung zu konstruieren (Gest, 2004).
Im 19. Jahrhundert war Kindbettfieber eine meist tödlich endende Infektionskrankheit, die häufig nach einer Entbindung in Krankenhäusern auftrat. Die Sterberate betrug bis zu 35 %. Ignaz Philipp Semmelweis war ein ungarischer Gynäkologe, der sich als Pionier auf dem Gebiet der Antiseptika einen Namen machte. Er entdeckte, dass das Aufkommen von Kindbettfieber drastisch reduziert werden konnte, wenn sich Ärzte und Studenten in Geburtskliniken bei jedem Patienten die Hände mit Chlorkalklösung desinfizierten. Durch diesen Fund erlangte er Namen wie „Retter der Mütter“ und „Vater der Kontrolle von Infektionen“ in der Medizingeschichte und konnte damit die Sterblichkeit drastisch reduzieren (Ataman et al., 2013).
1882 wurde der Erreger der Tuberkulose von Robert Koch erfolgreich isoliert und kultiviert. Eine Original-Zeichnung ist in Abbildung 1 zu sehen. Es handelte sich dabei um eine Revolution in der medizinischen Wissenschaft, deren Auswirkungen bis heute noch spürbar sind. Durch Kochs Arbeiten wurde erstmals wissenschaftlich bewiesen, dass ein Mikroorganismus eine Infektionskrankheit beim Menschen auslösen kann (Barnes, 2000).
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Abbildung 1: Tubercle bacilli (blau) in Lungengewebe, gezeichnet von Koch (übernommen aus Barnes, 2000).
“One sometimes finds what one is not looking for” (“Manchmal findet man etwas, wonach man nicht sucht”) ist ein berühmtes Zitat des schottischen Biologen Sir lexander Fleming. Er erhielt zusammen mit Dr. Ernst B Chain und Sir Howard Florey 1945 den Nobelpreis für Medizin für seine „Entdeckung von Penicillin und seiner heilenden Wirkung bei verschiedenen Infektionskrankheiten“͘ Die Entdeckung von Penicillin und der Durchbruch, den man damit in der Medizin erlangte, retteten Millionen von Menschenleben (Wennergren and Lagercrantz, 2007). Penicillin ist das älteste Antibiotikum (Samanidou et al., 2006), und seine Entdeckung legte damals einen Grundstein für weitere nachgewiesene Antibiotika. Heute heißt es, dass die Entdeckung von Penicillin reiner Zufall war. Fleming arbeitete gerade an einem mikrobiellen Experiment, als er eine Kulturplatte mit Staphylokokken auf seinem Labortisch bemerkte, die von einem Schimmelpilz befallen war. Dort, wo der Pilz wuchs, war ein bakterienfreier Kreis entstanden. Fleming verstand sofort die Konsequenz und das Ausmaß dieser Beobachtung, unterbrach seine aktuellen Arbeiten und widmete sich seiner neuen Entdeckung. Er isolierte den Schimmelpilz und identifizierte ihn als Penicillium notatum. Fleming ließ den Pilz auf Kulturplatten wachsen und strich unterschiedliche Bakterien auf den Platten aus. Manche Bakterien wuchsen auf dem Pilz, das Wachstum anderer wurde gehemmt. Daraus schloss Fleming, dass Penicillium notatum eine antibakterielle Substanz produzierte, die einige Bakterien hemmte, andere jedoch nicht. Andere Pilze, die er testete, produzierten diese antibakterielle Substanz, die er Penicillin taufte, nicht. Penicillin war im Stande, viele Bakterien, die für Infektionen verantwortlich waren, zu hemmen, z.B. Staphylococcus aureus, Haemolytic streptococci,Pneumococci and Meningococci. Andere, wie z.B. E. coli, waren jedoch nicht sensitiv. Ein Bild eines Ausstrichs ist in Abbildung 2 zu sehen. 1929 wurden die Ergebnisse publiziert. In seiner Publikation erklärte Fleming, dass Penicillin für die Behandlung von Penicillin-sensitiven Bakterien nützlich sein könnte (Wennergren and Lagercrantz, 2007).
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Abbildung 2: Unterschiedliche Bakterienausstriche zusammen mit Penicillin (übernommen aus Wennergren and Lagercrantz, 2007)
Früher glaubte man, dass Antibiotikaresistenz in pathogenen Bakterien ein modernes Phänomen wäre. Heute weiß man aus Funden aus dem Permafrostboden jedoch, dass es Antibiotikaresistenz schon vor 30 000 Jahren gegeben hat. Ein kanadisches Forscherteam isolierte Mikroben, die nie mit einem modernen Medikament Kontakt hatten und trotzdem gegen eine Reihe verschiedener Antibiotika resistent waren. Damit war bewiesen, dass Resistenz ein natürliches Phänomen ist (D'Costa et al., 2011). Schon Alexander Fleming berichtete bei der Vergabe des Nobelpreises für seine Entdeckung des Penicillins über Resistenzen, die sich bei Bakterien entwickeln können. So erklärte er zum Abschluss in seiner Rede:
„There may be a danger, though, in underdosage. It is not difficult to make microbes resistant to penicillin in the laboratory by exposing them to concentrations not sufficient to kill them, and the same thing has occasionally happened in the body. The time may come when penicillin can be bought by anyone in the shops. Then there is the danger that the ignorant man may easily underdose himself and by exposing his microbes to non-lethal quantities of the drug make them resistant. Here is a hypothetical illustration. Mr. X. has a sore throat. He buys some penicillin and gives himself, not enough to kill the streptococci but enough to educate them to resist penicillin. He then infects his wife. Mrs. X gets pneumonia and is treated with penicillin. As the streptococci are now resistant to penicillin the treatment fails. Mrs. X dies. Who is primarily responsible for Mrs. X’s death? Why Mr. X whose negligent use of penicillin changed the nature“ (Fleming, 1945).
Und Fleming sollte Recht behalten. Nachdem vor über siebzig Jahren die ersten Antibiotika entdeckt wurden, kamen immer mehr neue Medikamente auf den Markt, die bakterielle Infektionen bekämpften und bei Mensch, Tier und in der Landwirtschaft anwendbar waren (D'Costa et al., 2011). Schon kurze Zeit nach der ersten Verwendung von Penicillin traten erste resistente Staphylococcus aureus-Stämme auf. Auch als Antibiotika der zweiten Generation entwickelt wurden, war die Situation ähnlich. Es entstanden Methicillin-resistente Stämme wie S. aureus (MRSA) und andere resistente Pathogene. Ab 1980 stieg die Anzahl an MRSA-Populationen, und es tauchten immer mehr Fälle an Staphylokokken bedingten nosokomialen Blutinfektionen auf (Broaders et al., 2013).
Heutzutage wird das Problem der fehlenden Behandlungsmöglichkeiten einiger klinischer Infektionen immer ernster, vor allem aufgrund der nicht behandelbaren multiresistenten Stämme wie beispielsweise diejenigen von Acinetobacter baumannii, Mycobacterium tuberculosis und Klebsiella pneumoniae (Broaders et al., 2013).
Die Behörde „Centers for Disease Control and Prevention“ verkündete im September 2013, dass nach vorsichtigen Schätzungen jedes Jahr 23 000 Amerikaner aufgrund von Antibiotikaresistenzen an nicht behandelbaren, bakteriellen Infektionen sterben (CDC, 2013). In der Europäischen Union liegt die Zahl bei 25 000 (ECDC, 2012).
Das Ziel dieser Bachelorarbeit besteht darin, die Grundlagen der Antibiotika-Resistenzen und ihres Austausches durch die drei bekannten Mechanismen zu beschreiben. Außerdem werden Alternativen zur konventionellen Standard-Antibiotika-Therapie aufgezeigt, um multiresistente pathogene Bakterien zu bekämpfen.
"Resistere" heißt, übersetzt aus dem Lateinischen, "widerstehen". "Persistere" bedeutet "fortdauern" (Duden). Resistenz und Persistenz sind zwei unterschiedliche Fähigkeiten von Bakterien, sich Antibiotika zu widersetzen. Die Resistenz-Entwicklung führt dazu, dass Erreger unempfindlich gegenüber bestimmten Antibiotika werden (Magiorakos et al., 2012). Es gibt unterschiedliche Mechanismen der Antibiotikaresistenz, wie z.B. Target-Modifikation durch Mutation, Target- Modifikation durch spezialisierte enzymatische Veränderungen, Expression eines alternativen Targets, Modifikation oder Zerstörung des Antibiotikums, antibiotischer Efflux und eingeschränkte Permeabilität für Antibiotika (Spratt, 1994). Persistenz ist ein Phänomen, bei dem ein Teil einer Population die Behandlung mit Antibiotika überlebt. Im Gegensatz zu resistenten Bakterien teilen und vermehren sich die Bakterien in Gegenwart von Antibiotika nicht, und ihre Toleranz beruht nicht auf einer genetischen Mutation, sondern auf physiologischen Prozessen (Allison et al., 2011).
Zum ersten Mal wurde Persistenz 1944 von Joseph Bigger beschrieben. Er war ein Arzt in einem Militärkrankenhaus in York und experimentierte mit dem damals kürzlich entdeckten Penicillin. Einer Kultur von Staphylococcus pyogenes gab er Penicillin hinzu, was in der Lyse der Zellen resultierte. Diese entstandene transparente Flüssigkeit übertrug er auf ein neues Kulturmedium, woraufhin er überlebende Kolonien protokollierte. Nach Neubeimpfung und erneuter Zugabe von Penicillin entstanden wieder lysierte Zellen. Auch von dieser Population überlebten wieder ein paar wenige. Joseph Bigger taufte diese Zellen auf den Namen „Persistierende“, um sie von den resistenten Mutanten unterscheiden zu können und kam zu dem Schluss, dass Penicillin nicht vollständig dazu in der Lage war, eine bakterielle Infektion zu bekämpfen. Ein Originalzitat aus der Publikation von Joseph Bigger lautet:
„Failure to sterilise broth containing Staph. pyogenes is due to the survival of a small number of staphylococci called persisters. It is believed that persisters are insensitive to penicillin because they are temporarily in a non-dividing phase and because penicillin kills only bacteria which are about to divide. Unlike resistant strains, descendants of persisters are easily killed by penicillin. Penicillin fails to cure staphylococcal infections in the body because some of the cocci are in the persister phase. A scheme of treatment in which penicillin is alternately administered and withheld is suggested, in the hope that bacteria in the persister phase will divide during an intermission and be killed by penicillin when its administration is recommenced” (Bigger, 1944).
Eine aktuelle Studie zum Thema Persistenz wurde im Februar 2014 von Wissenschaftlern der ETH Zürich veröffentlicht. Sie untersuchten Mäuse, die sie mit Salmonella enterica, einem Durchfallerreger, infizierten und anschließend mit dem Antibiotikum Ciprofloxacin behandelten.
Salmonella kann in zwei verschiedenen Stadien existieren: Einer schnell-wachsenden Population, die sich in den Geweben des Wirts ausbreitet und vom Antibiotikum abgetötet wird und einer langsam- wachsenden, persistenten Unterpopulation, die unempfindlich gegenüber Ciprofloxacin ist. Die langsam-wachsenden Bakterien verändern ihr Vermehrungsverhalten, sind infektiös und verstecken sich innerhalb der dendritischen Zellen des Immunsystems ihres Wirts, in denen sehr nährstoffarme Bedingungen herrschen. Die Salmonellen verändern ihr Vermehrungsverhalten und können von dem Antibiotikum nicht angegriffen werden, sind also phänotypisch tolerante Salmonellen, aber genetisch immer noch empfindlich gegenüber Ciprofloxacin. Die persistenten Zellen bilden ein Reservoir an lebenden Zellen, das, sobald die Antibiotikabehandlung beendet wird, sich wieder in schnell wachsende Zellen verwandelt und die Infektion wieder aufflammen lassen kann. Interessanterweise sind diese toleranten Salmonella Zellen nicht unbezwingbar. Wenn das Immunsystem des Wirts durch bestimmte Agentien stimuliert wird, werden die persistenten Zellen vernichtet. Durch die Kombination von Stimulanzien des angeborenen Immunsystems und Antibiotika könnte man neue Wege finden, die Antibiotikatherapie zu verbessern (Kaiser et al., 2014).
Persistente Zellen existieren innerhalb vieler bakterieller Gattungen und wurden mit der Antibiotikaresistenz von E. coli, P. aeruginosa, S. aureus, Lactobacillus acidophilus und Gardnerella vaginalis in Verbindung gebracht (Singh et al., 2009). Der Stoffwechselweg und auch der Mechanismus, der dazu führt, dass Zellen persistent werden, sind bis heute noch nicht komplett verstanden. Ein Ansatz der Forschung beruht auf Toxin-Antitoxin-Systemen. Sie induzieren den Ruhezustand der Zellen, der die Bakterien dazu befähigt, den Antibiotika zu entkommen (Lewis, 2005; Wood et al., 2013).
Antibiotika sind Substanzen, die als Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen produziert werden und die in vitro oder in vivo eine antimikrobielle, sehr spezifische Wirksamkeit entfalten (Waksman and Woodruff, 1942).
Ein Antibiotikum kann bakteriostatisch oder bakterizid wirken. Bakteriostatisch bedeutet, dass ein Antibiotikum das Wachstum der Bakterien verhindert und die Bakterien dadurch in der stationären Phase ihres Wachstums verbleiben. Bakterizid bedeutet, dass das Antibiotikum die Bakterien tötet (Pankey and Sabath, 2004). Je nachdem, wo ein Antibiotikum wirkt, oder wie der Mechanismus wirkt, teilt man sie in unterschiedliche Kategorien ein (Lewis, 2007).
Zu dieser Gruppe gehören vor allem die β-Lactam-Antibiotika (Bayles, 2000). Diese Substanzgruppe gehört zu den klinisch meistverwendeten Antibiotika. Die β-Lactam-Antibiotika machen in Deutschland den größten Anteil aller ärztlichen Verschreibungen aus, wie man in der Abbildung 3 erkennen kann (ECDC).
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Abbildung 3: Verteilung des Verbrauchs von Antibiotika in Deutschland, 2011 (Übernommen von ECDC)
β-Lactam-Antibiotika hemmen das Wachstum von Bakterien, indem sie mit den Penicillin- Bindeproteinen (Transpeptidasen) wechselwirken. Diese Enzyme sind dafür verantwortlich, den letzten Schritt der bakteriellen Zellwandbiosynthese, die Vernetzung, abzuschließen. ß-Lactam- Antibiotika imitieren die Substrate der Penicillin-Bindeproteine. Die Transpeptidasen verwechseln diese dann mit den C-terminalen Enden der Murein-Peptidketten, die sie vernetzen sollen. Durch diese Fehler, die bei der Vernetzung entstehen, sterben die Bakterien (Navratna et al., 2010). Das Peptidoglycan liegt im Periplasma gram-negativer Bakterien und bildet ein makromolekulares Netzwerk, das die Zelle durch seinem hohen inneren osmotischen Druck vor dem Zerreißen schützt. Das Peptidoglycan besteht aus alternierenden β-1,4-verknüpften N-Acetyl-Glucosaminen und N- Acetyl-Muraminsäuren, die durch Peptidketten miteinander verbunden sind (Vollmer and Bertsche, 2008). In Abbildung 4 ist Penicillin G dargestellt.
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Abbildung 4: Penicillin G (übernommen aus GESTIS-Stoffdatenbank; Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung).
Zu den β-Lactam-Antibiotika gehören die Penicilline, die Cephalosporine, die Carbapeneme, die Monobactame und die Peneme (Poole, 2004).
Zu dieser Gruppe gehören vor allem die Aminoglykoside (Lewis, 2007). Sie töten gram-negative Bakterien, indem sie die Translation unterbrechen, was dazu führt, dass fehlgefaltete, toxische Peptide entstehen (Wong et al., 1998). Die meisten Aminoglykoside wirken bakterizid und interagieren oft synergistisch mit anderen Antibiotika (Kotra et al., 2000).
Die größte Anzahl der Aminoglykoside bindet an der A-Stelle der 16S rRNA auf der 30S-Untereinheit der bakteriellen Ribosomen. Die A-Stelle ist dafür verantwortlich, während der Proteinsynthese die mit einer Aminosäure beladene Aminoacyl-tRNA zu binden, die auf das nächste mRNA-Codon des Transkripts passt. Aminoglykoside, die an die dekodierende Region, die A-Stelle, binden, interferieren mit dem Korrekturlesemechanismus des Ribosoms, was zu vorzeitiger Termination führt und die Verlängerung der naszierenden Polypeptidkette inhibiert (Ryu and Rando, 2001, Wong et al., 1998). Die Integration der fehlerhaften Proteine in die Cytoplasmamembran sorgt dafür, dass die Zellmembran porös wird und noch mehr Aminoglykoside aufgenommen werden können, was zum Zelltod führt. Die Konzentration an Aminoglykosid nimmt noch weiter zu, und die Proteinsynthese wird noch stärker gehemmt (Ling et al., 2012).
Zu dieser Gruppe gehören die Quinolone. Ihre antibakterielle Wirkung beruht darauf, dass sie das Entwinden und die Verdopplung der DNA verhindern (Emmerson and Jones, 2003). In Abbildung 5 ist die Struktur zu sehen. Das erste Quinolon, das auf den Markt kam, war 1962 die Nalidixinsäure, die zur Behandlung von Entzündungen des Harntrakts verschrieben wurde. Sie wurde von George Lesher und seinen Mitarbeitern entdeckt, als diese in ihrem Labor versuchten, Chloroquin zu synthetisieren (Lesher et al., 1962). Seit 1970 und 1980 sind es vor allem die Fluoroquinolone, die von Ärzten verschrieben werden. Das sind Quinolone, die noch einen Fluor-Substituenten am Chinolon-Ring besitzen. Sie haben ein breiteres Wirkungsspektrum und eine verbesserte Pharmakokinetik im Vergleich mit den früheren Medikamenten (Emmerson and Jones, 2003).
Abbildung 5: Struktur eines Quinolon Moleküls. Ein R zeigt mögliche Stellen für eine strukturelle Modifikation an. Atome, die durch eine gestrichelte Box markiert sind, können auch geändert werden (übernommen aus Peterson, 2001).
Bakterien müssen bei der Replikation ihres zirkulären Chromosoms ein topologisches Problem überwinden. Das Chromosom der E. coli-Bakterien besteht aus doppelsträngiger DNA, die 1300 µm lang ist. Ein durchschnittliches Bakterium misst jedoch nur 2 µm in der Länge und 1 µm in der Breite. Die Lösung dafür entdeckte ein Naturwissenschaftler namens Worcel, der herausfand, dass das Chromosom in 65 Unterregionen geteilt war, die er selbst Domänen nannte. Jede dieser Domänen war 20 µm lang und an einen RNA-Core angebracht. Die Größe wurde dadurch reduziert, dass in das Chromosom durch bestimmte Enzyme negative Überspiralisierung eingeführt wurde (Worcel and Burgi, 1972), (Andriole, 2005). Quinolone inhibieren eben diese Enzyme: Die so genannten Topoisomerasen Typ II. Man unterscheidet dabei die Gyrase und die DNA Topoisomerase IV, die beide essentiell für die bakterielle DNA Replikation sind. Topoisomerasen des Typs II brechen beide Stränge der doppelsträngigen DNA, lassen einen weiteren DNA-Strang durch diesen Bruch passieren und versiegeln daraufhin wieder den Bruch. Dieser Vorgang ist ATP-abhängig. Die Gyrase ist das einzige Enzym, das ATP-abhängig negatives Supercoiling in bakterieller DNA katalysiert. Negatives Supercoiling ist für die Initiation der DNA Replikation von großer Wichtigkeit und erleichtert die Bindung von Initiationsproteinen. In Abbildung 6 ist negativ spiralisierte DNA dargestellt.
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Abbildung 6: A: Relaxierte DNA, B: Negative Superspiralisierung eines Bakterien-Plasmids (übernommen aus Witz and Stasiak, 2010)
Während der Transkription entstehen positive Supercoils vor der sich fortbewegenden bakteriellen Replikationsgabel. Sowohl die DNA Gyrase als auch die Topoisomerase IV können diese positiven Supercoils entfernen, aber nur die Gyrase ist dazu in der Lage, sie direkt in negative Supercoils umzuwandeln (Peterson, 2001; Hooper, 1999; Witz and Stasiak, 2010). Die Topoisomerase IV ist dafür verantwortlich, die Kopplung von zwei Schwesterchromatiden während der DNA-Replikation zu entfernen, damit diese auf die Tochterzellen verteilt werden können (Peterson, 2001).
Das Zusammenspiel zwischen den Quinolonen und den DNA-Enzym-Komplexen führt zu konformativen Änderungen, sowohl in der Enzym-gebundenen DNA als auch in dem Enzym selbst (Hooper, 1999). Quinolone beenden die DNA-Synthese, indem sie das Fortlaufen der Replikationsgabel blockieren (Hiasa et al., 1996).
Einige Vertreter der Quinolone sind Norfloxacin, Enoxacin, Lomefloxacin, Ciprofloxacin, Ofloxacin, Levofloxacin, Sparfloxacin, Grepafloxacin, Pefloxacin, Fleroxacin, Tosufloxacin, und Trovafloxacin.
Diese Antibiotika wirken sowohl gegen Erkrankungen, die von gram-negativen als auch von grampositiven Bakterien hervorgerufen werden (Hooper, 1999).
Antibiotika werden bei Mensch und Tier oft falsch angewendet und gelangen über unterschiedliche Wege in die gesamte Umwelt: Die Patienten verlangen sie von ihrem Arzt, der Arzt verschreibt sie für seine Patienten und Tierärzte geben sie ins Tierfutter. Antibiotika wirken dabei nicht nur auf denjenigen, von dem sie eingenommen werden, sondern auch direkt oder indirekt auf andere, die sich in der Umwelt von Mensch und Tier befinden. Dies könnte bei einem Tier beispielsweise der gesamte Stall sein (Levy and Breithaupt, 2014).
Die zwei bedeutendsten Ursachen der Multiresistenz vieler Bakterien sind falsche medizinische Anwendungen von Antibiotika und der übertriebene Einsatz in der Tiermast. 1954 wurden in den Vereinigten Staaten 1000 Tonnen Antibiotika produziert - knapp fünfzig Jahre später betrug die Zahl 25 000 Tonnen. Nahezu die Hälfte der Antibiotika werden zur menschlichen Behandlung eingesetzt, aber wiederum nur die Hälfte davon hat auch wirklich einen medizinischen Effekt auf eine Erkrankung. So werden sie bei Erkältungen und anderen viralen Infekten verschrieben, die mit einem Antibiotikum gar nicht behandelt werden können. Ein Fehler, den viele Patienten bei der Einnahme von Antibiotika machen, ist, dass sie, sobald die Erkrankung zurückgeht und sie sich besser fühlen, aufhören, das Antibiotikum zu nehmen. Dies hat zur Folge, dass das Antibiotikum nicht alle pathogenen Bakterien bekämpft und dadurch das Wachstum resistenter Stämme gefördert wird. In den Entwicklungsländern wird der Antibiotikagebrauch noch weniger kontrolliert als im Westen. Dort ist es möglich, Antibiotika ohne vorherige Verschreibung durch den Arzt zu erhalten (Levy, 1998). Während Länder wie Schweden, Norwegen, Finnland und die Niederlande mit den strengsten Regelungen bei der Verschreibung von Antibiotika die niedrigsten Resistenzaufkommen vorweisen, hat sich zwischen 2005 und 2010 der Verkauf von Antibiotika in Indien verfünffacht und in Ägypten verdreifacht (Woolhouse and Farrar, 2014). Eine Übersicht über den Gebrauch von Antibiotika in verschiedenen Ländern zwischen 2005 und 2010 ist in Abbildung 7 zu sehen.
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Abbildung 7: Übersicht des Antibiotika-Verkaufs in verschiedenen Ländern (übernommen aus Woolhouse and Farrar, 2014)
Wenn in den Kliniken in den Entwicklungsländern dann aber einmal Resistenzen auftauchen, fehlt es an oft teuren Ersatz-Medikamenten.
Vierzig Prozent der Antibiotika in den USA werden in der Tiermast eingesetzt. Doch sie dienen nicht nur zur Behandlung von bestehenden Erkrankungen, sondern werden vielfach auch prophylaktisch verwendet, um Krankheiten vorzubeugen (Levy, 1998). Antibiotika sind sogar dazu in der Lage, das Wachstum der Tiere zu fördern und werden deshalb in das Futter gemischt. Ihre Wirkung als Wachstumsförderer beruht auf Interaktionen mit den Mikroorganismen, die sich im Verdauungstrakt befinden (Castanon, 2007). Manchmal nehmen die Tiere dadurch wochen- oder monatelang kleine Dosen Antibiotika zu sich, was die ideale Grundlage für eine Resistenzentwicklung vieler Bakterien darstellt. Diese resistenten Bakterien gelangen dann über die Zubereitung und auch den Konsum ungekochten oder mangelhaft erhitzten Fleisches in den menschlichen Körper.
Auch Vegetarier bleiben nicht verschont. In der Landwirtschaft werden hohe Konzentrationen an Antibiotika auf Obstbäume gespritzt, um bakterielle Infektionen zu verhindern. Die Bakterien sterben dabei zwar alle, aber manchmal bleiben kleine Dosen Antibiotika auf dem Obst zurück. Diese können dann bei Weiterverarbeitung und Transport das Wachstum resistenter Bakterien fördern. Antibiotika aus der Spritzflasche können auch auf andere Bäume übertragen werden, wo sie zu schwach konzentriert sind, um Infektionen zu verhindern, aber dennoch dazu fähig sind, sensitive Bakterien zu töten und das Wachstum resistenter zu fördern. Wenn nun das Obst, auf dem die resistenten Bakterien sitzen, konsumiert wird, gelangen diese in den Verdauungstrakt (Levy, 1998).
Bakterielle Resistenz kann durch intrinsische oder erworbene Mechanismen erlangt werden. Man unterscheidet deshalb auch die intrinsische und erworbene Resistenz.
Bei der intrinsischen Resistenz sind die Mikroorganismen von Beginn an gegen das Antibiotikum resistent. Sie besitzen von Natur aus bestimmte Gene auf ihrem Chromosom, wie beispielsweise ampC, welches für eine Cephalosporinase codiert, die β-Lactam-Antibiotika abbaut und diverse Efflux-Systeme.
Die erworbene Resistenz ist dagegen eine Resistenz, die erst während der Behandlung mit Antibiotika erworben wird. Es handelt sich um Mutationen in denjenigen Genen der Bakterien, die das Ziel der Antibiotika sind und um den Transfer von Resistenzfaktoren, die sich auf Plasmiden, Bakteriophagen, Transposons und anderen mobilen genetischen Elementen befinden (Alekshun and Levy, 2007).
In Abbildung 8 ist eine Übersicht zu sehen, wie Resistenz erworben werden kann.
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Abbildung 8: Erwerb von Antibiotikaresistenz: Bakterien können durch eine Mutation des Zielgens im Chromosom resistent gegen Antibiotika (Abr) werden. Sie können fremdes genetisches Material aufnehmen, indem sie freie DNA-Segmente in ihr Chromosom einbauen (Transformation). Gene können auch durch eine Infektion mit Bakteriophagen übertragen werden (Transduktion) und über Plasmide und konjugative Transposons während der Konjugation (übernommen aus Alekshun and Levy, 2007).
Allgemein wird der Austausch von Resistenzen über drei verschiedene Prozesse ermöglicht:
Transduktion mit Hilfe von Phagen, Konjugation (über Plasmide und konjugative Transposons) und Transformation (über den Einbau von chromosomaler DNA, Plasmiden und anderer DNA von sterbenden Organismen in das Chromosom) (Alekshun and Levy, 2007).
Normalerweise findet der Gentransfer zwischen Organismen derselben Gattung statt. Dieser Prozess wurde aber auch schon zwischen verschiedenen Arten beobachtet. Dazu gehören auch evolutionär sehr unterschiedliche Arten wie gram-positive und gram-negative Bakterien (Courvalin, 1994). Plasmide enthalten Gene, die für Resistenzen und viele weitere Eigenschaften codieren. Sie sind dazu in der Lage, sich unabhängig von ihrem Wirtschromosom zu replizieren und können anhand ihres ORIs (Origin of Replication, Deutsch: Replikationsursprung) unterschieden werden. In einem Bakterium können sich unzählige Plasmide befinden, deren einzelne Gene die Gesamtgenetik des Bakteriums bestimmen. Transposons sind mobile genetische Elemente, die sich auf Plasmiden befinden können und sich in andere Transposons oder in das Wirtschromosom integrieren können. Gewöhnlich enthalten diese DNA-Stücke invertierte terminale Enden, die wichtig für die Rekombination sind und für andere Proteine codieren, wie z.B. die Transposase oder die Rekombinase, die die Eingliederung in oder aus spezifischen genomischen Regionen erleichtern. Konjugative Transposons haben die Eigenschaften von Plasmiden und können den Transfer von endogenen Plasmiden von einem Organismus zum nächsten erleichtern (Alekshun and Levy, 2007). Integrons enthalten ganze Genansammlungen, sogenannte Genkassetten. Ihnen ist es möglich, sich stabil in andere DNA zu integrieren, wodurch sie innerhalb eines einzigen Austauschs unzählige neue Gene transferieren können, die z.B. für Antibiotikaresistenzen kodieren (Mazel, 2006). Das größte Integron ist das Super-Integron, das Hunderte von Genkassetten enthält. Zum ersten Mal wurde es in Vibrio cholerae identifiziert (Mazel et al., 1998).
Alle bekannten Resistenzmechanismen lassen sich auf drei Grundmuster zurückführen: 1. Veränderung der Zielstruktur des Antibiotikums, 2. Verminderte Konzentration des Wirkstoffs an der Zielstruktur, 3. Enzymatische Inaktivierung des Antibiotikums (Lewis, 2007).
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