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Fachbuch, 2018
99 Seiten
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Relevante Theorien, Konzepte, Modelle und Methoden
2.1 Tiergestützte Interventionen
2.2 Theorien zur Begründung der positiven Wirkung der Mensch-Pferd- Beziehungen
2.3 Theoretische Wirkungsmodelle der Erlebnispädagogik
2.4 Fazit
3 Die Mensch-Pferd-Beziehung
3.1 Interaktionelle Modelle
3.2 Eignung des Pferdes aufgrund artspezifischer Besonderheiten
3.3 Die „7 Spiele“ nach Pat Parelli
3.4 Einwirkungsbereich der tiergestützten Interventionen mit dem Pferd
3.5 Fazit
4 Sozialarbeiterisch orientierte Erlebnispädagogik mit dem Pferd
4.1 Das Erlebnis
4.2 Praktische Wirkungsmodelle der Erlebnispädagogik
4.3 Empowerment
4.4 Sozialpädagogische Einwirkungsmöglichkeiten des erlebnispädagogischen Einsatzes von Pferden in der Arbeit mit Kindern
4.5 Fazit
5 Zusammenfassung
5.1 Erlebnispädagogik als Feld sozialpädagogisch orientierter tiergestützter Interventionen
5.2 Bedeutung für die Soziale Arbeit
5.3 Schlussbetrachtung
6 Literaturverzeichnis
Abbildung 1: The Mountains Speak for Themselves; Michl (2015), S.67
Abbildung 2: Aktion und Reflexion; Michl (2015), S.70
Abbildung 3 Das metaphorische Grundmodell nach Bacon; Michl (2015), S.7
Abbildung 4 Lernen – zwischen Komfort- und Panikzone; Michl (2015), S.40
Abbildung 5 Das trianguläre Modell; in Anlehnung an Opgen-Rhein (2011), S.16
Abbildung 6: Beziehungsdreiecke in der Gruppe mit einem Pferd; Darstellung basiert auf literarischem Wissen und Praxiserfahrungen
Abbildung 7: mehrere Teilnehmer putzen ein Pferd und interagieren miteinander. Die Pädagogin ist anwesend, hält sich jedoch im Hintergrund; privates Foto
Abbildung 8: mehrere Teilnehmer putzen ein Pferd (hier sind zwei kleinere Gruppen zu sehen, welche jeweils ein Pferd betreuen, jedoch gruppenübergreifend interagieren), die Pädagogin hält sich im Hintergrund; privates Foto
Abbildung 9: Beziehungsdreiecke in der Gruppe mit Pferden; in Anlehnung an Voßberg (2010), S.189
Abbildung 10: Rausbringen der Pferde. Pädagogin wechselt zwischen den Teilnehmer und gibt individuelle Anweisungen, hat dabei jedoch alle im Blick; privates Foto
Abbildung 11: Bodenarbeit in der Halle. Pädagogin steht einer Teilnehmerin bei einer Übung mit Ratschlägen zur Seite, während die anderen Teilnehmer mit ihren Pferden beschäftigt sind; privates Foto
Abbildung 12: Das Diamant-Modell; in Anlehnung an Opgen-Rhein (2011), S.16
Abbildung 13: Die E-Kette; Michl (2015), S.11
Abbildung 14: Waage der Erlebnispädagogik; Michl (2015), S.10
Abbildung 15: Vektormodell der Erlebnispädagogik; Michl (2015), S.13
Dieser Text ist im Zuge der Übersichtlichkeit nicht gegendert. Es werden sowohl das männliche als auch das weibliche Geschlecht, sowie alle anderen Formen der Geschlechtsidentität angesprochen
Schon früh haben Pferde den Menschen fasziniert. Erste Darstellungen in Form von Höhlenmalereien beispielsweise stammen aus einer Zeit, in der der Mensch das Pferd noch nicht domestiziert und für seine Zwecke genutzt hat. Bis heute erregt ein Pferd, welches in seiner natürlichsten Form, freilaufend über eine Wiese galoppiert, unsere Aufmerksamkeit. Wir sind gefesselt von seiner Anmut, seiner Schönheit und seiner Stärke.[1] In uns werden Gefühle geweckt, die uns nach Freiheit, Losgelassenheit, Glück, Grenzenlosigkeit und dem Bedürfnis, einfach leben zu können, streben lassen. Viele Pferdemenschen[2] beschreiben eine Einheit mit ihrem Pferd zu sein und eine tiefe Verbundenheit zu spüren. Die Kommunikation funktioniert ohne Kommandos oder Befehle, augenscheinlich reicht der alleinige Gedanke an ein Vorhaben aus, um eine gelingende Interaktion auszulösen.[3] So besteht die Möglichkeit abzuschalten, sich zu entspannen, die Welt um sich herum zu vergessen, völlig bei sich und dem Pferd zu sein und in dem Lärm der heutigen Gesellschaft die Ruhe zu genießen.
Bereits im Jahr 1100 war man sich der Kraft der Natur bewusst und ging davon aus, dass auch Tiere eine therapeutische Wirkung auf Menschen haben und positiven Einfluss auf das physische und seelische Wohl nehmen. Heute sprechen wir von tiergestützten Interventionen, welche mit Hilfe von Theorien, Methoden, Modellen und Konzepten versuchen, die therapeutischen Effekte von Tieren auf den Menschen, empirisch zu belegen.[4] Seit mehreren Jahrzehnten erlangen Tiere einen immer höheren Stellenwert, sie werden in den Alltag integriert und als Familienmitglied anerkannt. In immer mehr Serien („Fury“, „Lassie“, „Unser Charly“, „Kommissar Rex“) wurde Tieren, welche menschliche Charakterzüge hatten und denen bestimmte Aufgaben zukamen, eine Hauptrolle zugesprochen.
Im Zuge dessen begannen bald auch Pädagogen, Psychologen, Therapeuten und Wissenschaftler, Tiere in die Arbeit – vor allem mit Kindern – einzubeziehen. In den letzten Jahren wurde das Interesse an “Tiergestützten Interventionen“[5] – auch durch die Verbreitung über die Medien – immer größer, sodass es zu einem vermehrten Einsatz von Tieren in Therapie und Pädagogik kommt. Aufgrund der individuellen und vielfältigen Bedarfe der Klienten[6] entwickelte sich ein breites Spektrum an tiergestützten Interventionen, mit dem Ziel der optimalen Anpassung an die Bedürfnisse der Klienten, um bestmögliche Erfolge in der Entwicklung zu erzielen.
Ursprünglich entstand die Erlebnispädagogik, da viele Klienten nach der Beendigung einer tiergestützten Intervention den Wunsch äußerten, weiterhin in Kontakt mit Pferden bleiben zu wollen. Jedoch sind die Klienten aufgrund körperlicher, geistiger und seelischer Einschränkungen, häufig nicht in der Lage an den geläufigen Aktivitäten die mit Pferden angeboten werden, teilzunehmen. Um diese Lücke zu füllen entwickelten Pädagogen und Therapeuten Angebote, die auf die Klienten zugeschnitten waren. So entstand eine Möglichkeit, Klienten den „fließenden Übergang in neue Aktivitäten zu ermöglichen“.[7] Daraus entwickelte sich eine Vielzahl an erlebnispädagogischen Angeboten, welche verschiedene Zielgruppen ansprechen und unabhängig von anderen tiergestützten Interventionen zum Einsatz kommen.
Mittlerweile verfügt die Erlebnispädagogik über ein großes Repertoire an erlebnispädagogischen Maßnahmen, in Form von Tages- und Wochenendangeboten oder als Ferienfreizeit. Eine eintägige Maßnahme, kann beispielsweise Ponyspiele[8], Führritte[9] oder Geocaching mit dem Pferd beinhalten. Diese Angebote sind eher niederschwellig und dienen häufig der einfachen Freizeitgestaltung. Die Wochenendangebote bieten bereits mehrere Möglichkeiten, da die Kinder zunächst einmal die Pferde, Umgebung und anderen Teilnehmer kennen lernen können. Ihnen werden grundlegende Inhalte vermittelt, so dass nach dem ersten Tag eigenes Handeln möglich ist. Hier kann zum Beispiel ein Wanderritt[10] oder Fußballturnier mit dem Pferd veranstaltet werden oder im Zuge der Theaterpädagogik ein Sketch mit dem Pferd erarbeitet werden, welcher am letzten Tag vor der Gruppe aufgeführt wird. Optimale therapeutische und pädagogische Einwirkungsmöglichkeiten bieten Ferienfreizeiten oder Maßnahmen, die über einen längeren Zeitraum (mindestens eine Woche) angelegt sind. Hierbei können den Kindern im Rahmen von Parelli-Spielen[11] spielerisch die Grundgedanken des „Natural Horse-Man-Ship“[12] nahe gebracht werden. Im Anschluss daran können verschiedene Aktivitäten stattfinden: Spiele, Ausritte, Reitstunden, Stallarbeit, Aufgaben in Kleingruppen zur Förderung der Kooperation, kleine Theaterstücke erarbeiten und vieles mehr.
Im Folgenden werden einige Arbeitsdefinitionen festgelegt, welche relevant für die nachstehende Ausarbeitung sind und die Basis für eine einheitliche Grundlage bilden.
Zunächst wird definiert, welche Altersgruppe der Begriff „Kind“ im Folgenden meint. Laut der UN-Kinderrechtskonvention sind alle Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben zu Kindern.[13] Für diese Arbeit bedarf es jedoch einer genaueren Eingrenzung. Sowohl vor dem Gesetz, als auch basierend auf der Entwicklungspsychologie sind alle Menschen Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die frühe Kindheit beginnt mit dem 4. Lebensjahr und die späte Kindheit endet mit der Vollendung des 14. Lebensjahres. Allgemein bezeichnet die Entwicklungspsychologie „den Zeitraum von der Geburt bis zur geschlechtlichen Entwicklung (Pubertät)“ als Kindheit.[14] Grundsätzlich sind erlebnispädagogische Maßnahmen mit Kindern aller Altersgruppen durchzuführen. Jedoch sind die Angebote in der frühen Kindheit eher pädagogisch als therapeutisch. Daher sind im Folgenden, wenn von Kindern gesprochen wird, Menschen ab dem Grundschulalter bis hin zur Vollendung des 14. Lebensjahres gemeint.
Der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit liefert eine gute Definition der Sozialen Arbeit, der an anderer Stelle relevant wird.
Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte [1] Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt, sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung [2] von Menschen. Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt [3] bilden die Grundlage der Sozialen Arbeit. Dabei stützt sie sich auf Theorien der Sozialen Arbeit [4], der Human- und Sozialwissenschaften und auf indigenes Wissen [5]. Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, dabei bindet sie Strukturen ein [6].[15]
Die Sozialpädagogik ist eine Fachdisziplin der Sozialen Arbeit und beschäftigt sich vor allem mit der Erziehung, Bildung und Entwicklung. Sie bringt die soziale Lage der Menschen in Verbindung mit ihrem Handeln und setzt in ihrer Arbeit auf die Entwicklung in, durch und mit Gemeinschaft. Die didaktischen Methoden passen sich dem individuellen Bedarf der Gruppe an, was die Sozialpädagogik flexibel und handlungsfähig bleiben lässt.
Es gibt eine Reihe an Definitionen. Gertrud Bäumer beschreibt Sozialpädagogik als
[...]alles was Erziehung, aber nicht Schule und nicht Familie ist. Sozialpädagogik bedeutet hier den Inbegriff der gesellschaftlichen und staatlichen Erziehungsfürsorge, sofern sie außerhalb der Schule liegt.[16]
Mollenhauer hingegen liefert eine tiefgreifendere Definition, indem er sagt,
Sozialpädagogik wird [damit] der Begriff für eine Theorie spezieller Sozialisationshilfen für die Bewältigung der im Laufe der lebenslangen Sozialisation auftretenden Konflikte, Hilfen, die sowohl auf eine Änderung des Individuums, eine Erweiterung seiner kognitiven, emotionalen und psychomotorischen Kompetenzen zielen, als auch auf die Beseitigung der diesem Konflikt zugrundeliegenden, häufig systemimmanenten Ursachen.[17]
Basierend auf den bisherigen Ausführungen lässt sich die Leitfrage herleiten, welche Bedeutung der Sozialen Arbeit in einer pferdegestützten Erlebnispädagogik mit Kindern zukommt. Dazu werden zunächst verschiedene Theorien, Konzepte und Modelle erläutert, welche die tiergestützten Interventionen aufschlüsseln und die Wirksamkeit begründen. Darüber hinaus werden theoretische Grundlagen der Erlebnispädagogik vermittelt und eine Einordnung in die tiergestützten Interventionen vorgenommen. Im dritten Kapitel steht die Mensch-Pferd-Beziehung und welche Auswirkungen diese auf Kinder hat im Fokus. Das darauffolgende Kapitel beschäftigt sich vor allem mit der Erlebnispädagogik sowie den Aufgaben, die den Sozialpädagogen in erlebnispädagogischen Maßnahmen zukommen. Des Weiteren werden einige sozialpädagogische Einwirkungsbereiche des erlebnispädagogischen Einsatzes von Pferden in der Arbeit mit Kindern beschrieben. Abschließend wird in einem ausführlichen Resümee eine Antwort auf die Leitfrage gegeben.
Im Kapitel 2 werden zunächst grundlegende Theorien, Konzepte, Modelle und Methoden aus den tiergestützten Interventionen und der Erlebnispädagogik vorgestellt. Zudem werden Theorien dargelegt, welche die Wirkung der tiergestützten Interventionen basierend auf der Mensch-Tier-Beziehung belegen. Der letzte Teil des Kapitels befasst sich mit den geläufigsten Theorien zur theoretischen Wirkungsweise der Erlebnispädagogik. Abschließend wird in einem Fazit ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Kapiteln hergestellt und Bezug zur Sozialpädagogik hergestellt.
Tiergestützte Interventionen (Animal-Assisted Intervention, AAI) sind:
goal oriented and structured interventions that intentionally incorporate animals in health, education and human service for the purpose of therapeutic gains and improved health and wellness. Animal-assisted therapy (AAT), animal-assisted education (AAE) and animal-assisted activities (AAA) are all forms of animal-assisted interventions. In all these interventions, the animal may be part of a volunteer therapy animal team working under the direction of a professional or an animal that belongs to the professional himself.[18]
Tiergestützte Intervention bezeichnet also, das Integrieren von Tieren in ein zielorientiertes und strukturiertes Eingreifen in Gesundheit, Bildung und menschliche Dienste, zum Zweck der therapeutischen Gewinne und verbesserten Gesundheit. Das Tier ist Teil eines freiwilligen Therapieteams, das aus Tieren besteht, unter der Leitung von Fachleuten.
Im deutschsprachigen Raum gibt es bisweilen, keine literarisch festgelegten Fachausdrücke. Es handelt sich bei den tiergestützten Interventionen nicht um eine eigenständige Methode oder ein wissenschaftlich begründetes Handlungskonzept und es gibt keine Basis für den Abschluss einer anerkannten Ausbildung in diesem Bereich. Meist werden tiergestützte Interventionen von Personen angeboten, welche einen menschenbezogenen Grundberuf (Pädagogen, Therapeuten, Psychologen) ausüben und die tiergestützten Interventionen als Zusatzleistung offerieren.[19]
In der Literatur findet sich eine Vielzahl an Begrifflichkeiten. Im Wesentlichen treten folgende Termini im Zusammenhang mit tiergestützten Interventionen auf:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die tiergestützte Aktivität (TG A)
- Die tiergestützte Förderung (TG F)
- Die tiergestützte Pädagogik (TG P)
- Die tiergestützte Therapie (TG T)[20]
Bis auf die tiergestützte Förderung lassen sich die verschiedenen Formen, anhand der begrifflichen Abgrenzung im angloamerikanischen Raum ableiten.
Die vier Formen der tiergestützten Interventionen lassen sich getrennt voneinander definieren. Dennoch sind die Übergänge in der Praxis meist fließend und eine genaue Abgrenzung ist oftmals nicht möglich. Die einzelnen Bereiche greifen ineinander und unterstützen sich gegenseitig.
Tiergestützte Aktivitäten
Pet Partners definiert tiergestützte Aktivitäten als
provide opportunities for motivational, educational and/or recreational benefits to enhance quality of life. While more informal in nature, these activities are delivered by a specially trained professional, paraprofessional and/or volunteer, in partnership with an animal that meets specific criteria for suitability.[21]
Tiergestützte Aktivitäten bezeichnen also das gelegentliche informelle Zusammentreffen von Mensch und Tier. Dieses Treffen kann sowohl von ausgebildeten Fachkräften, als auch von Laien oder Freiwilligen betreut werden. Das Tier muss spezifische Kriterien der Eignung erfüllen. Die tiergestützte Aktivität soll die Möglichkeit motivierender, pädagogischer, erholsamer und therapeutischer Vorteile, mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensqualität bieten.
Tiergestützte Förderung
Die tiergestützte Förderung beschreibt das Einbeziehen von Tieren in die individuelle Förderung. Basierend auf einem Förderplan werden Fähigkeiten, welche unzureichend vorhanden sind verbessert und bereits verfügbare Ressourcen gestärkt. Ziel ist die Unterstützung von Entwicklungsfortschritten. Diese Intervention wird von Personen, mit verschiedenen Qualifikationsstufen und gut ausgebildeten Tieren durchgeführt. Es gibt mehrfache zeitlich festgelegte Treffen, bei denen eine Dokumentation sinnvoll ist.[22]
Tiergestützte Pädagogik
Pet Partners beschreibt die tiergestützte Pädagogik als eine
goal oriented, planned and structured intervention directed by a general education or special education professional. The focus of the activities is on academic goals, prosocial skills and cognitive functioning with student progress being both measured and documented.[23]
Folglich sind unter der tiergestützten Pädagogik Interventionen zu verstehen, welche von allgemein oder speziell ausgebildeten Fachkräften zielorientiert, geplant und strukturiert durchgeführt werden. Hierbei liegt der Fokus auf akademischen Zielen, kognitiven Funktionen und prosozialen Fähigkeiten. Basierend auf den kindorientierten Zielvorgaben werden Lernprozesse angestoßen und unterstützt, welche die emotionalen und sozialen Fähigkeiten des Kindes verbessern sollen. Die Fortschritte der Kinder werden gemessen und dokumentiert.[24]
Tiergestützte Therapie
Die tiergestützte Therapie beschreibt ein sozialintegratives, pädagogisches und psychologisches Angebot, welches bewusst geplant wird. Die Adressaten leiden unter verschiedenen Krankheitsbildern, beispielsweise Verhaltensstörungen, motorischen, kognitiven oder sozial-emotionalen Einschränkungen oder haben andere Förderschwerpunkte. Auch präventive, gesundheitsfördernde und rehabilitierende Maßnahmen gehören zum Repertoire der tiergestützten Therapie. Alle Interventionen können sowohl in einer Einzelfallhilfe, als auch in der Gruppenhilfe Anwendung finden.[25]
Zu den allgemeinen Zielen gehören das Wiederherstellen und Erhalten der emotionalen, kognitiven und körperlichen Fähigkeiten sowie das Fördern von Fähigkeiten und Fertigkeit, die dazu beitragen aktiv, zu handeln und Aktivitäten durchzuführen. Die Adressaten sollen vermittelt bekommen, dass sie in die jeweilige Lebenssituation und deren Gestaltung einbezogen sind. Es wird versucht, das subjektive Wohlbefinden der Adressaten zu verbessern und den Menschen dazu zu befähigen, entsprechend seinen Fähigkeiten in verschiedenen Lebensbereichen zu partizipieren und zu agieren. Die spezifischen Ziele orientieren sich an den Ressourcen, Bedürfnissen, Störungsbildern und dem Förderbedarf der Klienten. Die Interventionen sind abhängig von der jeweiligen Indikationsstellung.[26]
Durchgeführt wird die tiergestützte Therapie von einer Fachkraft mit einer Fachausbildung für tiergestützte Therapie. Je nach Tierart sind weitere tierspezifische Ausbildungen notwendig.[27]
Die Maßnahmen werden von der Fachkraft anhand diverser Konzepte, Methoden und Theorien individuell für die jeweilige Zielgruppe geplant. Dies geschieht zielorientiert und mit Hilfe einer klar strukturierten Prozess- und Themenorientierung. Abschließend finden eine Dokumentation und Reflexion statt. Sowohl in die Reflexion über den Verlauf der Therapie als auch in die anfängliche Planung des Zieles werden von der Fachkraft weitere Fachkräfte und das soziale Umfeld hinzugezogen.[28]
Als Grundlage dieses Kapitels dienen die Vorgaben des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten (DKThR )[29], welches vier Säulen benennt, auf denen das Therapeutischen Reiten[30] basiert:
- Hippotherapie
- Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd
- Ergotherapeutische Behandlung mit dem Pferd
- Reiten als Sport für Menschen mit Behinderung
Diese vier Säulen entsprechen den Fachdisziplinen Medizin, Psychologie, Pädagogik und Sport. Die Übergänge zwischen den einzelnen Gebieten sind ebenfalls fließend.
Hippotherapie
Auf der Grundlage eines therapeutischen Gesamtbehandlungskonzeptes, bietet die Hippotherapie die medizinische Einbindung des Pferdes. Sie ergänzt in Form der Einzelbehandlung, auf neurophysiologischer Grundlage, die Physiotherapie und rückt den Körper in den Mittelpunkt. Die Hippotherapie eignet sich für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, und setzt keine reiterlichen Vorkenntnisse voraus.
Die Hippotherapie kommt zum Einsatz, wenn neurologische Symptome, wie beispielsweise Schädigungen oder Erkrankungen des zentralen Nervensystems oder des Stütz- und Bewegungsapparates auftreten.
Die Gangart des Pferdes weist rhythmische Schwingimpulse auf, welche mit dem Bewegungsablauf eines gesunden, durchschnittlichen Erwachsenen beim Gehen vergleichbar sind. Durch diese Eigenschaft der Pferde bietet die Hippotherapie Menschen mit neurologischen Bewegungsstörungen und infolgedessen gestörter und verlorener Gehfähigkeit, die Möglichkeit der harmonischen Fortbewegung an. Der Mensch muss auf die vom Pferd gegebenen Bewegungsimpulse eingehen und darauf reagieren, sofern es seine motorischen Fähigkeiten zulassen. So werden Bewegungsabläufe und Muskelfunktionen neu erlernt und trainiert. Ebenfalls werden das Gleichgewicht und die Koordination gefördert, die Körperbeherrschung verbessert und die Anwesenheit des Pferdes erhöht die Motivation zur Mitarbeit.[31]
Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd (HPF)
Die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd beinhaltet heilpädagogische Maßnahmen zur Förderung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, auf individueller und ganzheitlicher Ebene mit Hilfe des Pferdes. Ein zentraler Punkt ist die geistige und soziale Entwicklung. Darüber hinaus spielt die präventive Förderung von Kindern im motorischen und pädagogischen Bereich eine wichtige Rolle. Mittlerweile ist die HPF in die Fachdisziplinen Psychologie, Pädagogik und Teile der Psychiatrie integriert.
Grundsätzlich eignet sich die HPF für jeden Menschen. Wichtige Faktoren sind jedoch die körperlichen und mentalen Grundlagen, die der jeweilige Mensch mitbringt. Meist erfolgt eine Förderung daher erst ab dem 4. Lebensjahr. Eine festgelegte Altersobergrenze gibt es nicht.
Es gibt viele Krankheitsbilder, bei denen die Teilnahme an der HPF sinnvoll ist, beispielsweise bei Entwicklungsverzögerungen, geistigen Behinderungen, Verhaltensbesonderheiten, Konzentrationsstörungen oder gestörtem Sozialverhalten. Bei einigen Erkrankungen wie z. B. Autismus, Persönlichkeitsstörungen, Posttraumatische Belastungsstörung oder Abhängigkeit sollte die pädagogische Arbeit mit dem Pferd nur in enger Kooperation mit ärztlichen, psychologischen oder psychotherapeutischen Fachkräften stattfinden. Grundsätzlich ist regelmäßig Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zu halten und eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung einzuholen, bevor mit der Maßnahme begonnen wird.
Die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd lässt sich in drei Bereiche gliedern und zwar zum einen das heilpädagogische Voltigieren und zum anderen das heilpädagogische Reiten. Darüber hinaus ist die Arbeit vom Boden aus möglich, wobei der Teilnehmer das Pferd führt und spielerische Übungen vom Boden aus absolviert.
Das heilpädagogische Voltigieren ähnelt dem Voltigiersport und setzt keine reiterlichen Vorkenntnisse voraus. Die Kinder führen die Übungen auf dem Pferd in stark vereinfachter Form durch. Gegebenenfalls läuft eine weitere Person nebenher, gibt Hilfestellungen oder dient der Sicherung. Dies kann entweder ein anderer Teilnehmer der Maßnahme oder ein Hippohelfer[32] übernehmen. So werden sowohl die motorischen Basisfähigkeiten, die die Kondition und Koordination betreffen, als auch das psychosoziale Verhalten gefördert, da die Teilnehmer Verantwortung übernehmen und lernen, Hilfe anzubieten oder anzunehmen. Die Gruppengröße richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen der Teilnehmer.
Das heilpädagogische Reiten hingegen setzt Grundkenntnisse über das Bewegungsverhalten auf und mit dem Pferd voraus. Die Teilnehmer sollen eigenständig Einfluss auf das Pferd nehmen und ihre Handlungsmöglichkeiten sowie das Maß an Autonomie und Selbstständigkeit erproben. Dadurch werden motorische, emotionale und psychosoziale Fähigkeiten verbessert. Die Maßnahme findet im Normalfall in einer Kleingruppe statt.
Zusammenfassend dient die heilpädagogische Förderung mit dem Pferd der Stärkung und Förderung des Individuums. Bei den Maßnahmen handelt es sich um „pädagogische, psychologische, psychotherapeutische, rehabilitative und soziointegrative Angebote mit Hilfe des Pferdes“[33], die von Teilnehmern mit verschiedenen Krankheitsbildern und Diagnosen in Anspruch genommen werden können. Im Vordergrund steht die Förderung der Individualität und der Ressourcen. Durch den Umgang mit dem Pferd, das Getragen-werden auf dem Rücken des Pferdes, die Beziehung zu dem Pferd und Pädagogen, sowie die Anforderungen die die Gruppe stellt, werden das Selbstvertrauen und Verantwortungsbewusstsein der Teilnehmer gestärkt. Häufig stellen das Beziehungsgefüge und die Anforderungen des Therapeutischen Reitens die Teilnehmer immer wieder vor individuelle Herausforderungen. In dem sie diese überwinden und positive Erfahrungen mit ihrer eigenen Selbstwirksamkeit machen, stärken sie ihren Selbstwert und lernen, sich selbst einzuschätzen. Darüber hinaus erwerben sie Fähigkeiten, um mit Ängsten, Frustration und weiteren Emotionen angemessen umzugehen.[34]
Ergotherapeutische Behandlung mit dem Pferd
Die Ergotherapeutische Behandlung mit dem Pferd ist für Menschen jeden Alters geeignet und setzt keine Vorkenntnisse voraus. Hierbei handelt es sich im Normalfall um eine Einzelbehandlung. Bei Kindern kann eine Einheit jedoch auch in einer Kleingruppe stattfinden.
Unterstützt werden die psychomotorische und neurophysiologische Entwicklung, sowie die Wahrnehmung. Ziel dieser Maßnahme ist, die Handlungsfähigkeit zu unterstützen, um die Selbstversorgung zu fördern, die Möglichkeit einer eigenständigen Freizeitgestaltung zu stärken und die Produktivität aufrechtzuerhalten. Auf diese Weise sollen die Lebensqualität verbessert und die gesellschaftliche Teilnahme am Leben gesichert werden.
Die Grundlage liefern verschiedene Behandlungsansätze und Konzepte aus der Ergotherapie. Die Zielsetzung der ergotherapeutischen Behandlung soll durch die Ressourcen, die das Pferd mitbringt, unterstützt werden. Das Pferd bietet andere Behandlungsmethoden, einen neuen, ungewohnten Bewegungsdialog und einen Raum für neue Erfahrungen. Zudem ermöglicht das Pferd dem Therapeuten die Erweiterung des Beziehungsangebotes.[35]
Reiten als Sport für Menschen mit Behinderung
Bei dieser Form des Therapeutischen Reitens lernen die Menschen mit Behinderung den Umgang mit dem Pferd sowie das Reiten und Voltigieren als ein Übungs- und Lernfeld im sportlichen Rahmen kennen.
Es entwickeln sich soziale Netzwerke und Kontakte zu nicht behinderten Menschen. Aus einem Sport aus gesundheitlichen Gründen wird ein Hobby, welches die Inklusion der Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft fördert und ihren Leistungen Anerkennung verschafft. Die Menschen lernen mit ihrem Handicap umzugehen sowie Wege und Möglichkeiten zu finden, ihre Schwächen zu kompensieren und sie erkennen, dass sie auf dem Pferd das Gleiche leisten können wie Nicht-behinderte.
Durch die Entwicklung von Hilfsmitteln und speziell ausgebildeten Pferden ist, die Teilnahme am offiziellen Turniersport möglich. Hierzu ist die Vorlage eines Sportgesundheitspasses notwendig. Das Training wird meist in Absprache mit dem Hausarzt geplant und absolviert.[36]
Die Erlebnispädagogik ist eine Teildisziplin der Pädagogik, wobei der Fokus auf dem Lernen durch Erleben liegt.[37] Ihr Ziel ist die Förderung der Persönlichkeit durch verschiedenste Selbsterfahrungen. Die Erlebnisse in der Natur, die ungewohnten Gegebenheiten und Erfahrungen innerhalb der Gruppe, fordern die Kinder heraus. Sie erkennen ihre Grenzen und Möglichkeiten und lernen, sie zu respektieren oder zu nutzen.[38] Diese Erfahrungen bewirken kognitive, motorische, emotionale und soziale Veränderungen und Entwicklungen.
Die Natur bietet optimale Lernbedingungen. Der Erlebnispädagogik kommt eine „hohe physische Handlungskomponente“ zu, da sie viele Bereiche des menschlichen Daseins anspricht, welche Körper, Geist und Seele betreffen. Aus den Aktivitäten in der Natur, ergeben sich „direkte Handlungskonsequenzen“, welche es ermöglichen, das Erlebnis für sich arbeiten zu lassen. Während des Erlebnisses stoßen die Teilnehmer auf viele Herausforderungen und Grenzerfahrungen, welchen sie sich in diesem Rahmen meist eher stellen, als im Alltag. Die daraus resultierenden Emotionen und Reaktionen gilt des durch die sozialpädagogischen Fachkräfte aufzufangen. Die Gruppe und die Reflexionen sind die Katalysatoren für Veränderung.[39]
Innerhalb eines Projektes sind die Teilnehmer mitverantwortlich für die Gestaltung und das Gelingen. Ihnen werden sowohl praktische, als auch theoretische Lerninhalte (Führen des Pferdes, Misten, Fütterung, Equipment) vermittelt und die Entstehung sozialer Beziehungen ist während des gesamten Projektes ist ein zentraler Aspekt. Neben den Pädagogen sollte ebenfalls Fachpersonal (Pferdewirte, Reitlehrer der FN[40] etc.) anwesend sein, um die Umstände aufzulockern und neutrale Ansprechpartner zu Verfügung zu stellen. Auch wenn die Erlebnispädagogik ein Kontrastprogramm zum Alltag darstellt, bleibt der „jugend- und sozialerzieherische“ Gedanke bestehen.[41]
Erlebnispädagogische Projekte mit dem Pferd werden meist von Pädagogen mit einer Zusatzausbildung zum Reitpädagogen oder -therapeuten angeboten. Das Pferd spielt eine bedeutende Rolle, da es vor allem die emotionalen Komponenten fördert sowie den Menschen dazu veranlasst sich selbst und seine Umwelt neu zu betrachten. Der Umgang mit Pferden erfordert Spontanität, Flexibilität, Kreativität, Fantasie und eigenes Denken. Sein ruhiges Wesen lädt dazu ein den Moment bewusst zu erleben, zu genießen, Eindrücke auf sich wirken zu lassen und neue Erfahrungen zu sammeln. Anders als beim heilpädagogischen oder therapeutischen Reiten, ist das Pferd in der Erlebnispädagogik nicht ausschließlich das Beziehungsobjekt. Ihm kommt ein bestimmter Auftrag zu und es übernimmt eine Vielzahl an Aufgaben, auf die es flexibel reagieren muss. Das Pferd steht im Mittelpunkt des Geschehens, da sich nahezu alle Aktivitäten mit ihm, seiner Umwelt oder seiner Versorgung beschäftigen. Dennoch nimmt es keine vorbestimmte, zentral therapeutische Rolle ein, sondern ist vielmehr Freund, Alltagsbegleiter, Interaktionspartner und Initiator für diverse Lernprozesse.[42]
Erlebnispädagogische Angebote mit dem Pferd können als vorbereitende, begleitende oder nachbereitende Maßnahme die Reittherapie unterstützen. Die Qualität der Maßnahme hängt von der Aufgabe ab, die dem Pferd zugesprochen wird. Als erlebnispädagogische Projekte mit dem Pferd gelten Maßnahmen, bei denen zu einem Drittel der Zeit der Kontakt zu oder die Interaktion mit dem Pferd gegeben ist, z. B. durch Putzen des Pferdes, Spazierengehen, Reiten oder freie Bodenarbeit und sich ein weiteres Drittel mit der Umgebung des Pferdes beschäftigt, z. B. Equipment, Stallungen, etc.[43]
Abschließend ist zu sagen, dass es keine anerkannte und allgemeingültige Definition der Erlebnispädagogik gibt und sie daher keinem Fachgebiet zugeordnet ist. Basierend auf den bisherigen Erkenntnissen, vereint und stützt sich die Erlebnispädagogik auf die Formen der tiergestützten Interventionen und die vier Säulen der tiergestützten Arbeit mit Pferden. Jedoch lautet hier die Devise: „Alles kann, nichts muss“. Die Pädagogen nehmen sich der Anzeichen für Förderbedarfe seitens der Kinder an und gehen im Rahmen der Möglichkeiten, die die Maßnahme bietet, darauf ein. Demzufolge ist die Bandbreite der Förderschwerpunkte und Entwicklungsmöglichkeiten groß, da sie sich individuell, abhängig von den Teilnehmern der Maßnahme, ergeben.
Bisweilen stehen die wissenschaftliche Forschung und die praktische Umsetzung der tiergestützten Interventionen in Deutschland im internationalen Vergleich, noch am Anfang. Es ist noch ein weiter Weg, bis das Tier als „Hilfsmittel“ in der professionellen Arbeit anerkannt und dessen Einsatz – beispielsweise durch die Kostenübernahme der Versicherungen – als selbstverständlich und wirkungsvoll angesehen wird.[44]
Dennoch existieren bereits diverse Theorien, die die Wirkungsweise und Wirksamkeit des pädagogischen und therapeutischen Einsatzes von Pferden erklären und belegen sollen. Im Folgenden werden einige Theorien und Konzepte erläutert.
Der Begriff „Biophilie“, setzt sich aus den griechischen Wortbausteinen „bio“ und „philie“ zusammen. „Bio“ bedeutet „das Leben betreffend“; „mit Natürlichem, Naturgemäßem zu tun habend“; „mit organischem Leben, mit Lebewesen in Verbindung stehend“[45] und „philie“ meint, die „Vorliebe, Liebhaberei, Neigung“[46]. Demnach beschreibt Biophilie die Liebe zum Leben und allem Lebendigen[47] und die Biophilie-Hypothese geht davon aus, dass der Mensch von Geburt an, das Bedürfnis hat, eine Verbindung mit der Natur aufzubauen.
Die Biophilie-Hypothese (1984) ist auf den Soziobiologen Edward O. Wilson zurückzuführen. Er geht davon aus, dass sich die Menschen im Laufe der Evolution gemeinsam mit anderen Lebewesen entwickelt haben und so ein Bezug zu ihnen und der Natur aufbaut wurde. Die Menschen sind durch biologische Prozesse in ihrer Entwicklungsgeschichte geprägt[48] und streben unbewusst danach, die archaische Nähe und das Glück, welches das alte Band zwischen Mensch und Natur/Tier hervorruft, wieder zu spüren.[49]
Olbrich betrachtet Biophilie als eine dem „Menschen inhärente Affinität zur Vielfalt von Lebewesen in ihrer Umgebung ebenso wie zu ökologischen Settings, welche die Entwicklung von Leben ermöglichen“[50]. 1993 belegen die Autoren Kellert und Wilson in einem Sammelband, dass Menschen das Bedürfnis nach Verbindungen zu einer Vielfalt von Lebewesen und anderen Formen des Lebens (Ökosysteme, Landschaften etc.) haben.[51]
Kellert geht im Jahr 1997 einen Schritt weiter und „beschreibt Biophilie als eine physische, emotionale und kognitive Hinwendung zu Leben und Natur – und er hebt ihre fundamentale Bedeutung für die Entwicklung der Person hervor“[52]. Um dies zu definieren, unterscheidet Kellert neun Kategorien, welche die „biologische Grundlage für die Verbundenheit des Menschen mit der Natur“[53] darstellen. Nach Vernooij und Schneider kommen die einzelnen Aspekte der neun Kategorien in den tiergestützten Interventionen in nahezu allen Kategorien zum Vorschein, sofern die Wirkung und Funktion mit in Betracht gezogen werden. Dabei äußern sich einige Wirkungen implizit und sind weder steuer- noch kontrollierbar. Andere hingegen können systematisch genutzt, kontrolliert und gesteuert werden.[54]
Tiere dienten dem Menschen nicht nur als Ressource für Nahrung und Bekleidung, sondern waren Wegbegleiter, Freund oder Unterstützer bei der Arbeit (Nutztier: Pferde vor der Kutsche). Durch die veränderte Wahrnehmung von Tieren begannen die Menschen die Tiere zu beobachten und stellten fest, dass sie Seismografen für jede Lebenslage sind. Durch ihr Verhalten lieferten sie Informationen über Gefahr oder Sicherheit, Wetterveränderungen und das soziale Leben in der Gruppe. Sie signalisierten Anspannung oder Entspannung.[55]
Im Zuge der Modernisierung der Gesellschaft gehen archetypische Handlungsmuster verloren.[56] Da der Mensch ein Teil der Natur ist, hängt seine psychische Gesundheit von dem Verhältnis und dem Bezug zu seinen archaischen Wurzeln ab.[57] Durch den Kontakt zu Tieren und der Natur, werden sich die Menschen ihrer „archetypische[n] Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten“[58] erneut bewusst.
Tiere fördern die Beziehung der Menschen zu ihrer Umwelt. Sie erweitern und komplettieren das Leben und helfen in schweren Lebenssituationen, neue Kraft und Mut zu schöpfen, indem sie durch die Evolution bekannte Situationen schaffen. Durch diese „mainfesten Transaktionen geschieht ebenso wie in dem durch die vorbewusste und bewusste Erfahrung ausgelösten Erleben etwas Heilsames“[59].
Abschließend lässt sich basierend auf den Ausführungen folgern, dass die Anwesenheit von Tieren sich besonders auf soziale Prozesse auswirkt. Sie erleichtert es, auf Beziehungsangebote einzugehen und ermöglicht den sozialen Austausch. Die Menschen werden freundlicher und kooperativer, das Aggressions- und Gewaltpotenzial sinkt und das gesamte Umfeld strahlt eine soziale Attraktivität aus.[60]
[...]
[1] Vgl. Olbrich (2010), S.5
[2] Menschen, die ein Pferd haben, oder in regelmäßigem Kontakt mit diesem stehen.
[3] Vgl. Olbrich (2010), S.5
[4] Vgl. ebd.
[5] Überbegriff für verschiedene Einsatzmöglichkeiten von Tieren in Therapie und Pädagogik
[6] Vgl. Gäng (2017), S.7
[7] Klient wird häufig im Rahmen der tiergestützten Interventionen genutzt, da es sich um Aufträge oder Leistungen am Menschen handelt. Im Rahmen dieser Arbeit wird in Bezug auf die Erlebnispädagogik aufgrund des anderen, meist freiwilligen und offenen Settings von Teilnehmern gesprochen.
[8] Kleinere Spiele, die gruppenweise, auf dem Pferd oder am Boden, in Teams gegeneinander gespielt werden.
[9] Die Kinder reiten, werden jedoch von einem Betreuer geführt, daher auch für Anfänger geeignet.
[10] Ganztägiger Ausritt, bei dem die Kinder entweder alleine reiten oder als Handpferd von einem erfahrenen Reiter begleitet werden, dies hängt von den reiterlichen Fähigkeiten der Kinder ab.
[11] Basieren auf der Kommunikation durch Körpersprache. Durch Kommunikation wird eine Beziehung zu einem Wesen aufgebaut, dem unsere Sprach fremd ist und dessen Sprache wir nicht verstehen. Daher müssen wir dessen Sprache lernen. Dazu beschreibt Parelli sieben Spiele.
[12] Die Kunst, mit Pferden natürlich, artgerecht und pferdeverständlich umzugehen.
[13] Vgl. UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 1 (2017)
[14] Vgl. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik (2017)
[15] Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit (2017); Verweise sind online nachzulesen
[16] Getrud Bäumer (1998), zit. n. Colla, Herbert (2007/8), S. 1
[17] Ebd.
[18] Pet Partners (2017)
[19] Vgl. Vernooij und Schneider (2013), S. 34
[20] Vgl. ebd.
[21] Pet Partners (2017)
[22] Vgl. ebd.
[23] Vernooij und Schneider (2013), S. 37
[24] Vgl. Pet Partners (2017)
[25] Vgl. ESAAT - European Society for Animal Assisted Therapy (2017)
[26] Vgl. Vernooij und Schneider (2013), S. 41
[27] Vgl. ebd.
[28] Vgl. ebd.
[29] Das DKThR ist Kooperationspartner der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Es arbeitet mit Berufsverbänden, Fachschulen und Universitäten eng zusammen und steht in Kontakt und Austausch mit den zuständigen Bundes- und Landesministerien. Durch Mitgliedschaften ist das DKThR mit nationalen und internationalen Verbänden vernetzt. Fachgremien des DKThR sichern Kompetenz und Qualität.
[30] Oberbegriff für die therapeutische Arbeit mit Pferden.
[31] Vgl. Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten (2017)
[32] Meist Mädchen oder junge Frauen, welche den Therapeuten zur Hand gehen, indem sie die Pferde vorbereiten, während der Therapie führen und bei schwierigen Klienten Unterstützung bieten.
[33] Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten (2017)
[34] Vgl. ebd.
[35] Vgl. Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten (2017)
[36] Vgl. ebd.
[37] Vgl. Gäng (2017), S. 10
[38] Vgl. Groll (2017), S. 85
[39] Vgl. Michl ( 2015), S. 11
[40] Deutsche Reiterliche Vereinigung
[41] Vgl. Ziegenspeck (1992), S. 7 f.
[42] Vgl. Gäng (2017), S. 10 ff.
[43] Vgl. ebd., S. 11
[44] Vgl. Vernooij und Schneider (2013), S. 28
[45] DUDEN (2001), S. 135, zit. n. Vernooij und Schneider (2013), S. 5
[46] ebd., S. 760, zit. n. Vernooij und Schneider (2013), S. 5
[47] Vgl. Erich Fromm (2017)
[48] Vgl. Vernooij und Schneider (2013), S. 4
[49] Vgl. Greiffenhagen (2012), S. 183
[50] Olbrich (2003a), S. 69
[51] Vgl. Vernooij und Schneider (2013), S. 5
[52] Olbrich (2003a), S. 70
[53] Vernooij und Schneider (2013), S. 6
[54] Vgl. ebd., S. 6 f.
[55] Vgl. ebd., S. 5
[56] Vgl. ebd.
[57] Vgl. Greiffenhagen (2012), S. 183
[58] Olbrich (2003b), S.185
[59] Vgl. Olbrich (2003a), S.75 f.
[60] Vgl. ebd., S. 76