Bachelorarbeit, 2017
34 Seiten, Note: 1,7
1. Einleitung
2. Von der τέγνη zur modemen Technik - Der Mensch ist ein technisches Wesen
2.1. Die griechische τέγνη - unmittelbares Herstellen und Priorität des Nutzens
2.2. Technik nroduziert Bedürfnisse - Bedürfnisse nroduzieren Technik
2.3. Der homo technicus
2.4. Ein anthropologischer Grundzug: Sclbstcrhaltungs- und Exnansionstrieb
2.5 Unterscheidung von τέγνη und Technik hinsichtlich ihrer Wirkung und ihrer Gerichtetheit
3. Genealogie der Technik
3.1.Griechische Antike
3.2.Frühmittelalter
3.3.Spätmittelalter
3.4 Modeme
4. Die modeme Technik fordert eine neue Ethik
4.1. Der Kategorische Imperativ funktioniert nicht mehr
4.2.Die neue Verantwortung im Hinblick auf Gegenwart und Zukunft
5.Schlusswort
6. Ouellenverzeichnis
Die Technik ist das, was uns überall umgibt als das, worin wir leben und von dem wir abstandslos befangen sind. Sie durchdringt unser Denken und Handeln, ist angesiedelt in den Gegenständen, die wir gebrauchen, die unsere Tätigkeiten bedingen.
Das omnipräsente Phänomen der Technik, ohne die unser heutiger Alltag nicht gedacht werden kann, ist erst Ende des 19. Jahrhunderts durch das Buch ״Grundlinien einer Philosophie der Technik“ von dem Hegelianer Emst Kapp als eigener Gegenstandsbereich der Philosophie anerkannt worden.[1] Heute ist die Technik ein philosophisches Schlüsselproblem, weil ihr Einfluss seit der industriellen Revolution auf die Lebenswirklichkeit des Menschen mit exponentieller Geschwindigkeit wächst.[2] Es lässt sich nicht bestreiten, dass Reflexionen über die Technik schon lange vor Kapp ihren Platz in der Philosophie einnehmen. Denn jedes Nachdenken über die Natur des Menschen führt zu dem Schluss, dass das technische Verhalten eines der wichtigsten anthropologischen Merkmale des Menschen ist.
Die Anthropologie modelliert die Technik als notwendiges Element des menschlichen Problemlösens überhaupt.[3] Dadurch erscheint der Mensch als Wesen, dessen Probleme technischen Charakters sind und die er nur mittels der Technik zu lösen imstande ist.
In der vorliegenden Arbeit wird die Technik und ihre Folgen diachronisch untersucht. Die Arbeit ist dreiteilig aufgebaut. Im ersten Teil soll gezeigt werden, dass der Mensch ein radikal technisches Wesen ist, dessen Schicksal die perennierende Produktion von Technik ist.
Im zweiten Teil unternehme ich eine Genealogie der Technik und will darlegen, wie sich aus einem veränderlichen Seinsverständnis des Menschen neue technische Möglichkeiten und Gefahren ergeben.
Im letzten Teil wird die ethische Problemlage aufgezeigt, die sich aus der Inkongmenz von ethischer und technischer Kompetenz ergibt.
In der Arbeit unternehme ich den Versuch, die ethische Verantwortung von Politik und Individuum, die in dem Maße steigt wie die Risiken und Nebenwirkungen der modernen Technik zunehmen, in den Fokus der Betrachtung zu rücken. Meine theoretische Methodik stützt sich auf bedeutende Überlegungen alter und neuer Denker.
Der Bedeutungsrahmen der griechischen T£/v?/-Konzeption hat sich seit der Antike geweitet. Technisches Handeln ist im Zeitalter der Moderne nicht länger auf Unmittelbarkeit und Zweckausrichtung reduziert. Die Entwicklung der Technik lässt immerfort neue Bedürfnisse entstehen, die wiederum nur durch die Technik befriedigt werden können. Die bedürftige Anthropologie des Menschen und sein Wille zur Macht bedienen sich der Technik als Mittel der Überkompensation und treten in ein perennierendes, reziprokes Verhältnis zur Technik, das immer neue, immer obskurere Ziele formuliert. In moralischer Hinsicht muss der Sinn der Technik auf ihren Wert für die Allgemeinheit überprüft werden, in ökonomisch-ökologischer Hinsicht auf das Risiko, das von technischen Systemen ausgeht.
Im Folgenden werde ich untersuchen, warum die Technik das Schicksal des Menschen ist und was sich daraus ergibt.
Wenn wir nach der Technik fragen, müssen wir gleichsam nach ihren Ursprüngen fragen, um zu verstehen, wodurch die Technik in das Leben des Menschen geraten ist.
Die ersten prominenten Zeugnisse eines Nachdenkens über die Technik finden wir in dem altgriechischer Begriff der τέχνη, der in der europäisch geprägten Philosophie bis heute für das Verständnis von Kunst, Wissenschaft und Technik bedeutend ist.
Der Ursprung der Auffassung von τέχνη findet sich bei den Vorsokratikern und ist aus der Ilias ableitbar. Dort bedeutete τέχνη das Geschick der Handwerker. Doch schon in der griechischen Frühzeit war τέχνη nicht an die handwerkliche Tätigkeit, das Herstellen und Produzieren gebunden, sondern wurde Verfahren und Methode für jede Art von Tätigkeit. Zunächst unterscheidet der Begriff nicht zwischen handwerklichem Tun und Können, das die schönen Künste betrifft, und demjenigen Wissen, welches auf Herstellen ausgerichtet ist.
Das Herstellungs- und Handlungswissen spielt in der Technik, Rhetorik, Ästhetik und Pädagogik eine Rolle. Für die hier angestellten Überlegungen soll der Begriff τέχνη auf den Aspekt des Herstellungswissens im Sinne der ποιησις[4] reduziert werden.
Der Mensch unterscheidet sich vom Tier hinsichtlich des Herstellens dadurch, dass er das Produkt vorher in seinem Kopf baut. Er produziert eine Erfindung vor seinem geistigen Auge. Ropohl verweist zurecht darauf, dass es ohne die Erfindung gar keine Technik gäbe.[5] Denn alles Geschaffene beruht auf einem inneren Bild, einem Plan, einer Vorstellung von einem Produkt, wie dieses aussehen und wozu es nützen könne.
Wo τέχνη das Tun bestimmt, ist ein Ziel vorausgesetzt, auf das hin gewirkt wird. In diesem Sinne ist τέχνη ein Mittel, das zur planvollen Erreichung eines gewollten Ziels eingesetzt wird.
Diese griechisch-antike Auffassung kann als anthropologische, instrumentale Vorstellung von Technik bezeichnet werden.[6] Technische Mittel werden allesamt vom Menschen gefertigt, um einen Zweck zu erfüllen. Der Nutzen der technischen Handlung und des technischen Mittels ist immer vordergründig. Außerdem ist der Handwerker um Unmittelbarkeit bemüht. Er bearbeitet ein Material des unmittelbar entstehenden Produktes wegen.
Wo Zwecke verfolgt und Mittel eingesetzt werden, herrscht Ursächlichkeit und Kausalität. In der Nikomachisehen Ethik unterscheidet Aristoteles vier Ursachen[7]: Die causa materialis, formalis, efficiens und finalis. Beispielsweise stellt ein Silberschmied (causa efficiens) aus Silber (causa materialis) eine Schale {causa formalis) zu Opferzwecken {causa finalis) her. Zu fragen ist, weshalb die vier Ursachen so einheitlich zusammengehören? Man pflegt zu denken, der Silberschmied bestimmt die anderen Ursachen maßgeblich: Er stößt etwas an und bewirkt, dass etwas auf eine bestimmte Weise ausfällt. Es wird etwas bewirkt im Sinne von 'eine Wirkung erzielen'. Causa als 'das Bewirken' hatte bei den Griechen eine andere Bedeutung als heutzutage. Das αϊτός bedeutet: etwas 'anderes verschulden'. Das Silber ist demnach mitschuldig - natürlich wertneutral gemeint - an der Schale. Diese verdankt sich dem Silber. Gleichzeitig muss die Idee vorhanden sein, ein είδος in der Seele, was eine Schale überhaupt ist und dass sie ein Opfergerät sein kann. So verdankt das Opfergerät seine Existenz nicht nur dem Material, sondern auch der Form, dem Schalenhaften und vor allem ihrer Funktion als Opfergerät. Dadurch wird die Schale erst vollendet und erfüllt ihren Daseinszweck im Gegensatz zur bloßen Zweckmäßigkeit. Natürlich verdankt sich das Opfergerät auch dem Silberschmied, aber keineswegs als bloßer Effekt im Sinne seines Wirkens. Insgesamt existiert keine schlichte Kette von Kausalitäten. Stattdessen versammelt der Silberschmied die drei genannten Weisen des Verschuldens. Er überlegt sie sich, indem er sich seines Verstandes bedient und produziert daraufhin die Silberschale.
Die ποιησις ermöglicht es dem Schmied einem Stoff Form zu geben. Die Triebfeder der Fertigung ist der Wille des Schmieds. Die Silberschale wird gefertigt, um als Opferschale zu dienen. Weil sie ein unmittelbares Produkt eines identifizierbaren Urhebers ist und auf ihren Nutzen hin angelegt und zu bewerten ist, trägt der Schmied eine Verantwortung für seine Schale. Ist die Schale mangelhaft gearbeitet, sodass sie es nicht vermag etwas in sich zu bewahren, weil sie beispielsweise etwa Löcher hat, wird dies ein möglicher Nutzer dem Schmied gegenüber reklamieren. In den zwei genannten Aspekten Zweckmäßigkeit und Unmittelbarkeit unterscheidet sich die antike τέχνη-Konzeption, wie später ausgeführt werden soll, von der modernen Technik.
In der deutschen Ideologie schreibt Marx zu Feuerbach, dass die Menschen anfingen sich in dem Moment von den Tieren zu unterscheiden, in dem sie anfingen ihre Lebensmittel selbst zu produzieren. Dies war ein Schritt, der durch ihre körperliche Organisation begünstigt wurde.[8] Durch die Produktion der Lebensmittel beginnt indirekt eine Produktion des materiellen Lebens. Wo planvoll materielles Leben produziert wird, ist Technik das Mittel. Ein Nebeneffekt dieses Produzierens ist die Entstehung neuer Bedürfnisse. Denn wenn durch Entwicklung der Technik ein materielles Bedürfnis wie etwa die Beschaffung der Nahrung abgeschafft wird, entsteht natürlicherweise viel Freizeit und Freiraum für neue Bedürfnisse. Man bedenke, dass die Nahrungssuche, wie beispielsweise die organisierte Jagd, den gesamten Tag in Anspruch. Gleichsam entsteht Raum für eine neue Lebensweise, denn wie eine Gesellschaft ausgeprägt ist, hängt davon ab was und wie sie produziert. Wenn es sich so verhält, dass Technik durch Befriedigung von Bedürfnissen stetig neue Bedürfnisse produziert oder konstruiert, warum ist es dann ein scheinbar unendlicher Vorwärtsdrang, der das Handeln des homofaber bestimmt? Technik produziert Bedürfnisse. Doch in der Weiterentwicklung von Bedürfnissen werden Wirklichkeitserfahrungen und die Entfaltung der Menschheit möglich. Gerade darin liegt die Verwirklichung der Gattung Mensch.[9] Ein letztes τέλος[10] rückt nicht in greifbare Nähe, sondern ein erreichtes τέλος dient immer nur zur Grundlage für die Formulierung eines Neuen. In Wahrheit kennt diese Verfahrensweise keine Eschatologie. Demagogen muss man diejenigen nennen, die zur Erreichung persönlicher, in erster Linie wirtschaftlicher Bestrebungen Utopien konstruieren, von denen sie versprechen, man könne ein letztes τέλος erreichen, sofern man sich an den teuren Rat ihrer Erfinder halte. Dies birgt eine große Gefahr, denn ein zu enger Zielfokus macht blind für wichtige Fragen, die mit dem letzten τέλος nicht in Verbindung zu Stehen scheinen. Dadurch werden wichtige Ziele, die nicht durch das Zielsetzungssystem spezifiziert werden, ignoriert. Kurzzeitziele werden fokussiert und Langzeitziele außer Acht gelassen. In politischer und wirtschaftlicher Hinsicht haben alle Demagogen dieselbe
Vorgehensweise gemeinsam: Ideologie und Technik werden genutzt, um eine konstruierte Utopie zu erreichen oder zumindest an einem Optimierungsprozess mitzuwirken. Das Wesen dieser Methodik ist die Reduzierung: Um die Utopie steht es umso besser, je schlechter es einer Gesellschaft gehe.[11] Deshalb wird das Hier und Jetzt als schlechter und die Zukunft als besser präjudiziert und deshalb in den Dienst der Zukunft gestellt. Durch die Utopie entsteht eine Verdopplung der Welt in eine wirkliche und eine imaginäre, wobei der Mensch seine Wünsche oder zumindest sein Ideal aus dem Diesseits in ein überirdisches Jenseits überträgt.[12] Dieses Jenseits ist nicht gleichzusetzen mit der christlichen Jenseitsvorstellung. Man muss sich fragen, was die Utopie der Neuzeit und der Optimierungsprozess versprechen?
Bei einem Mehr an Fertigkeit und Wissen, der Steigerung des Wohlstandes, der Zunahme von Gerechtigkeit und Freiheit handelt es sich um Mehrwerte, die immer nur in Bezug auf eine Gesellschaft und nicht in Bezug auf das Individuum gedacht werden müssen und wiederum ein höhergestelltes Ziel haben: Die Steigerung des Glücks. Doch sicherlich trägt die Technisierung nicht zur Steigerung der menschlichen Glückseligkeit bei. Der technische Fortschritt vermag es zwar die Bedingungen des Glücks zu verbessern, doch bleibt ihm der Zugriff auf das Bewusstsein des Einzelnen verwehrt; der Ort, wo sich das Glück ereignet.[13] Außerdem kann durch die Formulierung kurzsichtiger, spezifizierter Ziele immer nur ein kleiner Radius an Interessen gedeckt werden.
Politische und wirtschaftliche Demagogen übergehen die Interessen anderer massiv. Die Formel 'der Zweck heiligt die Mittel' ist grundsätzlich gefährlich. Ob Mittel überhaupt heiliggesprochen werden können, ist zu bezweifeln. Als profan müssen sie jedenfalls bezeichnet werden, wenn sie für einen Zweck eingesetzt werden, der andere gefährdet oder wenn er unerreichbar ist. Eine solche Politik, die Technik ohne Rücksicht und Vorsicht einsetzt und wodurch Personen und Personengruppen sowie deren Interessen boykottiert werden, ist nicht zielführend im Sinne einer modernen Ethik. Die Technik ist ein wesentlicher Bestandteil sozialer Praxis. Warum der Mensch die Technik betreibt und wozu sie ihm nützlich ist, soll im Folgenden untersucht werden.
Der Vorwärtsdrang ist die Tantalusqual des Menschen, die erträglich wird, weil er zuweilen vom Apfel kosten kann, aber die deshalb fortdauert, weil er ewig hungrig bleibt. Dieser Fluch hat seine Ursächlichkeit im Wesen des Menschen selbst. Die logische Entwicklung der τέχνη zur modernen Technik ist aus einem der gattungsspezifischen Merkmale des Menschen ableitbar. Zunächst ist es Aristoteles, der den Menschen vom Tier abzugrenzen versucht, indem er ihm Sozietät und Ratio zugesteht. Insbesondere die Ratio, das naturbedingte Streben und sich Erschließen- Wollen der Welt sei die wesentliche Eigenschaft des Menschen. Dante erweitert Aristoteles Definition des Menschen.[14] Der Mensch sei ein vernunftbegabtes, politisches und auch ein kommunikatives, sprechendes Lebewesen. D i e Sprachfähigkeit ermögliche das Schaffen der menschlichen Gesellschaft. In Abgrenzung an scholastische Denker wie etwa Augustin oder Thomas, die auch Tiere und Engel als sprechend verstehen, konstatiert Dante die Fähigkeit des Sprechens als Proprium, das nur dem Menschen eigentümlich ist. Dante entzieht den Menschen dem biologischen Determinismus und schreibt ihm gegenüber den Tieren und Engeln Freiheit zu.
Diesen drei Merkmalen muss ein viertes hinzugefügt werden: die Technik. Der Mensch ist ein technisches Wesen. Ähnlich wie die Sprache der Sozietät dient, dient die Technik der Vernunft. Der Mensch wird ohne besondere Ausstattung, wie sie Tiere besitzen, in die Welt geworfen. Man denke an Krallen, ein scharfes Gebiss, schaufelartige Hände et cetera. Doch solche natürlichen Werkzeuge sind dem Menschen nicht gegeben. Sein Mängelnaturell macht ihn zur leichten Beute. Um diesen Mangel zu kompensieren, konzipiert er Werkzeuge, die eine Orthese seines Verstandes sind. Alsberg spricht vom ״Surrogat für mangelnde Organanpassung“[15], Adler von einer ״überkompensationkonstitutioneller Organminderwertigkeit der Menschenart“.[16] Ich betrachte die Technik als verdinglichte Extension des Geistes. Der Geist ist durch die mechanische Ergänzung der Hände veranlagt seine Sinnesbegabung produktiv und rezeptiv bis ins Einendliche zu erweitern.[17]
Es wurde bereits auf Marx Elnterscheidung von Mensch und Tier hingewiesen, die in Kraft tritt, als der Mensch beginnt, indirekt materielles Leben zu produzieren. Mit der neolithischen Revolution und ihren wichtigsten Folgen, dem Sesshaftwerden, der Agrikultur und Domestizierung von Tieren, beginnt diese Art der Produktion. Diese Errungenschaften, welche die Entwicklung des Menschen vorantreiben und den Fortschrittsoptimismus begründen, folgen alle demselben Prinzip, das Philosophen, Soziologen und Evolutionsbiologen ähnlich beschrieben haben. Im Folgenden muss dieses Prinzip untersucht werden.
Was Nietzsche den Willen zur Macht[18] nennt, was von Schopenhauer als Grundprinzip der Welt[19] beschrieben wird und was Hegel als Universalwille[20] bezeichnet, ist ein Antriebsprinzip der Evolution, dem jede Lebensform folgt. Dieses, den Organismus determinierende Prinzip, formuliert zwei Forderungen: Selbsterhaltung und Expansion. Alles Sein strebt nach Nietzsche zur Macht, was bedeutet, dass jedes Lebewesen von einem höchsten Ziel angetrieben wird: Dem Willen zur Macht.[21] Es handelt sich hierbei um einen Begriff, der einer weitergehenden Interpretation bedarf: Wille zur Macht ist nicht gleichzusetzen mit dem Selbsterhaltungstrieb jener Lebewesen, sondern vielmehr ein dynamisches Prinzip das allem Seienden inhärent ist und es dazu treibt, seine Möglichkeiten unabhängig von ethischen Wertungen nicht nur auszuleben, sondern gleichsam zu steigern.[22] Die Selbsterhaltung, die ein Ja zum Leben formuliert und darüber hinaus sich selbst zu reproduzieren beabsichtigt, wird im Expandieren-wollen transzendiert. Das Bestreben alles Seienden ist die stetige Ausweitung und Verbesserung der eigenen Möglichkeiten, die sich im sozialen Raum vor allem dadurch manifestiert, dass eine Hierarchie geschaffen und verschärft wird, die das Individuum, seinen Rang und seine Stärke sehen und empfinden lässt.
Hey de hat bemerkt, dass die Wörter Magie, Macht und Maschine auf den gleichen indogermanischen Stamm 'magh' zurückgehen.[23] Dieser etymologische Zusammenhang istv on großer Bedeutung, denn offen kundigkommentechnische Artefakte d e m Streben nach Weltbemächtigung entgegen. Sie sind zunächst selbst unmittelbares Werk und Ziel menschlicher Macht, werden gefertigt, um in einem Körper oder einem Gegenstand eine oder viele neue Eigenschaften zu erzeugen. Im He r st el lu n g s zu s a mme n h an g b es tä ti g en si e d ie me n s ch li ch e Gestaltungskraft und im Verwendungszusammenhang ermöglichen und steigern sie die Wirksamkeit menschlichen Handelns gegenüber Natur und Gesellschaft.[24]
Auch in vorneuzeitlichen Gesellschaften gilt der Wille zur Macht. Damals ist es die Magie, die durch obskure Techniken - aus heutiger Perspektive pseudowissenschaftlich - den Versuch unternimmt, sich zu bemächtigen und die Grenzen der Natur zu überwinden. Gehlen, der das zentrale Anliegen der Magie mit dem der Technik gleichsetzt, beschreibt sie als einen Versuch, die Gleichförmigkeit des Naturverlaufes sicherzustellen und den Rhythmus der Welt zu stabilisieren.[25] Darin ist der Versuch der Bemächtigung über die Natur, über die Welt sowie - und dahingehend müsste Gehlen ergänzt werden - über die Gesellschaft wiederzufmden.
[...]
[1] Kapp, Emst (2015): Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungseschichte der Kultur mit neuen Gesichtspunkten. Hamburg: Felix Meiner Verlag.
[2] Hösle, Vittorio (1992): Praktische Philosophie in der modemen Welt. München: Beck, s 87.
[3] Hubig, Christoph (2006): Die Kunst des Möglichen I. Die Technikphilosophie als Reflexion der Medialität. Nielefeld: Transcript., s. 82.
[4] Poietische Arbeit ist darauf ausgerichtet, etwas zu produzieren oder auf dem Umweg der Arbeit einen anderen Zweck zu erreichen.
[5] Ropohl, Günter (1991): Technologische Aufklärung. Beiträge zur Technikphilosophie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, s. 56.
[6] Heidegger, Martin (2000): Gesamtausgabe. 1. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1910-1976. Band 7: Vorträge und Aufsätze. Frankfurt a.M.: Klostermann, S.8.
[7] Aristoteles: Nikomachische Ethik. Stuttgart: Reclam, Buch VI 1139a 22. b5.
[8] Vgl. Marx, Karl und Engels, Friedrich (1953): Die deutsche Ideologie :Kritik d. neuesten dt. Philosophie in ihren Repräsentanten, Feuerbach, B. Baueru. Stimer, u.d. dt. Sozialismus in seinen verschiedenen Propheten. Berlin: Dietz, s. 21.
[9] Zit nach: Bloch, Emst (1969): Karl Marx und die Menschlichkeit. Utopische Phantasie und Weltveränderung. Rowohlt, F.a.M. 1969, s. 90.
[10] Hier: ein erstrebenswerter und angestrebter Zustand.
[11] Vgl. Keegan, John (1995): Die Kultur des Krieges. 1. Auflage. Berlin: Rowohlt, s. 43.
[12] Vgl. Bloch, Emst (1969): Karl Marx und die Menschlichkeit. Utopische Phantasie und Weltveränderung. Frankfurt a. M: Rowohlt, S.91.
[13] Vgl. Ropohl, Günter(1991): s. 253
[14] Vgl. Alighieri, Dante: über die Beredsamkeit in der Volkssprache. Hamburg: Meiner, I, Kapitel 2.
[15] Zit. Nach: Scheler, Max (1995): Die Stellung des Menschen im Kosmos. 13. Auflage. Bonn: Bouvier Verlag, s. 59.
[16] Zit. Nach: Scheler Ebd.
[17] Vgl. Kapp(2015), s. 36.
[18] Nietzsche, Friedrich (2014): Genealogie der Moral. Eine Streitschrift. Stuttgart: Reclam.
[19] Schopenhauer, Arthur (1977): Die Welt als Wille und Vorstellung. Zürich: Diogenes.
[20] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1964): Sämtliche Werke VII. Stuttgart: Frommann.
[21] Vgl. Nietzsche (2014), II Nr. 5, s. 55f.
[22] V gl. Gerhardt, Volker: Genealogische Ethik, In: Pieper, Annemarie (Hrsg.): Geschichte der neueren Ethik, Band 1 Neuzeit, Tübingen 1992, s. 293f.
[23] J. E. Heyde (1967): ״Möglichkeit und Notwendigkeit“, In: Name: Die Philosophie und die Wissenschaft.
Simon Moser zum 65. Geburtstag, hrsg. V. E. Oldemeyer, Meisenheim, s. 23.
[24] Vgl. Ropohl (1991), s. 180.
[25] Gehlen, Arnold (1957): Die Seele im technischen Zeitalter. Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Gesellschaft. Hamburg: Rowohlt, s. 15.
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