Bachelorarbeit, 2018
59 Seiten, Note: 2,4
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Hip-Hop in den USA
2.1 Ursprung und die vier Säulen des Hip-Hop
2.2 Gesellschaftliche Bedeutung
3 Konsum
3.1 Definition und Eingrenzung des Konsumbegriffs
3.2 Konsumkritik
4 Die Rolle der Frau in Hip-Hop-Musikvideos
5 Die untersuchten Künstler
5.1 The Notorious B.I.G.
5.2 Migos
6 Bedeutung von Bewegtbildern in der Musik
7 Empirische Methode: Inhaltsanalyse
7.1 Auswahl des Analysematerials
7.2 Hypothesen
7.3 Kategoriensystem
7.4 Codieranweisungen
8 Ergebnisse
9 Fazit
Literaturverzeichnis
Hip-Hop ist längst im Mainstream angelangt und bei der jüngeren Generation das beliebteste Musik-Genre in Deutschland. Musikvideos spielen dabei eine immer größere Rolle und erfreuen sich immenser Klickzahlen auf Plattformen wie YouTube. Besonders der Inszenierung von materiellen Gütern wird dabei eine interessante Bedeutung zugesprochen.
Die vorliegende Arbeit untersucht anhand der Künstler The Notorious B.I.G. und Migos, inwieweit sich die Darstellung von Konsumgütern und die Rolle der Frauen in Musikvideos innerhalb der letzten Jahrzehnte verändert hat.
Hinsichtlich der Beantwortung der Forschungsfrage wird eine Inhaltsanalyse durchgeführt und der Gesamtzusammenhang zwischen Schnittwechseln, den gezeigten Motiven und ihrer Darstellung untersucht.
Die Analyseergebnisse zeigen, dass nicht nur die Häufigkeit von Schnitten und verschiedenen Konsumgütern in Musikvideos zugenommen hat, sondern sich auch die Art der Präsentation verändert hat.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Szene ohne gewerteten Schnittwechsel; Quelle: Screenshots, YouTube-8 ca. 1:33 Min.
Abbildung 2: Einstellung einer Halbtotalen; Quelle: Screenshot, YouTube-12 ca. 0:48 Min.
Abbildung 3: Halbnahe Einstellung; Quelle: Screenshot, YouTube-4 ca. 0:45 Min.
Abbildung 4: Vorlage zur Farbeinteilung nach Küppers; Quelle: Styleharmony 2015, vgl. auch Küppers 1999.
Abbildung 5: Setting einer warmen Atmosphäre; Quelle: Screenshot, YouTube-1 ca. 0:29 Min.
Abbildung 6: Setting einer kalten Atmosphäre; Quelle: Screenshot, YouTube-11 ca. 1:28 Min.
Abbildung 7: Absolute Häufigkeit einzelner Konsumgüter im Vergleich; Quelle: eigene Erhebung.
Abbildung 8: Product Placement in Migos-Slippery; Quelle: Screenshots, YouTube-14 ca. 0:19 und 1:14 Min.
Abbildung 9: Product Placement in Migos-What The Price; Quelle: Screenshots, YouTube-16 ca. 1:49 und 2:06 Min.
Abbildung 10: Atmosphäre bei Markenlogos; Quelle: eigene Erhebung.
Abbildung 11: Atmosphäre bei Verkehrsmitteln; Quelle: eigene Erhebung.
Abbildung 12: Darstellung eines Autos während einer Verfolgungsjagd; Quelle: Screenshot, YouTube-3 ca. 3:39 Min.
Abbildung 13: Darstellung Verkehrsmittel bei Migos; Quelle: Screenshot, YouTube-14 ca. 3:28 Min.
Abbildung 14: Atmosphäre bei Geld; Quelle: eigene Erhebung.
Abbildung 15: Bargeld in einer nahen Einstellung bei kalter Atmosphäre; Quelle: Screenshot, YouTube-12 ca. 2:34 Min.
Abbildung 16: Darstellung von Drogen; Quelle: eigene Erhebung.
Abbildung 17: Handlung der Frau; Quelle: eigene Erhebung.
Abbildung 18: Vergleich posierender Frauen im 20. und 21. Jahrhundert; Quelle: Screenshots, YouTube-1 ca. 3:27 Min und YouTube-14 ca. 1:26 Min.
Abbildung 19: Atmosphäre bei posierenden Frauen; Quelle: eigene Erhebung.
Abbildung 20: Fastfood und Champagner; Quelle: Screenshot, YouTube-9 ca. 2:31 Min.
Abbildung 21: (Bären)Fell im Musikvideo Migos-T-Shirt; Quelle: Screenshot, YouTube-15 ca. 2:12 Min.
Tabelle 1: Allgemeine Kennzahlen des Untersuchungsmaterials; Quelle: eigene Erhebung.
Tabelle 2: Ermittlung relativer Häufigkeiten gezeigter Konsumgüter; Quelle: eigene Erhebung.
Tabelle 3: Anteile von Accessoires und Drogen in kurzer Aufnahmedistanz; Quelle: eigene Erhebung.
Tabelle 4: Verhältnisse bei der Inszenierung von Interpreten; Quelle: eigene Erhebung.
Tabelle 5: Analyse der Schnitte ohne Interpreten; Quelle: eigene Erhebung.
„Nearly half of the songs on Jan. 27’s Billboard Hot 100 chart[1] were rap or incorporate elements of hip-hop. Listening in the genre increased 74% on Spotify[2] in 2017” (Bruner 2018). In diesem Jahr belegten erstmalig drei Hip-Hop Künstler drei Plätze der Top 5 auf Spotify, was einem Durchbruch im Mainstream gleichkommt – stark begünstigt durch Streaming Dienste und Soziale Plattformen (ibid.).
Heutzutage werden selbst namhafte Hip-Hop Künstler, wie beispielsweise A$AP Rocky[3], als Hauptdarsteller in der Werbung führender Markenunternehmen wie Mercedes-Benz eingesetzt. Ein Beispiel bietet die Grow up-Kampagne von Mercedes-Benz (vgl. Sander 2017).
Das Thema wurde ausgewählt, weil Hip-Hop inzwischen aus einem Nischen-Dasein getreten ist und in der Gesellschaft zunehmend an Akzeptanz gewinnt. Darüber hinaus ist Hip-Hop ein Lifestyle, der den Markt bestimmt (vgl. Binswanger 2005).
„Laut einer Schätzung des Magazins «Business Week» stehen ein Viertel aller Konsumentscheidungen in den USA mit Hip-Hop in Zusammenhang, mit Hip-Hop werden, so schätzte das Magazin «Forbes», jährlich über 10 Milliarden Dollar umgesetzt. Und das natürlich nicht allein mit Musik, sondern mit allem, was dazu gehört: Fashion, Attitüde und Lifestyle“ (ibid.).
Ziel dieser Arbeit ist es anhand von je acht Videoclips zweier erfolgreicher Künstler der Hip-Hop Szene festzustellen, ob sich Unterschiede zwischen Musikvideos aus dem 20. und dem 21. Jahrhundert in Bezug auf Konsumverherrlichung herausstellen lassen. Daraus ergibt sich folgende Forschungsfrage:
Hat sich die Inszenierung von Materialismus in Hip-Hop-Musikvideos anhand ausgewählter Künstler vom 20. zum 21. Jahrhundert verändert?
Dies geschieht mittels eines inhaltsanalytischen Verfahrens, indem die Inhalte von jeweils acht ausgewählten Musikvideos aus dem 20. und dem 21. Jahrhundert gegenübergestellt werden. Dabei werden die einzelnen Videos hinsichtlich dargestellter Konsumgüter, Frauen und Interpreten genauer betrachtet. Diese Arbeit beschränkt sich auf den visuellen Aspekt der Schnitte. Die Tonspur[4] wird nicht untersucht.
Nachdem der Hintergrund des Themas dargelegt und eine Einführung in die inhaltlichen Schwerpunkte der Forschungsthematik erfolgt ist, werden in den nachfolgenden Kapiteln zwei bis sechs die theoretischen Grundlagen beschrieben.
Das siebte Kapitel erläutert die verwendete Analysemethode und stellt die Vorgehensweise dar. Ebenso wird das Untersuchungsmaterial dieser Arbeit vorgestellt und die Hypothesen aufgezeigt. Anschließend werden das Kategoriensystem und die expliziten Codieranweisungen für diese Analyse aufgestellt. Danach folgt die Auswertung der Analyseergebnisse und deren Interpretation in Kapitel acht.
Als Fazit bietet das neunte Kapitel eine Zusammenfassung und einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse sowie eine kritische Hinterfragung der Arbeit und mögliche Perspektiven und Forschungsausblicke des Themas.
Hip-Hop ist heute ein globales Phänomen, welches in allen Bereichen der Gesellschaft eine bedeutende Rolle spielt, und sowohl Wirtschaft, Sport, Popkultur als auch Politik durchdringt. „Hip-Hop beeinflusst nicht nur den Mainstream, er ist Mainstream“ (Wheeler 2016a: 0‘38‘‘-0‘42‘‘), dennoch wird die Geschichte seines Ursprungs immer wieder vernachlässigt (ibid.: 0‘22‘‘-0‘49‘‘).
Wenn auch die Wurzeln des Rap als Gesangsstil weit zurück in Afrika liegen (vgl. Keyes 2002: 17), konzentriert sich diese Arbeit im Folgenden auf die Ursprünge des Hip-Hop in den USA. Das Kapitel beschreibt die Entstehung des Genres Hip-Hop, seine einzelnen Bestandteile beziehungsweise Ausprägungen und die allgemeine gesellschaftliche Bedeutung im Besonderen für die Vereinigten Staaten von Amerika.
Hip-Hop entstand als junge künstlerische Massenbewegung im New Yorker Stadtteil South Bronx der frühen 1970er Jahre (ibid.: 1). Ursprünglich strebten die afroamerikanischen Hip-Hop Künstler in ihrem tristen Umfeld nach Veränderung und Alternativen. Dies wurde in Form einer neuen polarisierenden Stilrichtung mit neuer Musik, Sprache, Tänzen und Kleidung ausgedrückt (vgl. Lommel 2001: 17). Alles vor dem Hintergrund der Bürgerrechtsbewegung gegen Rassentrennung in den 60er Jahren, deren errungenen Rechte aber nur langsam umgesetzt wurden (vgl. Keyes 2002: 39) und im Zuge des New Yorker Cross-Bronx Expressway Project[5], das die Interessen der Reichen begünstigte. Dabei wurden die Interessen der Arbeiterklasse vernachlässigt, die in zerstörten sozialen Strukturen zurückblieben (vgl. Lommel 2001: 18).
Die Anfänge des Rap in den USA begannen auf den Blockpartys in den Ghettos der South Bronx, da die schwarzen Künstler oftmals keinen Zutritt zu den Clubs New Yorks erlangten. Folglich trugen sie dort ihre Gedanken zu sozialen sowie politischen Themen in Form von Rap dem Publikum vor. Mittlerweile ist aus der anfänglich kleinen Szene ein weltweites Musik-Genre entstanden, welches zahlreiche Stars hervorbringt (vgl. Musikradar 2017).
Grundsätzlich wird in der Musikwissenschaft von vier Säulen des Hip-Hop gesprochen. Hip-Hop besteht demnach aus Disc Jockeys, die das Rückgrat des Rap – nämlich die Beats – produzieren, MC‘s[6] – heute primär als Rapper bekannt – sowie den Breakdancern und Graffiti-Künstlern. Rap bezieht sich vornehmlich auf die beiden zuerst genannten Elemente (vgl. Lommel 2001: 19 ff).
Was heutzutage unter Hip-Hop Musik verstanden wird, geht zurück auf den Pionier und DJ Kool Herc. „Kool Herc saw crowds go crazy when he played the instrumental break of a song over and over by cutting back and forth between identical copies of a record on two turntables” (ibid.: 20 f). Diese Technik wird „break beat disc jockeying“ (ibid.: 21) genannt und ist fortan das Herzstück des Hip-Hop.
Zum einen wird Hip-Hop als Musikrichtung definiert und zum anderen als Kultur. Nach Meinung von DJ Kool Herc umfasst Hip-Hop jedoch deutlich mehr als vier Elemente. Er versteht Hip-Hop vielmehr als Basis für ein soziales Miteinander, eine Form der Ausdrucksweise und um interkulturelle Brücken zu bauen (vgl. Chang 2006: XI f).
Bereits vor der Entstehung des Hip-Hop wurden durch die Massenmedien schwarze Jugendliche als Bedrohung für die Sicherheit des amerikanischen Mainstreams dargestellt. Da Rap zum Sprachrohr der städtischen Jugend aufstieg, wurde es als ein bedrohliches Genre eingestuft (vgl. Lommel 2001: 83). Auch heute noch wird Rap wegen seiner gewaltverherrlichenden und frauenfeindlichen Textinhalte seitens der Medien kritisiert. Nach Auffassung der konservativ eingestellten amerikanischen Gesellschaft seien zudem alle Rapper gleich. Sie unterscheidet oft nicht, dass nur ein Teil der Künstler an dem gewalttätigen Image festhält (ibid.: 64 f).
Diese Vorbehalte spitzten sich zu, als die Popularität von Hip-Hop in den 1980er Jahren anstieg, und fortan auch von weißen Jugendlichen in den Vororten konsumiert wird (ibid.: 67 f). Allgemein berichten die ersten Mainstream Artikel über Rap ausschließlich von negativen Ereignissen in Verbindung mit der Hip-Hop Kultur. Berichte über die Kunstform Rap an sich waren ebenfalls negativ (ibid.: 84). Diese Befürchtungen mündeten in einem Gesetz, welches Plattenfirmen dazu zwang, fragwürdige Inhalte in Songtexten mit dem Parental Advisory, Explicit Lyrics-Sticker[7] zu kennzeichnen, der bald zu einem Synonym für Hip-Hop avancierte (ibid.: 68).
Hip-Hop stellt eine Zugehörigkeit dar, die die Bedürfnisse und Interessen der städtischen Jugend in Bezug auf Politik, Religion, afrikanische Kultur, das Leben auf der Straße, Gangs, Drogen, Autos, Schmuck und Sex verkörpert. Rapper „weren’t telling people something that didn’t already exist. All they do is talk about things that are going on” (ibid.: 79).
Angesichts einer wachsenden wirtschaftlichen Stärke durch eine von Schwarzen geprägte Musiksparte, äußert Jefferson Morley[8] provokativ die Vermutung, dass in Amerika Schwarze und Weiße gleichermaßen auch Werte der schwarzen Bevölkerung vertreten und nicht nur Schwarze die Werte der weißen Bevölkerung übernehmen. Damit geht ein wachsender Einfluss auf den Mainstream einher (ibid.: 103).
Klein und Friedrich sprechen von einer hybriden und glokalen Kultur, die sich einerseits im Spannungsfeld von afroamerikanischer Ghettokultur und US-amerikanischer Popkultur bewegt, und andererseits bei globaler Präsenz eine Vielzahl verschiedener lokaler Ausprägungen hervorbringt (Klein und Friedrich 2011: 9f).
Konsum beschreibt nach dem Gabler Wirtschaftslexikon allgemein den Verbrauch und/oder die Nutzung materieller und immaterieller Güter durch Endverwender (vgl. Springer Gabler 2018a). Aufgrund der Besonderheiten in der Hip-Hop Szene ist es sinnvoll den Begriff des Luxusmarketings zu definieren. Luxusmarketing umschreibt nach Gabler ein Marketing, welches sich konkret vom Marketing von Massenprodukten differenziert und darauf abzielt, ein Verlangen nach etwas Ausgefallenem und Wertvollem zu kreieren und zu befriedigen. Luxusmarken verkörpern Exklusivität und beständige Werte (vgl. Springer Gabler 2018b).
Ein weiterer Begriff der häufig im Zusammenhang mit Hip-Hop auftaucht ist Bling Bling und wird offiziell im Oxford Dictionary[9] definiert als: „Denoting expensive, ostentatious clothing or jewellery, or the style or materialistic attitudes associated with them“ (Oxford Dictionary o.J.).
Die folgenden Ausführungen beruhen auf dem Begriff des Materialismus, der eine „(oft abwertend) materielle, auf Besitz und Gewinn bedachte Einstellung dem Leben gegenüber“ bezeichnet (vgl. Duden o.J.). Unerheblich für diese Arbeit sind die zweite, philosophische Betrachtung des Begriffs laut Duden – nach Gabler auch dialektischer Materialismus genannt – und die Begriffsdefinitionen eines historischen Materialismus nach Marx und Engels (vgl. Springer Gabler 2018c). Denn der Anspruch dieser Arbeit ist es weder philosophische Ansätze noch Gesellschaftsordnungen genauer zu untersuchen, sondern Einflüsse von Hip-Hop-Musikvideos auf das Konsumverhalten des Endverbrauchers herauszustellen.
Vor diesem Hintergrund wird im weiteren Verlauf allgemein von Konsumgütern gesprochen.
Die amerikanische Gesellschaft ist äußerst materiell eingestellt (vgl. Heybrock 2003). Luxusgüter und Exklusivität sind fester Bestandteil des amerikanischen Lebensstils und Symbole für Erfolg. Eine Begeisterung für hochpreisige Markenprodukte sowie attraktive Frauen spiegelt sich auch in großem Ausmaß in zahlreichen Hip-Hop-Musikvideos der letzten Jahrzehnte wieder (vgl. Rutenberg 2003).
Neben dem American Dream wird inzwischen vom amerikanischen Crossover Dream gesprochen, der aussagt, dass jeder selbst für den eigenen Erfolg verantwortlich ist (vgl. Klein und Friedrich 2011: 8). In Ghettos wie beispielsweise der Bronx, „die die Erfahrungen von materiellem Mangel und Knappheit gemacht hat, wird materieller Besitz zu einer Errungenschaft, die sich zunächst positiv auf die subjektive Zufriedenheit auswirkt“ (Bak 2011: 30). Einige Hip-Hop Künstler sehen demnach durch Plattenverträge einen Weg heraus aus der Armut (vgl. Keyes 2002: 171). Zahlreiche Rap-Interpreten stellen ihren gewonnenen Reichtum in Form von Materialismus dar und treten mit einer sogenannten Hip-Hop Attitüde auf, welche durch Sneakers, Accessoires und andere Markenprodukte gekennzeichnet ist (vgl. Keyes 2002: 123 f). Sie suggerieren folglich sich und ihren Zuschauern, dass lediglich der Status im Leben zählt (vgl. Rutenberg 2003).
„Seitdem hat sich in der Hip-Hop Szene vieles verändert. Wo früher überwiegend soziale Missstände zur Sprache kamen, dominieren heute Sex, Drogen, Partys, Geld und Gewalt die Songtexte“ (Lavina 2014).
Insbesondere die Modeindustrie profitiert vom Kultur- und Street-Style in Milliarden Höhe. Dies wird der Tradition verdankt, dass Rapper wie zunächst Run DMC die Marken ihrer Lieblingskleidung in ihren Texten anpreisen (vgl. Lommel 2001:103). Die Mitglieder dieser Hip-Hop Gruppe waren die ersten Nicht-Sportler, die einen Werbevertrag mit einem Sportartikelhersteller erhielten und erstmalig die Macht des Brandings[10] im Hip-Hop aufzeigten (vgl. Wheeler 2016b: 15‘22‘‘-15‘40‘‘).
Anfang des 21. Jahrhunderts sollten einer Schätzung zur Folge 25 Prozent der Konsumentscheidungen in den USA im weitesten Sinne auf Hip-Hop beruhen (vgl. Rutenberg 2003). Da herkömmliche Werbung, insbesondere von Jugendlichen, schnell durchschaut wird, setzen Marketingexperten auf eine authentischere Alternative. Hip-Hop fungiert zunehmend als Werbeträger (vgl. Gutowski und Crabben 2004).
Zu Beginn waren Hersteller luxuriöser Marken unschlüssig, wie mit einem kostenlosen Marketing umgegangen werden sollte, da Rapper ursprünglich nicht der Zielgruppe entsprachen (ibid.). Die Synergie von Luxusartikeln und Hip-Hop-Videos als Werbemedium bietet ein zusätzliches Risiko aufgrund von Schnelllebigkeit und Austauschbarkeit, denn Luxusmarken leben von ihrem Image zeitlos zu sein (vgl. Rutenberg 2003).
Während sich einige Vertreter der Hip-Hop Szene, wie zum Beispiel P. Diddy[11], neben ihren Plattenlabels schon früh mit eigenen Modelabels und dem Generieren von Werbeverträgen in allen Branchen ein zweites Standbein aufbauen (ibid.), sprechen sich andere Künstler explizit gegen eine Abhängigkeit vom Materialismus aus (vgl. Keyes 2002: 172).
Talib Kweli, beschrieben als intellektueller Rapper und Kritiker des materialistisch geprägten Hip-Hop, lehnt hedonistische[12] Inhalte prinzipiell nicht ab, spricht sich aber für ein ausgeglichenes Verhältnis zu anderen Themen aus (vgl. Lavina 2014).
DJ Kool Herc, Mitbegründer des Hip-Hop, stellt deutlich die Frage: „Are you really living a luxurious life? Don’t you have other issues? What things touch you?” Er spielt darauf an, dass Hip-Hop nicht getreu der ursprünglichen Philosophie genutzt wird. Hip-Hop soll seiner Meinung nach ein Dialog sein, um schlimmen Situationen entgegen zu wirken und nicht für Banalitäten wie der Propaganda von Konsumgütern genutzt werden. Hip-Hop sollte den Einfluss auf die Jugend nutzen, um positive Werte zu vermitteln (vgl. Chang 2006: XI ff).
Kendrick Lamar, vierfacher Grammy-Gewinner 2018, steht ebenfalls für die Kraft des Hip-Hop, insbesondere eines politischen Einflusses, der durch „Pose und Show, Machismus[13] und Materialismus, Dollarscheinen und Bling-Bling“ unterwandert wird (vgl. Skrobala 2015).
Die Hip-Hop Szene spiegelt einen patriarchalischen Männlichkeitskult wieder. Männer dominieren nicht nur quantitativ, sondern werden in dieser Männerwelt auch Frauen gegenüber übergeordnet dargestellt (vgl. Klein und Friedrich 2011: 24). Selbstverständlich sind weibliche MC’s oder B-Girls[14] nicht unbedeutend für die Hip-Hop Kultur. Dennoch sind weibliche Künstler nicht explizit Gegenstand dieser Arbeit, und werden im weiteren Verlauf ebenso wenig wie die sogenannte subversive[15] Feminismus-Bewegung im Hip-Hop genauer untersucht. Vielmehr ist für diese Arbeit interessant, welche Rollen den Frauen in Bezug auf die genannte Geschlechterhierarchie in den Musikvideos zugewiesen werden.
Grundsätzlich nehmen Frauen in dem wohl wichtigsten Medium des Hip-Hop – dem Musikvideo – eine passive Nebenrolle ein, häufig als Fans, Tänzerinnen oder Zuschauerinnen. Männer hingegen werden meist aktiv rappend gezeigt. „Die Texte so belegen die Bilder, sind Geschichten von Männern für Männer“ (Klein 2007). Frauen dienen als Beiwerk, denen die Rapper die Handlung vorgeben. Durch „ihre lasziven Körperbewegungen“ (ibid.) werden Frauen posierend und oft als rein dekoratives Statussymbol dargestellt (vgl. Rutenberg 2003).
Der Verfasser hat für die Analyse von Musikvideos hinsichtlich der Forschungsfrage die folgenden beiden Künstler ausgewählt. Das Kapitel zeigt die Biografien der US-amerikanischen Hip-Hop Künstler The Notorious B.I.G. und Migos auf und schildert ihre Bedeutung für das 20. beziehungsweise 21. Jahrhundert.
In dieser Arbeit hätten auch Videos anderer Künstler aus dem Bereich der Musikwissenschaft visuell analysiert werden können. Der Verfasser konzentriert sich aber mit B.I.G. auf den erfolgreichsten Rapper aller Zeiten (vgl. Hellmich 2015 und Musikradar 2017). The Notorious B.I.G. gilt als Vorreiter für die Darstellung von Konsumverherrlichung und ist bekannt für sein Streben nach materiellem Wohlstand (vgl. Lommel 2001: 57). Er legte den Grundstein für kommerziellen Erfolg im Mainstream und gilt als erster erfolgreicher Rapper in einem konsumorientierten Pop-Business (vgl. Diss 2013). Migos als Repräsentanten für das 21. Jahrhundert wurden ausgewählt, da sie als die beste Hip-Hop Gruppe des Jahres 2017 mit dem BET-Award[16] ausgezeichnet wurden (vgl. BET Awards 2017).
Christopher Wallace, auch bekannt wegen seiner Körperfülle als Biggie Smalls oder The Notorious B.I.G.[17] wurde am 21. Mai 1972 als Sohn einer strengen und behütenden Mutter im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren. Er war in jungen Jahren ein guter Schüler, bis er schließlich in die Drogendealer-Szene abwanderte und schlussendlich die Schule abbrach (vgl. Lang 2007: 1ff). Mit bereits 13 Jahren gründete er zusammen mit einem Freund die erste Gruppe namens Technique Crew (vgl. laut.de o.J. b) und machte sich schnell auf den Straßen Brooklyns einen Namen (vgl. Musikradar 2017). Früh wurde Uptown Entertainment[18] auf B.I.G. aufmerksam (vgl. Toure 1994), somit auch P. Diddy, der ein neues Talent hervorbringen wollte und nun B.I.G. zum Sexsymbol machte. Als versierter Lyriker mit Gangster-Attitüde präsentierte sich B.I.G. als Storyteller und berichtete vom Leben auf der Straße (vgl. laut.de o.J. b).
„Sein Stil zwischen komplexer Metaphorik und plumpen Sexismus katapultiert das Schwergewicht in den Rap-Olymp, Puffys Produktionsskills hieven "Ready To Die" in die Charts der Welt. Ende 1994 heißt der neue Rap-Held mit Verkaufszahlen im Platin[19] -Bereich The Notoroius B.I.G“ (ibid.).
Nach einem Überfall im November 1994 auf den West Coast-Rapper Tupac[20], der trotz fünf erlittener Kugeln überlebte, äußerte dieser den Verdacht, sein Rap-Kollege B.I.G. stecke dahinter, wodurch eine der meist beachteten Fehden der Musikgeschichte entfachte und Differenzen zwischen Ost und West entstanden (vgl. laut.de o.J. b). Der Verdacht einiger West Coast Rapper fiel erneut auf das Umfeld von B.I.G., als Tupac in Las Vegas 1996 erschossen wurde. Es wird eine mögliche Racheaktion vermutet, bei der B.I.G. von vier Kugeln getroffen wurde (vgl. Musikradar 2017) und am 9. März 1997 in Los Angeles seinen Verletzungen erlag (vgl. laut.de o.J. b). Der Mord an B.I.G. ist bisher nicht aufgeklärt worden (vgl. Musikradar 2017).
Kurz nach seinem Tod erschien sein zweites Album „Life After Death“, welches sich über zehn Millionen Mal verkaufte und damit Radio- und Videokanäle stürmte (vgl. laut.de o.J. b). Mit nur einem zu seinen Lebzeiten veröffentlichten Album liefert er der Ostküste das erste kommerziell erfolgreiche Rap-Album, lenkt die Aufmerksamkeit auf das von P. Diddy neu gegründete Label Bad Boy und „rappt sich selbst zur Unsterblichkeit“ (laut.de o.J. b).
B.I.G. hat es geschafft, trotz seines frühen Ablebens mit nur 24 Jahren, in die Geschichte einzugehen. Noch heute prägt er mit seiner Musik die Nachwelt „wie kaum ein anderer Musiker seiner Zeit. Er gilt als erfolgreichster Rapper der Ostküste und vielleicht beliebtester Rapper aller Zeiten“ (Musikradar 2017; vgl. Hellmich 2015).
Im Laufe der Zeit erreichten seine Alben mehrfach Platin und „Life After Death“ sogar eine Diamantene[21] Schallplatte als Auszeichnung (vgl. RIAA o.J. b).
Migos ist ein Trio bestehend aus den drei Bandmitgliedern Quavious Marshall alias Quavo, seinem Neffen Kirshnik Ball alias Takeoff und Cousin Kiari Cephus alias Offset, die alle drei ohne Väter bei Quavos Mutter in Gwinnett County, Georgia, aufwuchsen. Immer wieder gerieten sie, unter anderem wegen Drogendelikten und unerlaubtem Waffenbesitz mit dem Gesetz in Konflikt (vgl. Hensch 2017).
Heute gelten sie als Beatles des Rap beziehungsweise Trap[22] und seitens der Internetnutzer sogar als die beste Band der Welt (vgl. Zwinzscher 2017).
Bereits im Teenageralter gründeten sie ihre erste Musikgruppe und seit 2010 treten sie unter ihrem heutigen Namen Migos auf (laut.de o.J. a), angelehnt an das spanische Wort amigos und mit Verweis auf die vorherrschenden mexikanischen Kartelle der Stadt Atlanta, in deren Szene sie von klein auf verwurzelt sind. Die drei Künstler landeten ihren ersten lokalen Hit mit Bando. Nach einiger Zeit geht Zaytoven, ein bekannter Musikproduzent, auf Quavo zu und versorgt die drei mit Beats und Kontaktdaten. Das folgende Mixtape „Young Rich Niggas“ aus dem Jahre 2013 ermöglichte einen großen Schritt ins Rap-Geschäft (vgl. Hensch 2017). In den USA erhielt die Gruppe für sechs Singles Gold, für drei weitere Platin und für ein Album die Platin-Auszeichnung (vgl. RIAA o.J. a).
Migos treffen mit ihrer Musik den Zeitgeist der jüngeren Generation. Ihre Singles erhalten mindestens 100 Millionen Aufrufe auf YouTube[23]. Der bei Spotify am häufigsten aufgerufene Song der Beatles „Here Comes The Sun“ wurde etwa 60 Millionen Mal abgerufen (vgl. Zwinzscher 2017). Das Trio ist Paradebeispiel für die Musik der Gegenwart und deshalb ähnlich schwer von Elterngenerationen zu verstehen wie in der Vergangenheit die Beatles (vgl. Hensch 2017). Allein ihre „Outfits sind bunter als ein holländischer Blumenmarkt“ (Zwinzscher 2017).
Ihre Texte beziehungsweise ihre Hooks[24] bestehen meist aus kurzen eingängigen Phrasen, gemischt mit Ironie und Übertreibungen, wie beispielsweise der Song Versace (vgl. Zwinzscher 2017), der mit seiner Ein-Wort-Hook innerhalb weniger Stunden im Internet so häufig aufgerufen wurde, dass er als „Wegweiser für den HipHop-Mainstream der nächsten Jahre“ (Hensch 2017) gilt. Ihr Triplet-Flow[25], bestehend aus wechselnder Betonung und verschiedenen Adlibs[26], gilt als Meilenstein einer neuen Hip-Hop Epoche (ibid.).
Wahrscheinlich wird auch das Migos-Zeitalter in einer so schnelllebigen Gesellschaft, mit unzähligen neuen Künstlern und Videos, in wenigen Jahren verblassen und daher auf ewig die Beatles als Maßstab verwendet bleiben (vgl. Zwinzscher 2017). Dennoch steht fest: „wenige HipHop-Künstler haben das Streaming-Zeitalter so gut verstanden“ (Hensch 2017).
Das Musikvideo ist ein neues besonders in den Anfängen sehr umstrittenes Medium. Es ist sowohl in den Kontext der Werbeforschung als auch der Kunstwissenschaft einzuordnen. Beide Forschungsgebiete lehnen jedoch eine vollständige Integration des Forschungsgegenstandes Musikvideo ab (vgl. Westreicher 2013: 121f).
Musikvideos fördern eine ideale Werbewirkung durch die Verbindung von Unterhaltung und unterschwelliger Botschaft. Wegen ihres viralen Potenzials und ihrer Massenwirkung stellen Musikvideos ein wichtiges Kriterium für die Forschung dar. Schnelle Bewegungen und Bildfolgen lösen einen Erregungszustand beim Rezipienten aus und sorgen für eine hohe Werbewirkung. Deswegen wird eine solche Videoästhetik vorzugsweise auch auf Werbevideos oder auf emotionale Szenen in Spielfilmen übertragen (vgl. Westreicher 2013: 122ff).
Kritik an dieser Art der Produktion ist, dass die Darstellungsweise oft als zu schnell und unstrukturiert wahrgenommen wird. Bereits genannte Erregung resultiert laut der meisten Studien in Überforderung und Ratlosigkeit (vgl. Westreicher 2013: 125). Nach Michael Altrogge aber haben sich die Sehgewohnheiten im Laufe der Zeit angepasst. Er ist bereits 1993 der Meinung, dass ein Musikvideo wegen seiner Häufigkeit an Schnittwechseln und einer unkonventionellen Anordnung von Bildern keiner generellen Beschleunigung unterliege (vgl. Altrogge 1993: 206ff). Diese Annahme wird durch weitere Studien gestützt, welche herausstellen, dass Bilder im Vergleich zu sprachlichen Inhalten nach kürzester Betrachtungszeit wahrgenommen und in den richtigen Kontext eingeordnet werden können (vgl. Lobinger 2012: 76). Laut Kroeber-Riel seien Bilder „schnelle Schüsse ins Gehirn“ (von Kroeber-Riel 1993, zitiert nach Lobinger 2012: 76). Weitere Reize, die zur Aufmerksamkeitssteigerung führen, sind beispielsweise Neuartigkeit, Größe oder Farbe des Bildes. Durch die gezielte Auswahl von Farben kann ein Bild emotional dargestellt werden (vgl. Lobinger 2012: 77ff).
Neben der formalen Kritik, sieht die Wissenschaft inhaltliche Probleme bei der Inszenierung von Gewalt, Drogen und sexuellen Inhalten, mit der laut US-amerikanischer Forschung eine Verkümmerung der Jugend einhergeht (vgl. Westreicher 2013: 125). Zu diesen Themen wurden bereits wissenschaftliche Studien durchgeführt. Die meisten Studien kommen nicht zu übereinstimmenden und verallgemeinernden Ergebnissen. Es kann aber vermutet werden, dass die Inhalte von Texten und Bildern seitens unterschiedlicher Rezipienten, zum Beispiel in Bezug auf Geschlecht, Ethnie oder Konsumverhalten, zum einen differenziert wahrgenommen werden und zum anderen Emotionen vorranging durch Bilder, nicht aber durch die Musik selbst beeinflusst werden (vgl. Neumann-Braun und Mikos 2006: 88ff).
Schon 2004 dominierten Musikvideos mit einem Anteil von 50 Prozent den amerikanischen Musik-Fernsehsender MTV. Musikvideos bedeutender Stars werden genutzt, um Kleidung, Luxusgüter oder gar Lebensmittel mit dem Image der Künstler positiv aufzuladen (vgl. Westreicher 2013: 123f). Hier wird von Product-Placement[27] beziehungsweise Generic-Placement[28] gesprochen. Diese Werbeform funktioniert insbesondere in Form von Geschenken, die schließlich von den Musikern in ihren Videos präsentiert werden müssen. Die Vorbildfunktion der Musiker spielt dabei in Bezug auf die Modeerscheinung des Produktes eine maßgebliche Rolle. (vgl. Westreicher 2013: 123).
Musikvideos dienen Jugendlichen als Identifikationsmittel und zur Abgrenzung von anderen (vgl. Neumann-Braun und Mikos 2006: 100f). Neben der allgemeinen Vermarktung seiner Musik, spielt für den Künstler die gezielte Inszenierung von Authentizität im Hip-Hop eine elementare Rolle (vgl. Klein und Friedrich 2011: 141f).
„Die Musikindustrie hat ein Werbemittel geschaffen, welches sich selbst verkaufen lässt, womit man das Musikvideo als Inbegriff des Kapitalismus und der Profitgier sehen könnte“ (vgl. Westreicher 2013: 124). Schon 1987 stellten Fry und Fry fest, dass Musikkonsumenten über visuelle Elemente zu Konsum aufgefordert werden. Videos seien dabei als geschlossene Texte anzusehen (vgl. Neumann-Braun und Mikos 2006: 101f). An diesem Punkt setzt auch die vorliegende Arbeit an.
Die nachfolgenden Ergebnisse wurden mit der empirischen Methode einer Inhaltsanalyse zur Untersuchung von Mitteilungen im Kommunikationsprozess nach Philipp Mayring mit Ergänzung durch Werner Früh erarbeitet. Beide Methoden ähneln sich sehr stark. Während Mayring von einer Unterscheidung zwischen quantitativen und qualitativen Analysen spricht (vgl. Mayring 2015: 17ff), spricht Früh hingegen vielmehr von einer integrativen Inhaltsanalyse. Eine quantitative Inhaltsanalyse wird ihm zufolge als irreführend bezeichnet, da die Feststellung von Inhalten durch den Kodierer ein bereits qualitativer Prozess ist und selbst bei einer Anwendung einer quantitativen Messmethode nicht aufgehoben wird (vgl. Früh 2017: 40f).
Um dem Anspruch einer wissenschaftlichen Untersuchung gerecht zu werden, müssen die drei Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität erfüllt werden. Dazu wird im weiteren Verlauf der Analyse auf das theorie- und regelgeleitete Vorgehen nach Mayring zurückgegriffen (vgl. Mayring 2015: 12f).
Gegenstand dieser methodischen Arbeit ist die Inhaltsanalyse der Kommunikation von Bildern, Gesten und vorkommenden materiellen Gütern inklusive gezeigter Marken anhand einer Nominalskala. Diese Skala unterscheidet in das Vorhandensein und Nicht-Vorhandensein genannter Aspekte (siehe auch: Excel-Datei). Die fixierte Kommunikation liegt in Form von YouTube-Videos vor. Das zugrundeliegende Material wird auf Basis des theoretischen Hintergrundes schrittweise analysiert und interpretiert. Die Inhaltsanalyse will ihr Material als Teil des Kommunikationsprozesses insgesamt analysieren. Sie verfolgt das Ziel, Rückschlüsse auf gewisse Elemente der Kommunikation zu ziehen (ibid.: 11ff).
Den Korpus dieser Analysearbeit bilden 16 speziell ausgewählte Musikvideos von der Online-Plattform YouTube. Auch weitere ähnliche Kanäle, wie zum Beispiel Vevo, hätten stellvertretend ausgewählt werden können. Der Verfasser entschied sich für die Plattform YouTube, da diese mit mehr als einer Milliarde Nutzern als bedeutendste Media-Sharing-Plattform gilt (vgl. Opresnik und Yilmaz 2016: 35).
Vor dem Tod von The Notorious B.I.G. (1997) sind acht offizielle Musikvideos entstanden, darunter drei Videos mit einem Feature[29]. Musikvideos die nach dem Tod des Künstlers veröffentlicht wurden, werden in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Es handelt sich dabei um Videos die von anderen Künstlern veröffentlicht wurden und den untersuchten Künstler nicht darstellen. Es werden lediglich wenige alte Ausschnitte von ihm gezeigt. Folgende Musikvideo-Titel werden der Analyse unterzogen:
- Big Poppa
- Get Money (feat. Junior M.A.F.I.A.)
- Hypnotize
- Juicy
- One More Chance
- Only You (feat. 112)
- Player’s Anthem (feat. Junior M.A.F.I.A.)
- Warning
Damit ein repräsentativer Querschnitt aus dem Künstlerleben der Gruppe Migos herangezogen werden kann, wurden insgesamt ebenfalls acht Videos als Stichproben anhand eines Lotterieverfahrens ausgewählt (vgl. Sachs und Hedderich 2006: 8). Dazu wurde die Grundgesamtheit in einen Zufallsgenerator eingefügt, der nach Eingabe der Anzahl benötigter Songtitel acht zufällig ausgewählte Titel generierte (vgl. Matheretter o.J.). Die Grundgesamtheit besteht aus 27 Videos (Stand: Oktober 2017) des offiziellen YouTube-Kanals Migos ATL. Musiktitel mit Feature-Gästen werden genauso wie bei B.I.G. einbezogen und es werden lediglich die Künstler als Gruppe – keine Solokünstler – akzeptiert. Darüber hinaus sind noch weitere Musikvideos der Gruppe im Internet anzutreffen. Die Auswahl orientiert sich allerdings an dem offiziellen Kanal von Migos, da dort die Produktionen mit den höchsten Klickzahlen zu erwarten sind. Nachfolgende Musikvideo-Titel sind hierbei als Analysematerial zu nennen:
- Bad and Boujee (feat. Lil Uzi Vert)
- Cocoon
- Deadz (feat. 2 Chainz)
- Get Right Witcha
- Say Sum
- Slippery (feat. Gucci Mane)
- T-Shirt
- What The Price
Folgende Hypothesen wurden auf der Basis der Fachliteratur sowie vorangegangener inhaltsanalytischer Untersuchungen erarbeitet:
1. Wenn das Video aus dem 21. Jahrhundert stammt, dann enthält es eine höhere Anzahl an Schnittwechseln und zeigt gleichzeitig häufiger Konsumgüter.
2. Wenn Markenlogos gezeigt werden, dann nur in Produktionen der Gruppe Migos.
3. Wenn Geld, Verkehrsmittel oder Markenlogos gezeigt sind, dann hauptsächlich in einer kalten Atmosphäre.
4. Je aktueller das Musikvideo, desto wahrscheinlicher die Darstellung von Accessoires und Drogen mittels kurzer Aufnahmedistanzen.
5. Wenn das Musikvideo im 20. Jahrhundert produziert wurde, dann werden die Interpreten verhältnismäßig häufiger in Szene gesetzt als im 21. Jahrhundert.
6. Wenn das Video aus dem 21. Jahrhundert stammt, dann enthält es eine höhere Anzahl an Schnitten, in denen weder ein Interpret noch eine singende und/oder tanzende Frau erkennbar ist, allerdings Konsumgüter und/oder Frauen mit anderer Handlung gezeigt werden.
7. Je aktueller das Musikvideo, desto weniger singen und/oder tanzen Frauen mit, und umso häufiger werden sie posierend dargestellt.
8. Wenn posierende Frauen dargestellt sind, dann überwiegend in einer Atmosphäre, die warm gestaltet ist.
Diese Hypothesen werden mit Hilfe der Inhaltsanalyse überprüft und dienen als Herleitung zur Beantwortung der Forschungsfrage.
Dieses Kapitel soll das Kategoriensystem mit seinen einzelnen Elementen in den Gesamtzusammenhang bringen und konkret definieren. Um allgemeingültige und für jedermann nachvollziehbare Ergebnisse zu erzielen, dienen nachfolgende Codieranweisungen als Leitfaden für den vollständigen Ablauf der Analysearbeit. Dennoch bleibt die Analyse stets subjektiv. Es wird der Versuch unternommen, mit Hilfe der Codieranweisungen die Ergebnisse nachvollziehbar zu gestalten.
Die nachstehenden inhaltlichen Kategorien inklusive Unterkategorien und ihrer Definitionen (siehe Kapitel 7.4) wurden aufgrund der angeführten theoretischen Grundlagen aufgestellt. Sie bilden die Strukturierungsdimensionen und folgen einer induktiven Kategorienbildung beziehungsweise teilweise einer deduktiven Kategorienbildung (Kategorien 1 und 5):
1. Kurze Aufnahmedistanz
2. Konsumgüter (Geld, Accessoires, Verkehrsmittel, Villen/Einrichtung, Markenlogo, Drogen und Sonstiges)
3. Handlung der Frau (singend/tanzend, posierend und sonstige Handlung)
4. Interpret
5. Atmosphäre (warm und kalt)
Genannte Kategorien werden der formalen Kategorie Schnitte (siehe Kapitel 7.4) zugeordnet.
Der Codierbogen enthält auch einen allgemeinen Teil, der Aufschluss über ergänzende und nützliche Informationen der einzelnen Musikvideos gibt. Dieser Teil bedarf keiner expliziten Entschlüsselung, da er selbsterklärend ist. Er beschränkt sich auf die ebenfalls im Anhang ersichtlichen formalen Kategorien (siehe: Excel-Datei):
- Künstler - Aufrufe
- Songname - Länge
- Feature - Analyse-Zeitraum
- YouTube-Kanal - Videonummer
- Datum des Aufrufes - YouTube-Link
Allgemeine Anweisungen:
Musikvideo: Grundsätzlich werden nur die Teile des Musikvideos analysiert, in denen auch die Tonspur von dem Beat des Liedes besetzt ist. Szenen in denen beispielsweise Gespräche oder andere Handlungen gezeigt werden, jedoch der Song nicht im Hintergrund zu hören ist, scheiden bei der Analyse aus. Zusätzlich werden Schnitte in denen andere Songs abgespielt werden ebenfalls nicht berücksichtigt. Die Texte der Songs werden in dieser Arbeit nicht weiter analysiert, lediglich die gezeigten Bilder werden genauer betrachtet. Auch Handzeichen werden nicht weiter gedeutet.
[...]
[1] Charts des bedeutendsten Fach- und Branchenblatt für Musik und Entertainment in den USA
[2] Häufig genutzter Musikstreaming-Dienst
[3] Hip-Hop-Star der Neuzeit
[4] Beat- und Textinhalte in einem Musikvideo
[5] Bau einer Autobahn quer durch die Bronx in den 60er Jahren
[6] Master of Ceremonies
[7] Jugendschutz-Vermerk, hier: Songtexte (Lyrics)
[8] Bestseller-Autor und Journalist der Washington Post
[9] Umfangreichstes Wörterbuch der englischen Sprache
[10] Entwicklung von Markennamen
[11] Einer von vielen Künstlernamen des Hip-Hop Moguls Sean John Combs
[12] Hedonismus : Streben nach Genuss bzw. Sinneslust
[13] Verhaltensmuster, das auf der Dominanz des Mannes beruht
[14] Weibliche Breakdancer
[15] Hier: rebellisch
[16] Auszeichnung vom US-amerikanischen Fernsehsender „Black Entertainment Television“ an Künstler in den Bereichen Musik, Schauspiel, Film und anderen Unterhaltungsgebieten
[17] Im weiteren Verlauf der Arbeit nutzt der Verfasser die Kurzform B.I.G.
[18] New Yorker Plattenlabel
[19] Eine Million verkaufte Alben
[20] Rap-Legende
[21] 10 Millionen verkaufte Alben
[22] Spezielle Form des Rap aus den Südstaaten
[23] Videoclip-Plattform im Internet
[24] Refrains im Rap
[25] Großteil der Textzeilen bestehen aus einer durch drei teilbaren Silbenanzahl
[26] Zusätzliche Ausrufe im Rap
[27] Darstellung von Markenprodukten in Bewegtbild (vgl. Enke und Rathmann 2011: 40)
[28] Einbringung von Produkten oder Dienstleistungen ohne erkennbares Markenlogo (ibid.)
[29] Hier: mitwirkende(r) Interpret(en)
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