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Bachelorarbeit, 2018
48 Seiten, Note: 1,0
Einleitung
1 Forschungsstand
2 Die haufigsten psychischen Storungen im Uberblick
2.1 Was heiBt psychisch krank?
2.2 Angst- und Zwangserkrankungen
2.3 Affektive Storungen
2.4 Borderline - Personlichkeitsstorung
2.5 Schizophrenie
3 Lebenswelt von Kindern psychisch kranker Eltern
3.1 Belastungsanforderungen der Kinder
3.1.1 Desorientierung
3.1.2 Auswirkungen auf den familiaren Alltag
3.1.3 Tabuisierung, Isolierung
3.1.4 Schuldgefuhle
3.1.5 Emotionale Belastungen und Angst
3.1.6 Der Parentifizierungsprozess
3.2 Allgemeine Risikofaktoren / High-Risk-Forschung
3.2.1 Genetische Faktoren
3.2.2 Risikofaktoren der Eltern
3.2.3 Risikofaktoren der Familie
3.2.4 Risikofaktoren der Kinder
3.2.5 Psychosoziale Risikofaktoren
4 Spezifische Risikofaktoren
4.1 Risiken von Kindern bei elterlicher Angst-und Zwangsstorung
4.2 Risiken von Kindern affektiv erkrankter Eltern
4.3 Risiken von Kindern bei elterlicher Borderline- Personlichkeitsstorung
4.4 Risiken von Kindern schizophrener Eltern
5 Resilienz - der Schutzschirm der Psyche
5.1 Definitionen und Begriffliche Annaherung
5.2 Die„Kauai-Langsschnittstudie“
5.3 Das Schutzfaktorenkonzept
5.3.1 Personliche Ressourcen
5.3.2 Familiare Ressourcen
5.3.3 Soziale Ressourcen
5.4 Spezifische Schutzfaktoren fur Kinder psychisch kranker Eltern
5.4.1 Krankheitswissenund Krankheitsverstehen
5.4.2 Umgang mit der Krankheit in der Familie
6 Prevention - Wegweisende PraventivmaBnahmen fur Kinder psychisch kranker Eltern und deren Familien
6.1 Prevention: Definitionen und Begriffsbestimmung
6.2 Ebenen der Prevention
6.3 Familienorientierte Prevention - Der CHIMPs (Children of Mentally 111 Parents) Ansatz
6.3.1 Die Eltemgespreche
6.3.2 Die Kindergesprache
6.3.3 Die Familiengespreche
6.3.4 Grenzen des Beratungsangebotes
6.4 AURYN - Gruppen - kindzentrierte Prevention
6.5 Patenschaften
7 Resumee
Literaturverzeichni s
Abbildung 1: Rene Magritte, Der Geist der Geometrie (L'esprit de geometrie), 1936/37
Abbildung 2: Unterschiede in den mutterlichen Funktionen
Abbildung 3: Lebenslanges Risiko fur Schizophrenie (%)
Abbildung 4: Schutzfaktoren
Abbildung 5: DerBeratungsverlauf.
Abbildung 6: Fallbeispiel: Altersadaquate Aufklarung
Abbildung 7: Fallbeispiel: Gesprach uber die Erkrankung
,,Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt“
Albert Camus
die haben schon versucht mir das zu erklaren, aber ich kann's nicht im Kopf behalten, und ich weifi selbst nicht was das ist so [...]. Wenn einer krank ist, dann geht er zum Arzt und dann wird er wieder gesund. Was uberhaupt eine psychische Krankheit ist, das ist fur mich unglaublich schwer zu verstehen, weil das ist ja nicht irgendwo wo man eine Spritze gibt und dann ist alles wieder gut, oder wo man sich ein paar Tage ins Bett legt“.
Dieses Zitat eines 10-jahrigen Madchens, deren Mutter an einer Depression leidet, gibt sehr klar die Verunsicherung und Hilflosigkeit Kinder psychisch kranker Eltern wider (Lenz/Brockmann 2013: 9).
In Deutschland sind Schatzungen nach, rund 4,5 Millionen Menschen von einer psychischen Storung betroffen. Die betroffenen Personen grunden etwa genau so oft eine Familie, wie Menschen die an keiner psychischen Storung leiden. Etwa 3 Millionen Kinder leben mit min- destens einem kranken Eltemteil zusammen (vgl. Grefe/Mattejat/Lenz 2011: 16f.). Die Kinder leben zu 72 Prozent bei ihren Eltern, dies betrifft jedoch nur die Patienten, die an einer Depression, Angststorung oder Personlichkeitsstorung leiden. Bei der Diagnose einer Psy- chose sind es nur 41 Prozent der Kinder (Lenz 2012: 10f.).
Kinder psychisch kranker Eltern sind mannigfaltigen Belastungsfaktoren ausgesetzt. Zudem unterliegen sie einem drei - siebenfach erhohtes Risiko, selbst zu erkranken, im Vergleich zu der Gesamtbevolkerung (vgl. Plass/Wiegand-Grefe 2012:20). In akuten Krankheitsphasen werden die Eltern den Bedurfnissen der Kinder nicht mehr gerecht. Demzufolge fuhlen sich die Kinder alleine gelassen und durch das oftmals selbst erteilte Kommunikationsverbot der Eltern konnen sich die Kinder keine Entlastung durch einen Austausch mit auBerfamiliaren Bezugspersonen schaffen. Die betroffenen Kinder werden auch oft die „vergessenen Angeho- rigen“ genannt, da die Aufmerksamkeit lange Zeit nur bei den erwachsenen Angehorigen lag. In den letzten 15 Jahren wurden diese Kinder immer mehr in der Fachoffentlichkeit wahrge- nommen, sodass sich mittlerweile einige Projekte und Einrichtungen mit dieser Zielgruppe beschaftigen (vgl. Jungbauer 2016: 9).
Nicht alle Kinder werden psychisch auffallig, sondem entwickeln sich trotz der belastenden Umstande gesund. Diese Kinder besitzen die Eigenschaft der Resilienz, auf die ich in der vor- liegenden Arbeit naher beschreiben werde.
Die wissenschaftliche Methode, die in dieser Arbeit angewandt wurde, ist die ausfuhrliche Literaturrecherche.
Im ersten Kapitel dieser Bachelorarbeit wird der Forschungsstand skizziert.Im nachfolgenden Kapitel 2 werden die am haufig vorkommenden psychischen Storungen erlautert. Im Anschluss daran wird sich der Lebenswelt der betroffenen Kinder gewidmet, indem die Belas- tungsanforderungen und Risikofaktoren skizziert werden und der Forschungsfrage nachge- gangen wird, wie sich die elterliche Erkrankung auf die Kinder auswirkt. In Kapitel 4 werden diagnosespezifische Risikofaktoren dargestellt. Der Blickwinkel der Resilienzforschung wird im 5. Kapitel beleuchtet und befasst sich mit allgemeinen Schutzfaktoren und spezifischen Schutzfaktoren der betroffenen Kinder. Zum Schluss werden PraventivmaBnahmen aufgezeigt und ausfuhrlich beschrieben.
Ziel meiner Arbeit ist es, auf die betroffenen Kinder aufmerksam zu machen und einen klei- nen Teil zur Enttabuisierung von psychischen Storungen zu leisten.
Diese Kinder durfen nicht in Vergessenheit geraten!
Die Begriffe Erkrankung und Storung werden in gleichwertiger Bedeutung benutzt.
Das Forschungsinteresse fur Kinder psychisch kranker Eltern war lange Zeit marginal und auch in der klinischen Versorgung wurde sich vorwiegend um die erkrankten Eltern oder um die bereits auffalligen Kinder gekummert. In den letzten beiden Jahrzehnten veranderte sich dies und einige Praventionsprogramme wurden entwickelt. Das Thema lasst sich bis in die 1930er Jahre zuruckverfolgen und ist mit Arbeiten von Sir Michael Rutter in Verbindung zu bringen, der die Kinder - und Jugendpsychiatrie bedeutsam fassonierte (vgl. Grefe, Mattejat, Lenz 2011: 14). Im Jahre 1970 wurde das Thema von Remschmidt und Mitarbeitern aufge- griffen .In den 1970er und 1980 er Jahren wurde die Marburger Studie, in Anlehnung an Arbeiten von Michael Rutter durchgefuhrt. In der Studie wurden Kinder von schizophren und depressiven Eltern untersucht. Ein bedeutsamer Wegweiser war zudem die Tagung des Dach- verbands psychosozialer Hilfsvereinigungen. Resultierend daraus, wurde den Kindern und deren psychisch kranken Eltern mehr Interesse in der Fachoffentlichkeit entgegengebracht (vgl. Lenz 2014: 5f.). Weiterhin sind einige profunde und elementare Monographien entstan- den, wie das Sammelband von Gopfert, Webster und Seeman und die Arbeit von W. Beards- lee „Out of the darkened room. When a parent is depressed. Protecting the children and strengthening the family“ im intemationalen Raum und im Jahr 2002 das Buch von Reinhold Schone und Sabine Wagenblass „Wenn Eltern psychisch krank sind im deutschsprachigen Raum. Die im Jahr 2005 erschienene Publikation von Albert Lenz „Kinder psychisch kranker Eltern“ gehort zur Grundlagenliteratur und verbreitete das Thema in der Fachoffentlichkeit. Ferner stellte das Buch (2008) vom gleichnamigen Autor „Interventionen bei Kindern psychisch kranker Eltern. Grundlagen, Diagnositk und therapeutische MaBnahmen“ eine wichtige Grundlage fur das Innovieren von Praventionsprojekten dar. Die Autoren Mattejat und Lisofsky brachten im gleichen Jahr das Buch „Nicht von schlechten Eltem“ heraus, welches sich auf Erfahrungen aus Projekten mit Kindern und Familien stutzt. Im Netz informiert die Seite www.bag-kipe.de (Bundesarbeitsgemeinschaft fur Kinder psychisch kranker Eltern) sowie der Intemetauftritt des Bundesverbandes der Angehorigen psychisch kranker twww.kipsy.net). Durch diese Webseiten wird ersichtlich, dass innerhalb der Initiativen eine sehr gute Vernetzung stattfindet, die vor allem vom Engagement von Privatpersonen getragen wird. (vgl. Grefe, Mattejat, Lenz 2011: 19f.). Daruber hinaus sind seit dem Jahr 2000 rund 100 Initiativen entstanden, die mit Familien zusammenarbeiten, in denen mindestens ein Eltemteil erkrankt ist (vgl. Grefe, Mattjejat, Lenz 2011: 14ff). Die entstandenen Praventionsi- nitiativen sind aufgrund unseres Gesundheitssystems, welches erst eingreift wenn bereits schon eine Storung vorhanden ist, nur eingeschrankt und nicht regelhaft (vgl. Grefe, Halver- scheid, Plass: 2011: 7). Resultierend daraus besteht keine dauerhafte Finanzierung und auch hier kommt es auf die Bereitschaft von Privatpersonen an (vgl. Grefe, Mattejat, Lenz: 2011: 21).
Die Frage „Was ist ein psychisch Kranker?“ ist fast so allgemein wie die Frage „Was ist ein Mensch“? (Dorner et.al 2017: 10). Die Autoren Dorner et al. deuten daraufhin, dass zwar das psychische Leiden auch immer mit Krankheit verknupft ist, jedoch der Mensch an sich mit seinen bisher gemachten Erfahrungen gesehen werden muss (vgl. Dorner et al. 2017: 10).
,,Mit dem Begriff der psychischen Erkrankung werden erhebliche Abweichungen im Erleben und Verhalten eines Menschen beschrieben, die Krankheitswert haben. (...) Hinzu kommt die Annahme, dass eine besondere Verletzlichkeit gegeben sein muss, damit es zu einer psychischen Erkrankung kommt (Vulnerabilitatsmodell)“ (Schmutz 2010: 17). Abweichendes Verhalten liegt vor, wenn folgende sieben Kriterien vorhanden sind: Leidensdruck oder Behinde- rung, Fehlanpassungen, Irrationalitat, Unberechenbarkeit, AuBergewohnlichkeit, Unbehagen bei Beobachtem und die Verletzung moralischer und gesellschaftlicher Normen (vgl. Gerrig 2016: 551f.). „Psychische Storungen betrachtet man am besten als ein Kontinuum, das zwi- schen psychischer Gesundheit und psychischer Erkrankung liegt“. (Gerrig 2016: 552). Fernerwerden psychische Storungen anhand des Klassifikationssystem ICD-10 diagnostiziert. Dies geschieht anhand von Symptombeschreibungen, welche nach Haufigkeit, Dauer und Intensitat ermessen werden Im Folgenden Text erlautere ich die vier haufigsten psychischen Storungen - Angst- und Zwangsstorungen, Affektive Storungen, Borderline-Personlichkeitsstorung und die Schizophrenic (vgl. Schone/Wagenblass 2010: 31f.).
Angst ist ein naturliches Gefuhl, welches die Menschen vor Gefahren schutzt und fur das Uberleben notwendig ist. (vgl. Schone, Wagenblass 2010: 32). Sobald die Gefahr voruber ist, verschwindet das „normale“ Angstgefuhl. Dennoch ist Angst ein subjektives Gefuhl, das dif- ferenziert betrachtet werden muss. Die pathologische Angst liegt vor, wenn keine reale Gefahr besteht, die Person jedoch Angstsymptome verspurt (vgl. Wiegand-Grefe/Halver- scheid/Plass 2011: 60). Zudem besteht eine Angsterkrankung, wenn sie chronisch verlauft, das Individuum keine Bewaltigungsstrategien mehr besitzt und die Kontrolle uber den eige- nen Korper verliert. Uberdies kommt es zu einer enormen Einschrankung der alltaglichen Aktivitaten (vgl. Schone/Wagenblass 2010). Das Vermeidungsverhalten ist das Wesensmerk- mal, wenn es um die Bewaltigungsstrategien der Angstsymptome geht (vgl. Lenz/Brockmann 2013: 13).
Es kann unterschieden werden zwischen Phobie, Panikstorung, generalisierter Angststorung und der Zwangsstorung.
Es gibt zwei Arten von Phobien. Die soziale Phobie und spezifische Phobien. Bei der sozialen Phobie besteht eine andauemde Angst vor Situationen mit Menschen im offentlichen Raum (vgl. Gerrig 2016: 563). Bei spezifischen Phobien ist die Angst auf Objekte gerichtet, wie bspw. die Angst vor Spinnen, engen Raumen oder Menschenansammlungen. Schon bei der Vorstellung der spezifischen Situation konnen Angstsymptome auftreten - es entsteht eine Erwartungsangst. Ein Teufelskreis der Angst entsteht, wenn die Angst vor der Angst zunimmt und sich somit auch die korperlichen Symptome verstarken Bei der Panikstorung treten ohne konkreten Ausloser starke Panikattacken auf, die mit schlag- artigen Herzklopfen, Brustschmerzen, Erstickungsgefuhle, Schwindel und Entfremdungsge- fuhle einhergehen. Die Angst zu sterben und die Kontrolle zu verlieren ist zudem auch cha- rakteristisch (vgl. Schone/Wagenblass 2010: 33). Die generalisierte Angststorung kennzeich- net sich durch fortwahrende Angstgefuhle von mindestens einem halben Jahr. Standige Sor- gen und Befurchtungen z.B. vor Erkrankung oder Verunglucken eines geliebten Menschen und uber die eigene Existenz pragen den Alltag von Personen mit dieser Art der Angsterkrankung. Die Angste rucken in den Vordergrund der Erkrankten, sodass eine Alltagsbewaltigung mit beruflichen oder sozialen Pflichten nicht mehr moglich ist (vgl. Gerrig 2016: 561). Angst- storungen sind eine der haufigsten psychischen Storungen mit ca. 10-14% Lebenszeitprava- lenz Zudem besteht die Gefahr einer Chronifizierung mit begleitenden korperlichen Sympto- men (vgl. Psychiatrienetz 2017: o.S.).
Zwangsstorungen gehoren auch zu einer Art der Angststorung und gehen einher mit Zwangs- gedanken und Zwangshandlungen. Immer wiederkehrende Gedanken oder bestimmte Ideen oder Vorstellungen kontrollieren den Alltag der Betroffenen. Diese Gedanken werden als gefahrlich und als nicht zu sich selbst gehorend eingestuft, da sie meist den moralischen Wer- ten der Person widersprechen. Durch Zwangshandlungen wird versucht, vermeintliche Gefah- ren zu eliminieren. Zwangshandlungen konnen z.B. Wasch-, Ordnungs-, und Kontrollzwange sein. Diese Handlungen sind ebenfalls immer wiederkehrend. Erschwerend dazu empfinden die Betroffenen eine Starke innere Anspannung. Die Betroffenen wissen um die Irrationalitat ihrer Gedanken und Handlungen, schaffen es aber nicht, diese zu kontrollieren (vgl. Psychiatrienetz 2017: o.S.).
Eine affektive Storung ist gekennzeichnet durch krankhafte Stimmungsschwankungen, die zu Depressionen, Manien und manisch-depressive Erkrankungen fuhren. Zudem wird die affektive Storung in unipolar und bipolar differenziert. Depressionen und Manien gehoren zu den unipolaren Storungen, wahrend bei bipolaren Storungen ein Wechsel zwischen manischen und depressiven Phasen stattfindet (vgl. Schone/Wagenblass 2010: 34). Depressionen sind gepragt von anhaltender Traurigkeit, zu wenig oder zu viel Schlaf, eingeschrankter motori- sche Aktivitat schwacher Konzentrationsfahigkeit, bis hin zu suizidalen Gedanken (vgl. Ger- rig 2016: 569). Es werden verschiedene Schweregrade unterschieden, welche das ICD 10 in leichte, mittelgradige und schwere depressive Episoden unterteilt (vgl. Dilling et al. 2006: 107f.). Die depressiven Erkrankungen gehoren mit einer Pravalenz von 8 bis 20% zu den ver- breitetesten psychischen Erkrankungen (vgl. Wiegand-Grefe/Halverscheid/Plass 2011: 53). Eine Manie macht sich durch eine ubersteigerte Selbsteinschatzung, eine gehobene Stim- mung, eine Distanzlosigkeit bis hin zu einem GroBenwahn kenntlich. Zu Beginn der Krank- heitsphase fuhlt es sich fur den/die Betroffenen sehr positiv und angenehm an, jedoch geht mit der irgendwann nicht mehr kontrollierbaren Ruhelosigkeit eine Starke Erschopfung und eine schwere Depression einher (vgl. HPE Osterreich 2008: 16f.). Die bipolare Storung ist gepragt durch manische und depressive Symptome im Wechsel. Die Manie kann von 2 Wochen bis funf Monate andauern, die Depression meist ein halbes Jahr. In der Bevolkerung leiden ca. 4% derMenschen an einer bipolaren Storung. (vgl. Schone, Wagenblass 2010: 36).
Die Borderline-Storung gehort laut dem WHO Klassifikationssystem zu der emotional insta- bilen Personlichkeitsstorung, welche sich in den impulsiven und den Borderline Typ unterteilt (vgl. Dilling et al. 2006: 154).
Bezeichnend fur eine Borderline-Storung ist vor allem ein instabiles Identitats-, und Selbst- wertgefuhl, einhergehend mit starken Auswirkungen auf die Stimmung und zwischenmensch- liche Beziehungen. Betroffene erleben eine Abhangigkeit hinsichtlich anderer Personen und versuchen die Einsamkeit vehement zu verhindern. Zudem fuhrt eine Starke Impulsivitat meist zu selbstverletzendem Verhalten, fallweise auch zu einer Gewalteinwirkung an anderen Personen. Eine Starke Anspannung und ein Leeregefuhl sind ebenso charakterisierend wie suizi- dale Gedanken und Drohungen (vgl. Schone, Wagenblass 2010: 39). Borderline Patientlnnen mochten nie die Kontrolle verlieren und versuchen mit alien Mitteln den Rest der Familie oder andere Bezugspersonen an sich zu binden (vgl. Lawson 2006: 24).
Charakterisierend fur die Schizophrenic sind vor allem Storungen des Denkens, Fuhlens und Wahrnehmens. Die Gedankengange der Betroffenen sind fur AuBenstehende nicht mehr klar nachvollziehbar, da es oftmals zu Gedankensprungen kommt und keine logischen Zusammen- hange dadurch erkennbar sind (vgl. Finzen 2011: 66ff.). Zudem sind auch Wahnvorstellungen und Halluzinationen fur diese Erkrankung kennzeichnend, ebenso wie eine Entfremdung der eigenen Person und der Gefuhlswelt. Haufig kommt es vor, dass der/die Betroffene sich bedroht oder beobachtet fuhlt und eine Veranderung der Umwelt wahrnimmt (vgl. Domer et al. 2017: 250f.). Etwa 1% der Gesamtbevolkerung erkrankt an einer schizophrenen Erkrankung (vgl. Wiegand-Grefe, Halverscheid, Plass 2011: 49). Entsprechend dem ICD 10 sind die am haufigsten vorkommenden Formen der Schizophrenic, die paranoide, die hebephrene, die katatone und die undifferenzierte Schizophrenic ( vgl. Dilling et al. 2006: 87).
Psychische Erkrankungen der Eltern konnen auch als Familienerkrankungen bezeichnet wer- den, da das komplette System Familie davon betroffen ist (vgl. Schone, Wagenblass 2010: 12). Die Erziehungskompetenz der Betroffenen weicht von denjenigen Eltern ab, die als gesund gelten. Schwierigkeiten treten zum Beispiel beim Grenzen ziehen auf. Zudem werten sich die Mutter haufig ab und zweifeln an ihrer Kompetenz und dem erkrankten Eltemteil fallt es schwer, positive Zuspruche gegenuber ihren Kindern zu auBern (vgl. Lenz 2012: 15ff). In akuten Phasen fehlt oftmals das Empathievermogen und die Bedurfnisse der Kinder konnen nur noch eingeschrankt erfullt werden. Hier geht es um essentielle Bedurfnisse wie eine sicher e Bindung, Versorgung und Schutz sowie die Forderung der Kinder (vgl. Schmutz 2010:21). Im nachfolgenden Text wird aufgezeigt, welche Probleme auftreten konnen und wie die Kinder ihre Situation als Angehorige wahmehmen.
Die betroffenen Kinder realisieren Veranderungen im Verhalten der erkrankten Eltern, jedoch entsteht Verwirrung, da sie die veranderten Handlungen und Gefuhle der Eltern nicht einord- nen konnen. Jungere Kinder reagieren meist mit Wut und Aggression, altere hingegen ziehen sich eher zuruck und versuchen keine Konflikte hervorzurufen, um die Eltern zu schutzen (vgl. Lenz/Wiegand-Grefe 2016:22). Das betroffene Kind erfahrt unsichere Situationen, die durch enorme Stimmungsschwankungen des erkrankten Elternteils gepragt sind. Es sind nicht die oftmals „wahnsinnigen“ Verhaltensweisen der Eltern, die das Kind negativ beeinflussen, sondem vor allem die Unzuverlassigkeit hinsichtlich der Versorgung und der affektiven Ver- bundenheit zum Kind. (vgl. Kaschta 2009: 22)
Der familiare Alltag bietet den Kindern keine verlassliche Struktur mehr und die Aufgaben- verteilung verschiebt sich, sodass die Kinder haufig unterstutzend im Haushalt helfen oder die jungeren Geschwister betreuen. Uberdies wird es enorm schwierig, wenn das betroffene
Elternteil sich in stationarer Behandlung befindet, denn hier werden zusatzlich Verlustangste geschurt. Bei Ruckkehr des betroffenen Elternteils aus der Klinik wird seitens der Kinder Nachsicht und Rucksicht geubt, die zu negativen Auswirkungen auf die eigenen Bedurfnisse fuhren konnen (vgl. Lenz/Wiegand-Grefe 2016:23).
Die Tabuisierung von psychischen Krankheiten ist immer noch weit verbreitet und durch die Unwissenheit der Kinder uber die Krankheit entstehen Gedanken und Fantasien, die meistens nicht der Realitat entsprechen und oft schlimmer erscheinen, als diese in der Wirklichkeit sind.. Kinder, die einer solchen Situation ausgesetzt sind, ziehen sich zuruck und entwickeln sich als angstlich und durcheinander (vgl. Schone, Wagenblass 2010: 15f.). Innerhalb der Familie werden die veranderten Verhaltensweisen und Krankheitssymptome haufig als Cha- raktereigenschaften bestimmt - hier findet eine „familieninteme Verleugnungstendenz“ statt (vgl. Schone/Wagenblass 2010: 187). Die Kinder erleben eine ambivalente Situation, da sie zum Einen der Krankheit der Mutter oder des Vaters direkt ins Auge sehen mussen und zum Anderen fehlt es aber an begreiflichen Erklarungen. Der soziale Kontakt nach AuBen wird oft aus Scham reduziert, um Stigmatisierungen aus dem Weg zu gehen. Zu alledem wird von den Eltem ein Kommunikationsverbot direkt oder indirekt ausgesprochen, welches die Kinder aus Angst vor bspw. einem emotionalen Entzug einhalten. Folglich trauen sich die betroffenen Kinder nicht, sich mit ihren Problemen an eine/n Externen zu wenden. Somit wird eine soziale Isolation seitens der Kinder verstarkt, die aber das soziale Umfeld dringend zur Ent- wicklung brauchten, um bspw. den Kontakt zur Peergruppe herzustellen oder die Konfliktbe- waltigung zu erlernen Isolierung ist demnach die Folge der Tabuisierung. Retrospektiv berichten Erwachsene Kinder psychisch kranker Eltem, dass es das groBe Gefuhl des Allein- seins war, das am schwersten zu ertragen war(vgl. Kaschta 2009: 25ff.).
Durch die Tabuisierung fuhlen sich Kinder haufig verantwortlich und mitverursachend fur die Krankheit, da sie aus ihrer Sicht zu wenig unterstutzend fur die Mutter oder den Vater da sein konnten. Der Abloseprozess in der spateren Entwicklung schurt die Schuldgefuhle aufgrund eines schlechten Gewissens gegenuber des erkrankten Elternteils, ihn im Stich zu lassen (vgl. Kaschka 2009: 24). Im zunehmenden Jugendalter wird die Konfrontation mit den Eltern gesucht, was entweder einen Ausbruch aus der Familie zur Folge hat oder eine intensive Bin- dung mit erschwerten Ablosungsprozessen mit sich zieht. Wobei die raumliche Trennung nicht gleichzeitig eine emotionale Distanzierung bedeutet. Die Schuldgefuhle bleiben oftmals bis ins hohe Erwachsenenalter erhalten (vgl. Schone/Wagenblass 2010: 192f.).
Das Gefuhl der Angst bekommt in den biografischen Erzahlungen eine hohe Bedeutsamkeit zugeschrieben Die Autoren Schone und Wagenblass (2010) arbeiteten auf der Grundlage von diesen Erzahlungen vier Formen der Angst heraus: Die Angst vor und um das erkrankte Eltemteil, die Angst vor einer Weitergabe der Erkrankung und um die eigene Existenz (vgl. Schone/Wagenblass 2010:190). Die Angst vor dem betroffenen Eltemteil tritt vor allem dann auf, wenn das Kind in die veranderte Lebenswelt des erkrankten Eltemteil miteinbezogen wird oder aufgrund der ambivalenten Verhaltensweisen, zunehmend Unsicherheit und Angst bei den Kindem schuren (vgl. Kaschta 2009:27). Die Angst um das betroffene Eltemteil geht vor allem damit einher, dass die Kinder unbewusst Angst vor einer Suizidhandlung verspuren, denn es kommt nicht selten vor, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen Suizid andro- hen oder ihn vollziehen. Die Kinder versuchen ihr Verhalten darauf abzustimmen und sind umso mehr von einem Trauma betroffen, wenn der Suizid wirklich passiert (vgl. Schone/Wagenblass 2010:191).
„Was ich ganz schlimm fand, war, die hatte sich immer eingeschlossen zum Meditieren. Jeden Tag eine Stunde ungefahr, und wenn die dann nicht raus kam, oder wenn wir von der Schule kamen, und wir wussten nicht, wo die war, und es war still, und sie war nicht da. Ich habe sie jahrelang an dem Seil hangen sehen, in den Balken. Immer wenn ich von der Schule kam, wenn ich nicht sofort wusste, wo die ist, dachte ich, jetzt, heute ist espassiert“- Aussage einer erwachsenen Frau, die mit einer schizophren erkrankten Mutter aufwuchs (Schone/Wagenblass 2010:191).
Die Angst vor einer eigenen psychischen Erkrankung nimmt bei den betroffenen Kindern einen hohen Stellenwert ein. Vor allem altere Kinder und Jugendliche beobachten sehr stark das Verhalten ihrer Eltern und empfinden es als Gefahr, wenn sich bspw. eigene Reaktionen mit denen der erkrankten Mutter oder des Vaters ahneln (vgl. Lenz/Brockmann 2013:37).
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