Bachelorarbeit, 2017
50 Seiten, Note: 1,3
Zusammenfassung
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Exekutive Funktionen
2.2 Paradigma der psychologischen Refraktärperiode
2.3 Flaschenhalsmodell
2.4 Stand der Forschung
2.5 Fragestellung und Hypothesen
3. Methode
3.1 Versuchspersonen
3.2 Design
3.3 Materialien und Stimuli--
3.4 Durchführung
3.5 Auswertung
4. Ergebnisse
4.1 Analyse der ersten Reaktionszeit
4.2 Analyse der zweiten Reaktionszeit
4.3 Ergänzende Grafiken
5. Diskussion
5.1 Interpretation der Ergebnisse
5.2 Kritische Betrachtung der Methode
5.3 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Multitaskingsituationen sind heutzutage in vielen Lebensbereichen alltäglich. Um zwei oder mehrere Aufgaben zu koordinieren, werden die exekutiven Funktionen benötigt. Dieses kognitive System wird bei Doppelaufgaben stark beansprucht, weshalb oftmals die Leistung reduziert ist. Der Leistungsabfall kann anhand des Paradigmas der psychologischen Refraktärperiode erklärt werden. In diesem Paradigma werden zwei Reize kurz nacheinander präsentiert, auf die jeweils reagiert werden soll und als einen „Trial“ zusammengefasst werden. Die Leistung wird durch die Reaktionszeiten bestimmt. Das Zeitintervall zwischen den Reizen wird als Stimulus-Onset-Asynchrony (SOA) bezeichnet. Je kleiner die SOA desto länger die Reaktionszeit auf den zweiten Reiz. Die Reaktionszeit auf den ersten Reiz bleibt unverändert. Das Engpassmodell bildet die dahinterstehende Theorie, bei dem sich ein Flaschenhals auf der perzeptuellen Ebene befindet, sodass hier nur ein Reiz zurzeit verarbeitet werden kann. Im folgendem Reiz-Reaktions- Experiment werden zwei Reize mit jeweils drei Antwortmöglichkeiten kurz nacheinander präsentiert, wobei es Blöcke mit einer festen und randomisierten Reihenfolge gibt und diese den Probanden vorab gesagt wird. Eine endogene Aufgabenvorbereitung kann somit stattfinden. Zusätzlich sind zwischen den Trials nur 700ms. Bei den Blöcken mit einer festen Reihenfolge wurde schneller reagiert als bei Blöcken mit einer randomisierten. Die endogene Aufgabenvorbereitung wurde trotz der 700ms zwischen den Trials erfolgreich umgesetzt.
Abbildung 1 Anatomie des frontalen Cortex
Abbildung 2 Aufbau des Experiments zum Paradigma der psychologischen Refraktärperiode
Abbildung 3 Der PRP-Effekt
Abbildung 4 Flaschenhalsverarbeitungsstufe
Abbildung 5 Zentrales Engpassmodell
Abbildung 6 Zeitlicher Ablauf des Trials eines Einzelaufgabenblockes der Dreiecke
Abbildung 7 Zeitlicher Ablauf des Trials eines Einzelaufgabenblockes der Töne
Abbildung 8 Zeitlicher Ablauf des Trials eines Doppelaufgabenblockes
Abbildung 9 Datenanalyse der Reaktionszeiten in allen Bedingungen
Abbildung 10 Aufbau eines Trials mit AUD als ersten und VIS als zweiten Stimulus
Abbildung 11 Datenanalyse der Same-Order und Different-Order Trials
Abbildung 12 Visueller Stimulus in seinen drei Variationen
Abbildung 13 Geschätzte Randmittel nach MASS_1 der ersten Reaktionszeit
Abbildung 14 Geschätzte Randmittel nach MASS_1 der zweiten Reaktionszeit
Abbildung 15 Durchschnittliche RZ1 und RZ2 in Bedingungen des Faktor „Block“...
Abbildung 16 Durchschnittliche RZ1 und RZ2 in Bedingungen Faktor „Trial“
Abbildung C1 Abbildung zum Verständnis der Blöcke mit fester Reihenfolge
Abbildung D1 Aktivierung der Gehirnareale im fMRT bei der gleicher und randomisierten Reihenfolge
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die heutige Arbeitswelt wird zunehmend komplexer. Unternehmen breiten ihre Netzwerke global aus, um zu expandieren und den Profit zu steigern. Schneller, weiter, höher scheinen hier die leitenden Adjektive zu sein. Von den Arbeitnehmern1 wird eine ständige Erreichbarkeit verlangt, was zu Belastungen und Druck führen kann. Eine höhere Informationsdichte und Informationsflut sind die Resultate. Die sich ständig verändernden Ansprüche, die vielseitigen Aufgaben innerhalb desselben Jobs und der Schwerpunkt von Schnelligkeit und Flexibilität, lässt das sogenannte „Multitasking“ zur Notwendigkeit bei der Arbeit werden (Appelbaum, Marchionni, & Fernandez, 2008). So fanden König, Oberacher und Kleinmann (2010) bei einer Untersuchung in einem Unternehmen heraus, dass die Mitarbeiter Multitasking als Bewältigungsstrategie einsetzten, um somit mehr Arbeit in kürzerer Zeit zu verrichten. Im Stress-Report 2012, veröffentlicht von der Agentur für Gesundheitsmanagement, findet sich der Begriff ebenfalls wieder. Demnach gaben 58% der Deutschen Zeitdruck und das gleichzeitige bearbeiten mehrerer Aufgaben als belastend an. Das Multitasking belegt somit den ersten Platz der häufigsten Arbeitsbelastungen. Aber was genau bedeutet Multitasking? Ursprünglich stammt der Begriff aus der Computerprogrammierung und umfasst einen schnell hin und her wechselnden Vorgang (Sokolowski, 2013). Eine kurze und treffende Definition bieten Baetge und Rigotti (2010): „Multitasking bedeutet, dass eine Person in einem begrenzten Zeitraum mehrere Aufgaben gleichzeitig bearbeitet“. Um die Effektivität des Multitaskings wird vielfach geforscht. So untersuchten 2016 Komus, Simon und Müller Multitasking im Projektmanagement. 411 Probanden aus insgesamt 20 Branchen nahmen teil. Nur 2% der Befragten gaben an, nicht an mehreren Aufgaben parallel zu arbeiten, bei 90% der Befragten sind mehrfache Störungen während der Arbeit alltäglich. Die Ergebnisse dieser Studie zu den Auswirkungen des Multitaskings sind extrem: 20% der Leistungsfähigkeit geht verloren, wenn Mitarbeiter an mehreren Projekten und Aufgaben gleichzeitig arbeiten. Für eine laborgerechte Untersuchung wird das alltägliche Multitasking in Doppelaufgabensituationen transformiert, die eine ähnliche Beeinträchtigung der Leistung bestätigen. So führten Strayer, Watson und Drews (2011) eine Untersuchung mit 200 Studenten zu einer Doppelaufgabentätigkeit durch. Die Probanden sollten während des Experiments mathematische Aufgaben lösen und gleichzeitig im Fahrsimulator am Straßenverkehr und den dazugehörenden kritischen Situationen teilnehmen. 97,5% schnitten beim Multitasking schlechter ab, verglichen damit, als sie die beiden Aufgaben nacheinander bearbeitet haben. Beim Multitasking reduzierte sich die Gedächtnisleistung um 11%, die Mathematikleistung um 3% und die Zeit der Bremsreaktion stieg um 20%.
In Betrachtung der Aktualität und negativen Folgen dieses Phänomens, sollte es von Bedeutung sein, weiter daran zu forschen und die grundlegenden Prozesse zu untersuchen. Da Multitaskingssituationen schwierig zu beheben sind, wäre es interessant zu erfassen, ob dennoch ein Leistungsabfall zu verhindern ist. Könnte man innerhalb einer Doppelaufgabensituation mithilfe eines weiteren Faktors der Leistungsminderung entgegenwirken? Welche Folgen hätte es, wenn eine Präparation auf das gleichzeitige Bearbeiten von Aufgaben stattfinden würde? Welche Auswirkung hätte dies auf die Aufgabenkoordination während einer Doppelaufgabentätigkeit? Dieses möchte ich anhand eines Experiments näher betrachten und mich daher folgender Fragestellung widmen: Inwiefern wirkt sich eine endogene Aufgabenvorbereitung auf die Leistung einer Versuchsperson bei einer Doppelaufgabensituation aus, im Vergleich dazu, wenn diese endogene Vorbereitung wegfällt.
Wie koordiniert nun der Mensch eine Doppelaufgabe und welche Prozesse sind daran beteiligt? Für die Planung solcher Handlungen werden die exekutiven Funktionen benötigt. Den exekutiven Funktionen wird die Bedeutung einer höheren geistigen Leistung zugeordnet (Monsell & Driver, 2000), die für die Bewältigung verschiedener kognitiver Prozesse in komplexen Situationen benötigt werden (Robbins, 2003). Eine einheitliche und eindeutige wissenschaftliche Definition ist kaum möglich. Müller, von der Fecht, Hildebrandt und Münte (2000) bezeichnen die exekutiven Funktionen sogar als „Regenbogen Begriff“. Döpfner, Schürmann und Frölich (2007) beschreiben die exekutiven Funktionen als „psychische Prozesse, die der Ausführung von Handlungen unmittelbar vorausgehen oder begleiten. Den exekutiven Funktionen werden zudem eine sogenannte Top-down-Funktion zugeschrieben (Drechsler, 2007). Sie stellen somit eine höhere Instanz dar, die es ermöglicht, dass andere Prozesse wie z.B. das Bereitstellen von Wissen aus dem Langzeitgedächtnis, dauerhafte Aufmerksamkeit oder motorische Handlungen situationsangemessen und zielgerichtet erfolgen.
Die exekutiven Funktionen können in die vier Komponenten Arbeitsgedächtnis, Inhibition, Planungsleistung und kognitive Flexibilität unterteilt werden (Paschke- Müller, 2013). Diese gehören zu den Fähigkeiten und Fertigkeiten, die notwendig für die Steuerung von Verhaltensweisen sind (Miyake, Friedman, Emerson, Witzki & Howerter, 2000). Die Inhibition umfasst die Hinderung, eine nicht angemessene oder zielführende Handlung auszuführen, auch bereits automatisierte Handlungen (Miyake et al., 2000). Die kognitive Flexibilität bezieht sich auf die Fähigkeit, die eigenen Handlungen auf externe Stimuli zu ändern oder zu variieren (White, 2012). Das Planen beschreibt das Entwerfen von Handlungsabfolgen, sowie das Abwägen von Konsequenzen vor deren Ausführung (Ward & Morris, 2005). Das Arbeitsgedächtnis sorgt für die Speicherung, Bearbeitung und Aufrechterhaltung von aufgabenrelevanten Informationen (Baddeley, 2012).
Nach Smith und Jonides (1999) umfassen die exekutiven Funktionen sogar folgende fünf Komponenten der Aufmerksamkeit: Hemmung, Aufgabenmanagement, Planen, Überwachen und das Arbeitsgedächtnis. Die erste Komponente beschreibt den Vorgang die Aufmerksamkeit auf aufgabenrelevante Informationen zu fokussieren, während irrelevante Informationen der Inhibition unterliegen. Das Aufgabenmanagement besitzt die Fähigkeit eine Handlung sinnvoll zu planen und einen Wechsel zwischen deren verschiedenen Komponenten zu vollziehen. Das Planen bedient die Fähigkeit, Handlungsabläufe zu sequenzieren, um so ein Ziel zu erreichen. Bei der Überwachung wird die Durchführung der Handlung geprüft sowie kontrolliert und anhand des Arbeitsgedächtnisses werden die dabei ablaufenden internen und externen Prozesse erfasst und kodiert.
Entsprechend der Definition, können die exekutiven Funktionen auch auf neuro- anatomischer Basis keinen Arealen eindeutig zugeschrieben werden. Das Frontalhirn scheint hierbei aber eine wichtige Rolle zu spielen. So konnten bei Patienten mit Läsionen im frontalen Cortex exekutive Funktionsstörungen beobachtet werden (Kolb & Wishaw, 1996). Jedoch kann nicht der gesamte frontale Cortex damit in Verbindung gebracht werden. In Übereinstimmung der Neurowissenschaften konnte festgestellt werden, dass bei fast allen kognitiven Prozessen „höherer“ Ordnung“ der präfrontale Cortex (siehe Abbildung 1) beteiligt ist (Cabeza & Nyberg, 2000). Er stellt die Zentrale für eine höhere Instanz dar, die Leistungen wie das Überwachen, die Organisation, Planen und das Arbeitsgedächtnis beinhaltet. Der präfrontale Cortex gliedert sich u.a. in den medialen Bereich, der eine Aktivierung bei Problemlöse-, Planungs- und Überwachungsaufgaben zeigt (Cabeza & Nyberg, 2000). Ein weiteres Teilgebiet des präfrontalen Cortex wird als dorsolateralen Areal bezeichnet. Dieses wird bei Aufgaben, die das Arbeitsgedächtnis benötigen, aktiviert (Jansma, Ramsey, van der Wee & Kahn, 2004).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Anatomie des frontalen Cortex. Laterale Ansicht der linken Hemisphäre (a), Anteriore/superiore Ansicht der linken Hemisphäre (b). Übernommen aus Die Funktionalität des lateral-präfrontalen Cortex für die Verarbeitung von Doppelaufgaben (S.6) von A. J. Szameitat, 2003, Leipzig: Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften.
Zusammenfassend stellen die exekutiven Funktionen einen Mechanismus dar, der relevante Informationen aufrechterhält, aufgrund dieser Informationen Handlungsziele ableitet und entsprechend dieser Handlungsziele motorische und sensorische Prozesse beeinflussen kann (Duncan, 2001; Luria, 1980; Miller, 2000; Weinberger, 1993).
Wird nun eine Doppelaufgabe bearbeitet, sind die Anforderungen an solche Prozesse insgesamt größer, als die Anforderungen bei einer Einzelaufgabe (Szameitat, 2003). Die exekutiven Funktionen werden hierbei benötigt, um die Aufgabenverarbeitungen zu koordinieren und um daraus eine ableitende, möglichst fehlerfreie Handlung zu gewährleisten. Die Informationen beider Aufgaben, die Instruktion bzw. die Reiz-Reaktions-Verknüpfung müssen dabei aufrechterhalten werden (Klingberg, 1998; Kray & Lindenberger, 2000) und werden daher im Arbeitsgedächtnis gespeichert (Baddely, 1986). Dieser Vorgang führt zu einer erhöhten Anforderung der Gedächtnisleistung, da die Informationen von zwei Aufgaben bearbeitet werden. So entstehen bei Doppelaufgaben im Vergleich zu Einzelaufgaben eher Leistungseinbrüche, die als Nachweis für das Auftreten von Interferenz gelten. Wieso die Doppeltätigkeit zu Leistungseinbußen führt, kann anhand des Paradigmas der psychologischen Refraktärperiode (PRP) näher erklärt werden.
Das Paradigma der psychologischen Refraktärperiode (PRP) geht aus der Forschung zu Doppeltätigkeitssituationen hervor (Überblick bei Heuer, 1996) und dient der zeitlichen Lokalisation experimenteller Manipulationen (Magen & Cohen, 2002; Miller & Reynolds, 2003). Experimentell werden in diesem Paradigma dem Probanden zwei kurz aufeinanderfolgende Stimuli (S1 und S2) präsentiert. Der zeitliche Abstand zwischen S1 und S2 wird als Stimulus-Onset-Asynchrony (SOA) bezeichnet und variiert zwischen den Durchgängen. Üblicherweise wird die Länge einer SOA zwischen 0-1.000 Millisekunden (ms) gewählt. Der Proband soll jeweils auf beide Reize in der richtigen Reihenfolge reagieren. Auf den ersten Stimulus erfolgt die erste Reaktion (R1 auf S1) und auf den zweiten Stimulus dementsprechend die zweite Reaktion (R2 auf S1). Somit legt die Präsentationsreihenfolge der beiden Reize die Antwortreihenfolge fest (siehe Abbildung 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2. Aufbau des Experiments zum Paradigma der psychologischen Refraktärperiode. Adaptiert nach „Dual-task interference in simple tasks: Data and theory” von H. Pashler, 1994, Psychological Bulletin 116(2), S. 222.
Wird nun die Länge der SOA verändert, hat dies unterschiedliche Auswirkungen auf die Reaktionszeiten der ersten (RZ1) und der zweiten Aufgabe (RZ2) (Überblick bei Pashler, 1994). Es lässt sich beobachten, dass die Reaktionszeit auf den ersten Stimulus stabil bleibt und folglich in Unabhängigkeit zu der SOA steht. Dies trifft jedoch nicht auf die Reaktionszeit des zweiten Stimulus zu. Bei einer sehr langen SOA sind kaum Auswirkungen auf die RZ2 festzustellen (Szameitat, 2003) und scheint auch erstmal unabhängig davon zu sein. Je kürzer jedoch die SOA wird, desto länger die Reaktionszeit auf den zweiten Stimulus. Es entsteht eine starke zeitliche Überlappung beider Reize, sodass die Leistung der Zweitaufgabe massiv verlängert wird (Paelecke, 2009). Bei einer sehr langen SOA ist hingegen kaum bis keine Überlappung beider Reize zu vernehmen. Diese SOA-abhängige Veränderung der zweiten Reaktionszeit wird seit Telford (1931) als PRP-Effekt bezeichnet (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3. Die „Psychologische Refraktärperiode“. Der PRP-Effekt bezeichnet die Zunahme der Reaktionszeit (hier RT) auf den zweiten Stimulus bei Verkürzung der Stimulus Onset Asynchrony (SOA) zwischen beiden Aufgaben (T1 und T2). Beide Achsen werden in Millisekunden (ms) angegeben. Übernommen aus Effekte im Flaschenhals: Prozesse der Handlungsselektion aus ideomotorischer Perspektive (S. 35) von M. Paelecke, 2009, Halle-Wittenberg.
Die Art der Reaktion spielt dabei keine Rolle. Der PRP-Effekt erscheint auch, wenn beide Reize eine unterschiedliche Reaktion erfordern (Pashler, 1994), wie z.B. eine manuelle und eine stimmliche Reaktion (Pashler, 1990) oder jeweils eine Reaktion über die Hand und über den Fuß (Osman & Moore, 1993). Dies gilt als Nachweis dafür, dass bei der zweiten Aufgabe eine Doppelaufgabeninterferenz auftritt, während die erste Aufgabe interferenzfrei verarbeitet wird (Logan & Gordon, 2001). Übereinstimmend wird die Ursache für den PRP-Effekt in der Unterbrechung der Verarbeitung der zweiten Aufgabe gesehen (De Jong, 1995; Levy & Pashler, 2001; Logan & Gordon, 2001).
Insgesamt ergibt sich eine wissenschaftliche Evidenz dafür, dass für den Großteil der Reaktionszeitkosten ein Verarbeitungsengpass verantwortlich ist (Pashler, 1994; Pashler & Johnston, 1998), aus dem sich verschiedene sogenannte Flaschenhalsmodelle entwickelt haben. Diese stellen in empirischen Arbeiten die meist angewendeten und geprüften Theorien dar, welche die Annahme eines kapazitätsbegrenzten, seriell arbeitenden Verarbeitungskanals beinhalten. Die erste Theorie zur Informationsverarbeitung stellte Broadbent 1958 auf, die den Ausgangspunkt für alle später entwickelten Theorien im Rahmen der Flaschenhalsmodelle bildet. Seine „Single-Channel-Theorie“ geht bei der Reizverarbeitung von einem zentralen Prozessor aus, bei dem Informationen nur nacheinander bearbeitet werden können. Werden zwei Reize gleichzeitig präsentiert, gelangt erstmal nur ein Stimulus in den Verarbeitungskanal. Ist die Bearbeitung vollzogen, wird der nächste Stimulus in dem Kanal verarbeitet. Das derzeit führende und am meist gestützte Flaschenhalsmodell ist das zentrale Engpass-Modell von Pashler (1984), welches die theoretische Grundlage dieser Arbeit bildet. Aus dieser Theorie geht hervor, dass jede Reaktion auf einen Reiz einen zentralen Engpass durchläuft (siehe Abbildung 4).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4. Die Flaschenhalsverarbeitungsstufe führt zu einer seriellen Verarbeitung der Aufgaben. Übernommen aus Die Funktionalität des lateral-präfrontalen Cortex für die Verarbeitung von Doppelaufgaben (S.29) von A. J. Szameitat, 2003, Leipzig: Max-Planck- Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften.
Pashler gliedert die Verarbeitung eines Reizes in drei abgrenzbare aufeinanderfolgende Stufen. Die erste Stufe umfasst eine perzeptuelle Stufe der Verarbeitung des Reizes. Die zweite Stufe beinhaltet die Verarbeitung der Reaktionsauswahl, worauf in der dritten Stufe die Reaktionsausführung folgt. Auf der Stufe der Reaktionsauswahl befindet sich ein Engpass, auch Flaschenhals genannt, der in den anderen beiden Stufen nicht vorhanden ist. Aufgrund dieses Engpasses ist die Verarbeitung nur einer Aufgabe zurzeit möglich ist. Reaktionsbezogene Prozesse verlaufen somit seriell (siehe Abbildung 5).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5. Zentrales Engpass-Modell besteht aus drei Stufen. Die Verarbeitung des zweiten Reizes auf der Stufe der Reaktionsauswahl kann erst beginnen, wenn die des ersten Reizes beendet ist. Adaptiert nach „Dual-task interference in simple tasks: Data and theory” von H. Pashler, 1994, Psychological Bulletin 116(2), S. 223.
Werden nun zwei Aufgaben gleichzeitig oder zeitnah verarbeitet, konkurrieren sie um die Verarbeitung in diesem Flaschenhals. Die Verarbeitung einer der beiden Aufgaben wird unterbrochen, wodurch Interferenz entsteht. Bei einer Doppeltätigkeitssituation mit einer kurzen SOA pausiert daher die Verarbeitung der Zweitaufgabe so lange, bis die Reaktionsauswahl der Erstaufgabe vollständig im Flaschenhals verarbeitet worden ist. Besteht zwischen den beiden Stimuli eine größere SOA, ist der Verarbeitungsgrad der Erstaufgabe im Flaschenhals weiter fortgeschritten. Bis die Zweitaufgabe im Flaschenhals verarbeitet werden kann, verstreicht eine geringere Zeit. Der PRP-Effekt ist dementsprechend reduzierter. Beträgt die SOA eine so große Länge, sodass keine zeitliche Überlappung beider Reize entsteht, wird auch die Flaschenhalsstufe nicht gleichzeitig beansprucht. Die Verarbeitung des zweiten Stimulus unterliegt keiner Unterbrechung, da die des ersten Reizes bereits abgeschlossen ist. Die Reaktionszeit der zweiten Aufgabe ist daher nicht verlängert.
Die Flaschenhals-Theorie stellt in der Forschung der Doppeltätigkeitssituationen immer wieder den Grundansatz dar, da deren Präsenz durch den PRP-Effekt indiziert ist. Für die Forschung interessant ist daher die Reihenfolge der Stimuli in einer Doppeltätigkeitssituation und deren Auswirkung auf die Reaktionszeit. Relevant sind dabei auch wie kapazitätslimitierte Prozesse aufgrund der Verarbeitung von Stimuli am Flaschenhals koordiniert werden.
So untersuchten Szameitat, Schubert, Müller und von Cramon (2002) in ihrem Experiment zur Doppeltätigkeitssituation den Effekt einer randomisierten Reihenfolge von zwei Stimuli im Vergleich zu einer festen Reihenfolge. 11 Probanden (5 Frauen, 6 Männer) zwischen 21 und 27 Jahren nahmen an dem Experiment teil. Den Probanden wurden zwei Stimuli mit jeweils drei Möglichkeiten einer Reaktion über einen Bildschirm und Kopfhörer präsentiert. Der visuelle Reiz (VIS) bestand aus drei nebeneinander stehenden schwarzen Quadraten, wovon eins grau wurde. Je nachdem welches Quadrat seine Farbe änderte, sollte mit der rechten Hand jeweils über Ring-, Mittel- und Zeigefinder eine Taste gedrückt werden. Der auditive Reiz (AUD) bestand aus drei Tönen, die 300, 600 oder 1.300 Hertz (Hz) betrugen, auf welche mit jeweils den gleichen Fingern der linken Hand drei Tasten bestätigen werden sollte. Vorab übten die Probanden beide Aufgaben getrennt voneinander. Für jeden Stimulus durchliefen Sie 8 Einzelaufgabenblöcke, wobei sich jeder Block in 9 Trials gliedert. Ein Trial der visuellen Aufgabe beinhaltet eine Vorperiode, in der der Bildschirm für 150ms weiß ist. Darauf folgen für 840ms die drei schwarzen Quadrate, wobei sich im Mittleren ein weißes Kreuz befindet. Im nächsten Schritt verschwindet die weiße Markierung und eines der Quadrate wird für 300ms grau angezeigt. Die Probanden haben daraufhin 1.750ms lang Zeit, um richtig zu reagieren. Bei richtiger Antwort folgt für 250ms ein weißer Bildschirm, bei einer falschen Reaktion erscheint das Wort „error“ (Fehler) als Feedback (siehe Abbildung 6).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6. Zeitliche Ablauf des Trials eines Einzelaufgabenblockes der Dreiecke. Adaptiert nach “Localization of Executive Functions in Dual-Task Performance with fMRI” von Szameitat et al., 2002, Journal of Cognitive Neuroscience 14 (8), S. 1195.
Die Trials der auditiven Einzelaufgabenblöcke durchlaufen die gleichen Stufen und Zeiten, nur das anstelle der Änderung der Farbe eines Quadraten, alle schwarz bleiben und ein Ton präsentiert wird (siehe Abbildung 7).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7. Zeitliche Ablauf des Trials eines Einzelaufgabenblockes der Töne. Adaptiert
nach “Localization of Executive Functions in Dual-Task Performance with fMRI” von Szameitat et al., 2002, Journal of Cognitive Neuroscience 14 (8), S. 1195.
Darauf folgten nun weitere 8 Doppelaufgabenblöcke, in der beide Stimuli kurz nacheinander in einer festen Reihenfolge (DT-fixed) innerhalb des Blockes präsentiert worden sind (entweder AUD-VIS oder VIS-AUD). In diesen Blöcken variierte die SOA randomisiert zwischen 50, 125 und 200ms. Dieselbe Dauer der SOA wurde von der Antwortzeit abgezogen. Den Probanden wurde vor Beginn jeden Blockes die Reihenfolge der Stimuli mitgeteilt, sodass eine endogene Aufgabenvorbereitung stattfinden konnte. Die Versuchspersonen sollten analog zu der präsentierten Reihenfolge der Reize reagieren. Jeder Block bestand aus 9 Trials. Ein Trial beinhaltet in diesem Fall VIS-AUD oder AUD-VIS (siehe Abbildung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8. Zeitliche Ablauf des Trials eines Doppelaufgabenblockes mit AUD als erstes und VIS als zweites. Adaptiert nach “Localization of Executive Functions in Dual-Task Performance with fMRI” von Szameitat et al., 2002, Journal of Cognitive Neuroscience 14 (8), S. 1195.
Die letzten 8 Doppelaufgabenblöcke beinhalteten eine randomisierte Reihenfolge (DT-random) beider Reize, sodass keine endogene Aufgabenvorbereitung bei den Probanden stattfinden konnte. Die SOA wurde konstant auf 200ms gehalten. Zwischen allen 32 Blöcken bestand ein Intervall (Inter-Block-Intervall IBI) von 10.300ms. Die Analyse der Daten deckte einen typischen PRP-Effekt auf.
[...]
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