Bachelorarbeit, 2018
48 Seiten, Note: 2,0
Geschichte Europas - Neueste Geschichte, Europäische Einigung
Der Katalonien- Konflikt ist seit Jahrzehnten eines der großen innerpolitischen Themen Spaniens. Spätestens seit dem Urteil des spanischen Verfassungsgerichts im Juli 2010, hat sich das Verhältnis zwischen der spanischen Zentralregierung und der katalanischen Regionalregierung zunehmend verschlechtert. Ein Höhepunkt in der jüngsten Entwicklung des Konflikts war das Referendum am 1. Oktober 2017. An diesen Tag kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen der spanischen Polizei und den Separatisten in Barcelona.
In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, welche Ereignisse im Zeitraum vom 28.Juni 2010 bis zum 21.Dezember 2017 die Entwicklung des Verhältnisses zwischen der Zentralregierung und der Regionalregierung beeinflusst haben. Dabei stellt sich die Frage, ob es allein wirtschaftliche Gründe sind, die das finanzstarke Katalonien zur Loslösung von Spanien bewegen, oder ob auch geschichtliche, politische und kulturelle Gründe eine Rolle spielen.
Im untersuchten Zeitraum wurde die Zentralregierung bzw. die spanische Regierung vom spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (bzw. José Luis Rodríguez Zapatero) repräsentiert. Die Regionalregierung, auch „Generalitat“ genannt, wird vom katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont (bzw. dessen Vorgänger Artur Mas) vertreten. Es sei darauf hingewiesen, dass in dieser Arbeit die Begriffe „Abspaltung“ und „Sezession“ als Synonyme betrachtet werden.
Der erste Teil der Arbeit konzentriert sich auf den Zeitraum von 2010 bis 2015. Hier wird als Erstes auf das Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes eingegangen. Anschließend wird das Verhältnis von Zentralregierung und Regionalregierung rund um das Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2014 geschildert. Im zweiten Teil der Arbeit liegt der Schwerpunkt auf den Ereignissen, die mit dem Unabhängigkeitsreferendum vom 01. Oktober 2017 in Verbindung stehen. Hierbei spielen insbesondere die Ankündigung, Durchführung als auch die Folgen dieses Referendums eine entscheidende Rolle.
Das Ziel der Arbeit besteht darin, dem interessierten Leser einen komprimierten Überblick über die Entwicklung des Verhältnisses zwischen der Zentralregierung und Regionalregierung in der Zeit von 2010 bis zum 21.12.2017 zu geben. Aus zeitlichen Gründen können die Entwicklungen vor dem Jahr 2010 bzw. nach dem 21.12.2017 nicht mehr beleuchtet werden. Auch auf eine soziologische Analyse des Verhältnisses zwischen der Zentralregierung und der Regionalregierung wird verzichtet. Hierfür hätte sich das 9 Stufen Modell der Konflikteskalation nach Friedrich Glasl angeboten.
Auch mögliche Folgen einer Abspaltung Kataloniens von Spanien werden ausgeblendet. Diese Fragen können Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht werden und bieten sich daher als nachgelagerte Forschungsfragen an.
Als wissenschaftliche Grundlage für das Zusammentragen der Informationen dienten hauptsächlich Zeitungsartikel aus einschlägigen Tageszeitschriften wie zum Beispiel der ZEIT, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung, der spanischen Tageszeitung „EL País“ aber auch Material aus dem Internet beispielsweise von der „Bundeszentrale für politische Bildung“.
Ich habe mir dieses Thema ausgesucht, da ich mein Auslandsemester von Mitte September 2017 bis Mitte März 2018 in Barcelona verbracht habe und mich die Ereignisse rund um das Unabhängigkeitsreferendum am 01.Oktober 2017 sehr beeindruckt haben. Insbesondere die Ausschreitungen zwischen der spanischen Polizei und den katalanischen Separatisten haben dazu geführt, dass ich mein Auslandssemester frühzeitig unterbrechen musste. Daher nehme ich diese Arbeit als Anlass, mich mit der politischen Situation in Katalonien etwas genauer zu befassen und um zu verstehen, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte.
Der Ausgangspunkt für die jüngsten Entwicklungen im Katalonien Konflikt stellt das Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes im Juni 2010 dar. Um jedoch die Bedeutung dieses Urteils einschätzen zu können, ist ein kurzer Rückblick in die Geschichte Kataloniens notwendig.
Seit dem Bestehen Kataloniens kommt es regelmäßig zu Spannungen zwischen Katalonien und dem Zentralstaat. Ein einschneidendes Ereignis war die Niederlage der Katalanen gegen die Bourbonen im Spanischen Erbfolgekrieg im Jahr 1714. Die Implementierung bourbonischer Strukturen, das Verbot der katalanischen Sprache, die Zwangsschließung von Universitäten und der Verlust der kommunalen Selbstverwaltung Kataloniens waren die ersten Repressionen, die die Katalanen in ihrer Historie durch den spanischen Zentralstaat erleiden mussten. Der Tag der Niederlage, die Diada, ist bis heute ein symbolträchtiger Feiertag in Katalonien. Im 20. Jahrhundert, insbesondere in den Zeiten der Diktaturen von Miguel Primo de Rivera und Francisco Franco, erlitten die Katalanen weitere Repressionen. Unter Rivera wurde die kommunale Selbstverwaltung Kataloniens aufgehoben und Mitglieder der Regionalregierung wurden verhaftet. Da die Katalanen im spanischen Bürgerkrieg die Republikaner unterstützen, mussten die Katalanen in der Franco Diktatur die stärksten Repressionen ihrer Geschichte erleiden. Unter Franco wurde das Autonomiestatut aufgehoben und die Amtssprache Kataloniens, das Catalán wurde verboten. Bis zum Ende der Franco Diktatur, 1975, war ausschließlich das Kastilische Amtssprache in Katalonien. Heutzutage vergleichen viele Katalanen die Partei Partido Popular, deren Wurzeln in der Franco Diktatur liegen, mit der Zeit unter Franco. So haben heute noch immer viele Nachfahren der Falange einen Posten in der Partido Popular. Da Spanien keine rechtsextreme Partei hat, wird die Partido Popular auch als ein Sammelbecken vieler rechtsextremer Politiker angesehen.
In der Transition entspannte sich das Verhältnis von Zentralregierung und der Regionalregierung. Katalonien erlangte 1979 seinen Autonomiestaut zurück und das Catalán wurde wieder zur offiziellen Amtssprache.
Am 30. März 2006 wurde dieses Autonomiestatut während der Regierungszeit Zapateros vom spanischen Parlament erweitert.[1]
Die Katalanen durften eine eigene Polizeieinheit aufbauen und erlangten mehr Autonomierechte in den Bereichen Kultur, Bildung, Gesundheit, Justiz, Verkehr und in der Steuergesetzgebung. (Quelle 1, Landeszentrale für polit. Bildung Baden Württemberg: 2018)
Trotz der gewährten Freiheiten protestierten die Katalanen weiterhin gegen die hohen finanziellen Abgaben an den Zentralstaat und forderten die Unabhängigkeit Kataloniens. So gab es noch 2006 in Katalonien „einen spürbaren Nationalismus, antispanische Ressentiments und symbolische Scharmützel.“ (Quelle 2, Ingendaay: 2017)
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass durch die Verabschiedung des Autonomiestatuts unter Zapatero das Verhältnis zwischen der Zentralregierung und Regionalregierung eines der besten und friedlichsten in der Historie des Konfliktes war.
Urteil des Verfassungsgerichtes (Inhalt)
Unmittelbar nach der Verabschiedung des Autonomiestatuts, reichte der damalige Oppositionsführer der Partido Popular, Mariano Rajoy, (vgl. Grafik 1) vor dem spanischen Verfassungsgericht Klage gegen das Autonomiestatut von 2006 ein.[2] ( Quelle 3 Boxler/ Geyer/ Stehling: 2010) Mit dem Urteil vom 09.07.2010 wurden 14 Klauseln des Autonomiestatuts von 2006 aufgehoben, für weitere 27 Artikel gab das spanische Verfassungsgericht eine strikte interpretative Auslegung vor. Die wichtigsten Änderungen betrafen folgende Regelungen:
Erstens: Der Begriff „Nation“ wurde für juristisch ungültig erklärt. Katalonien durfte sich zwar weiterhin als eine eigenständige „Nation“ (Quelle 4, Landeszentrale für politische Bildung: 2017), bezeichnen, es durfte aber keine weiteren Rechte und vor allem keine juristischen Interpretationen von diesem Begriff ableiten. Den Katalanen war es auch verboten, staatliche Symbole wie eine eigene Fahne oder eine eigene Hymne zu haben.
Zweitens: Ab 2010 musste neben Katalanisch auch Spanisch in Katalonien gesprochen werden. In den Schulen durfte das Erlernen der katalanischen Sprache nicht mehr verpflichtend sein.[3]
Drittens: Die katalanische Kommunalverwaltung durfte in manchen Punkten nicht mehr bevorzugt werden, da dies verfassungswidrig sei. (Quelle 5: Landeszentrale für polit. Bildung Baden Württemberg: 2018)
Viertens: Dem neu eingeführten katalanischen Justizrat[4], wurden weitreichende Kompetenzen gestrichen. (Quelle 6: Boxler/ Geyer/ Stehling: 2010 1-2)
Fünftes: Katalonien durfte in Zukunft [ab 2010]seine Steuereinnahmen nicht mehr selbst verwalten, sondern musste einen Großteil seiner Abgaben an den Zentralstaat abführen. (Quelle 7: Urban: 2017:1-2)
Reaktionen auf das Urteil
Sowohl der Tenor des Urteils als auch die Umstände des Verfahrens sorgten bei der Regionalregierung für Empörung.
Einen Tag nach der Urteilsverkündung kam es zu einer Großdemonstration in Barcelona, an der mehr als 1 Millionen Menschen teilnahmen. Artur Mas, bezeichnete das Urteil als „eine Beschneidung der kulturellen Identität und [nahm]unzureichende Rechte bei der Ausübung der Regionalsprache als [Anlass] für die [Wiederaufnahme] von Sezessionsbestrebungen.“ (Quelle 8: Finkenzeller: 2014: 2) Der Präsident des Kreises deutschsprachiger Führungskräfte, Goméz, kritisierte dieses Vorhaben und warf Mas vor, dass die Beschneidung der kulturellen Identität und das Verbot katalanischer Symbole nur vorgeschobene Gründe seien, um die katalanische Sezessionsbestrebung auch nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes weiterhin rechtfertigen zu können. Laut Gómez seien ausschließlich wirtschaftliche Gründe und insbesondere der Finanzausgleich ausschlaggebend für die Sezessionsbewegung gewesen. (Quelle 9: Finkenzeller: 2014: 2)
Der Hauptauslöser für die massiven Proteste nach dem Urteil war der Verlust der Steuerautonomie. Die Steuerautonomie war eine im Statut festgelegte Regelung, wonach Katalonien den Hauptteil seiner Steuereinnahmen selbst bestimmen konnte.
Seit Jahrzehnten kritisiert die Regionalregierung die aktuelle Steuerregelung, da sie diese bis heute für ungerecht hält.[5] (Quelle 10: Landeszentrale für politische Bildung Baden Württemberg: 2018) Die Frage der Steuerhoheit ist daher der zentrale Streitpunkt zwischen der Zentralregierung und der Regionalregierung. Alle 17 Regionen Spaniens haben unterschiedlich ausgeprägte Autonomierechte und werden in unterschiedlicher Höhe am Finanzausgleich beteiligt. Das wirtschaftlich starke Basenland und Navarra dürfen ihre Steuern im Gegensatz zu Katalonien selbst einziehen und einen Großteil davon auch selbstbestimmt verwalten. Katalonien und die anderen autonomen Gemeinschaften hingegen müssen fast ihre gesamten Steuereinnahmen an die Zentralregierung in Madrid abführen. Der regionale Finanzausgleich beruht dabei nicht auf einem von der Zentralregierung und den Regionalregierungen gemeinsam verabschiedeten Gesetzes- und Regelwerk, dass die prozentuale Höhe der Abgaben und deren Zuweisungen nach einem bestimmten Schlüssel vorsieht. Im Gegenteil: Die Höhe der Abgaben wird vom spanischen Finanzminister alleine getroffen. (vgl. Quelle 11: Urban:2017)
„Der Finanzausgleich von Madrid ist willkürlich und [wird] überaus intransparent gehandhabt...Es gibt kein Gesetzeswerk, das von Madrid und den Regionalregierungen gemeinsam beschlossen wird und somit verbindliche Zahlen ausweist, mit denen jede Region kalkulieren kann. Vielmehr trifft die Zentralregierung diese Entscheidung allein….“ (Quelle 11: Urban: 2017)
Damit stellt der Finanzausgleich ein wichtiges Steuerungsinstrument der Zentralregierung dar. (vgl. Quelle 12: Prilasnig: 2015). Die Generalitat in Barcelona beklagt dabei zum einen das völlig intransparente Verfahren, zum anderen wirft sie der Zentralregierung vor, dass der spanische Finanzminister hauptsächlich die Regionalregierungen begünstige, die von der eigenen Partei gestellt würden. (vgl. Quelle 11: Urban : 2017))
Aufgrund der aktuellen Steuerregelung ergaben sich für Katalonien folgende Konsequenzen: 2010 musste die Regionalregierung mehr als 90% des katalanischen Steueraufkommens (16,4 Milliarden Euro) an den Zentralstaat abführen. Das geht aus den Berechnungen von Andreu Mas-Colell[6], dem damaligen Wirtschaftsminister Kataloniens, hervor (Quelle 13: Urban: 2017):[7] Diese Summe entspricht ungefähr 8% des jährlichen katalanischen Bruttoinlandsprodukts. Damit falle, so Mas - Collel Katalonien nach Abzug der Abgaben an den Zentralstaat auf den 9. Platz in der Tabelle der reichsten Regionen Spaniens zurück.[8] (Quelle 14 Finkenzeller: 2014: 2) Dürfte Katalonien seine Steuern hingegen selbst verwalten, wäre es gemessen am Pro- Kopf Einkommen nach dem Baskenland, Navarra und Madrid die viertreichste Region Spaniens. Da jedoch die Höhe der Abgaben ausschließlich von der Zentralregierung festgelegt werde, habe, so Mas Collel, keine Autonome Gemeinschaft einen Nachweis darüber, wie viel Geld sie an den Zentralstaat abzuführen habe. (Quelle 15: Urban: 2017) Die Katalanen finden den abzuführenden Betrag viel zu hoch.
Um zu einem (wirtschaftlichen) Kompromiss zwischen der Zentralregierung und der Regionalregierung zu kommen, schlug Mas - Collel daher vor, dass Katalonien in Zukunft nur 4% an den Zentralstaat abführen solle. (Quelle 16: Finkenzeller:2014) Doch die Zentralregierung lehnt bis heute sowohl eine Neuregelung des Finanzausgleiches als auch eine Neuverhandlung des katalanischen Autonomiestatuts ab. Sie weigert sich zudem den Katalanen zumindest die gleichen Rechte wie dem Baskenland zu gewähren (Quelle 17: Finkenzeller: 2014) Diese mangelnde Dialogbereitschaft von Seiten der Zentralregierung belastet lautet Finkenzeller das Verhältnis bis heute (Quelle 18: Finkenzeller: 2015).
Umstände des Verfahrens
Nicht nur der Tenor des Urteils sondern auch die Umstände des Verfahrens lösten in Katalonien Empörung aus: Während des Verfahrens lief bei einem Teil der Richter die Amtszeiten aus, ein verstorbener Richter wurde nicht ersetzt, da sich Zentralregierung und Regionalregierung nicht auf einen Nachfolger einigen konnten, was symbolisch für das schwierige Verhältnis ist. Ein weiterer Richter schied wegen Befangenheit aus dem Prozess aus.
Enoch Albertí Rovira, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Barcelona, kritisierte sowohl die Schnelligkeit des Urteils, als auch dessen unzureichende Begründung sowie dessen Argumentation:
„el estilo de la Sentencia se caracteriza por tres notas principales: la brevedad de la argumentación, su tono apodíctico y su carácter preventivo.“[9] (Quelle 19: Rovira: 2010:11-22)
Neben den kulturellen und sprachlichen Differenzen ist der der Finanzausgleich bis heute ausschlaggebend für die Sezessionsbestrebungen (vgl. Quelle 17: Finkenzeller:2017:2) der Katalanen. Katalonien ist neben Madrid der wichtigste Wirtschaftsstandort Spaniens (Quelle 20: Janker: 2017) Aus dieser wirtschaftlichen Stärke resultiert auch „das Selbstbewusstsein für eine politische Unabhängigkeit“(Quelle 21: Landeszentrale für politische Bildung: 2018).Daher haben viele Katalanen das Gefühl vom Zentralstaat ausgeplündert zu werden. (Quelle 22: Urban: 2018:1).
Für Katalonien bedeutete das Urteil des Verfassungsgerichtes zunächst einmal, dass es keine weiteren Autonomierechte zugesprochen bekam. In Katalonien löste das Urteil Proteste aus und das Verhältnis zwischen Zentralregierung und Regionalregierung verschlechterte sich. Manche Politiker wie zum Beispiel der Sozialist José Montilla, bezeichneten daher das Urteil als „politisch unsensibel“ (Quelle 23: Wandler: 2017), weil das spanische Verfassungsgericht den Konflikt nicht beruhigt, sondern verschärft hatte.
"Bei genauerer Betrachtung kommt diese Konfrontation nicht unerwartet. Spätestens seitdem das spanische Verfassungsgericht 2010 das reformierte Autonomiestatut für Katalonien auf Ersuchen des konservativen Partido Popular von Ministerpräsident Rajoy in wichtigen Teilen rückgängig gemacht hat, hängt der Haussegen zwischen Madrid und Barcelona schief. (...)“Angesichts des [Anmerk. d. Verfassers: seit dem Erbfolgekrieg] jahrhundertealten Konflikts mit Madrid ist es unwahrscheinlich, dass die katalanische Unabhängigkeitsbewegung als Folge des harten Durchgreifens der spanischen Regierung einfach verschwinden wird“(Quelle 24: ZEIT ONLINE: 2018:1).
Nach dem Urteil glaubten viele Katalanen, dass Spanien [die Zentralregierung] sie weiterhin demütige und [somit] demokratische Prozesse mit gerichtlichen Verboten verhindere. (Quelle 25: Ingendaay:2017:1) Dabei treffen nicht nur die Zentralregierung sondern auch Oppositionsführer Rajoy (der vor dem spanischen Verfassungsgericht Klage eingereicht hatte) Schuld, der durch seine Klage einen Konflikt, welcher sich 2010 eigentlich beruhigt hatte, wiederbelebt und verschärft hat.
Nach Bekanntgabe des Urteils kam es zu Demonstrationen und Protesten in Katalonien an denen bis zu 1,5 Millionen Menschen teilnahmen (Quelle 26: SPIEGEL ONLINE: 2010). Kühnel interpretiert die Proteste und die Unzufriedenheit der katalanischen Bevölkerung als Anzeichen dafür, dass sich das Verhältnis zwischen Zentralregierung und Regionalregierung verschlechterte. Die Unzufriedenheit der Katalanen und die Abneigung gegenüber der Zentralregierung wird auch durch den Mitgliederzuwachs der katalanisch- separatistischen Organisationen Ómnium Cultural und die Assemblea Nacional Catalana deutlich und deutet somit auf eine Verschlechterung des Verhältnisses hin. Von zentraler Bedeutung für die Entwicklung des schlechten Verhältnisses sind dabei die Haltungen Zapateros und Rajoys:
Haltung Zapatero
Die Haltung von Ministerpräsident Zapatero zu dem Urteil ist nicht belegt. Es stellt sich allerdings die Frage, warum Zapatero, der sich im Vorfeld auf die Seite Kataloniens gestellt hatte, in so einer politisch sensiblen Situation nicht selbst das Wort ergriffen hat. Unklar ist auch, warum Zapatero nach der Verfassungsklage nicht versucht hat, ein neues Autonomiestautut Kataloniens zu verhandeln um für Frieden in der Region zu sorgen, was eine seiner Hauptaufgaben als Ministerpräsident ist.
Rajoy hingegen hat durch die sofortige Einlegung der Verfassungsbeschwerde gegen das ausgehandelte und demokratisch legitimierte Autonomiestatut einen Konflikt entfacht, der sich eigentlich beruhigt hatte. Nach der Machtübernahme Rajoys 2011 (vgl. Grafik 2) gab es kaum noch Gespräche über ein katalanisches Autonomiestatut. Insbesondere der Wunsch Kataloniens nach finanzieller Unabhängigkeit passte nicht in Rajoys Regierungskonzept. Grund für das schlechte Verhältnis zur Zentralregierung ist daher die mangelnde Bereitschaft Rajoys, über eine Erneuerung des Länderfinanzausgleichs zu sprechen. Durch diese Haltung kippt in Katalonien die Stimmung und die katalanische Bevölkerung hat das Gefühl, von der Zentralregierung ausgeplündert zu werden. (Quelle 27: Janker: 2017:1)
Fazit: In der Vergangenheit mussten die Katalanen eine Reihe von Repressionen erleiden. Der Höhepunkt dieser Repressionen war in der Franco Diktatur. Mit der Rückerlangung der Autonomierechte in der Transition, verbesserte sich das Verhältnis zur Zentralregierung. Die größten Autonomierechte erlangten die Katalanen mit dem Autonomiestatut 2006, das jedoch 2010 auf Klage Rajoys annulliert wurde. Das Urteil belebt den Konflikt wieder. (Quelle 28: Rößler: 2017) 2011 wird Rajoy Ministerpräsident und weigert sich seitdem über ein neues Autonomiestatut zu verhandeln. Das Urteil und die harte Haltung Rajoys lösten in Katalonien Empörung aus. Somit verschlechterte sich auch das Verhältnis zwischen Zentral- und Regionalregierung. Der schon eigentlich beruhigte Konflikt wird wiederbelebt und kann in Zukunft zu einem politischen Problem in Spanien werden.
Nachdem das Urteil des Verfassungsgerichtes den Konflikt wiederbelebt und daher auch das Verhältnis zwischen Zentral- und Regionalregierung verschlechtert hat, soll in diesem Kapitel untersucht werden, wie sich das Wahlergebnis der katalanischen Parlamentswahlen auf das Verhältnis auswirkt. Um allerding das Wahlergebnis und dessen Bedeutung vom 25.11.2012 nachvollziehen zu können, müssen zunächst die Geschehnisse des 11. Septembers 2012 erläutert werden.
Am 11.September 2012 nahmen zirka 1,5 Millionen Menschen an dem jährlichen Gedenken an die „ Diada “ (unter dem Motto „ Catalunya nou Estat d´ Europa“ („Katalonien, neuer Staat Europas“) teil (Quelle 29: Müller: 2012).
Grund für die rege Beteiligung waren die anhaltend hohen Steuerabgaben Kataloniens an die Zentralregierung (Quelle 30: Müller: 2012). Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl entschloss sich der katalanische Ministerpräsident Artur Mas dazu, von nun an keine Verhandlungen mit der Zentralregierung über eine Neufassung des katalanischen Autonomiestatuts zu führen, sondern Katalonien in einen unabhängigen Staat umwandeln zu wollen. Dazu rief Ministerpräsident Mas Neuwahlen für den 25. November 2012 in Katalonien aus. Angesichts der hohen Beteiligung an der „ Diada “ glaubte Mas, dass viele Katalanen seinen separatistischen Kurs unterstützen würden und hoffte daher, seine Machtposition in der katalanischen Bevölkerung stärken zu können. Offiziell begründete Mas seine Entscheidung „mit der außergewöhnlichen Lage [Anmerk. d. Verf. in Katalonien], die mit der Massendemonstration vom 11.September 2012 und der Weigerung Rajoys über den „ pacto fiscal “ zu verhandeln“ entstanden sei (Quelle 31, Ladurner: 2018).
Als die Zentralregierung vom Vorhaben Mas erfuhr, kündigte sie an, im Falle weiterer Unabhängigkeitsbestrebungen militärisch in Katalonien eingreifen zu wollen (Quelle 32: Müller: 2012), womit sich das Verhältnis verschlechterte. Die Bedeutung der Wahl am 25.November 2012 ist an der hohen Wahlbeteiligung erkennbar, welche die höchste nach dem Ende der Franco Diktatur war.
Die Wahl hatte jedoch nicht den gewünschten Erfolg für Mas. So gewann zwar die nationalliberale CiU (50%) von Mas die Wahl vor der ERC (21%) und der PSC (20%), sie verfehlte allerdings die absolute Mehrheit in Katalonien. Da die CiU bei der Wahl sogar noch Stimmen verlor und daher auch Sitze im katalanischen Parlament (Grafik 3) abgeben musste, wertet Müller das Wahlergebnis als einen Rückschlag für die Separationsbewegung. (Quelle 33:Müller: 2012). Nach seiner gefühlten „Wahlniederlage“ stand Mas 2012 vor der Entscheidung, die Unabhängigkeitsbewegung entweder aufzugeben oder weiterhin voranzutreiben.
Ob allerdings die Stimmeinbußen bzw. das Verfehlen der absoluten Mehrheit der CiU wirklich als eine Niederlage für die Abspaltungsbewegung gewertet werden können, wie von Müller behauptet wird, bleibt fraglich. Wenn man bedenkt, dass die anderen Parteien wie die nationalistische ERC, die ebenfalls für eine Unabhängigkeit eintrat, ihre Stimmen verdoppeln konnte, kann man wohl nicht von einem Rückschlag der Unabhängigkeitsbewegung an sich sprechen. Daher kann das Wahlergebnis trotz der Stimmeinbußen als ein Erfolg für die separatistische Politik gewertet werden. Das Wahlergebnis symbolisiert die Kraft der separatistischen Bewegung in Katalonien und verdeutlicht die Abneigung der Katalanen gegenüber der Zentralregierung. Dies wird auch durch das schlechte Abschneiden von Rajoys Partido Popular deutlich, die nur 18 Mandate (ca. 13%) in Katalonien erreichen konnte, was für eine Volkspartei wie die PP sehr wenig ist.
Fazit: Die Unabhängigkeitsbestrebung hatte 2012 so einen großen Zulauf bekommen, dass Mas diesen Zulauf für seine Politik nutzen wollte. Dabei hat er die absolute Mehrheit bei den vorgezogenen Regionalwahlen zwar verpasst, jedoch unterstützt die katalanische Bevölkerung nach wie vor seinen separatistischen Kurs. Das Wahlergebnis zeigt auf der einen Seite den Willen der Katalanen, ein Unabhängigkeitsreferendum durchführen zu wollen und auf der anderen Seite die Unpopularität der Zentralregierung in Katalonien. Angesichts des Wahlergebnisses zugunsten der separatistischen Parteien ist daher anzunehmen, dass sich das Verhältnis zur Zentralregierung nach der Wahl verschlechtern wird.
[...]
[1] Die Verabschiedung der Autonomierechte geschah in erster Linie aus innerpolitischen Gründen. Zapatero führte damals eine Minderheitsregierung an und brauchte die Stimmen der Katalanen, um seine Vorhaben in Spanien durchsetzen zu können.
[2] Formell betrachtet stellte Rajoy einen Normenkontrollantrag, der aber in diesem Kontext den gleichen Zweck wie eine Klage hat
[3] Zum Urteil des spanischen Verfassungsgerichtes ist hinzuzufügen, dass von einem Teil der Richter die Amtszeit inzwischen abgelaufen ist, bzw. ein Richter schon verstorben ist und man sich auf keinen Nachfolger einigen kann. Bis 2010 gab es insgesamt 5 Versuche des Verfassungsgerichtes, da sich Zentralregierung und Regionalregierung auf kein Urteil einigen konnten. (Quelle: Konrad Adenauer Stiftung: Auslandsbüro Spaniens Stehling, Boxler, Geier)
[4] Consejo de Justicia
[5] Aktuelle dürfen nur das Baskenland und Navarra ihre Steuern selber einziehen. Das bedeutet, dass das Baskenland weniger zu den Ausgaben des Zentralstaates beiträgt.
[6] Mas – Collel gilt als wissenschaftliche Autorität in Katalonien und lehrte viele Jahre in Berkeley und Havard (Quelle 16)
[7] (Vgl.).Bayern zahlte 2013 4, 3 Milliarden ein
[8] Beispiel: Infrastruktur: In Madrid sind die Autobahnverbindungen und U-Bahn Verbindungen in einem besseren Zustand. Der Hauptbahnhof Tarragonas, der Knotenpunkt des spanischen Handels ist in einem erbärmlichen Zustand. Die Infrastruktur in Katalonien ist veraltet In Madrid gibt es moderne Bahnhöfe. In Madrid sind die Gehälter der Sicherheitsleute 25% höher als in Barcelona, obwohl alle Sicherheitsleute vom Innenministerium bezahlt werden. In Madrid gibt es staatliche Forschungszentren, in Barcelona gibt es keines.
[9] Quelle: LA SENTENCIA 31/10: VALORACIÓN GENERAL DE SU IMPACTO SOBRE EL ESTATUTO Y ES ESTADO DE LAS AUTONOMIÍAS“ Enoch Albertí Rovira in: Revista catalana de dret pública, Especial Sentencia 31/10 del Tribunal Constitucional, sobre el Estatuto de Autonomía de Catlunya de 2006, Herausgeber: Escola d´ Administración Pública de Catalunya, Generaltitat de Catlunya)
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