Fachbuch, 2019
59 Seiten
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Relevanz und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Mediation
2.1 Familienmediation – inklusive binationaler Aspekte
2.2 Mediation als außergerichtliches Streitschlichtungsverfahren
3 Soziale Aspekte
3.1 Der Wandel der Familie
3.2 Globalisierung
4 Rechtliche Aspekte
4.1 Das Kindschaftsrecht
4.2 Rechtliche Grundlagen bei Kindesentführung (HKÜ)
4.3 Unterstützung bei der Personensorge und des Umgangs
4.4 Beratung bei Trennung und Scheidung
5 Folgen von Trennung und Scheidung
5.1 Folgen für die Eltern
5.2 Folgen für das Kind
5.3 Eingeschränkte Eltern-Kind-Beziehung
5.4 Mangelnde Bindungsqualität
5.5 Häusliche Gewalt
6 Konfliktbehandlung im familienrechtlichen Kontext
6.1 Definition von Konflikt
6.2 Konfliktentwicklung bei Trennung und Scheidung
6.3 Konfliktstile
6.4 Das Hinwirken auf Einvernehmen im Hochkonflikt
7 Besondere Konflikte in der Familienmediation
7.1 Kindeswohl und Kindschaftskonflikte
7.2 Beziehungsgewalt
7.3 Binationale Kindschaftskonflikte
8 Interventionen
8.1 Abgrenzung von Therapie, Beratung und Mediation
8.2 Familienmediation
8.3 Mediation bei Gewalt in der Familie
8.4 Das themenzentrierte Kinder-Interview
8.5 Mediation bei binationalen Kindschaftskonflikten
9 Formelles Verfahren vs. Mediation
10 Die zukünftige Entwicklung der Mediation
11 Zusammenfassung und Ausblick
11.1 Zusammenfassung
11.2 Ausblick
12 Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Zwischen dem, was ich denke, und dem, was ich sage und dem, was ich zu sagen glaube, und dem, was du hörst, und dem, was du hören willst, und dem was du verstehst und zu verstehen hoffst gibt es ebenso viele Möglichkeiten, sich nicht zu verstehen.“ (Anonym)
Dieser Satz könnte stellvertretend für die zahlreichen Herausforderungen einer Familienmediation bei Kindschaftskonflikten in Trennungs- und Scheidungsfamilien stehen. Dabei hat die heutige Familienmediation zunehmend gravierende Herausforderungen zu bewältigen.
Es gilt den Wandel der Familie ebenso zu berücksichtigen, wie die Globalisierung unserer Lebenswelt. Vor diesem Hintergrund hat sich die Zahl der Scheidungen seit 1965 nahezu verdreifacht (vgl. Peuckert, 2012, S. 343). Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei den Trennungen ab. Ihre Rate übersteigt das Dreifache der o. g. Scheidungsrate. Auch im Rahmen der Globalisierung ist eine ansteigende Zahl von Trennungen und Scheidungen binationaler Partnerschaften zu verzeichnen (vgl. Nehls, 2009, S. 13).
Das Recht hat auf diesen gesellschaftlichen Wandel reagiert (vgl. BMJV, 2014, S. 2). So wurde das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) aufgrund der Reform des Kindschaftsrechts (KindRG) weiter ausgebaut mit dem Ziel, konfliktvermeidende sowie konfliktlösende Elemente einzubeziehen (vgl. Struck, 2016, S. 348).
Dabei ist eine Trennung bzw. Scheidung für die Beteiligten mit hohen psychischen Belastungen verbunden. Die sich hieraus ergebenden Konflikte sind für die Beteiligten nicht nur existenziell, sondern gleichzeitig sind gravierende Entscheidungen zu fällen, wie beispielsweise wo die Kinder zukünftig ihren Lebensmittelpunkt haben werden und wie die Umgänge zu gestalten sind (vgl. Mähler/Mähler, 2016, S. 669). Hierbei nehmen Schätzungen zufolge ca. fünf % aller Scheidungen und Trennungen einen hochkonflikthaften Verlauf (vgl. Dietrich/Fichtner/Halatcheva/Sander/Weber, 2010, S. 10), der geprägt ist von Gewaltanwendungen bis hin zu Drohungen, das gemeinsame Kind in die Heimat des anderen Elternteils zu verbringen.
Vor dem Hintergrund des neuen Kindschaftsrechts hielt die Familienmediation 1998 ihren Einzug nach Deutschland, nachdem sie bereits zuvor in ihrem Ursprungsland USA in der Trennungs- und Scheidungsmediation bekannt geworden war (vgl. Diez, 2001, S. 27 f.). Sie fordert nicht nur fundierte Rechtskenntnisse, sondern auch eine interdisziplinäre Kooperation von Fachkräften sowie umfangreiche Kenntnisse in Soziologie und Psychologie, um die komplexen familien- und trennungsdynamischen Konflikte zu verstehen (vgl. Diez, 2001, S. 28).
Durch den Wandel der Familie und den damit verbundenen neuen Familienkonstellationen sieht sich die Familienmediation heute mit weit mehr Herausforderungen konfrontiert, als dies in der ursprünglichen Trennungs- und Scheidungsmediation der Fall war (vgl. Diez, 2001, S. 28). So bezieht die heutige Familienmediation nicht nur Familiensysteme wie Nicht-eheliche Lebensgemeinschaften und Stieffamilien mit ein, sondern zunehmend werden auch Gewalt und Missbrauch thematisiert und auch interkulturelle Konflikte innerhalb des Familiensystems gelten immer öfter durch eine Mediation zu bewältigen. Auf diese tief greifenden Veränderungen hat die Fachwelt konzeptionell zu reagieren, um die Familien zu begleiten und zu unterstützen (vgl. Diez, 2001, S. 28). So sind in der Trennungs- und Scheidungssituation zunehmend Kompetenzen gefordert, die einen möglichen Gewalthintergrund eruieren (vgl. Gläßer, 2008, S. 37) sowie interkulturelle Kompetenzen bei binationalen Konflikten (vgl. Nehls, 2009, S. 13). Dazu sind Erkenntnisse der aktuellen Familien- und Trennungspsychologie ebenso erforderlich, wie Handlungskompetenzen der Gesprächsführung (vgl. Diez, 2001, S. 28).
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, auf die o. g. Herausforderungen der Trennungs- und Scheidungsmediation einzugehen. Da eine kontroverse Diskussion darüber geführt wird, ob und inwieweit Kinder und Jugendliche zu beteiligen sind (vgl. Struck, 2015, S. 319), wird der Autor auch auf diese Thematik eingehen und stellt eine lösungs- und ressourcenorientierte Interventionsmöglichkeit vor, wie Kinder in die Mediation integriert werden können. (Zur besseren Lesbarkeit wird durchgängig die männliche Form verwendet; die weibliche ist stets mit eingeschlossen.).
Dabei erhebt die vorliegende Arbeit den Anspruch, auf die aktuellen gesellschaftlichen Situationen einzugehen.
Dazu ist die Arbeit in insgesamt zehn Abschnitte eingeteilt (B bis K).
In Abschnitt B wird zunächst die Familienmediation, inklusiv binationaler Aspekte, als außergerichtliches Streitschlichtungsverfahren vorgestellt.
Abschnitt C widmet sich den sozialen Aspekten. Um auf die sozialen Herausforderungen von Familien einzugehen, wird zunächst auf den Wandel des Familienbildes eingegangen, dem zufolge ein Aufwärtstrend an Trennungen und Scheidungen mit betroffenen Kindern zu beobachten ist. Im Rahmen der Globalisierung wird zusätzlich ein Blick auf die Migration geworfen, da vor ihrem Hintergrund eine ebenso steigende Anzahl an binationalen Ehen zu verzeichnen ist.
Da das aktuelle Kindschaftsrecht mit seiner Reform auf den sozialen Wandel reagiert hat, wird in Abschnitt D auf die rechtlichen Aspekte eingegangen. So wird das aktuelle Sorge- und Umgangsrecht vorgestellt sowie der Grund für das Vorrang- und Beschleunigungsgebot hervorgehoben. Anschließend wird auf das Hinwirken auf Einvernehmen eingegangen, wobei insbesondere auf die Signalwirkung für die Etablierung einer kooperativen Beilegung von Konflikten und einer gleichzeitigen Stärkung der elterlichen Verantwortung hingewiesen wird. Da das Kind als Grundrechtsträger von einer familienrechtlichen Entscheidung unmittelbar betroffen ist, wird auf eine Anhörung und den Willen des Kindes eingegangen. Da im Rahmen der Globalisierung die internationalen Kindschaftskonflikte eine zusätzliche Herausforderung darstellen, wird auf die rechtlichen Grundlagen bei einer Kindesentführung (HKÜ) eingegangen. Die rechtlichen Aspekte schließen mit einem Beratungs- und Unterstützungsanspruch bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts bzw. einem Anspruch auf Beratung bei Trennung und Scheidung gemäß § 17 SGB VIII. ab.
Abschnitt E behandelt die Folgen von Trennung und Scheidung für die Eltern und ihre Kinder. Da eine Trennung und Scheidung oftmals mit einem signifikanten Anstieg von häuslicher Gewalt verbunden ist (vgl. Gläßer, 2008, S. 214), wird diese Thematik integriert.
Hierauf folgt in Abschnitt F die Konfliktbehandlung im familienrechtlichen Kontext, wobei zunächst eine Definition von Konflikt aus soziologischer- und aus psychologischer Sicht herausgestellt wird. Damit soll hervorgehoben werden, wie komplex sich insbesondere die psychologische Variante darstellt, um anschließend die Konfliktentwicklung bei Trennung bzw. Scheidung besser nachvollziehen zu können. Insbesondere soll hierdurch eine Abgrenzung der verschiedenen Eskalationsstufen, zwecks Eruierung eines möglichen Hochkonflikts, vorgestellt werden. Es werden die unterschiedlichen Konfliktstile vorgestellt sowie auf die begrenzte Möglichkeit eines Hinwirkens auf Einvernehmen im Hochkonflikt hingewiesen.
Um auf die besonderen Konflikte in der Familienmediation eingehen zu können, wird in Abschnitt G zunächst die Begrifflichkeit des Kindeswohls abgegrenzt. Hierbei wird auf die unterschiedlichen Funktionen des Begriffs eingegangen sowie nach welchen Beurteilungskriterien die Regelung der elterlichen Sorge erfolgt. Anschließend wird auf die Folgen einer misslungenen Sorgerechts- bzw. Umgangsregelung eingegangen, wobei insbesondere die Umgangsregelung hervorgehoben wird. Da im Trennungs- und Scheidungskontext mit einem signifikanten Anstieg einer Beziehungsgewalt zu rechnen ist, wird vorgestellt, wie dieses Phänomen zu eruieren ist. Abschließend wird auf die besonderen Konflikte bei binationalen Kindschaftskonflikten eingegangen.
In Abgrenzung von Therapie und Beratung wird in Abschnitt H auf die Mediation und ihrer besonderen Herausforderung geblickt. Dazu wird zunächst die Struktur einer typischen Familienmediation in Trennungs- und Scheidungsfamilien vorgestellt sowie einer Mediation im Gewaltkontext. Zu jeder Mediationsvorstellung erfolgt eine Einbeziehung des Kindes. Anschließend wird eine Intervention vorgestellt, die sich explizit auf die Belange des Kindes konzentriert und die in die Familienmediation einbezogen werden kann. Den Abschluss bildet eine Mediation bei binationalen Kindschaftskonflikten auf der Basis eines dreijährigen deutsch-französischen Modellprojekts.
Nach der Abhandlung der vorgestellten Herausforderungen wird in Abschnitt I auf eine Konfliktbehandlung durch ein formelles Verfahren bzw. einem außergerichtlichen Verfahren eingegangen. Es wird der Grund für einen Paradigmenwechsel in den Blick genommen, um abschließend in Abschnitt J auf die zukünftige Entwicklung der Mediation einzugehen.
Um dem Bundestag im Sommer 2017 über die Auswirkungen des Mediationsgesetzes berichten zu können, wird das Mediationsgesetz derzeit evaluiert, weshalb im Abschnitt K, nach der Zusammenfassung, ein Ausblick auf die Mediation geworfen wird.
Die Familienmediation etablierte sich in Deutschland bereits gegen Ende des 20. Jahrhunderts (vgl. Paul, 2014b, S. 511 ff.). Aufgrund des Art. 6 Abs. 1 GG steht die Familie sowie sozial-familiäre Gemeinschaften, wie beispielsweise eingetragene Lebensgemeinschaften mit leiblichen oder angenommenen Kindern, unter dem besonderen Schutz des Staates. Dabei wird unter dem Begriff der Familie „alles, was um Kinder kreist“ (Paul, 2014b, S. 512) verstanden. Bei entstehenden Konflikten setzt das Kindschaftsreformgesetz von 1998 (KindRG) und das „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (FamFG) auf eine einverständliche Regelung. Hierzu belegen weltweite Erfahrungen, dass sich aufgrund einer Familienmediation die Kommunikation zwischen den Familienmitgliedern verbessert, Konflikte verringert, einvernehmliche Regelungen gefunden werden und die persönlichen Kontakte zwischen den Kindern und ihren Eltern erhalten bleiben.
Bei den sogenannten binationalen Trennungen führen die kulturellen Unterschiede, die zu überwindenden Entfernungen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer zusätzlichen Verschärfung der Konfliktsituation (vgl. Paul, 2014b, S. 513). Eine mögliche Entführung des Kindes erschwert die Problematik und somit die Dynamik massiv, weshalb Richter und Jugendämter die betroffenen Eltern immer öfter auf die Möglichkeit einer Mediation hinweisen.
War bislang die Mediation nicht geregelt und fand unabhängig außerhalb des Gerichtsverfahrens statt, so ist sie mittlerweile verankert (vgl. Paul, 2014b, S. 516). Ein wesentliches Anliegen bei der Implementierung war vor allem auf die Nutzung der Mediation hinzuweisen. Dabei hat die Mediation aufgrund des Mediationsgesetzes nicht nur bedeutsame Reformierungen erfahren, sondern zusätzlich wurden auch Anreize für eine Mediation geschaffen (vgl. Paul, 2014b, S. 511).
Aufgrund des Mediationsgesetzes (MediationsG) ist die Mediation als einziges außergerichtliches Streitschlichtungsverfahren in Deutschland rechtlich verankert (vgl. Haaß, 2016, S. 190 f.). Trotz des verfahrensrechtlich geregelten Standards lässt dieses Verfahren ausreichend Raum für eine flexible Gestaltung. Die „Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konfliktes anstreben“ (§ 1 Abs. 1 MediationsG). Das Ziel der Mediation ist eine für alle Beteiligten gewinnbringende konsensorientierte Konfliktbeilegung (vgl. Haaß, 2016, S. 190 f.). Hierzu erarbeiten die Medianden freiwillig und eigenverantwortlich eine zukunftsorientierte sowie interessengerechte Lösung, die am Ende von allen akzeptiert werden kann. Dabei hängt ihr Erfolg im Wesentlichen von der Bereitschaft der Medianden ab sich mit dem Gegenüber, unter der Leitung des Mediators, auf das Verfahren einzulassen. Dazu sollten die Medianden bereit sein, alle konfliktrelevanten Informationen offen darzulegen, indem sie sich gesprächsbereit und ergebnisoffen zeigen. Der Mediator unterstützt die Beteiligten bei ihrer autonomen Lösungsfindung (Prozessverantwortung), was wiederum von allen ein hohes Maß an Zusammenarbeit verlangt, an dessen Ende jedoch ein nachhaltiges Ergebnis zu erwarten ist.
Das Familienmodell hat sich seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts gewandelt (vgl. Peuckert, 2012, S. 1). Bestand das traditionelle Familienbild des vergangenen Jahrhunderts noch aus einem Ehepaar mit seinen leiblichen minderjährigen Kindern, so versteht die heutige Gesellschaft unter einer Familie zunehmend Eltern-Kind-Gemeinschaften (vgl. Peuckert, 2012, S. 1), d. h., Ehepaare, nicht-eheliche (gemischtgeschlechtliche) und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sowie Alleinerziehende mit ledigen Kindern im Haushalt. Einbezogen sind – neben leiblichen Kindern – auch Stief-, Pflege- und Adoptivkinder ohne Altersbegrenzung. Heute leben ca. 77 % der minderjährigen Kinder in einer Normalfamilie, wobei der Anteil der Kinder, die entweder bei Alleinerziehenden, in nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften oder in Stieffamilien aufwachsen, kontinuierlich ansteigt (vgl. Peuckert, 2012, S. 343). Gründe für diesen Wandel sind in der Veränderung der Geschlechterrolle zu finden. Aufgrund einer verbesserten Bildungsbeteiligung, verbunden mit einer zunehmenden Erwerbstätigkeit, führen Frauen heute zunehmend ein ökonomisch unabhängiges Leben (vgl. Peuckert, 2012, S. 343). Vor diesem Hintergrund hat sich die Zahl der Scheidungen seit 1965 verdreifacht (vgl. Peuckert, 2012, S. 343). Aller Voraussicht nach werden in den kommenden 25 Jahren 40 % aller Ehen durch eine Scheidung gelöst werden. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei den Trennungen ab. Ihre Rate übersteigt das Dreifache der o. g. Scheidungsrate. Konventionelle sowie patriarchalische Beziehungsmuster stellen somit ein Auslaufmodell dar, weshalb zunehmend individuell gestaltete Beziehungsformen angesagt sind, die auf ein eigenverantwortliches Handeln setzen (vgl. Mähler/Mähler, 2016, S. 669 f.). Hierbei werden die geltenden Normen lediglich als eine Rahmenbedingung betrachtet, bei der eigenverantwortliche Lösungen angestrebt werden (responsive law).
Diesem Konzept wird die Mediation gerecht, indem sie als strukturiertes und freiwilliges Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konfliktes, auf die Selbstverantwortung der Konfliktparteien setzt und der Mediator als unabhängiger Dritter den Lösungsprozess begleitet (vgl. Mähler/Mähler, 2016, S. 670 f.).
Im Rahmen der Globalisierung ist eine ansteigende Zahl von binationalen Partnerschaften zu verzeichnen (vgl. Paul/Kiesewetter, 2009, S. V). Die sogenannten binationalen Ehen (Ehe zwischen Deutschen und Menschen anderer sozialer Herkunft/Nationalität) spielen eine immer größere Rolle, da sie letztendlich als Indikator einer sozialen Integration gelten (vgl. Peuckert, 2012, S. 51). Kulturelle Annäherung, verbunden mit einem sozialen Prestige der jeweiligen Nationalität sowie individuelle Motive nach sozialer Absicherung und einem attraktiven Partner, sorgen für einen Anstieg binationaler Ehen (vgl. Peuckert, 2012, S. 53).
Allerdings führen Sprachprobleme sowie mangelnde Kenntnisse über die kulturellen, gesellschaftlichen als auch rechtlichen Grundlagen der Wahlheimat dazu, dass der ausländische Elternteil sich benachteiligt und unverstanden fühlt (vgl. Carl/Alles, 2009, S. 117 f.). Zusätzlich führt ein unterschiedliches Familien- und Rollenverständnis aufgrund kultureller Unterschiede zu gravierenden Missverständnissen und heftigen Auseinandersetzungen. Als Beispiel mag eine Berufstätigkeit oder divergierende Erziehungsvorstellung gelten. Trennen sich binationale (Ehe)Partner und ein Elternteil kehrt ohne die Erlaubnis des anderen Elternteils mit dem gemeinsamen Kind in seine Heimatland zurück, eskaliert der Konflikt, weshalb die Justiz, aber auch die zuständigen Jugendämter, zunehmend mit einer steigenden Anzahl von binationalen Sorge- und Umgangsstreitigkeiten konfrontiert werden. Zudem können in unterschiedlichen Ländern gegensätzliche Entscheidungen getroffen werden, weshalb eine Mediation in internationalen Kindschaftssachen zunehmend in Betracht gezogen wird (vgl. Mähler/Mähler, 2016, S. 702). Hier bietet die Mediation sowohl methodische Vorteile als auch ein breit gefächertes Repertoire an Entscheidungsmöglichkeiten. Internationale Kindschaftskonflikte stellen eine besondere Herausforderung dar, da sie umfangreiche Kenntnisse der fremden Rechtsvorschriften sowie interkulturelle Kompetenzen abverlangen. Sie sind ebenfalls, wie das nationale Kindschaftsrecht, am Kindeswohl ausgerichtet (vgl. Nehls, 2009, S. 13).
Vor diesem Hintergrund werden insbesondere in der Trennungs- und Scheidungssituation auch zunehmend interkulturelle Kompetenzen gefordert (vgl. Diez, 2001, S. 28).
Das Recht hat sich dem gesellschaftlichen Wandel von Familienlebensmustern angepasst (vgl. BMJV, 2014, S. 2 ff.). Vor dem Hintergrund einer steigenden Anzahl von Trennungen und Scheidungen hat die Reform des Kindschaftsrechts (KindRG) seit 1998 zahlreiche Nachbesserungen vorgenommen. So besteht seit dem 19. Mai 2013 die gemeinsame elterliche Sorge auch nach der Trennung der Eltern weiter fort und seit dem 13. Juli 2013 ist dem biologischen, nicht rechtlichen Vater ein Umgangsrecht eingeräumt worden.
Das am 1. September 2009 in Kraft getretene Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) steht für die Weiterentwicklung des Kindschaftsreformgesetzes (vgl. Weber/Alberstötter/Schilling, 2013, S. 10). Es stellt das Kind im Verfahren von Kindschaftssachen in den Mittelpunkt.
Das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) wurde aufgrund des KindRG weiter ausgebaut mit dem Ziel, konfliktvermeidende sowie konfliktlösende Elemente stärker einzubeziehen (vgl. Struck, 2016, S. 348 ff.). Im Rahmen eines Hinwirken auf Einvernehmen (§ 156 FamFG) unterstützt das Familiengericht die Eltern, eine eigenverantwortliche Konfliktlösung zu finden, sofern dies nicht dem Kindeswohl widerspricht (vgl. § 156 Abs. 1 Satz 1 FamFG) und weist auf die entsprechenden Beratungsangebote hin oder verordnet sie. Ziel ist, gemäß § 156 Abs. 1 Satz 2 FamFG an die elterliche Verantwortung in Sorge- und Umgangsstreitigkeiten zu appellieren.
Gemäß Art. 6 Abs. 2 GG sind die Eltern berechtigt und verpflichtet, ihr Kind zu pflegen und zu erziehen (Rechts- und Pflichtenlage) (vgl. Schwab, 2016, S. 243). Die elterliche Sorge leitet sich von der elterlichen Verantwortung ab und ist auf das Wohl des Kindes ausgerichtet. Dabei wird die elterliche Sorge in die Vermögenssorge und in die Personensorge unterteilt, wobei die Personensorge der Pflege und Erziehung des Kindes obliegt (vgl. Schwab, 2016, S. 244). Diese sogenannte Elternrechtsgarantie geht von dem Regelfall aus, dass das Kind gemeinsam mit Vater und Mutter aufwächst und soll durch das Getrenntleben der Eltern im Falle einer Trennung bzw. Scheidung nicht aufgehoben werden (vgl. Schwab, 2016, S. 247). Ein gemeinsames Sorgerecht für eheliche Kinder besteht, wenn die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt miteinander verheiratet sind (elterliche Sorge kraft Ehe) oder wenn die Eltern nach der Geburt einander heiraten (vgl. Schwab, 2016, S. 293 f.). Ebenso besteht die elterliche Sorge für nicht eheliche Kinder, wenn die Eltern vor einem Notar oder dem Jugendamt eine sogenannte Sorgeerklärung abgeben, indem beide erklären, dass sie gemeinsam für das Kind sorgen wollen (vgl. Schwab, 2016, S. 296 f.). Manche Eltern planen trotz eines gemeinsamen Kindes keine gemeinsame Zukunft. In solchen Fällen sieht das Gesetz gemäß § 1626a Abs. 3 BGB vor, dass die Mutter das alleinige Sorgerecht innehat (Sorgerecht kraft Mutterschaft) (vgl. Schwab, 2016, S. 295). Bei der Personensorge sind die Eltern mit Bestimmungsbefugnissen, wie die gesetzliche Vertretung des Kindes (vgl. § 1629 BGB) und den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen (vgl. § 1631 BGB), ausgestattet (vgl. Schwab, 2016, S. 304 f.). Hierbei gewährt § 1632 Abs. 1 BGB die Herausgabe des Kindes von jedem, der das Kind seinen Eltern widerrechtlich vorenthält. Im Trennungs- und Scheidungsfall bedeutet dies, dass dem Elternteil, der die alleinige Personensorge oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht innehat, ein Herausgabeanspruch gegenüber dem anderen Elternteil zusteht, sofern dies dem Kindeswohl entspricht (vgl. Schwab, 2016, S. 327). Bei der Trennung der Eltern werden die Kinder oftmals dadurch belastet, dass Eltern darüber streiten bei wem das Kind zukünftig leben soll, wer das Sorgerecht ausübt und wie der Umgang zu gestalten ist. Können Eltern sich nicht auf ein kooperatives Zusammenwirken einigen, wird das Kindeswohl beeinträchtigt (vgl. Schwab, 2016, S. 357).
Das Kindschaftsreformgesetz vom 1. Juli 1998 zielt darauf ab, einem Streit der Eltern um das Sorgerecht entgegen zu wirken (vgl. Schwab, 2016, S. 358 ff.). Bei einer Trennung der Eltern bleibt das gemeinsame Sorgerecht grundsätzlich bestehen, allerdings müssen die Eltern sich darüber einigen, bei wem das Kind zukünftig leben soll. Können die Eltern sich nicht einigen, muss entweder von einem Elternteil gemäß § 1671 BGB die Alleinsorge oder gemäß § 1628 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht beantragt werden. Somit können die Eltern trotz der Reform weiter streiten. Lebt das Kind nach der Trennung bei einem Elternteil, so ist vom jeweils anderen Elternteil in „Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist“ (§ 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB) das Einverständnis des anderen Elternteils einzuholen. Lediglich in Angelegenheiten des täglichen Lebens kann der betreuende Elternteil alleine entscheiden (vgl. § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB). Somit wird das gemeinsame Sorgerecht aufgespaltet (vgl. Schwab, 2016, S. 360).
Eltern bleiben somit auch nach der Trennung bzw. Scheidung in ihrer Elternverantwortung, weshalb sie gemäß § 156 FamFG verpflichtet sind, auf ein Einvernehmen hinzuwirken. Eine besondere Situation entsteht, wenn ein nicht allein sorgeberechtigter Elternteil das Kind ohne Rücksprache mit dem anderen Elternteil an einen anderen Ort verbringt (vgl. Nehls, 2009, S. 13).
Die elterliche Verantwortung umfasst gemäß Art. 6 Abs. 2 GG auch, dass die Eltern zum Umgang mit ihrem Kind berechtigt und verpflichtet sind (vgl. Schwab, 2016, S. 243).
Das Umgangsrecht leitet sich vom natürlichen Recht der Eltern und der damit verbundenen Verantwortung gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ab (vgl. Schwab, 2016, S. 370 ff.). Das Umgangsrecht findet seine Anwendung, wenn einem Elternteil das alleinige Sorge- oder Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde - in diesem Fall ist der andere Elternteil umgangsberechtigt und verpflichtet - und zum anderen bei einem gemeinsamen Sorgerecht, dann ist der Elternteil umgangsberechtigt und verpflichtet, bei dem das Kind nicht seinen Lebensmittelpunkt hat. Eine einheitliche Regelung bezüglich der Ausgestaltung des Umgangs gibt es nicht (vgl. Schwab, 2016, S. 370 ff.). Der Umgang dient dem Kindeswohl, solange die Eltern in der Lage erscheinen, die Umgänge harmonisch zu gestalten und dabei den Bedürfnissen des Kindes zu begegnen. Gelingt es den Eltern nicht, eine Einigung über den Umgangskontakt zu erzielen, wirkt sich dies schädigend auf die weitere Entwicklung des Kindes aus. Grund für Auseinandersetzungen sind oftmals Feindseligkeiten und Misstrauen unter den Eltern. So befürchtet der betreuende Elternteil der umgangsberechtigte Elternteil könne das Kind entfremden, während der umgangsberechtigte Elternteil den Umgang dazu nutzt, weiterhin Einfluss auf den Ex-Partner ausüben zu können. Auch der Umgang selber kann dazu missbraucht werden, bestehende Feindseligkeiten zwischen den Eltern auszufechten. Um dem entgegenzuwirken, weist das Gesetz gemäß § 1684 Abs. 2 BGB auf das Wohlverhaltensgebot hin, dass Eltern alles zu unterlassen haben, was das Verhältnis des Kindes zum jeweiligen anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Hierbei ist
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