Bachelorarbeit, 2017
65 Seiten, Note: 3,0
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau
2. Ausgangssituation
2.1 Führung und Führungskraft
2.2 Aktuelle Situation
3. Erklärungssätze zur Unterrepräsentanz
3.1 Subjektorientierte Perspektive: Falsche Berufswahl, Präferenzen und Verhaltensweise
3.1.1 Humankapitaltheorie
3.1.2 Theorie des weiblichen Arbeitsvermögens
3.1.3 Lebenslauftheoretische Orientierung - Doppelte Lebensführung der Frauen
3.1.4 Benachteiligung durch „falsche“ Qualifikation
3.1.5 „Typisch“ weiblich
3.2 Strukturalistische / Nachfrageorientierte Perspektive: Diskriminierung durch Unternehmenspraktiken und Männerbünde
3.2.1 Gläserne Decke (glass ceiling)
3.2.2 Betriebliche Personalpolitik
3.2.3 „Tokenism“
3.2.4 Netzwerke und Männerbünde
3.3 Ideologische Perspektive: Geschlechterstereotype, Vorurteile und Mentalitätsmuster
4. Quantitative und qualitative Argumente der Notwendigkeit zu handeln
5. Gesetzliche Grundlagen als eine der relevanten Lösungsansätze
5.1 Vom Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes zum AGG in Deutschland
5.1.1 Zielsetzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes
5.1.2 AGG-Umsetzung mit personalwirtschaftlichen Instrumenten
5.1.3 AGG-konforme Maßnahmen
5.1.4 „Chancengleichheit-Konzept“ am Beispiel der AOK Hessen
5.1.5 Zusammenfassung und Ausblick
5.2 Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst
5.2.1 Eckpunkte des Gesetzes
5.2.2 Zwischenbilanz
6. Gender Diversity
6.1 Was bedeutet das Konzept „Diversity“?
6.2 Unterschied zwischen Gender, Diversity und Gender Mainstreaming
6.3 Mögliche Wettbewerbsvorteile und Risiken von Gender Diversity
6.3.1 Korrelation zwischen Vielfalt und Erfolg
6.4 Zwischenfazit
7. Diversity Management bei Daimler
7.1 Daimler in Überblick
7.2 Diversity bei Daimler
7.3 Diversity Management-Ansatz
7.4 Ziele und Programme für Gender Diversity
7.4.1 Ziele von Gender Diversity
7.4.2 Konkrete Gender Diversity Programme
8. Maßnahmen zur Umsetzung von Gender Diversity
8.1 Festlegung der Gender Diversity-Strategie
8.2 Aufbau von Gender-Kompetenz
8.3 Abbau von Rollenstereotypen vorantreiben
8.4 Klare Erstellung der Datenlage
8.5 Regelmäßige Berichterstattung durchführen
8.6 Unterstützung von Frauennetzwerken
8.7 Offenheit und Querdenken erlauben
8.8 Durchführung von Change-Management
8.9 Festlegung von klarer Verantwortung
9. Fazit
Anhang
Quellenverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen ist ein demokratisches und wirtschaftliches Gebot. In der derzeitigen Wirtschaftslage ist es wichtiger denn je, alle Talente zu mobilisieren. Wir können es uns nicht leisten, wegen überholter Vorstellungen hinsichtlich der Rolle und Führungskompetenz von Frauen und Männern Fähigkeiten und Produktionspotenzial zu vergeuden“.[1]
Auch im 21. Jahrhundert unterscheidet sich die Arbeits-und Lebenssituation von Frauen von der Situation der Männer. Nach wie vor ist es schwierig die Vereinbarkeit von Familien und Beruf zu realisieren. Dieses Thema betrifft jedoch nicht mehr nur Frauen, es ist eher eine Frage unseres gesellschaftlichen Überlebens geworden. Der demographische Wandel verringert das Arbeitskräfteangebot immer mehr. Durch eine höhere Frauenerwerbstätigkeit könnte dies kompensiert werden. Somit erscheint es immer dringender, das Frauen-Potential in Zeiten des demographischen Wandels und des Fach-und Führungskräftemangels zu steigern und zu nutzen.[2] Durch ständig zunehmende Zahlen von Untersuchungen wird belegt, dass das Erreichen eines langfristigen und nachhaltigen Wirtschaftswachstums durch den entscheidenden Faktor der Gleichstellung der Geschlechter erzielt werden kann.[3]
In Artikel 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU) ist die Gleichheit von Frauen und Männer als Grundrecht festgeschrieben. Ergänzend dazu stellt Artikel 8 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU dar: „Bei allen ihren Tätigkeiten wirkt die Union darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern“.[4]
In der Politik und in der öffentlichen Verwaltung lässt sich nicht bestreiten, dass Frauen wesentlich seltener in Führungspositionen zu finden sind als Männer. Dieses Phänomen ist in der Privatwirtschaft noch stärker verbreitet. Zahlreiche Studien belegen, dass in den Vorständen der 30 Deutscher Aktienindex (DAX) Unternehmen in den letzten Jahren maximal zwei von ca. 200 Personen Frauen waren.
Als Problemstellung dieser Arbeit gestaltet sich die Frage, warum Frauen trotz gewandelter Geschlechterrollen, eines hohen Bildungsniveaus und einer daraus resultierenden hohen Qualifizierung, vielfältiger arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und gesetzlichen Regelungen noch immer in Führungspositionen von Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert sind und männliche Bewerber bei der Besetzung von Spitzenpositionen bevorzugt werden. Schon lange ist die Unterrepräsentanz von Frauen Teil der wissenschaftlichen Diskussion. Sie rangiert auf der politischen Agenda sehr weit oben und nimmt auch in der öffentlichen Debatte einen hohen Stellenwert ein.[5]
Im ersten Kapitel wurde bereits die Problemstellung dieser Arbeit erläutert. Dadurch soll der Leser in die Problematik des Themas eingeführt werden. Anschließend wird im zweiten Kapitel die Ausgangslage samt der Erklärung zu den Begriffen „Führung“ und „Führungskraft“ im Allgemeinen behandelt. Das dritte Kapitel bietet Erklärungsansätze zur Unterrepräsentanz weiblicher Führungskräfte. Dabei konzentriert sich der Ansatz auf subjektorientierte, strukturalistische und ideologische Perspektiven.
Um die Notwendigkeit zu handeln darzustellen, werden im vierten Kapitel quantitative und qualitative Argumente beschrieben. Das fünfte Kapitel konzentriert sich auf die gesetzlichen Grundlagen, die als relevanter Lösungsansatz zu betrachten sind. Dabei werde ich mich hier sowohl mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und dem „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männer an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“, als auch mit der „Charta der Vielfalt“ und den weiteren einschlägigen Gesetzen beschäftigen.
Der Fokus der Arbeit wird auf das Kapitel „Diversity Management als Trend und Zukunft für Unternehmen“ gelegt. Die Thematik wird zu Beginn anhand der Begriffsabgrenzung von „Gender Diversity“ und „Gender Mainstreaming“ eingeleitet. Ausgewählte Schwerpunkte sollen mittels relevanter Diversity-Dimensionen deutlich gemacht werden. Durch die Einbindung entsprechender Maßnahmen in der Praxis, wird die Implementierung des Instruments im Unternehmen und in deren Kultur deutlich.
Anhand eines Praxisbeispiels soll der Baustein Diversity Management bei Daimler veranschaulicht werden. Der Automobilhersteller eignet sich besonders, um zu zeigen, wie positiv sich dieses Instrument auswirken kann. In Kapitel acht werden Maßnahmen zur Umsetzung von Gender Diversity aufgezeigt. Zum Abschluss werden die Ergebnisse zusammengefasst und das Thema kritisch betrachtet.
Zunächst soll ein Verständnis für die Begriffe Führung und Führungskraft geschaffen werden sowie die aktuelle Situation dargestellt werden.
Im wissenschaftlichen Sinne wird unter dem Begriff „Führung“ eine zielbezogene Einflussnahme eines sozialen Gefüges verstanden. Diese gezielte Beeinflussung soll Geführte dazu veranlassen, die aus den Unternehmenszielen abgeleiteten Ziele zu erreichen. Allerdings handelt es sich im Unternehmensalltag entweder um eine sachlich-materielle oder verhaltensbezogene-personelle Tätigkeit. Im sachlich-materiellen Bereich kommt die aufgabenbezogene Führung mit dispositiven (leitenden) Aufgaben zum Tragen. Dabei handelt es sich um Managementfunktionen wie Zielsetzung, Planung, Organisation und Kontrolle. Steahle bezeichnet diese Führung im weiteren Sinne als „managen“.
Die Beschreibung der Prozesse und Aufgaben zur Leistungserstellung und -verwertung wird als Führung im funktionalen Sinne verstanden. Von der Führung im institutionellen Sinne ist dieser funktionale Führungsbegriff abzugrenzen, denn er bezeichnet die Ausführenden dieser Tätigkeiten. Bei der Mitarbeiterführung (Leadership) handelt es sich um Führung im institutionellen und damit engeren Sinne und wird von den Führungskräften ausgeführt (personenbezogener Führungsbegriff). Im Gegensatz zum Begriff des Leitenden Angestellten ist der Begriff „Führungskraft“ nicht gesetzlich festgelegt und wird daher weit gefasst. Zu diesem Personenkreis gehören, je nach Definition, sowohl die mit Führungsfunktionen ausgestatteten Vorarbeitenden als auch Vorstandvorsitzenden.
Der Begriff „Führungskraft“ wird im Hinblick auf die jeweiligen Funktionen definiert. Jedoch muss festgestellt werden, dass eine eindeutige Abgrenzung und Beschreibung nicht möglich ist. Rau bestimmt eine Führungskraft anhand der Merkmale, die eine Führungskraft kennzeichnen. Nach Rau sind viele Merkmale relevant, weshalb er aus der Vielzahl der in der Literatur aufgeführten Merkmale die wichtigsten Eigenschaften herausgearbeitet hat. Dazu zählen die Aspekte Funktion, Aktivität, Kompetenz, Zahl der unterstellten Mitarbeiter, Einkommen, Arbeitszeit, Ausbildung, Titel sowie Stellung innerhalb der Unternehmenshierarchie. Daraus lässt sich jedoch nach Rau nur der Indikator „Stellung in der Unternehmenshierarchie“ verallgemeinern.
Eine Führungskraft lässt sich somit lediglich anhand der Funktion, zusammen mit der Hierarchiestufe in Unternehmen eindeutig erkennen. Hierarchiestufen werden i. d. R. in untere, mittlere und obere Führungsebene unterteilt. Nachfolgend werden unter Führungskräften, Personen ab 18 Jahren verstanden. Sie sind in der Privatwirtschaft als Angestellte tätig und mit umfassenden Führungsaufgaben betraut oder nehmen sonstige Leistungsfunktionen wahr. Damit werden vom Begriff Führungskraft Personen umfasst, denen die Führung der Mitarbeiter im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit obliegt.[6]
Die EU hat es sich mit der im Jahr 2000 formulierten „Lissabon-Strategie“ und deren Fortsetzung im Rahmen der „Horizon 2020-Strategie“[7] über die Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit zum Ziel gesetzt, die Produktivität, Innovationsgeschwindigkeit und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Mitgliedstaaten zu fördern und an internationale Maßstäbe eines globalisierten Marktes anzupassen (Europäische Parlament 2000). Der Mangel an qualifizierten Fach- und Führungskräften stellt dabei eine zentrale Barriere zur Erreichung der damit verbundenen Ziele dar. Dieser Mangel wird sich in den kommenden Jahren, besonders in den zukunftsorientierten naturwissenschaftlich-technischen Berufsfeldern weiterhin verschärfen.
Dass der regional- und branchenspezifische Fach- und Führungskräftemängel in Unternehmen immer deutlicher wird, zeigen auch die aktuellen Entwicklungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Im Jahr 2012 standen dem Arbeitsmarkt knapp 44 Mio. Menschen zur Verfügung. Erwartungen zufolge soll sich das Erwerbspersonal in den kommenden Jahren auf 38. Mio. reduzieren. Diese Tendenz bedeutet z.B. für Sachsen nach den Ansichten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, dass die Bevölkerungszahl von 4,91 Mio. (1990) auf 3,87 Mio. (2020) sinkt. Zeitgleich würde die Bevölkerung überdurchschnittlich schnell altern. Zudem würde ein extremer Rückgang der jüngeren bis mittleren Altersgruppe entstehen.[8] Deshalb wird es gerade für die Unternehmen immer wichtiger, die bislang zu wenig genutzten Potenziale erwerbstätiger Frauen zu nutzen. Dafür ist eine bessere Umsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt notwendig.[9]
Unter dem internationalen Begriff „Gender Mainstreaming“ ist seit Mai 1999 die Gleichstellung der Geschlechter bei allen gesellschaftlichen und politischen Vorhaben gesetzlich verankert. Trotzdem sind in den vergangenen 20 Jahren die Entwicklung und die ersehnte Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen von Unternehmen und im öffentlichen Dienst nur sehr langsam vorangeschritten. Dies war der Grund, weshalb der Bundestag am 6. März 2015 das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst verabschiedet hat. Die Politik fordert nun Unternehmen dazu auf, Frauen gezielt für Führungspositionen zu gewinnen und dahingehend zu entwickeln.
Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen, ist es verwundernd, dass Unternehmen diesem Trend nicht schon längst gefolgt sind. Bereits seit Jahren werden, demografisch betrachtet, beinahe gleich viele Mädchen wie Jungen geboren. Zudem zeigen Statistiken, dass im Bereich der Bildung jedes Jahr wesentlich mehr Frauen einen Hochschulabschluss absolvieren als je zuvor. Der zahlenmäßige Abstand zu männlichen Absolventen ist nahezu ausgeglichen. Alle die sich entsprechend einbringen können müssen berücksichtigt werden, um den aus dem demografischen Wandel heraus entstandenen gesellschaftlichen Herausforderungen gerecht werden zu können.
Folgende Fakten wurden hierzu durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) veröffentlicht: „Frauen nehmen mit 43 % fast gleichberechtigt am Arbeitsmarkt teil, ihr Qualifikationsniveau ist sehr gut. Sie stellen 53,3 % der Studienberechtigten und knapp die Hälfte der Hochschulabsolventen. In der Bundesverwaltung beträgt der Frauenanteil an Führungspositionen trotz 20- jähriger gesetzlicher Regelung zur gleichberechtigten Teilhabe nur 30,0 %. In Gremien des Bundes sind Frauen sogar nur zu 25,7 % vertreten.“
Das Ministerium belegt mit diesen Zahlen, dass es eine Vielzahl von hoch qualifizierten weiblichen Fachkräften gibt und es in der Hand der Unternehmen liegt, sie zu rekrutieren und selbst aus- und weiterzubilden. Durch eine gendersensible Personalentwicklung in den Führungsebenen wird zeitgleich eine gewinn- und erfolgsbringende Wirkung auf die Unternehmen und die Unternehmenskultur prognostiziert. Es scheint unverständlich, dass Frauen nicht schon viel stärker in den Fokus der Personalentwicklung von Unternehmen genommen werden, wenn ergänzend der Faktor „Fachkräftemängel“ in den Blick genommen wird.
In der beruflichen Praxis lässt sich ein ganz anderer Trend beobachtet. Bewerbungen von qualifizierten Frauen auf Führungspositionen sind selten, sogar bei internen Bewerbungen. Hochqualifizierte weibliche Fachkräfte aus ihrer unternehmerischen Planungen auszugrenzen, können sich Unternehmen heutzutage aber nicht mehr leisten. Deshalb wird es umso wichtiger, die Personalentwicklung genauer anzuschauen. Eine wichtige Strategie ist die Nutzung der bislang nicht genügend beachteten Potenziale von Frauen für Unternehmen, die dem drohenden Fach- und Führungskräftemangel entgegenwirken wollen.[10]
Frauen und Management ist ein noch relativ junges Forschungsthema, setzt jedoch an der breiten Debatte an. Dabei sind organisationale Strukturen und Prozesse, der Managementprozess und die Frau selbst i.d.R. Gegenstand des Themas. Für den geringeren Frauenanteil in Führungspositionen umfassen die Erklärungsansätze dabei sowohl die Biologie, Psychologie und Soziologie als auch die Ökonomie. Im Mittelpunkt der Diskussionen stehen oft die unterschiedlichen Sozialisationserfahrungen von Männern und Frauen, deren Führungsfähigkeit oder die Führungseignung und spezifische Persönlichkeitsmerkmale wie Risikobereitschaft, Durchsetzungsvermögen, Karriereorientierung etc. Die gängigsten Erklärungsansätze sollen verdeutlicht und zusammengefasst werden.[11]
In der Vergangenheit wurde häufig der Mangel an hochqualifizierten Frauen zu den Faktoren angeführt, die den geringeren Anteil an Frauen in Führungspositionen bewirken. Da die Beteiligung von Frauen sowohl an Bildung als auch an Erwerbstätigkeit in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen hat, kann diese zunächst naheliegende Vermutung die Unterrepräsentanz jedoch nur zu einem geringen Teil erklären. Um die Be- oder Verhinderung des Aufstiegs weiblicher Beschäftigter in den oberen Hierarchieebenen deutscher Unternehmen erklären zu können, müssen andere Faktoren existieren. Zum überwiegenden Teil werden aus der Vielzahl der theoretischen Überlegungen zur Unterrepräsentanz von Frauen in Führungsposition subjektorientierte, strukturorientierte und ideologische Erklärungsansätze unterschieden.
Bei den subjektorientierten Erklärungen werden individuelle Eigenschaften, Handlungen und Interessen der Beteiligten als Ursache von Benachteiligungen in den Vordergrund gestellt und die geschlechtsspezifischen Berufsentscheidungen als Ergebnis dieses Zusammenspiels betrachtet. Die strukturorientierten Ansätze hingegen, legen den Fokus auf strukturelle Barrieren. Diese sind in den Institutionen verankert, wodurch Nachteile für Frauen resultieren. Zudem begegnen Frauen ideologischen Barrieren wie Stereotypisierungen und Vorurteile, die als Erklärungsperspektive gesondert Beachtung finden sollen.[12]
Für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen, sollten noch andere Ansätze betrachtet werden, wie bspw. der evolutionäre und der soziokulturelle Ansatz. Der evolutionäre Ansatz führt die Unterschiede zwischen Frauen und Männer auf geschlechtsspezifische Umweltanpassungen im Laufe der Evaluation zurück. Bei dem soziokulturellen Ansatz wird jedoch eine Anpassung von Frauen und Männern an die gesellschaftlichen Normen angenommen, welches die Unterschiede im Verhalten von Frauen und Männern auslöst. Um auf Möglichkeiten für eine Erhöhung des Frauenteils in Führungspositionen einzugehen, wird im Rahmen dieser Arbeit zunächst eine Darstellung der wichtigsten Hindernisse erfolgen.[13]
Nachfolgend sollen individualistische Barrieren wie die Humankapitaltheorie, Theorie des weiblichen Arbeitsvermögens, Lebenslauftheoretische Orientierung, Benachteiligung durch „falsche“ Qualifikation sowie der Begriff „typisch“ weiblich erläutert werden.
Ein ökonomischer Erklärungsansatz ist die Humankapitaltheorie. Dieser interpretiert die berufliche Trennung als Ergebnis eines individuellen rationalen Entscheidungsverhaltens. Dabei spielen kulturell fixierte Werte und Normen keine Rolle. Die Summe der spezifischen Bildungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungsinvestition eines Individuums wird als Humankapital bezeichnet.[14]
Die künftigen Gehaltszahlungen oder Karrieremöglichkeiten begründen dabei die Wahl eines Berufs, im rationalen Abwäge zwischen dem Aufwand und dem Ertrag dieser Entscheidung. Dafür wird vorausgesetzt, dass eine traditionelle Rollen- und Arbeitsteilung in der Familie von den Frauen bevorzugt wird und familienbedingte Erwerbsunterbrechungen bereits in die Entscheidung einfließen.
Da „Frauenberufe“ oder Teilzeittätigkeiten mit familiären Verpflichtungen am ehesten vereinbar sind, entscheiden sich Frauen bewusst dafür. Empirisch ist diese Annahme jedoch nur wenig belastbar. Es sei dahingestellt, ob diese persönlichen, geschlechtsspezifischen Präferenzen für Erwerbs- und Familienarbeit tatsächlich entscheidend sind für eine „typische“ Berufswahl. Vor allem kann keine eindeutige Kausalität des Zusammenhangs zwischen Berufswahl und erzielbarem Einkommen begründet werden.[15]
Die Theorie des weiblichen Arbeitsvermögens beschäftigt sich mit den geschlechterspezifischen Unterschieden des Arbeitsmarktes und versucht eine Erklärung dazu zu geben. Als Grundlage wird angenommen, dass ein Spannungsverhältnis zwischen Haus- und Berufsarbeit die weibliche Erwerbsbiographie prägt. Nach Angaben von Wissenschaftlern, wird in unserer Gesellschaft zwischen Beruf und Hausarbeit unterschieden. Bei beiden Formen hat der Arbeitende ein besonderes Verhältnis gegenüber seiner Arbeit.
Unterschieden werden die Formen durch das jeweils geforderte Arbeitsvermögen wie z.B. Fähigkeiten, Verhaltensweisen, Situationsdeutungen oder Werthaltungen. Hausarbeit wird als eine Tätigkeit in einem überschaubaren Sozialkontext beschrieben. Jede einzelne Person ist darin eingebunden und es ist durch eine mangelnde Berechenbarkeit und einem naturgebundenen, zyklischen Zeitbegriff gekennzeichnet. Eine Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit existiert nicht. Anders als die Hausarbeit besteht die Berufsarbeit meistens aus Einzelaufgaben und erfordert Spezialwissen. Zudem unterliegt sie der Zeitökonomie und beinhaltet eine doppelte Zweckstruktur. Diese Zweckstruktur dient zum einen der Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse und sichert zum anderen den Lebensunterhalt.
Die Theorie des weiblichen Arbeitsvermögens geht davon aus, dass Frauen zumeist Hausarbeiten verrichten, da dies bereits im Kindesalter anerzogen wird. Karriereanforderungen der Berufsarbeit werden oft durch die häuslichen Aufgaben wie Fürsorge, Heilen oder Pflegen beeinträchtigt und werden nicht honoriert. Des Weiteren wird der Ansatz der geschlechtlichen Trennung des Arbeitsmarktes für alle Frauen betrachtet, welche sich in drei unterschiedliche Lebensumstände von Frauen charakterisieren lassen:
- Wechseln Frauen nach Tätigkeiten der Haushaltsführung wieder in den Beruf, suchen sie sich eher Berufe im Dienstleistungssektor, da dies ihrem in den letzten Jahren angeeigneten Arbeitsvermögen entspricht.
- Üben Frauen gleichzeitig Haus- und Berufsarbeit aus, werden sie aufgrund der unterschiedlichen Logiken und Arbeitsanforderungen, sowohl mit der limitierten Ressource Zeit als auch mit Spannungen und Ambivalenzen konfrontiert. Meist werden Berufe bevorzugt, die dem Arbeitsvermögen der Hausarbeit nahekommen, um diesen Spannungen entgegenzuwirken.
- Verrichten Frauen keine Hausarbeit, werden sie schon frühzeitig mit den geschlechterspezifischen Rollenstereotypen vertraut gemacht. Sie richten ihre Karrierewünsche möglichst danach aus, dass Beruf und Hausarbeit miteinander vereinbar sind. Dadurch werden jedoch bereits im Vorfeld bestimmte Branchen nicht ausgewählt, wodurch wieder mögliche Aufstiegschancen nicht genutzt werden.
Das weibliche Arbeitsvermögen hat letztendlich zwei Auswirkungen auf die Berufswahl von Frauen:
- Inhaltliche Interessen üben eine starke Beeinflussung auf die Berufswahl von Frauen aus und konzentriert sich auf die Berufe unterer Hierarchieebene.
- Frauenspezifische Verhaltens- und Denkweisen, wie Training zur Unterordnung, Vermeidung von Konkurrenzkampf sowie Personalisierung der Arbeitssituation schränken den beruflichen Aufstieg von Frauen zusätzlich ein.
Viele Wissenschaftler kritisieren jedoch diesen Ansatz. Nach Gottschalk wird zu historisch argumentiert und schicht- und klassenspezifische Sozialisation nicht berücksichtigt. Nach Ostner finden vermehrt Optionen und Entscheidungsmöglichkeiten, aber auch Entscheidungszwängen aufgrund von Modernisierungsprozessen statt. Dadurch kann nicht mehr nur von einem Arbeitsvermögen gesprochen werden, vielmehr gibt es eine Vielzahl von weiblichen Arbeitsvermögen. Eine geschlechtsspezifische Ungleichheit bleibe jedoch weiter erhalten.
Dieser Ansatz wird durch die geschlechterspezifische Unternehmensforschung in Verbindung mit der Humankapitaltheorie verwendet, um eine Erklärung für die unterschiedliche Gründungsneigung, den unterschiedlichen Gründungserfolg und die Branchenwahl von Frauen zu schaffen.[16]
Der Ansatz einer lebenslauftheoretischen Orientierung ergänzt die Theorie des weiblichen Arbeitsvermögens und fand mit der Industrialisierung seine wesentliche Begründung. Die Familie beendete dadurch ihre Funktion als Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft und trennte die Arbeitswelt von der Familie. Arbeitgeber scheuen sich davor kostenintensive Stellen mit Frauen zu besetzen, da die Wahrscheinlichkeit des Ausscheidens und der damit verbundenen Kosten größer ist, z.B. erhöhtes Beschäftigungsrisiko durch die Gebärfähigkeit. Die Einschränkung der weiblichen Erwerbstätigkeit wegen ihres familienorientierten Lebenslaufs beeinflusst somit alle arbeitsmarktbezogenen Entscheidungen.[17]
Eine der möglichen Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen, wird durch die sogenannte Qualifikationsfalle erklärt. Durch ihr Verhalten, in Bezug auf Ausbildung und Berufswahl und die dadurch mangelnde Berufsorientierung und Qualifikation, sind Frauen benachteiligt. In den letzten Jahren ist es jedoch gelungen die bestehenden Nachteile bezüglich Bildungsbeteiligung und Bildungsstand für Frauen soweit abzufangen, dass fehlende Qualifikationen den Zugang zu höheren Hierarchiestufen nicht mehr verhindern.[18]
In der subjektorientierten Perspektive wird der Mangel an Frauen in Führungspositionen durch Verhaltens- und Persönlichkeitsunterschiede erklärt. Karrierechancen von Frauen werden durch „typische“ weibliche Eigenschaften und Verhaltensweisen negativ beeinflusst. Statt Karriereorientierung und Selbstmarketing wird Frauen Gemeinschafts- und Familienorientierung bescheinigt. Demnach werden Frauen Defizite wie mangelnde Aufstiegsmotivation (Wollen) und mangelnde Führungs- und Aufstiegskompetenz (Können) bescheinigt. Durch unterschiedliche Studien, Befragungen und Selbsteinschätzungen zu männlichen und weiblichen Führungseigenschaften sind ungleiche Ergebnisse hervorgegangen. Der Faktor Geschlecht hat demnach nicht automatisch einen Einfluss auf Unterschiede zwischen Führungsstillen. Es ist genauso umstritten, ob ein weiblicher Führungsstil tatsächlich existiert.
Zudem rücken in letzter Zeit positive weibliche Eigenschaften vermehrt in den Vordergrund, wodurch Vorteile für Frauen geschaffen werden. Unterschiedliche Karrierechancen und -wege werden somit nicht durch Differenzen in persönlichen Eigenschaften und Verhalten von Männern und Frauen erklärt. Zudem beeinflussen Stereotypen und Vorurteile die unterschiedliche Wahrnehmung der Geschlechter. Deshalb sollen im Folgenden strukturelle und ideologische Barrieren und Erklärungssätze betrachtet werden.[19]
Dass die Unterrepräsentanz von Frauen in Spitzenpositionen nicht nur durch individualistische Ansätze erklärt werden kann, wird durch zahlreiche Studien belegt. Die sozialwissenschaftliche Literatur ist sich weitgehend einig, dass Frauen in Unternehmen mit mehreren strukturellen Barrieren konfrontiert sind. Dazu zählen z.B. unterschiedliche Zugangschancen zu beruflichen Netzwerken vor allem informeller Natur.
Informelle Netzwerke finden insbesondere bei der Besetzung von Führungspositionen auf den obersten Etagen Anwendung. Sie betrachten das Prinzip der Selbstähnlichkeit. Personalentscheider wählen oft die Personen mit einer ihnen bekannten Führungseigenschaft aus. Dabei berücksichtigt die strukturalistische / nachfrageorientierte Perspektive, Organisationsstrukturen und Organisationspraktiken und deren Einfluss als Hindernisse.[20]
Der Begriff gläserne Decke ist von zentraler Bedeutung im Zusammenfassung mit organisationalen Hindernissen für Frauen in Führungspositionen.[21] Dadurch wird ein Phänomen beschrieben, welcher den Frauen nicht nur den Aufstieg in höhere und höchste Positionen, sondern auch den Wechsel in andere Positionen auf den gleichen Hierarchieebene erschwert oder verhindert. Die Rede ist von Machtpositionen im Top-Management oder Entscheidungspositionen auf gleicher Stufe. Sie sind für Frauen zwar sichtbar, aber unerreichbar.
Verursacht wurde diese „gläserne Decke“ durch soziale und kulturelle Bedingungen, als ein Mangel an qualifizierten Frauen. Im Jahr 1991 wurde in den USA eine sog. „Glass Ceiling Commission“ gegründet. Ziel dieser Kommission ist es, die Gründe für die diskriminierenden Praktiken und Strukturen in Unternehmen aufzuspüren. Zudem sollen Barrieren für Frauen identifiziert sowie Empfehlungen erarbeitet werden, um diese Barrieren zu beseitigen. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Angst vor Machtverlusten der männlichen Kollegen, Vorurteile gegenüber Frauen und eine geringere Bewerberinnenzahl die größten Hindernisse für Frauen darstellen.[22]
Die Literatur bietet eine Vielzahl an Erklärungen der gläsernen Decke. Quack belegt, dass das Zusammenspiel von personalen, strukturellen sowie kulturellen Erklärungsmuster ursächlich ist für die geringere Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen. Nach Weyer sind tatsächlich geschlechterspezifische Vorurteile die primäre Ursache für Barrieren, wie Unternehmenspraktiken, Verhaltensweisen und Stereotype und strukturell-kulturelle Erklärungen. Zunächst müssen soziale Strukturen geändert werden, um diese Barrieren zu durchbrechen.[23]
Basis für das Phänomen der gläsernen Decke sind Strukturen und Konstruktionen. Überzeugungen und Annahmen, die sich bei der Unternehmenskultur und Unternehmensstruktur, bei der Personalrekrutierung, bei der Personalförderung und der Weiterbildung auswirken, konstruieren sie. Sie gibt keinen Grund, hoch qualifizierte Frauen nicht zu fördern und ist somit irrational.[24]
Krell stellt vor dem Hintergrund der diskriminierenden Praktiken und Unternehmensstrukturen, die Rolle der Personalpolitik in den Vordergrund. Frauen werden bei Rekrutierungs- und Beförderungsentscheidungen durch intransparente und nicht standardisierte Karrieren und Prozesse bei Personalauswahl und -besetzung diskriminiert und benachteiligt. Hierbei wird Führungskräftenachwuchs vor allem aus informellen (männlichen) Netzwerken rekrutiert. Zudem weisen die Handlungsspielräume der Entscheider bei Beurteilungs- und Beförderungsentscheidungen, ein hohes Diskriminierungspotential auf.
Nach Horst/Wiemer zählen zu den strukturellen Barrieren auch die Vereinbarkeit von beruflichen und familiären Verpflichtungen.[25] Wollen Frauen nicht auf Kinder verzichten, kann nur wenig Zeit in das Erwerbsleben investiert werden und sie entscheiden sich meistens gegen die Karriere oder es ergibt sich ein Karriereende bzw. die Karriere stockt von selbst. Aus Sozialisationsprozessen heraus lässt sich erklären, weshalb die Betreuung der Kinder den Frauen zugeschrieben wird. Von Kindheit an lernen wir, dass die Kinderbetreuung von den Müttern sichergestellt ist und nicht von den Vätern. Frauen in Führungspositionen leben dieses Denken weiter und verzichten daher entweder auf Kinder oder aber auf die Karriere, falls der Kinderwunsch groß ist. Selten versuchen Frauen Kinder und Karriere miteinander zu vereinbaren.[26]
Die weltweit anerkannte Organisationsexpertin und Harvard-Professorin Kanter beschäftigt sich Ende der 1970er Jahre in ihrer klassischen Studie „Men and Women of the Corparation“ mit dem Innenleben von Unternehmen.[27] Im Jahr 1977 entwickelte sie das sogenannte „tokenism“-Konzept. Es kennzeichnet sich durch die Untergliederung der Gesamtheit der Akteure einer Gruppe. Nach Kanter setzt sich eine Gruppe aus einer dominanten Mehrheit und einem Minderheitsanteil zusammen, der als „token“ bezeichnet wird. Die „tokens“ stellen bis zu 15 % der Gesamtgruppe dar und differenzieren sich in sozialer und kultureller Hinsicht von dem dominanten Teil der Gruppe.
Kanter betrachtet im Zusammenhang mit der Minderheit, einzelne Frauen als typische Vertreterinnen der Gruppe aller Frauen und eine einzige Frau in einer Männergruppe.[28] Dieses Konzept bedeutet für weibliche Führungskräfte, dass sie genauer beobachtet und eher für ihr Versagen sanktioniert werden, solange sie in der Minderheit und somit sichtbarer sind. Hinzu kommt, dass Frauen in diesem Fall als typische Repräsentantin ihrer Gruppe und nicht als Individuum betrachtet werden. Die Unterscheidung in „wir Männer“ und „ihr Frauen“ relativiert dabei die Unterschiede in den Gruppen selbst, auch unter den Männern.[29]
Stereotypen, wie das weibliche Führungsverhalten im Allgemeinen, werden somit durch „Tokenism“ verstärkt. Durch eine rein zahlenmäßige Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen, kann nach Kanters Ansatzpunkt, die „token“-Problematik überwunden werden. Wenn die Anzahl der Frauen in Führungspositionen die 15 %-Marke überschreitet, würden sie den Minderheitsstatus verlassen können, denn die Unterrepräsentanz von Frauen sei ihrer Ansicht nach nicht geschlechtsspezifisch begründet. Zweifelhaft ist jedoch, ob diese rein quantitative Integration von Frauen die Benachteiligungen für Frauen abbaut. Insbesondere Kanters geschlechtsneutraler Blick auf Organisationen wird von Kritiken infrage gestellt.[30]
Die in einer Organisation bestehenden Männerbünde, stellen eine weitere wichtige strukturelle Barriere dar. Diese verhindern zusätzlich eine Übernahme der Führungspositionen von Frauen. Zu diesem Thema gab es in den letzten Jahrzehnten diverse Arbeiten. In „Sexualität und Herrschaft in Organisationen“ hat Rastetter das Funktionieren des Männerbunds mit dem systematischen Ausschluss von Frauen aus den eigenen Reihen beschrieben. Männer möchten damit ihre Machträume bewahren und „männliche“ Ordnungen aufstellen.[31]
Rastetter beschreibt dabei folgende Merkmale von Männerbünden: „Der schwierige Zugang, die Zugehörigkeit als Privileg, ein selbst verordnetes strenges Reglement, die Prinzipien von Brüderlichkeit, Gleichheit und Kameradschaft, eine strenge Hierarchie trotz Betonung der Brüderlichkeit, und der Ausschluss von Frauen“.[32]
Frauen werden über gönnerhaftes und herablassendes Verhalten, Anzüglichkeiten oder Imponiergehabe ausgeschlossen. Dadurch demonstrieren Männer, auch in Teilzeit-Beschäftigung, ihre Überlegenheit. Heutzutage erscheint es politisch korrekt, dass Frauen die Möglichkeit gegeben wird, in das Top-Management eines Unternehmens aufzusteigen. Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache. Männerbündische Aspekte treten in den höheren Hierarchiestufen immer stärker hervor. Allerdings läuft diese Reproduktion von hegemonialer Männlichkeit[33] nicht unbedingt bewusst und gewollt ab.
Die Diskriminierung und Abwehr des Weiblichen, kann mehr als „Notwendigkeit jenes patriarchalisch-heterosexuellen Systems“ angesehen werden. Männerbündische Gefüge werden von Männern oft eher geleugnet, verdrängt oder auch gerechtfertigt. Dadurch verfestigen und reproduzieren sich diese Strukturen. Die Schwierigkeiten für Frauen bestehen in Organisationen zum einen darin, diesem Männerbund entgegen zu stehen und zum anderen die bewusste Förderung von Männern. Setzt ein Mann sich in einer Organisation bewusst für eine Frau ein, besteht die Gefahr, dass ihm ein sexuelles Interesse an der Frau unterstellt wird. Zudem könnte er als „Frauenversteher“ oder „Softie“ von den Kollegen angesehen werden.
Bei informellen Netzwerken werden durch Männer Informationen dort weitergegeben, wo Frauen der Zugang fehlt. In Unternehmen können die unterschiedlichen Funktionen von informellen Netzwerken von Bedeutung sein. Da Erfahrungen und Ratschläge ausgetauscht werden, wird ihnen eine soziale Förderungsdimension nachgesagt. Eine höhere Identifizierung mit den Werten und Normen des Unternehmens wird ermöglicht und Transparenz über die Unternehmensabläufe hergestellt. Dies ist für das Funktionieren einer Organisationskultur von großer Bedeutung.
In der Personalrekrutierung ist die Funktion von Netzwerken im Zusammenhang mit Machtressourcen besonders wichtig. Über Netzwerke werden oft Referenzen herangezogen. Vor allem in kleinen oder mittelständischen Unternehmen, erhalten Netzwerkmitglieder die Führungspositionen. Um eine Gleichstellungspolitik erfolgreich umzusetzen, werden verbindliche Vorgaben benötigt.[34]
Eine tatsächliche Gleichstellung von Frauen wird nicht nur durch formale Strukturen in Unternehmen und den der Frauen selbst individuell zugeschriebenen Eigenschaften negativ beeinflusst, sondern auch durch ideologische Barrieren wie geschlechterspezifische Stereotype und Vorurteile. Als Stereotype werden Markierungen oder Muster bezeichnet, über die einzelnen Personen nach bestimmten. Des Öfteren sind es auch nur vermeintlichen Merkmalzuschreibungen oder Eigenschaften die konstruierten Gruppen zugeordnet werden.
Geschlechterstereotypen sind nach Cornelißen, bereits relevant für das Berufswahlverfahren junger Menschen. Oftmals werden sie als Ursache von Diskriminierung in Organisationen betrachtet. Wird innerhalb einer Organisation, wie etwa bei Personalauswahlentscheidungen, auf entsprechende Leitbilder zurückgegriffen, wirken Stereotypen im Kontext betrieblicher Gleichstellungspolitik diskriminierend.
Rastetter weist auf die hohe Stabilität dieser geschlechterstereotypen Vorstellungen bei der Diskussion um die Eigenschaften einer idealen Führungskraft hin. Männern werden im Gegensatz zu Frauen Eigenschaften unterstellt, die der Vorstellung einer idealen Führungskraft entsprechen wie Rationalität, Aufgabenorientierung und Aktivität. Frauen hingegen gelten nach wie vor als emotional, sozial und zurückhaltend. Die Karrierefrau wird nur wenig akzeptiert und gilt als Ausnahme.[35]
Carsten Wippermann unterscheidet anhand einer Befragung von 40 männlichen Führungskräften drei „Mentalitätsmuster“:
- „Konservative Exklusion“: Es erfolgt eine prinzipielle Ablehnung von Frauen in Führungspositionen mit vielfältigen Begründungen wie dem fehlenden familiären Hintergrund, „verbissene Einzelkämpferin“ oder „wertvolle Arbeitsbiene“.
- „Emanzipierte Grundhaltung“: aber „Vorstand, das ist eine andere Sportart“ bei Frauen sei die dafür notwendige Härte „unweiblich“, weiblicher Ehrgeiz „suspekt“.
- „Radikaler Individualismus“: Das Geschlecht spielt heute keine Rolle, Frauen fehle es aber aufgrund familiären Gründen an der erforderlichen beruflichen Kontinuität. Sowie: Frauen versuchen als Führungsnachwuchskräfte die Rolle der Männer zu imitieren und seien dadurch „nicht authentisch“.
Wippermann bezeichnet männliche Führungskräfte aufgrund dieser Mentalitätsmuster als „Hüter der gläsernen Decke“.
Eine Studie von Sonja Bischoff aus dem Jahr 2010 zeigt, dass bei der Abwertung weiblicher Führungskräfte, deren Emotionalisierung eine Rolle spielt. Es bemängeln sowohl Männer als auch Frauen, dass weibliche Vorgesetzte „zu emotional“ seien und zu viele Entscheidungen „aus dem Bauch" treffen.[36]
[...]
[1] Vgl. Europäische Kommission, Mehr Frauen in Führungspositionen, S. 13.
[2] Vgl. Henn, Die Kunst des Aufstiegs, S. 12 ff.
[3] Vgl. Europäische Kommission, Mehr Frauen in Führungspositionen, S. 14.
[4] Vgl. Europäische Kommission, Fortschritte bei der Gleichstellung von Frauen und Männern, S. 4.
[5] Vgl. Brettschneider, Frauen in Führungspositionen, S. 1.
[6] Vgl. Tonn, Frauen in Führungspositionen, S. 36 ff.
[7] Horizont 2020 ist ein EU-Förderprogramm für Forschung und Innovation, ausgeschrieben von der Europäischen Kommission, das von 2014 bis 2020 laufen soll. Horizont 2020 vereint die bisherigen Forschungsrahmenprogramme mit dem Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, sowie den Programmen des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie. Mit der Zusammenlegung wurde die deutlich höhere Ausstattung von ursprünglich geplanten 87 Mrd. Euro im Vergleich zum 7. Forschungsrahmenprogramm (50,5 Mrd. Euro) durch die Kommission begründet. Nach den Verhandlungen um den Haushalt der Europäischen Union wurde das Budget jedoch auf 70,2 Mrd. Euro gekürzt. Berücksichtigt man den Inflationszuwachs seit 2011, ergibt sich jedoch ein Betrag von 79,271 Mrd. EUR, die ab 2014 dem Programm zur Verfügung stehen.
[8] Vgl. Loebe / Severin, Frauen für Führungspositionen, S. 5.
[9] Vgl. Loebe / Severin, Gender Management im Unternehmen, S. 5.
[10] Vgl. Kobel, Gendersensible Personalentwicklung-Frauen für die Führung gewinnen, S. 9.
[11] Vgl. Tonn, Frauen in Führungspositionen, S. 45.
[12] Vgl. Trenkmann, Frauen in Führungspositionen der deutschen Privatwirtschaft, S. 18.
[13] Vgl. Wischermann, Geschlechterarrangements in Bewegung, S. 212.
[14] Vgl. Hördt, Frauen in der Unternehmensberatung, S. 8.
[15] Vgl. Trenkmann, Frauen in Führungspositionen der deutschen Privatwirtschaft, S. 18 ff.
[16] Vgl. Metz, Weibliches Unternehmertum in der Informations- und Kommunikationsindustrie, S. 106 ff.
[17] Vgl. Kühne, Differenzierte Human Resource Management, S. 67.
[18] Vgl. Trenkmann, Frauen in Führungspositionen der deutschen Privatwirtschaft, S. 19 ff.
[19] Vgl. Trenkmann, Frauen in Führungspositionen der deutschen Privatwirtschaft, S. 19 ff.
[20] Vgl. Von Alemann, Gesellschaftliche Verantwortung und ökonomische Handlungslogik, S. 38.
[21] Vgl. Trenkmann, Frauen in Führungspositionen der deutschen Privatwirtschaft, S. 21.
[22] Vgl. Brettschneider, Frauen in Führungspositionen, S. 65.
[23] Vgl. Trenkmann, Frauen in Führungspositionen der deutschen Privatwirtschaft, S. 22.
[24] Vgl. Henn, Die Kunst des Aufstiegs, S. 71.
[25] Vgl. Trenkmann, Frauen in Führungspositionen der deutschen Privatwirtschaft, S. 23.
[26] Vgl. Faltenmaier / Mayring / Saup / Strehmel, Entwicklungspsychologie des Erwachsenenalters, S.110 ff.
[27] Vgl. Tonn, Frauen in Führungspositionen, S. 94.
[28] Vgl. Brabandt, Die Lösung der Leadership-Problematik, S. 119.
[29] Vgl. Erfurt Sandhu, Selektionspfade im Topmanagement, S. 19.
[30] Vgl. Trenkmann, Frauen in Führungspositionen der deutschen Privatwirtschaft, S. 23 ff.
[31] Vgl. Brettschneider, Frauen in Führungspositionen, S. 69.
[32] Vgl. Henn, Die Kunst des Aufstiegs, S. 75.
[33] Hegemoniale Männlichkeit ist ein Begriff aus der soziologischen Geschlechterforschung, der eine gesellschaftliche Praxis beschreibt, die die dominante soziale Position von Männern und eine untergeordnete Position von Nicht-Männern garantieren soll.
[34] Vgl. Brettschneider, Frauen in Führungspositionen, S. 69 ff.
[35] Vgl. Trenkmann, Frauen in Führungspositionen der deutschen Privatwirtschaft, S. 25.
[36] Vgl. Jarzebowski / Kwaschik, Performing Emotions, S. 274 ff.
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