Bachelorarbeit, 2015
41 Seiten, Note: 1,7
Zusammenfassung
Abstract
1 Einleitung
2 Theorieteil
2.1 Das ökologisch-sozi ale Dilemma
2.2 Das Fischereikonfliktspiel
2.3 Das Kis-Modell
2.3.1 Die Motive
2.3.2 Das Handlungswissen
2.3.3 Das ökologische Wissen
2.3.4 Das soziale Wissen
2.3.5 Die Lernmechanismen im kis-Modell
2.4 Glaubwürdigkeit und Vorbildverhalten
3 Methodenteil
4 Ergebnisteil
5 Diskussion
6 Fazit
7 Abbildungsverzeichnis
8 Tab eil enverzei chni S
9 Literaturverzeichnis
Anhang A: Die Anleitung zum Fischereikonfliktspiel
Das kis-Modell ist eine Theorie des sozialen Wissens beim Handeln in Konfliktsituationen. Das Fischereikonfliktspiel - ein ökologisch-soziales Dilemma - wurde mit Hilfe des kis- Modells in ein Computer-Modell übersetzt. In einem Experiment spielten die Teilnehmer die Computer-Version des Fischereikonfliktspiels gegen zwei computergenerierte Spieler, die konstant sehr viel fischten. Nach der fünften Runde des Spiels bekamen die Probanden eine Information über Vorbildverhalten und wurden dazu aufgefordert ein paar Runden nichts zu fischen, um ihre Mitspieler zu niedrigeren Fangquoten zu bewegen. Die Glaubwürdigkeit dieser Information wurde erhoben. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Glaubwürdigkeit von den Motiven der Versuchsperson abhängt. Dies wurde bestätigt. Ressourcenorientierte und equityori enti erte Probanden hielten die Information für signifikant glaubwürdiger als gewinnorientierte Probanden.
The kis-model is a theory of social knowledge about behaviour in conflict situations. Using the kis-model the fishing conflict game - a commons dilemma - was translated into a computer model. The probands played the computer model of the fishing conflict game against two computer-generated players who constantly overfished. In the middle of the game the probands were given information about role model behaviour and were prompted to reduce their catch quota to zero in the next few rounds in order to encourage the other players to reduce their future catch quotas. The credibility of this information was measured. It was proposed and proven that the credibility is dependent on the motives of a proband. Resource oriented and equity oriented probands found the information significantly more credible than profit oriented probands.
Ressourcenkonflikte rücken durch die Massenmedien immer mehr in das gesellschaftliche Bewusstsein. Der steigende Bedarf an Rohstoffen hat sich vervielfacht durch eine stark wachsende Bevölkerung und den schnellen technologischen Fortschritt. Natürliche Rohstoffe wie Erdöl, die zu Beginn des industriellen Abbaus wohl unerschöpflich erschienen, neigen sich langsam dem Ende zu. Diese Konflikte stellen komplexe Probleme dar, die schwer zu überblicken sind. Die Beteiligten haben schwer zu vereinbarende Interessen, die Kompromissbildung nötig machen. Doch möchte niemand den „Kürzeren“ ziehen. Dass alle den „Kürzeren“ ziehen, wenn solche Situationen nicht angemessen gelöst werden scheint noch nicht richtig angekommen zu sein. Bei vielerlei Ressourcenkonflikten ist es nicht möglich den Abbau von heute auf morgen ganz zu beenden. Der Bedarf aller Beteiligten muss so gedeckt werden, dass die Regenerationsfähigkeit der Ressource nicht überfordert wird. Dazu erfordert es einerseits eine korrekte Einschätzung der Tragfähigkeit der Ressource und andererseits die anderen zu verstehen, um Kooperation und Vertrauen zu ermöglichen. Die Lösung dieser Konflikte ist ein entscheidender Faktor für den Übergang in eine Zukunft mit einem nachhaltigen verantwortungsvollen Umgang mit den Schätzen unserer Erde.
Ein passendes Beispiel für einen Ressourcenkonflikt ist der Walfang. Schon seit 4.000 V. Chr. werden Wale gefangen - bis zum 19. Jahrhundert mit wenig Auswirkungen auf die globale Walpopulation. Das 19. Jahrhundert markiert den Anfang des kommerziellen industriellen Walfangs. Wale wurden zur nutzbaren Ressource (Sowa, 2014). Aus Speck konnte Walöl gewonnen werden, das als Brennstoff für Lampen, zum Schmieren von Maschinen und zur Herstellung von Seifen, Farben und Lacken diente. Aus den Barten (Hornplatten im Oberkiefer von Bartenwalen, mit denen Krill aus dem Wasser herausgefiltert wird) wurden Reifröcke und Korsetts gefertigt. Aus Walrat - eine fett-und wachshaltige Substanz aus dem Kopf von Pottwalen - wurden feine Kerzen hergestellt. Ambra - eine Substanz aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen - war zur Herstellung von teuren Parfums sehr begehrt und wurde zu hohen Preisen verkauft (Dolin, 2008). Aufgrund des exzessiven Fangverhaltens nahmen die Populationen vieler Walarten stark ab und wurden mancherorts fast ausgelöscht. Seit 1946 ist der Walfang durch die Internationale Walfangkommission (IWC) geregelt, die die erlaubte Fangquote für den kommerziellen Walfang 1986 auf null setzte (ausgenommen indigene Völker und wissenschaftliche Zwecke) damit sich der Walbestand wieder regenerieren kann (Donovan, 1987). Die IWC geht beispielsweise heute von einer Blauwal-Population von nur ein paar Tausend in der südlichen Hemisphäre aus. Die ursprüngliche Population belief sich dort auf circa 200.000. Heute zeigt ein jährlicher Zuwachs von 8 %, dass sich der Bestand langsam wieder erholt. Anders sieht es bei den drei Eubalaena-Arten (Atlantischer Nordkaper, Pazifischer Nordkaper, Südkaper) aus. Alle drei Arten wurden durch die Walfangindustrie extrem reduziert. Die heutige Population ist sehr klein (Atlantischer Nordkaper: 300-350, Pazifischer Nordkaper: wenige hundert) und vor allem der Pazifische Nordkaper und der Atlantische Nordkaper zeigen wenig Anzeichen einer Verbesserung, obwohl sie seit den 1930ern geschützt sind (International Whaling Commission, 2015).
Die vorliegende Arbeit stellt eine Theorie des sozialen Wissens beim Handeln in Konfliktsituationen vor: das kis-Modell. Als Konfliktsituation dient ein ökologisch-soziales Dilemma: das Fischereikonfliktspiel. Die Theorie ist als Computermodell realisiert. Das Handeln der computergenerierten Spieler stützt sich auf abstrakte Absichten und Motive. Sie nutzen soziales und ökologisches Wissen und lernen durch Bewertung des Erfolgs/Misserfolgs eigener, beobachteter und durchdachter Handlungen.
Im Folgenden werden die wichtigsten Eigenschaften eines ökologisch-sozialen Dilemmas beschrieben. Als Beispiel für ein ökologisch-soziales Dilemma wird ein experimentelles Spiel - das Fischereikonfliktspiel - vorgestellt. Anschließend wird das kis-Modell als Computermodell des Fischereikonfliktspiels mit computergenerierten Akteuren anstatt „echten“ Spielern erläutert. Zum Schluss erfolgt eine Darstellung der Hypothesen und des Untersuchungsanliegens dieser Arbeit.
Nach Emst (1994) wird ein ökologisch-soziales Dilemma wie folgt definiert. Mehrere Personen nutzen eine natürliche sich selbst regenerierende Ressource (z. B. den Fischbestand eines Sees). Der individuelle Ertrag aus der Ressource steht den Personen sofort zur Verfügung (z. B. die gefangene Fischmenge in Tonnen am Ende jeder Fangsaison). Verluste treffen alle Personen gleichermaßen und treten erst später ein (z. B. ein abnehmender Fangertrag aufgrund von zu hohen vergangenen Entnahmen, die eine optimale Vermehrung verhindern). Diese zeitliche Verzögerung verleitet dazu langfristige Konsequenzen zu vernachlässigen und sich nur auf den jetzigen Gewinn zu fokussieren (Zeitfalle). Gewinnmaximierung muss in einem ökologisch-sozialen Dilemma langfristig gesehen werden. Abbildung 1 illustriert dies.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Handlungen der Personen sind interdependent. Wenn eine Person kontinuierlich zu viel aus der Ressource entnimmt bewirkt dies eine mehr und mehr schwindende Ressource und dadurch einen verringerten Ertrag für alle (sozialer Konflikt). Entgegengesetzte persönliche Motive (überdauernde Präferenzen für ein bestimmtes Ziel) und gesellschaftliche Normen bewirken intrapersonelle Konflikte. Interpersonelle Konflikte treten zwischen verschiedenen Motiven/Normen von verschiedenen Personen auf. Langfristige Prognosen über die Ressource werden erschwert durch nicht-lineare und dynamische Veränderungen. Dies führt zu lückenhaftem (oder falschem) Wissen über die Ressourcenvermehrung und in der Folge davon zu einer falschen Einschätzung der Ressource. Dies kann (bei besten Vorsätzen) zu einer Schädigung der Ressource durch eine auf falschem Wissen basierte zu hohe Ressourcenentnahme führen. Das Verhalten der anderen Beteiligten kann anfangs nur schwer eingeschätzt werden, was Kooperation erschwert. Sanktionsmöglichkeiten sind nur bedingt vorhanden, da die Personen gleichgestellt sind und gehen meist auf Kosten der Ressource (Ernst, 1994).
Die angemessene Lösung dieser Konflikte ist die Voraussetzung für eine adäquate Nutzung der Ressource, sodass sie im optimalen Bereich bleibt und langfristig maximalen Ertrag erbringt. Dazu ist es erforderlich einerseits die Ressource und andererseits die Mitbeteiligten richtig einzuschätzen und dementsprechend zu handeln.
Das Fischereikonfliktspiel simuliert das Handeln und Lernen von Personen in einem ökologisch-sozialen Dilemma. Es gibt drei Spieler. Ihr Auftrag ist es über eine unbekannte Anzahl von Runden möglichst viel aus einem fiktiven See zu fischen. Eine Runde besteht aus einer Fangsaison in der die drei Spieler ihren gewünschten Betrag fischen und einer nachfolgenden Schonzeit in der sich der Fischbestand vermehren kann. Die Spieler entscheiden gleichzeitig und verdeckt über ihre Fangquoten. Erlaubt sind Entnahmen zwischen 0 und 25 %. Während des Spiels dürfen die Spieler nicht miteinander kommunizieren. Am Anfang ist den Fischern nur sehr wenig über die Intentionen der anderen Spieler und dem Zusammenhang zwischen Fischbestand und Vermehrung bekannt. Im Verlauf des Spiels sollen sie lernen sowohl die Fischvermehrung als auch das Verhalten der anderen Spieler besser einzuschätzen (Ernst, 2003).
In der Standardversion werden zweimal sieben Runden gespielt. Der erste Durchgang mit dem Fischbestand im optimalen Bereich (Anfangsfischbestand = 140), der zweite Durchgang mit dem Fischbestand im klar suboptimalen Bereich (Anfangsfischbestand = 70). Dies ermöglicht eine Beobachtung des Spielverhaltens ausgehend von zwei sehr verschiedenen Ausgangslagen (Emst, 1994). Der Spielablauf, die Anzahl der Spieler sowie die Information der Spieler können je nach Bedarf angepasst werden.
Tabelle 1 zeigt schematisch den Ablauf einer Spielmnde. Zuerst gibt der Spielleiter die Fischmenge zu Beginn der Runde bekannt. Daraufhin geben die Spieler ihre Schätzung der optimalen Gesamtfangquote, ihre Schätzung der Mitspielerfangquoten und ihre eigene Fangquote an den Spielleiter. Die optimale Gesamtfangquote ist die Gesamtfangquote aller drei Spieler, die maximal gefischt werden darf, um eine optimale Vermehmng zu gewährleisten. Der Spielleiter gibt daraufhin alle Fangquoten, die individuelle und gesamte Fangmenge und die Restfischmenge im See bekannt. Schließlich schätzen die Spieler noch den Anfangsfischbestand der nächsten Runde. In der folgenden Schonzeit vermehrt sich der Fischbestand und es beginnt die nächste Runde. Die Vermehrung des Fischbestands ist auf der biologischen Wachstumsfunktion begründet und nicht-linear (siehe 2.3.3 Das ökologische Wissen) (Ernst, Spada, Nerb, & Scheuermann, 2000).
Tabelle 1: Der Ablauf des Fischereikonfliktspiels (Emst et ab, 2000)
Abbildung in dieser Leseprob nicht enthalten
Aufgrund des einem ökologisch-sozialen Dilemma inhärenten sozialen und zeitlichen Konflikts, muss das Spielziel der individuellen Gewinnmaximierung langfristig gesehen werden. Der Fangbetrag ist abhängig von der Fischmenge der Vorrunde. Daher sollte Runde für Runde so viel (oder so wenig) gefischt werden, dass der Fischbestand langfristig auf einem Level mit optimaler Vermehrung bleibt.
Der Erfolg bei der Bewältigung des Dilemmas kann als individueller Erfolg (gesamte Fangmenge einer Person) oder Gruppenerfolg (addierte Fangmengen aller Personen + Restfischbestand) gemessen werden (Emst, 1997). Mehr Erfolg haben Personen, die besseres ökologisches Wissen (bessere Schätzung der optimalen Gesamtfangquote), besseres Wissen über das Verhalten der anderen Spieler (bessere Vorhersage der Mitspielerfangquoten) und eine angemessenere Zielestruktur (Fangquoten näher an optimaler Gesamtfangquote und den geschätzten Mitspielerfangquoten) haben (Spada & Emst, 1992, zitiert nach Ernst, 1994; Spada, Opwis & Donnen, 1985, zitiert nach Ernst, 1994).
Das kis-Modell (kis = knowledge and intentions in social dilemmas) wurde als computerbasierte Theorie des Handelns und Lernens von Personen in ökologisch-sozialen Dilemmata entwickelt. Abbildung 2 (auf der nächsten Seite) zeigt die verschiedenen Komponenten des kis-Modells im Überblick.
Handlungen basieren auf vier Wissenskomponenten (Emst, 1994):
1. Das Handlungswissen umfasst verschiedene Handlungsoptionen in Form abstrakter Handlungsschemata. Gespeichert ist wie eine gewählte Handlung auszuführen ist und wie erfolgreich diese bisher war.
2. Das soziale Wissen enthält Informationen über das Verhalten und die Absichten der anderen Teilnehmer. Das Verhalten der anderen wird beobachtet und darauf aufbauend werden die zugrunde liegenden Absichten und Motive erschlossen, um zukünftiges Verhalten vorherzusagen.
3. Das ökologische Wissen umfasst die ökologischen Aspekte der Umgebung, wie Informationen über den Ressourcenstand und Annahmen über die Ressourcenvermehrung.
4. Das Spielwissen umfasst die mathematischen Zusammenhänge zwischen den Variablen (z. B. die addierten Einzelfangquoten der Spieler ergeben die Gesamtfangquote einer Runde).
Es gibt drei Lemmechanismen, die die Handlungsschemata im Verlaufe des Dilemmas adaptieren: Lernen durch Handeln, Lernen durch Beobachtung, Lernen durch mentales Probehandeln (Ernst, 1994).
Die einzelnen Komponenten des kis-Modells werden im Folgenden ausführlicher erklärt.
Abbildung in dieser Leseprob nicht enthalten
Abbildung 2: Die Komponenten des kis-Modells (Emst et ab, 2000)
Motive sind überdauernde Präferenzen einer Person bezüglich eines Gegenstandsbereichs und dienen im kis-Modell als Kriterium für die Auswahl eines Handlungsschemas. Im kis-Modell sind drei Motive von Bedeutung (Ernst et ab, 2000):
1. Gewinnorientierte Personen (G) streben nach einer möglichst hohen eigenen Fangmenge.
2. Ressourcenorientierung (R) steht für den Wunsch nach maximaler Ressourcenvermehrung von Saison zu Saison.
3. Equityori enti erte Personen (E) wollen die Differenz zwischen der eigenen Fangquote und den Mitspielerfanquoten möglichst gering halten.
Diese drei Motive sind in einer fixen Motivstruktur nach Einflussstärke auf das individuelle Verhalten angeordnet. Dadurch kann eine gewählte Handlung mehreren Motiven genügen und es sind somit Kompromisse zwischen zwei konfligierenden Motiven möglich. Es ergeben sich sechs verschiedene Motivkonstellationen. Das erste Motiv hat den größten Einfluss auf das Verhalten. Das zweite Motiv hat mittleren Einfluss auf das Verhalten. Das dritte Motiv hat keinen Einfluss auf das Verhalten (Ernst et ab, 2000).
Das Handlungswissen umfasst mögliche Handlungsoptionen (konkret: mögliche Fangquoten). Abgebildet in abstrakten Schemata ist wie eine gewählte Handlung ausgeführt werden muss und wie erfolgreich diese bisher war gemessen an den individuellen Motiven. Das kis-Modell umfasst vier Handlungsschemata. Zwei Handlungsschemata bauen auf sozialen Vergleichsprozessen auf (Emst et ab, 2000):
1. Das Schema des sozialen Vergleichs bedeutet ein Angleichen des Verhaltens an die Gmppe. Die eigene Fangquote wird aus den addierten geschätzten Mitspielerfangquoten durch zwei halbiert (da zwei Mitspieler) berechnet.
2. Das Schema der sozialen Überforderung führt zu einem höheren eigenen Gewinn im Vergleich zu den anderen Spielern. Die konkrete Fangquote ist um 5 % erhöht gegenüber der Fangquote des Schemas sozialer Vergleich.
Zwei Handlungsschemata sind an der Ressource orientiert (Ernst et ak, 2000):
1. Das Schema der ökologischen und sozialen Optimierung führt zu einer Fangquote, die sowohl dem Prinzip der Gleichverteilung genügt als auch den unter ökologischen Gesichtspunkten optimalen Gesamtfangbetrag einbezieht. Die Fangquote ist ein Drittel (da drei Spieler) der optimalen Gesamtfangquote. Bei korrektem ökologischem Wissen führt dies zu einem langfristig optimalen Fangertrag.
2. Das Schema der ökologischen und sozialen Überforderung führt zu einem deutlich überhöhten eigenen Ertrag. Die Fangquote ist um 12 % höher als beim Schema ökologische und soziale Optimierung.
Überfordemde Schemata (soziale Überforderung und ökologische und soziale Überforderung) führen zu einer Ressourcenkatastrophe, wenn sie von allen Beteiligten angewandt werden. Einzelne Überfordemde Spieler können bis zu einem gewissen Maß von den anderen Spielern kompensiert werden.
Die Handlungsauswahl geschieht unter Berücksichtigung der Motivstruktur und der Motivdienlichkeiten. In Motivdienlichkeiten ist der subjektive Wert einer Handlung zusammengefasst, also der Erfolg der Handlungsschemata bezüglich der Motive und vorangegangener Lernerfahrungen. Sie werden durch numerische Parameter abgebildet und können Werte zwischen -5 und +5 annehmen. Die Gesamtstärke eines Handlungsschemas errechnet sich aus den addierten Parameterwerten gewichtet durch die Motivstärken (Faktor/Gewicht 2 für das erste Motiv, Faktor/Gewicht 1 für das zweite Motiv, Faktor/Gewicht 0 für das dritte Motiv). Es wird entweder das dominante Schema ausgewählt (das mit dem höchsten Endwert) oder die Handlungsauswahl geschieht mittels mentalem Probehandeln. Mentales Probehandeln tritt ein, wenn entweder eine Patt-Situation zwischen zwei Handlungsschemata entsteht oder wenn sich das dominante Schema aufgrund von Lernprozessen seit der letzten Spielmnde geändert hat (siehe 2.3.5 Lernmechanismen im kis-Modell). Das Ausführen eines Handlungsschemas liefert eine konkrete Fangquote. Die Startkonfiguration der Motivdienlichkeiten wird im weiteren Verlauf durch Lernprozesse verändert. Die zu einem Zeitpunkt aktuelle Motivdienlich- keits-Matrix ist also ein Abbild der bisherigen Lemgeschichte (Ernst, 1994).
In Tabelle 2 (auf der nächsten Seite) befindet sich ein Beispiel einer solchen Motivdienlich- keits-Matrix. Es handelt sich um die Matrix eines Spielers mit starker Equity Orientierung, mittlerer Gewinnorientierung und nicht vorhandener Ressourcenorientierung. Die blau markierten Werte sind in der Startkonfiguration am Anfang des Spiels bei allen Spielern gleich.
Unterschiede ergeben sich erst durch die Multiplikation mit den Motiv-Faktoren. Jedes Handlungsschema wird bezüglich der individuellen Motive bewertet, sodass sich ein Endwert (orange markiert) ergibt. Das Handlungsschema mit dem höchsten Endwert wird gewählt (hier: soziale Anpassung).
Tabelle 2: Eine beispielhafte Motivdienlichkeitsmatrix (adaptiert nach Emst, 1994)
Abbildung in dieser Leseprob nicht enthalten
Mit Hilfe des ökologischen Wissens werden die optimale Gesamtfangquote aus dem Fischbestand zu Beginn jeder Runde und der Fischbestand zu Beginn der nächsten Runde aus dem Restfischbestand abgeschätzt. Dies geschieht unterschiedlich je nachdem ob gutes oder schlechtes ökologisches Wissen vorhanden ist (Ernst, 1994).
Abbildung 3 (auf der nächsten Seite) zeigt die Vermehrungsfunktion des Fischbestands (dicke Linie). Auf der X-Achse sind die Fischmengen am Ende einer Runde in Tonnen abgetragen. Die y-Achse gibt die neuen Fischbestände nach der Schonzeit an. Die 45°-Linie zeigt zum Vergleich einen Vermehrungsbetrag von null. Unter 10 Tonnen geht der Fischbestand ohne menschlichen Eingriff bis auf null zurück. Der Vermehrungsbetrag steigt ab 10 Tonnen erst langsam und dann aufgrund der höheren Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens von Brutpartnern schneller an. Zwischen 98 und 100 Tonnen ist das Maximum einer Vermehrung um 42 Tonnen erreicht (gekennzeichnet durch den Pfeil). Ab 101 Tonnen restlichem Fischbestand nimmt der Vermehrungsbetrag aus Platzgründen im Habitat wieder ab. Der maximal erreichbare Fischbestand ist hier 150 Tonnen.
Abbildung in dieser Leseprob nicht enthalten
Abbildung 3: Die Vermehrungsfunktion (Ernst, 1997)
Bei gutem ökologischen Wissen werden die optimale Gesamtfangquote und der Anfangsfischbestand mit Hilfe von drei Punkten auf der Vermehrungskurve abgeschätzt: dem Punkt der höchsten Vermehrung und dem letzten Punkt oberhalb bzw. unterhalb des Punktes der höchsten Vermehrung (Emst, 1994). Das korrekte Nachführen dieser drei Punkte erlaubt eine sehr genaue Schätzung der optimalen Gesamtfangquote sowie des neuen Fischbestands. Die optimale Gesamtfangquote berechnet sich mit der Formel:
[...]
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