Examensarbeit, 2017
32 Seiten, Note: 2,0
Didaktik für das Fach Englisch - Pädagogik, Sprachwissenschaft
1. Einleitung
2. Implizites und explizites Lernen
2.1. Implizites Lernen
2.2. Explizites Lernen
3. Implizites Fremdsprachenlernen - Learning vs. Acquisition
4. Implizites Fremdsprachenlernen mit Hilfe von Filmen, Videos, Serien und Clips
4.1. Chancen des Fremdsprachenlernens mit Hilfe von authentischen fremdsprachlichen audiovisuellen Medien im außerschulischen Kontext
4.2. Herausforderungen des Fremdsprachenlernens mit Hilfe von audiovisuellen Medien im außerschulischen Kontext
4.3. Geförderte Fähigkeiten
4.3.1. Sprechkompetenz
4.3.2. Hörsehverstehen
4.3.3. Interkulturelle Kompetenz
4.3.4. Wortschatz
4.4. Motivation
4.5. Umgang mit authentischen audiovisuellen Medien
4.5.1. Methodische Prinzipien für den Unterricht
4.5.2. Methodische Prinzipien für den außerschulischen Kontex
5. Abbildungsverzeichnis
6. Quellenverzeichnis
In der heutigen digitalisierten Welt ist der Mensch konstant audiovisuellen Medien ausgesetzt. Kinder und Jugendliche verbringen einen großen Teil ihrer Freizeit damit fernzusehen, oder sich über das Internet Filme und Serien anzuschauen. Durch meine Tätigkeit als Mädchengruppen Betreuerin einer 8. Klasse an einer Hauptschule in Freiburg wurde ich mit dieser Lebenswirklichkeit von Jugendlichen konfrontiert. Einige dieser Mädchen berichteten mir, dass sie nach der Schule stundenlang fernsehen und in den Ferien die Nächte damit verbringen, Serien anzuschauen.
Auch ich habe einen großen Teil meiner Teenagerzeit damit verbracht, Serien und Filme anzuschauen. In der Unterstufe schaute ich noch regelmäßig Telenovelas in Spanisch und Portugiesisch mit Untertiteln, wodurch ich vor allem gute Spanischkenntnisse erzielte, die mir dazu verhalfen, bis ins Abitur hinein die Stufenbeste im Fach Spanisch zu sein. Diesen positiven Effekt, den das massive Ausgesetztsein von audiovisuellen Medien auf meine Spanischkenntnisse hatte, wollte ich mir nun in der Mittelstufe auch für das Fach Englisch zu Nutze machen, da ich in diesem Fach Schwierigkeiten hatte. So fing ich an, Serien im englischen Originalton und mit deutschen Untertiteln zu schauen. Nach dutzenden von Episoden der Serie Desperate Housewives stellte ich fest, dass ich immer mehr der Wörter und des Inhaltes, auch ohne Lesen des deutschen Untertitels, verstand. Deshalb beschloss ich, die Episoden ohne Untertitel zu schauen. Nach einiger Zeit verstand ich das meiste des Inhaltes problemlos und erste Verbesserungen im Englischunterricht konnten festgestellt werden, welche sich auch in meinen Noten widerspiegelten. Ich verstand immer mehr des Gesagten, mein Vokabular war viel reicher und ich selbst konnte flüssiger und angstfreier Sprechen. Interessanterweise nahm ich auch den amerikanischen Akzent an, der auch in der Studienzeit dafür sorgte, dass Kommilitonen davon ausgingen, ich hätte in den Vereinigten Staaten ein Auslandssemester absolviert.
In einer Studie von Koolstra und Beentjes konnten in einer Studie mit niederländischen Kindern dieselben Effekte auf den Wortschatz, die ich an mir feststellen konnte, bei den Kindern nachweisen. Die Kinder, die untersucht wurden, haben ihren englischen Wortschatz nur durch das Anschauen von englischsprachigen Fernsehen erweitert (vgl. Koolstra & Beentjes 1999:58).
Meine Erfahrungen mit dem Annehmen von einem regionalen Akzent spiegeln sich auch in der Literatur wider. So konnten Mitterer und McQueen in einer Studie mit niederländischen Teilnehmern feststellen, dass diese einen australischen bzw. schottischen Akzent nach nur kurzem Ausgesetztsein von audiovisuellen Medien mit eben diesen regionalen Akzenten annahmen (vgl. Mitterer & McQueen 2009: 3).
Diese Erfahrungen führten dazu, dass ich mich wissenschaftlich mit diesem Thema auseinandersetzen wollte. Ich fragte mich, wie ich ohne eigene Sprachproduktion - nur durch das passive Serienschauen - eine Sprache gelernt habe? Wie konnte es sein, dass ich dadurch auch mein Englisch so stark aufgebessert habe? Und wie konnte es sein, dass so etwas wie Serienschauen mich mit meinem Englisch mehr vorangebracht hat, als der Unterricht in der Schule, in den ich so viel Energie im Sinne von Lernen und Aufmerksamkeit investiert habe? Diese Fragen beschäftigten mich nicht nur aus persönlichem Interesse als Sprachenlernende, sondern auch aus der Perspektive einer angehenden Englischlehrerin. Denn meine Englischlehrer haben viel Zeit und Mühe in die Vorbereitung ihrer Unterrichtsstunden investiert und auch ich habe Zeit und Mühe für das Lernen für Klassenarbeiten und Vokabeltests investiert, doch all dies war nicht so effektiv wie das mühelose Schauen von fremdsprachlichen audiovisuellen Medien.
Diesen oben genannten Fragen möchte ich nun in dieser wissenschaftlichen Hausarbeit nachgehen.
Menschen lernen komplexe Sachverhalte, wie beispielsweise Höflichkeitsregeln, motorische Fähigkeiten, die Muttersprache, oder aber auch einfachere Dinge, wie etwa Namen von bekannten Persönlichkeiten, unbewusst und beiläufig. Denn in allen Situationen im Leben werden viele Informationen zusätzlich zu denen, auf denen die Aufmerksamkeit gelenkt ist, gesammelt. Diese Informationen werden gespeichert, ohne dass ein Bewusstsein darüber besteht. Man geht davon aus, dass all dieses beiläufig und unbewusst gelernte Wissen 70% - 80% des Gesamtwissens ausmacht (vgl. Oerter 2012: 390).
Zu unbewusstem Lernen wurden die ersten Forschungen in den 1960er Jahren von dem amerikanischen Kognitionspsychologen Arthur Reber durchgeführt. Diese Forschungen, bei denen er Versuchspersonen künstliche Grammatiken einer Nonsense-Sprache lernen lies, brachten den Begriff des implicit learning hervor, der im Gegensatz zum explicit learning steht (vgl. Reber 1967: 855).
In den 1980er Jahren wurden die Forschungen zur Aneignung von komplexen Strukturen wie beispielsweise künstlicher Grammatiken, oder Bewegungsabläufen verstärkt. In den letzten Jahren liegt der Fokus der Forscher verstärkt auf dem Bereich von alltäglichem und beiläufigen Lernen.
Auch Sprachen können implizit gelernt werden. Kinder lernen die Grammatik ihrer Muttersprache vorwiegend implizit. Auch eine Fremdsprache, der man konstant im Ausland ausgesetzt ist, wird vorwiegend implizit gelernt. Ein weiterer Aspekt des impliziten Sprachenlernens ist das ‚Bauchgefühl‘, oder das ‚Sprachgefühl‘ mit dem richtige von falschen Strukturen in der Fremdsprache unterschieden werden können (vgl. Oerter 2012: 391).
Im Folgenden wird der Begriff des impliziten Lernens näher erklärt und von dem Begriff des expliziten Lernens abgegrenzt. Weiterhin werden ähnliche Konzepte, wie etwa das inzidentelle Lernen, erklärt.
Das implizite Lernen beschreibt das Lernen „in Situationen, in denen die Person Strukturen einer relativ komplexen Reizumgebung lernt, ohne dies notwendigerweise zu beabsichtigen, und in einer Weise, dass das resultierende Wissen schwer zu verbalisieren ist“ (Koch & Stahl 2017: 350). Diese Definition greift den Aspekt der fehlenden Absicht und der Unfähigkeit des Kommunizierens des Gelernten auf.
Die fehlende Absicht beim Lernen ist ein wichtiges Merkmal impliziten Lernens. Menschen lernen demnach etwas beiläufig, ohne dass sie die Intention hatten, dies zu tun. Während einer Aktivität ist ihr Fokus somit auf a gerichtet. Das Lernen von b ist also nur ein Nebenprodukt der Aktion, die mit a in Verbindung steht (vgl. Oerter 2012: 390).
Ein ähnliches Konzept dazu ist das inzidentelle Lernen, welches ebenfalls für beiläufiges Lernen verwendet wird. Im Gegensatz zum inzidentellen Lernen steht das intentionale Lernen, welches bewusst und zielgerichtet stattfindet (vgl. ebd.). Das inzidentelle Lernen wird in der Literatur dabei oft als Synonym für implizites Lernen verwendet. Gemäß Oerter liegt der Unterschied beider Konzepte darin, dass das Ergebnis inzidentellen Lernens auch dem expliziten Gedächtnis zugeschrieben werden kann, das Ergebnis impliziten Lernens allerdings nicht. Abbildung 1 stellt diesen Sachverhalt grafisch dar. Ein weiterer Unterschied ist, dass sich die Person beim inzidentellen Lernen nur beiläufig und kurzfristig mit dem Lerngegenstand beschäftigt, beim impliziten Lernen hingegen beschäftigt sich die Person intensiv mit dem Lerngegenstand, kennt das eigentliche Lernobjekt jedoch nicht (vgl.ebd.:391).
Der Aspekt der fehlenden Absicht wird oft mit dem fehlenden Bewusstsein über das Gelernte gleichgesetzt. Andere Forscher verweisen hingegen darauf, dass Bewusstsein erst einmal definiert werden muss und dass die Lernenden durchaus das Bewusstsein über das Gelernte haben können, sie dies allerdings nicht kommunizieren können (vgl. Koch & Stahl 2017: 343).
Diese Erkenntnis steht in Verbindung mit dem zweiten Merkmal impliziten Lernens: die schwere Verbalisierung des resultierten Wissens. Erste Forschungen dazu und zum impliziten Lernen allgemein wurden von Arthur S. Reber in den 60er Jahren durchgeführt. Reber führte Experimente in zwei Versuchsabschnitten mit künstlichen Grammatiken für Wortbildungen durch. Er stellte Versuchspersonen Buchstabenfolgen vor, die nach erfundenen Regeln gebildet wurden. Eine Testgruppe wurde darüber informiert, dass die Buchstabenfolgen einer künstlichen Grammatik folgen und sie wurden aufgefordert, die Wörter zu analysieren, um die Grammatik dahinter zu erkennen. Die andere Testgruppe wurde nicht darüber informiert, dass die Buchstabenzusammensetzungen Regeln folgen. Sie mussten die Buchstabenfolgen lediglich auswendig lernen. In einem weiteren Schritt wurden die Versuchspersonen, die unter impliziten Bedingungen gelernt haben, über eine vorhandene Grammatik informiert. Beide Versuchsgruppen sollten anschließend andere Wörter nach ihrer Regelkonformität beurteilen. Die Studien ergaben, dass beide Testgruppen die Wörter häufiger als die Vergleichsgruppe als richtig oder falsch beurteilen konnten. Die Versuchspersonen, die die künstliche Grammatik implizit gelernt hatten, konnten im Gegensatz zu denen, die diese explizit gelernt hatten, später jedoch nicht sagen, warum sie sich für die richtige Buchstabenfolge entschieden haben. Vor allem diese Studien Rebers und ähnliche Studien haben das Merkmal impliziten Lernens der schweren Verbalisierung geprägt (vgl. Röhr-Sendlmeier & Käser 2016: 209).
Der Kognitionspsychologe Stoffer führt, neben den bereits erörterten Merkmalen, zwei weitere Merkmale des impliziten Lernens an: Komplexität der Reizstrukturen und Neuartigkeit des Reizmaterials (vgl. Stoffer 2000: 220).
Zur Komplexität der Reizstrukturen führt Oerter die Beispiele vom Verstehen und Anwenden von Grammatiken, vom Erkennen von Gesichtern, wie es etwa Säuglinge machen, an. Dabei handelt es sich nicht um die Bildung einfacher Assoziationen zwischen Reizen, sondern um komplexe Zusammenhänge, wie etwa um das Erkennen und Unterscheiden von verschiedenen musikalischen Stilrichtungen alleine durch das Hören von Musik, ohne vorherige Kenntnisse über das Themengebiet (vgl. Oerter 2012: 392).
Die Neuartigkeit des Reizmaterials ist insoweit selbsterklärend, als dass es sich um implizites Lernen und nicht implizite Wissensanwendung, wie beispielsweise bei Übungen, in denen das implizite Wissen angewandt werden soll, handelt.
Das Ergebnis des impliziten Lernens wird dem impliziten Gedächtnis zugeordnet. Das implizite Gedächtnis kann nach Oerter, der das implizite Lernen vom inzidentellen Lernen trennt, auch durch Letzteres erworben werden. Dabei handelt es sich um komplexe Fähigkeiten wie etwa Skifahren, Anwendung von Grammatiken, etc. Das Erlernte, welches dem impliziten Gedächtnis zugeordnet wird, ist nicht deklarativ verfügbar. So können die benötigten Bewegungen und Handlungen des Skifahrens beispielsweise zwar deklarativ beschrieben werden, aber bei der tatsächlichen Performance mit Ausführung und Koordination der Bewegungen ist dieses Wissen allein nicht von Nutzen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Systematik des impliziten, expliziten, inzidentellen und intentionalen Lernens nach Oerter, (Oerter 2012: 393)
Im Gegensatz zum impliziten steht das explizite Lernen, welches „bewusst, intentional und […] durch willentliche Aufmerksamkeit gesteuert [wird]“ (Oerter 2012: 393). Die Person ist sich demnach darüber bewusst, dass sie lernt und hat dies auch beabsichtigt. Es ist hypothesengeleitet und es erfordert zeitaufwendige kognitive Prozesse. Dabei handelt es sich um „aktive Einspeicherung von Stimulus- oder Wissensmaterial ins Gedächtnis“ (ebd.: 390). Das Lernen in der Schule oder im Studium sind Beispiele für explizites Lernen, welches im Gegensatz zum impliziten Lernen, eine bestimmte Anstrengung erfordert.
Das durch explizites Lernen Erlernte kann dem expliziten (deklarativen) Gedächtnis zugeordnet werden. Dieses „umfasst Gedächtnisinhalte, die bewusst erinnert und verbalisiert werden können, wie beispielsweise Faktenwissen“ (Schlarb et al. 2012: 258).
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass das implizite Lernen keine große Anstrengung erfordert, unabsichtlich stattfindet, nicht auf den Lerngegenstand gerichtet ist und schwer zu verbalisieren ist. Das explizite Lernen hingegen erfolgt bewusst und mit einer willentlichen Anstrengung. Im nächsten Kapitel wird näher auf das implizite Fremdsprachenlernen – Learning vs. Acquisition eingegangen.
„Für die Beherrschung einer Sprache sind implizites Lernen und Gedächtnis unentbehrlich. Sie haben darüber hinaus den Vorzug, dass sie weniger Anstrengung und Konzentration erfordern“ (Oerter 2012: 401).
In der Sprachwissenschaft wird für implizites Lernen vor allem der Begriff des Spracherwerbs (engl. Language Acquisition) benutzt. In diesem Forschungsgebiet ragt der Linguist Noam Chomsky heraus, der davon ausging, dass Kleinkinder ihre Muttersprache aufgrund ihrer unzureichenden kognitiven Entwicklung nur durch einen angeboren Spracherwerbsmechanismus (Language Acquisition Device - LAD) erwerben können. Für ihn stellt der Erstsprachenerwerb ein Wunder dar: Wie kann ein Kleinkind, welches in so vielen Bereichen so wenig entwickelt ist, eine so komplexe Sache wie eine Sprache so schnell und so erfolgreich lernen? (vgl. Johnson 2001: 75)
Um diese Fragen zu beantworten und um anwendbare Prinzipien für das Fremdsprachenlernen zu ziehen, haben sich Sprachwissenschaftler*innen mit dem Thema des Erstsprachenerwerbs und des Fremdsprachenerwerbs beschäftigt. Hervorzuheben ist dabei der amerikanische Linguist Stephen Krashen. In seinen zahlreichen Werken zu dem Thema unterscheidet er zwischen zwei voneinander unabhängigen Wegen der Sprachaneignung: Zum einem den bewussten Prozess des Sprachenlernens (language learning) und einem natürlichen Prozess des Spracherwerbs (language acquisition) (vgl. ebd.: 76).
Beim Sprachenlernen handelt es sich um einen bewussten Prozess, der in Wissen über eine Sprache, wie etwa Grammatik, mündet. Die Lernenden, die sich eine Sprache auf diese Weise angeeignet haben, sind in der Lage über die Regeln dieser Sprache zu sprechen und diese zu erklären. Krashen selbst nennt als Synonym zum Sprachenlernen das „explizite Lernen“ (Krashen 1982: 10).
Beim Spracherwerb allerdings handelt es sich um einen unbewussten Prozess, der dem Prozess gleichkommt, den Kinder bei ihrem Erstspracherwerb ohne systematische Belehrung durchlaufen. Bei diesem Prozess ist den Lernenden nicht bewusst, dass sie eine Sprache, oder Teile davon, erwerben, denn ihr Fokus liegt auf dem Kommunizieren (vgl. Brusch 2009: 95). Das Ergebnis dieses Spracherwerbs ist erworbenes Wissen, welches dem impliziten Wissen nach Reber gleichkommt. Die Lernenden haben oft ein gewisses ‚ Sprachgefühl ‘, welches ihnen dabei hilft, grammatikalisch richtige Strukturen zu formen, oder sprachlich falsche von richtigen Strukturen zu unterscheiden. Dabei können sie oft nicht verbalisieren, welche Regeln sie angewandt haben, oder welche Regeln verletzt wurden, da sie das explizite Wissen darüber nicht haben (vgl. Krashen 1982: 10).
Krashen und Chomsky sind der Meinung, dass der Fremdspracherwerb fast identisch zum Erstspracherwerb von Kindern ist. Entgegen der Meinung von anderen Sprachwissenschaftlern, geht Krashen davon aus, dass auch Erwachsene Prozesse des Spracherwerbs durchlaufen können. Seiner Ansicht nach können sie durch den Fremdspracherwerb allerdings nicht an das Niveau eines Muttersprachlers herankommen (vgl. ebd.: 10).
Nun stellt sich die Frage, wie das implizite und das explizite Sprachwissen zusammenwirken. Krashen geht davon aus, dass das bewusste, sprich explizite Sprachwissen, eine Monitor Rolle hat. Es ist also eine Kontrollinstanz, die dafür zuständig ist, dass sprachlich falsche Äußerungen korrigiert werden. In Abbildung 2 wird verdeutlicht, dass das explizit gelernte Wissen vor und nach der Performance zum Einsatz kommen kann. So kann es beispielsweise bei schriftlichen Äußerungen kurz vor dem Output, oder beispielsweise bei mündlichen Äußerungen nach dem Output zu einer Korrektur durch das explizite Wissen kommen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Einfluss von erworbenen und gelernten Kompetenzen nach Krashen, (ebd.: 16)
Krashen erklärt, dass Spracherwerb nur dann stattfindet, wenn die lernende Person sprachliche Botschaften, also Input, erhält. Wenn die lernende Person sich auf dem sprachlichen Kompetenzlevel i befindet, muss der Input auf dem sprachlichen Level i+1 sein. Es stellt sich jedoch die Frage, wie die Person von einem Level zum anderen aufsteigen kann. Krashen argumentiert, dass die lernende Person zuerst den Input, der das sprachliche Level i+1 enthält, verstehen muss. Verstehen bedeutet hier, dass die lernende Person auf den Inhalt und nicht auf die sprachlichen Strukturen fokussiert ist. Somit werden sprachliche Kompetenzen nur dann erworben, wenn Input verstanden wird, dessen sprachliches Niveau etwas über dem eigenen sprachlichen Niveau liegt (vgl. ebd.: 21).
Lernende können Input, dessen sprachliches Level etwas über dem eigenen liegt, durch Kontext, Allgemeinwissen und außersprachliches Wissen verstehen. Allerdings kann jeder Input das i+1 Level haben. Krashen schlussfolgert daraus, dass Sprechen nur als Ergebnis von verständlichem Input gesehen werden kann und dass Sprechen nicht gelernt und gelehrt werden kann. Eine lernende Person wird flüssig sprechen können, wenn sie dazu bereit ist, was bei verschiedenen Menschen zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgt. Erste Sprechversuche sind oft fehlerhaft, was sich jedoch mit der Zeit durch noch mehr verständlichen Input verbessert (vgl. Brusch 2009: 96).
Krashen zieht einen Vergleich zwischen Erstspracherwerb und Fremdspracherwerb. Er leitet daraus ab, dass die gleichen Prinzipien bei den verschiedenen Erwerben stattfinden. Beim Erstspracherwerb ist der Fokus stets auf dem Inhalt. Die Personen, die mit den Kindern sprechen, versuchen meistens Inhalte zu vermitteln und es geht ihnen dabei nicht ums Lernen. Dabei wird die Sprache von den Bezugspersonen so vereinfacht, dass die Kinder diese verstehen können. Dies bedeutet aber nicht, dass das Sprachlevel des Inputs auf i oder i+1 ist, sondern es kann durchaus auch Elemente von i+2, i+3 und höheren Levels haben. Fremdsprachenlernende sind ebenfalls wie Erstsprachenlernende, also Kinder, Input mit verschiedenen Sprachlevels ausgesetzt, dessen Fokus vor allem auf der Verständlichkeit, statt auf dem Beibringen der Sprache liegt. Bei dem Sprachinput, welches Fremdsprachenlernende erhalten, handelt es sich um den Input von Fremdsprachensprechenden, Lehrenden, oder ebenfalls Lernenden. Die Kommunikation im Klassenzimmer, oder auch bei einem Auslandsaufenthalt, ist gewöhnlicher Weise drauf ausgerichtet, einen Inhalt statt sprachliche Regeln zu übermitteln. Dies kommt dem sprachlichen Input gleich, welchem Kinder von ihren Bezugspersonen ausgesetzt sind. Die Sprechenden modifizieren und vereinfachen ihre Sprache in der Art, dass das Gegenüber, welches diese Sprache nicht perfekt spricht, sie versteht (vgl. Krashen 1982: 21).
Krashen leitet deshalb daraus ab, dass das Klassenzimmer ein geeigneterer Ort zum Fremdsprachenerwerb für Anfänger ist, als die außerschulische Welt, da Anfänger in natürlichen Sprachumgebungen mit authentischem sprachlichen Input konfrontiert werden, welches auf einem zu hohen Niveau für sie ist. Authentischer sprachlicher Input, wie etwa Gespräche mit Muttersprachlern, Literatur, oder Filme enthält besonders für Anfänger zu wenig an verständlichen Inputs. Die Sprache im Klassenzimmer hingegen wird vereinfacht, um den Lernenden möglichst viel verständliches sprachliches Input zu liefern (vgl. ebd.: 30).
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