Bachelorarbeit, 2017
35 Seiten, Note: 1,3
Abstract
1 Einleitung
2 Theorie
2.1 Persönlichkeit
2.1.1 Die Big Five und ihre möglichen Auswirkungen auf die Berufswahl
2.1.2 Hypothesen – Persönlichkeit bei Soldaten
2.2 Stress
2.2.1 Stressbewältigung
2.2.2 Hypothesen - Stressbewältigung bei Soldaten
3 Methoden
3.1 Stichprobe
3.2 Messinstrumente und Datenerhebung
4 Ergebnisse
4.1 Statistische Analyse
4.1.1 Big Five Inventory
4.1.2 COPE-Inventory
4.2 Vergleich der Ergebnisse mit zivilen Studenten
4.2.1 Big Five Inventory
4.2.2 COPE-Inventory
5 Diskussion
6 Quellen und Literaturverzeichnis
Die vorliegende Studie befasst sich mit der Persönlichkeit und der Stressbewältigung von studierenden Offizieren. Aufbauend auf den Erkenntnissen von Jackson et al. (Jackson, Thoemmes, Jonkmann, Lüdtke, & Trautwien, 2012), im Rahmen der Langzeitstudie TOSCA, welche von der Universität Tübingen durchgeführt wurde, soll überprüft werden, ob sich die Persönlichkeit von studierenden Offizieren und zivilen Studenten unterscheidet. Ferner ist untersucht worden, ob sich die beiden Gruppen hinsichtlich ihrer Bewältigung von Stress unterscheiden. Dabei ist von der Annahme ausgegangen worden, dass es einen Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Stressbewältigung gebe. Dazu wurden mithilfe eines Onlinefragebogens 292 studierende Offiziere, im Alter von 18-41 Jahren, an der Universität der Bundeswehr in München befragt. Mithilfe des Big Five Inventory, einem Selbsteinschätzungsfragebogen basierend auf den fünf Persönlichkeitsdimensionen (Goldberg, 1993), wurden die Persönlichkeitseigenschaften der Stichprobe ermittelt. Mithilfe des COPE-Inventory wurde ein breites Spektrum an Stressbewältigungsmöglichkeiten erfasst. Die Resultate der männlichen Teilnehmer wurden dann mit den Ergebnissen einer ähnlichen Befragung der Fernuniversität Hagen verglichen. Im Rahmen dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass sich die Persönlichkeit der männlichen studierenden Offiziere, bis auf die Dimension Verträglichkeit, in allen Dimensionen sehr signifikant von den zivilen Studenten aus Hagen unterscheiden ließ. Die Soldaten waren im Mittel weniger neurotisch und offen für neue Erfahrungen, dafür gewissenhafter und extrovertierter, als die zivile Vergleichsstichprobe. Auch für die 15 Facetten des COPE-Inventory konnten vereinzelt kleine Unterschiede aufgezeigt werden. In den vier gebildeten Subskalen jedoch, konnten nur bei Support und Avoidance ein sehr signifikanter Unterschied festgestellt werden. Zivile männliche Studenten wendeten häufiger vermeidende Bewältigungsformen und nach sozialer Unterstützung suchende Stressbewältigungsstrategien an als die männlichen militärischen Studenten. Bei Positive Cognitive Restructuring und Active Coping gab es keine signifikanten Unterschiede.
The following study deals with the personality and coping of armed forces officers while studying at university. Based on the findings of Jackson et al. (2012) within the context of the long-term study TOSCA conducted by the University of Tübingen the aim of this thesis is to examine whether the personality of student armed forces officers and civilian students differs. In addition, it was asked whether the two groups differ in coping with stress because of the correlation between someone’s personality and coping. A sample of 292 students, aged 18-41, were investigated at the University of the German Armed Forces in Munich. The Big Five Inventory, a self-report questionnaire based on the dimensions of personality (Goldberg, 1993), was used to determine the personality of the sample. The COPE Inventory was used to investigate a wide range of coping styles of the sample. Results of the male soldiers were compared with the results of an adequate survey for civilian students conducted by the Fernuniversität Hagen. Within the scope of this thesis it was shown that the personality of the male student officers was significantly different in all personality dimensions, apart from agreeableness. The soldiers were on average less neurotic and less open to new experiences although more conscientious and extroverted than the compared civilian sample. There were also small differences in the 15 factors of the COPE-Inventory. In the four subscales formed, however, a very significant difference could only be found in Support and Avoidance. Civilian male students were more likely to use avoiding coping and seeking for social support than the male military students. There were no significant differences in Positive Cognitive Restructuring and Active Coping.
Wird man beim Bund zum Mann? Betrachtet man diese Frage aus Sicht eines konservativen Rollenverständnisses, so muss man sie laut einer Studie der Universität Tübingen bejahen. Im Rahmen der Langzeitstudie TOSCA („Transformation des Sekundarschulsystems und akademische Karrieren“) wurden 2002 und 2006 jeweils um die 5000 Oberstufenschüler und Oberstufenschülerinnen untersucht, um Auswirkungen der Neuordnung der Oberstufe in Baden-Württemberg zu überprüfen. Ausgangspunkt dafür war die unzureichende Datenlage zur Effektivität der gymnasialen Oberstufe in Deutschland. Ein weiteres Ziel war die bildungsbiographische Untersuchung zum Übergang von der Sekundarstufe II, also der Oberstufe, auf Hochschulen und in die berufliche Ausbildung (Trautwein et al., 2011).
Trautwein et al. veröffentlichten 2012 zusammen mit dem amerikanischen Psychologen Josh Jackson von der Washington University eine Studie, die sich genauer noch mit der Persönlichkeit von jungen Männern, während des Zeitraums nach der Oberstufe, beschäftigt (Jackson, Thoemmes, Jonkmann, Lüdtke, & Trautwien, 2012). Sie stellten sich unter anderem die Frage, ob und wenn ja, inwieweit das Militär den Charakter verändere, oder ob bereits vor der Entscheidung zum Militärdienst, einige Persönlichkeitsdimensionen ausgeprägter seien als bei einer Vergleichsgruppe, die sich nach dem Schulabschluss zum Zivildienst entschieden hatte. Dabei bot sich bei jungen Erwachsenen, die sich zwischen Wehrdienst und Zivildienst entscheiden mussten, eine ideale Gelegenheit, um den Einfluss der Lebensbedingungen auf die Persönlichkeit zu untersuchen. Befragt wurden Schüler in über 150 Gymnasien, bevor sie die Wahl treffen mussten, ob sie Wehrdienst oder Zivildienst leisten wollen würden, wobei hier besonders darauf geachtet wurde, mögliche Störvariablen, wie ein unterschiedliches Elternhaus auszuschließen, um die Effekte auf die Entscheidung „Wehrdienst oder Zivildienst“ zurückzuführen. Inhalt der Befragung waren 60 Persönlichkeitsmerkmale, die sich zu den Big Five der Persönlichkeit zusammenfassen lassen. Dieser Begriff meint fünf sehr stabile und zeitlich konsistente sowie kulturunabhängige Persönlichkeitsmerkmale, nämlich Neurotizismus, Extraversion, Verträglichkeit, Offenheit für Erfahrungen und Gewissenhaftigkeit. Die Begrifflichkeit tauchten erstmals bereits in den 1930er Jahren mit dem lexikalischen Ansatz auf, wonach sich Persönlichkeitsmerkmale in der Sprache niederschlagen und somit Unterschiede durch entsprechende sprachliche Begriffe repräsentiert würden (Allport & Odbert, 1936). Seitdem haben sich diese fünf Faktoren, wie sie beispielsweise nach Costa und McCrae (McCrae & Costa, 2008) benannt werden, international durchgesetzt und gelten als Standard in der Persönlichkeitsforschung.
Tatsächlich konnte man nachweisen, dass junge Männer, die den Wehrdienst, anstelle des Zivildienstes gewählt hatten, weniger offen für Erfahrungen und emotional stabiler, also weniger neurotisch waren. Außerdem waren sie weniger verträglich im Umgang mit Anderen, was für Trautwein kein zufälliges Ergebnis zu sein schien (Martin, 2012). Auch zwei Jahre später, also nach Abschluss des Wehrdienstes oder des Zivildienstes, konnten noch Unterschiede zwischen den beiden Gruppen nachgewiesen werden. Zwar wurden beide Gruppen im Mittel sozial verträglicher, gewissenhafter und weniger ängstlich, was einer altersgerechten Entwicklung gleichkommt, jedoch stieg die soziale Verträglichkeit der Männer langsamer an, die sich für den Wehrdienst entschieden hatten. Dabei waren Zivildienstleistende nicht mehr oder schneller verträglich als Gleichaltrige ohne eine der beiden geleisteten Dienste, was bedeutet, dass der Unterschied auf den Wehrdienst zurückzuführen ist (Jackson et al., 2012). Welche langfristigen Auswirkungen diese Unterschiede haben, bleibt noch abzuwarten und auch, ob die Unterschiede im jeweiligen Berufsumfeld zu Vor- oder Nachteilen führen.
Im militärischen Kontext könnten diese charakterlichen Veränderungen negative Auswirkungen auf das soziale Umfeld haben, gleichzeitig aber wieder Vorteile in Gefechtssituationen, da sozial unverträgliche Menschen in Gefahrensituationen schneller und aggressiver handeln und sich im Alltag erfolgsorientierter Verhalten, sich also im Zweifel besser durchsetzen können (Jackson et al., 2012). Fakt ist, dass die zukünftige Untersuchung der Thematik durch den Wegfall der Wehrpflicht erschwert wird und die Entscheidung für oder gegen den Dienst an der Waffe eine noch bewusstere sein wird. Dementsprechend findet schon im Vorfeld eine deutlichere Selektion aufgrund von Persönlichkeitsmerkmalen statt, was wieder Einfluss darauf nimmt, wie der Militärdienst erlebt wird und somit wie sich die Persönlichkeit der bereits vorselektierten Soldaten weiterhin in eine bestimmte Richtung entwickelt. Wie auch immer man Folgen dieser Unterschiede deuten mag, sie sind vorhanden und lassen die Frage offen, welche weiteren Auswirkungen sie auf andere Bereiche der sozialen und gesundheitlichen Entwicklung bei jungen Soldaten haben. Betrachtet man die jüngste Entwicklung der Bundeswehr, mit all ihren Reformen, neuen Anforderungen an die Soldaten und die steigende Anzahl der Auslandseinsätze, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass der Soldatenberuf nicht nur besondere Anforderungen an die Persönlichkeit, sondern auch an den Umgang mit Stress stellt. Diesem Umgang wurde bereits im 20. Jahrhundert eine immer größer werdende Bedeutung beigemessen, als man auch vom Stress, als „Krankheit des Jahrhunderts“ sprach (DER SPIEGEL., 1976). Sowohl in der Alltagssprache, als auch in der Wissenschaft ist Stress einer der populärsten Begriffe und gilt als Kollektivsymbol, welches Fachwissen für den alltäglichen Sprachgebrauch nutzbar gemacht hat (Kury, 2012).
Für Soldaten, hier am Beispiel der Bundeswehr, verursachen neben Extremsituationen wie Feuergefechte vor allem vermeintlich alltägliche Probleme Stress und Unmut. Zwischen 1990 und 2011 wurde die Bundeswehr sechs Mal reformiert und nach jeder neuen Reform mussten diverse Altlasten beseitigt werden, was wiederum zum Scheitern der neuen Reform beitrug (dpa, 2011). Die daraus resultierenden Zukunftsängste und die fehlende Motivation aufgrund von mangelnder Effektivität im Arbeitsalltag tragen maßgeblich zur psychischen Belastung der Soldaten bei. Als nach dem Wegfall der Wehrpflicht 2011 zunehmend Überstunden und zeitliche Mehrbelastung auf die Bundeswehrangehörigen hinzukamen, entschied sich die Bundesregierung für das 2016 in Kraft tretende Attraktivitätssteigerungsgesetz der Bundeswehr. Diese neue Reform sorgte mit der Umsetzung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie für ein erneutes Dauerprovisorium, wie schon der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands Ulrich Kirsch 2011 in einem Interview der ZEIT gegenüber äußerte (dpa, 2011).
Für einen weiteren erheblichen Zuwachs an Stress sorgt in der Truppe auch die mangelhafte Ausrüstung und die zunehmende Belastung durch Auslandseinsätze, welche sowohl während des Einsatzes, als auch davor und danach bei der Wiedereingliederung in den sozialen Alltag in der Heimat, zu spüren sind. Dies spiegelt sich in den Zahlen der an posttraumatischer Belastungsstörung, kurz PTBS, erkrankten Soldaten des letzten Jahrzehnts wider. Allein die Zahl der einsatzbedingten Behandlungskontakte für PTBS hat sich von 2005 auf 2015 mehr als verzehnfacht und die Zahl der Neuerkrankungen 2015 ist im Vergleich zum Vorjahr um 15% gestiegen (BMVg, 2016). Die steigenden Zahlen bedeuten jedoch nicht, dass allein die reine Belastung oder das Maß an Stress zugenommen haben müssen. Kriegseinsätze, wie man vom Afghanistaneinsatz ab 2010 offiziell gesprochen hat, sind seit jeher eine immense Belastung für die beteiligten Soldaten. Vielmehr trägt in diesem Fall die verbesserte Sensibilisierung und Entstigmatisierung ihren Teil dazu bei, dass mehr und mehr Betroffene ärztliche bzw. psychotherapeutische Hilfe aufsuchen und auch annehmen. So hat auch die Veröffentlichung des Kompendiums „Umgang mit psychischen Einsatzschädigungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörung in der Bundeswehr“ durch das Verteidigungsministerium zu einer erhöhten Aufmerksamkeit geführt (BMVg, 2016).
Aufgrund der Aktualität, der wachsenden Bedeutung von Stress und dem Umgang damit in der Bundeswehr, soll in dieser Arbeit genauer auf die Arten von Stressbewältigungsstrategien, speziell bei Soldaten eingegangen werden. Außerdem soll aufbauend auf den Erkenntnissen der Forschungen von Jackson, an der Washington University und der Studie von Trautwein et al., an der Universität Tübingen, Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitseigenschaften und der Wahl der Stressbewältigungsstrategie angesprochen werden.
Das folgende Kapitel dient dazu, den Rahmen der Fragestellung darzustellen und wesentliche Theorien und Erkenntnisse der Forschung zu beleuchten. Zuerst werden grundlegende Begriffe und relevante Befunde der Persönlichkeitsforschung referiert und hinsichtlich der Bedeutsamkeit für die Fragestellung bewertet. Im Anschluss daran wird auf Stress und Stressbewältigung als zweites Themengebiet dieser Arbeit, ebenfalls unter Berücksichtigung der Bedeutsamkeit für die Fragestellung, eingegangen. Hier sollen auch Zusammenhänge zur Persönlichkeit als Prädiktor für die Art der Stressbewältigung dargestellt werden. Abschließend werden für die Fragestellung relevante theoretische Schlussfolgerungen gezogen, um diese dann sprachlich und statistisch in Hypothesen auszuformulieren.
Als Persönlichkeit wird die Gesamtheit aller individuellen, überdauernden Merkmale für Erleben und Verhalten eines Menschen beschrieben. In der empirischen Wissenschaft befasst sich die Persönlichkeitspsychologie mit der Beschreibung, Vorhersage und Erklärung von eben diesen Merkmalen. Dabei wird eine kurzfristige Stabilität und eine individuelle Ausprägung dieser Merkmale vorausgesetzt. So kann Persönlichkeit als Disposition für ein bestimmtes Verhalten in einer bestimmten Situation beschrieben werden (Asendorpf & Neyer , 2012). Der Begriff der Persönlichkeit wird dabei in verschiedenen Paradigmen untersucht. Im Informationsverarbeitungsparadigma werden beispielsweise die der Persönlichkeit zugrundeliegenden Prozesse untersucht, welche sich einerseits in der Informationsverarbeitung, andererseits in Gedächtnisinhalten und ihrer affektiven Bewertung wiederfinden. Im evolutionspsychologischen Paradigma werden die individuellen Merkmale im Erleben und Verhalten als Konsequenz von Selektionsprozessen in der Vergangenheit eines Menschen verstanden. Hierbei sind vor allem Geschlechterunterschiede erwiesene Selektionsprozesse, weshalb in dieser Arbeit auch eine geschlechterspezifische Trennung vorgenommen wird. In dem zurzeit die Persönlichkeitspsychologie dominierenden Eigenschaftsparadigma werden einzelne Persönlichkeitsdimensionen getrennt voneinander beschrieben und Zusammenhänge zwischen den jeweiligen Dimensionen erklärt (Asendorpf & Neyer , 2012). In dieses Paradigma lässt sich die lexikalische Klassifikation von Persönlichkeitseigenschaften einordnen.
Im Gegensatz zur funktionsorientierten Klassifikation, in der Persönlichkeitsdimensionen nach den zugrundeliegenden psychischen Funktionen voneinander abgegrenzt werden, geht man in dieser Klassifikation davon aus, dass die Verwendung von Eigenschaftsbegriffen im Alltag ausreicht, um alle wichtigen und sozial bedeutsamen Persönlichkeitseigenschaften zu repräsentieren (Allport & Odbert, 1936).
Aus diesem Ansatz, auch Sedimantationshypothese genannt, entstand im angelsächsischen und deutschsprachigen Raum das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit. Diese Bezeichnung steht für die fünf grundlegenden Persönlichkeitsdimensionen oder Big Five; Neurotizismus, Extraversion, Verträglichkeit, Offenheit für neue Erfahrungen und Gewissenhaftigkeit. Die breiten Persönlichkeitsdimensionen, auf die im späteren Verlauf der Untersuchung noch eingegangen wird, können kulturübergreifend Unterschiede in der Persönlichkeit beschreiben und gelten heutzutage als die bekannteste und meist genutzte Trait-Taxonomie der Persönlichkeitsforschung. Auch wenn der Begriff Big Five häufig im Zusammenhang mit dem Fünf-Faktoren-Modell genutzt wird, stammen beide Begriffe aus unterschiedlichen Forschungstraditionen.
Die Big Five resultieren aus lexikalischen Studien, in der alltägliche Persönlichkeitsbegriffe zusammengefasst werden. Erstmals wurden sie von Goldberg benutzt und bildeten die Grundlage für das Big Five Inventory (BFI), in welchem Adjektive zur Erfassung der Big Five verwendet werden (Goldberg, 1981). Das Fünf-Faktoren-Modell unterteilt Persönlichkeitsfaktoren hierarchisch in Haupt- und Unterdimensionen, wobei Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit als vierte und fünfte Dimension erst unter Einfluss der Big Five hinzugefügt wurden. Später wurde den Big Five, aufgrund der biologischen Determinierung und der hohen zeitlichen Stabilität, ein Anspruch auf die Theorie der Persönlichkeit zugesprochen (McCrae & Costa, 2008).
Die Persönlichkeit eines Menschen kann aus unzähligen Sichtweisen betrachtet und in vielen Paradigmen unterschiedlich erforscht werden. Eine immer häufiger auftretende Fragestellung lautet, welche Persönlichkeitseigenschaften Voraussetzung für Zufriedenheit und Erfolg im Berufsleben sind. Dabei ist weniger die Frage entscheidend, welche Persönlichkeitseigenschaften allgemein hilfreich oder weniger hilfreich sind, sondern welche Persönlichkeit zu welchem Beruf passt. Diese Frage kann durch Messinstrumente beantwortet werden, welche die Persönlichkeit auf Grundlage der Big Five erfassen, denn diese sagen eine Vielzahl von beruflich relevanten Variablen vorher. Beispiele dafür sind die Stressbewältigungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit der Person (Hogan & Holland, 2003).
Ein Beispiel für solch ein Messinstrument ist eine persönlichkeitsbasierte Jobanalyse (personality-based job analysis, PBJA), welche häufig in Verbindung mit herkömmlichen Jobanalysen durchgeführt wird, um ein umfassendes Anforderungsprofil für einen Beruf zu erhalten (Goldberg, 1993; Raymark, Schmit, & Guion, 1997). Neben funktionalen Jobanalysen, welche den Zweck und die Ziele einer Arbeit untersuchen sowie tätigkeitsorientierten Jobanalysen, welche die Aufgaben und Pflichten einer Arbeit analysieren, betrachten arbeiterorientierte Jobanalysen (beispielsweise PBJA) die vorausgesetzten charakteristischen Persönlichkeitsmerkmale des Beschäftigten.
In einer Studie der George Washington University wurde untersucht, ob die Persönlichkeit Einfluss darauf hat, wie die Relevanz von Anforderungen an einen Beruf bewertet wird. Dabei wurden 243 Psychologiestudenten einer US-amerikanischen Universität mittels verschiedener Selbstauskunft-Fragebögen getestet. Die Persönlichkeit wurde mithilfe von 107 Items des Preliminary International Personality Item Pool (IPIP) ermittelt, welche 12 Facetten der Big Five reliabel messen. Im Personality Position Requirement Form (PPRF) wurde ermittelt, als wie wichtig verschiedene Eigenschaften für den Erfolg im Beruf bewertet werden. Die Ergebnisse zeigten, dass alle bewerteten Eigenschaften des PPRF mindestens mit einer Persönlichkeitsdimension der Big Five signifikant korrelieren. Studenten mit ähnlichen Persönlichkeitseigenschaften bewerteten ebenfalls die Relevanz der Eigenschaften der PPRF ähnlich. Die PBJA-Bewertungen zeigen also eine gewisse Vorhersagbarkeit der Kriteriumsvalidität von Skalenwerten für die Big Five (Cucina, Vasilopoulos, & Sehgal, 2005).
Bereits 1988 wurden PBJA in Form eines Worker Characteristics Inventory (WCI) eingesetzt, um die wichtigsten Persönlichkeitseigenschaften für eine berufliche Tätigkeit zu erfassen. Dabei sollten Vorgesetzte sowie Angestellte Listen mit den für sie am wichtigsten Charaktereigenschaften erstellen. Die Ergebnisse der Listen waren sowohl unter den Vorgesetzten, als auch unter den Angestellten ähnlich, wenngleich beide Gruppen unterschiedliche Charaktereigenschaften für wichtig erachteten (Arneson, 1998).
Zu den neueren Befunden über den Zusammenhang von Persönlichkeit und der Berufswahl gehört eine Studie der University of Cape Town in Südafrika, in der die Interaktion zwischen positiven und negativen affektiven Zuständen mit der intrinsischen und extrinsischen Berufszufriedenheit erklärt wird. Außerdem kommen die Beteiligten hier zu dem Schluss, dass Persönlichkeit, repräsentiert durch die Big Five nach Costa und McCrae, als moderate Prädiktoren für die Zufriedenheit im Beruf sind (Strümpfer, Danana, Gouws , & Viviers, 1998). Sümer et al. beschäftigen sich als eine der wenigen mit diesem persönlichkeitspsychologischen Paradigma aus der Sicht des Militärs. In ihrer Studie nutzten sie PBJA, um Persönlichkeitseigenschaften zu identifizieren, welche für türkische Armeeoffiziere benötigt werden.
In einem halb-strukturierten Interview wurden 79 Persönlichkeitsmerkmale gesammelt, welche dann in Bezug auf die Relevanz und Wichtigkeit für den Beruf bewertet werden sollten. Dabei zeigte sich, dass die Dienstgradgruppe ausschlaggebend für die Bewertung war (Sümer, Sümer, Demirutku, & Cifici, 2001), ebenso wie es schon 1998 in Arnesons Forschungen der Fall war, als die Bewertungen der relevanten Charaktereigenschaften für die berufliche Tätigkeit durch die hierarchische Stellung innerhalb des Unternehmens beeinflusst wurde. Man könnte sich also die Frage stellen, ob innerhalb der Armee tatsächlich, wie Anfangs von Trautwein et al. beschrieben, Gemeinsamkeiten in der Persönlichkeit herrschen und der Militärdienst bestimmte Persönlichkeitsdimensionen fördert oder unterdrückt oder ob gar die Persönlichkeit ausschlaggebend für die Entscheidung für sowie gegen den Militärdienst ist.
Die Persönlichkeit von Soldaten war an der Universität der Bundeswehr in München bereits Inhalt einer Studie. In einer Stichprobe von 235 Soldaten wurde das Konstrukt der Rescue Personality (Mitchell, 1983) untersucht. Dabei zeigte sich unter anderem, dass Soldaten geringere Werte in den Persönlichkeitsdimensionen Neurotizismus, Offenheit und Verträglichkeit aufwiesen. Höhere Werte als eine Normstichprobe erzielten sie in den Dimensionen Extraversion und Gewissenhaftigkeit sowie Risikobereitschaft und Wettbewerbsersuchen (Klee & Renner, 2016). Was die Gründe für niedrige Werte in Neurotizismus betrifft, führen die Autoren an, dass für Soldaten unter lebensbedrohlichen Umständen, ein Unterdrücken von natürlicher Angst notwendig sei, um schnelle und funktionale Entscheidungen treffen zu können. Die geringeren Werte in Offenheit resultieren vermutlich aus den strengen Regeln sowie klaren Strukturen im Militär. Der Grund für die geringe Verträglichkeit könnte daraus resultieren, dass die sanften und einfühlsamen Charakterzüge, die im Rahmen von Fragen zur Verträglichkeit beschrieben werden, nicht mit der Selbstwahrnehmung vieler Soldaten vereinbar wären.
Bereits bei der Beantwortung der Fragebögen versuchten die Soldaten den harten und abgeklärten Stereotyp, wie sie sich selbst sahen, aufrechtzuhalten, indem sie viel miteinander sprachen, kameradschaftlichen Umgang pflegten und über die Fragen lachten. Dieses Verhalten unterstreiche nach Ansicht von Klee und Renner (2016) die hohen Werte in Extraversion. Auch die hohen Werte in Gewissenhaftigkeit liegen aus ihrer Sicht nahe, denn in einem Beruf, in dem schon kleinste Fehler über Leben und Tod entscheiden können, ist ein gewissenhaftes Abarbeiten von Aufträgen und das genaue weitergeben von Informationen unabdingbar. Treffend formuliert wurde in dieser Studie bereits zu Beginn, dass die Persönlichkeit von Soldaten, in Zeiten von immer mehr Frauen in der Armee und der öffentlichen Auseinandersetzung mit psychischer Verletzlichkeit in Auslandseinsätzen, nicht mehr in Gänze dem Stereotyp des tapferen Kriegers entspräche, sondern zwischen soldatischem Stolz und zivilen Vorurteilen zu finden sei.
Die Fragestellung des ersten Teils dieser Arbeit lautet, ob Soldaten, wie hier studierende Offiziere, Besonderheiten in ihrer Persönlichkeit aufzeigen und im Vergleich zu einer zivilen Vergleichsgruppe signifikante Unterschiede in den Dimensionen der Big Five auftreten. Die Fragestellung basiert auf den Ergebnissen der einleitend genannten Studie der Universität Tübingen in Zusammenarbeit mit der Washington University in St. Louis, wonach der Militärdienst schon nach kurzer Zeit und ohne Auslandseinsätze Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung junger Männer hat und auf den bereits genannten Ergebnissen der Kollegen an der Universität der Bundeswehr in München. Die daraus resultierenden Hypothesen lauten wie folgt:
(1) Studierende, männliche Offiziere sind weniger neurotisch als zivile, männliche Studenten.
(2) Studierende, männliche Offiziere sind extrovertierter als zivile, männliche Studenten.
(3) Studierende, männliche Offiziere sind weniger verträglich als zivile, männliche Studenten.
(4) Studierende, männliche Offiziere sind weniger offen für neue Erfahrungen als zivile, männliche Studenten.
(5) Studierende, männliche Offiziere sind gewissenhafter als zivile, männliche Studenten.
Der aktuelle Forschungsstand liefert eine Fülle an Erkenntnissen und Befunden, wie sich Persönlichkeit in Bezug auf die beruflichen Anforderungen auswirkt. Nicht zuletzt, weil auch die Unternehmen selber einen Vorteil darin sehen, denn hier können auf der einen Seite teure Assessment-Center und Auswahlverfahren verkürzt werden oder gar ausbleiben und gleichzeitig treffen die Bewerber bereits von sich aus die Entscheidung für oder gegen einen Beruf, wenn sie wissen, wie sich ihr Charakter mit dem Unternehmensprofil in Einklang bringen lässt. Der Person-Job-Fit, was eben diese Identifikation der Person mit seinem Beruf meint, spielt nicht nur in der Persönlichkeitspsychologie eine bedeutende Rolle, sondern ist auch ein entscheidender Faktor beim Umgang mit Stress am Arbeitsplatz (Weiß, Krumscheid, & Frieg, 2014).
Im Allgemeinen ist Stress eine Alarmreaktion des Körpers auf einen Reiz, welcher Gefahr oder eine bevorstehende Bedrohung ankündigt (Selye, 1950). Diese Reaktion geht mit diversen Körperfunktionen einher und wird oft in Zusammenhang mit Cannons Fight-or-flight-response gebracht (Cannon, 1915). In der Psychologie wird Stress aus drei Zugängen betrachtet.
Im Situationsansatz (Stress als Input) geht man davon aus, dass Stress von externen Reizen wie kritischen Lebensereignissen oder Umweltbedingungen abhängt (Holmes & Rahe, 1967). In der Life-Stress-Forschung von Holmes und Rahe wurde bei Probanden untersucht, ob schwerwiegende Lebensereignisse stattgefunden haben und ob beziehungsweise wie stark diese eine Anpassung oder gar Umstellung erforderten. Alternativ stellte Lazarus die Hypothese auf, dass nicht die einschneidenden und eher selten auftretenden Ereignisse, sondern viel mehr die alltäglichen kleinen „daily hassles“ für aus Stress resultierende Krankheiten verantwortlich seien. Um die Stressoren zu klassifizieren, müsse zwischen selbstwertbezogenen Stress-Situationen und physischen Gefährdungssituationen unterschieden werden. Darüber hinaus war für eine generelle Klassifikation entscheidend, ob es sich um physikalische, physische oder soziale Stressoren handelte und ob der Stressor kontrollierbar, vorhersagbar und zeitlich nah war. Inhaltlich ließ die Differenzierung in Zivilisationsstressoren und familiäre Stressoren viele Möglichkeiten offen. Zum Beispiel zeigte der Stressreport Deutschland 2012 (Lohmann-Haislah, 2012), wobei 17.562 Beschäftigte verschiedener Branchen befragt wurden, dass ca. 34% unter starkem Termin- und Leistungsdruck standen.
Unter der Annahme, Stress sei ein allgemeines Adaptionssyndrom des Organismus auf Umweltanforderungen, versteht Hans Selye, Stress als Reaktion (Output). Dabei manifestiert sich Stress als spezifisches Syndrom, welches aus allen unspezifisch induzierten Veränderungen eines biologischen Systems bestehe (Selye, 1976). Hierbei bedeutet „spezifisches Syndrom“, dass genau festgelegte körperliche Veränderungen auftreten, welche sich in Alarmreaktion, Widerstandsphase und Erschöpfungsphase unterteilen lassen. Als „unspezifisch induzierte Veränderung“ beschreibt Selye, dass das Syndrom unabhängig von der Qualität des jeweiligen Stressors auftrete.
Der Transaktionale Ansatz sieht Stress als Transaktion oder auch als Resultat eines Prozesses, wenn Umgebungsanforderungen oder interne Anforderungen, die Ressourcen einer Person stark beanspruchen oder übersteigen. Dies führe zu einem Ungleichgewicht von Anforderung und Regulationskapazitäten (Lazarus & Folkman, 1984). Nach der Stress- und Bewältigungstheorie von Lazarus gelte eine Bewältigungsreaktion als kognitive und verhaltensbezogene Bemühung, Anforderungen zu regulieren, die die Ressourcen einer Person beanspruchen oder gar übersteigen. Das bewältigen bedeutet dabei das Bemühen und nicht das Gelingen der Bemühungen. Dabei unterscheidet man vier häufig gewählte Faktoren der Stressbewältigung: Aktives Bewältigen, Passiv-vermeidendes Bewältigen, Suche nach sozialer Unterstützung sowie positive Neubewertung. Die Faktoren können auch gemeinsam in einem Bewältigungsprozess auftreten (Folkman & Moskowitz, 2004).
Ausgehend von den drei genannten Ansätzen der Stressforschung stellt sich nun die Frage, welche Situationen oder Anlässe die vorhandenen Bewältigungskapazitäten einer Person in dem Maße übersteigen, dass die körpereigenen Bemühungen zur Regulation nicht mehr ausreichen. Außerdem kann man aus dem transaktionalen Ansatz folgern, dass ein und derselbe Stressor unterschiedlichen Personen in unterschiedlichem Maße belastet, denn die Auswirkungen von Stress seien nicht bei allen Menschen gleich (Lazarus & Folkman, 1984). Dieser Zusammenhang wird im sogenannten Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungsmodell deutlich. Jeder Mensch besitzt eine Anfälligkeit für belastende Einflüsse. Diese Vulnerabilität wird unter anderem durch genetische Faktoren, körperliche Dispositionen, das soziale Umfeld und Persönlichkeitseigenschaften bestimmt. Kommt zu dieser Vulnerabilität noch ein bestimmter Stressor hinzu, kann die Schwelle der persönlichen Regulationskapazitäten überschritten werden und es kommt zu Symptomen einer stressinduzierten psychischen Erkrankung. Entscheidend für einen konstruktiven Umgang mit Stress sei also nicht nur die Wahl der richtigen Bewältigungsstrategie, sondern auch die Faktoren, welche die Vulnerabilität eines Menschen beeinflussen (Schaub, Roth, & Goldmann, 2013).
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