Diplomarbeit, 2012
128 Seiten, Note: 1,0
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG
1.1 Der Modellorganismus Drosophila melanogaster (Taufliege)
1.2 Das konservierte Gen DmX kodiert für ein WD-Repeat-Protein
1.2.1 Aufbau und Lokalisation des Gens DmX
1.2.2 Erzeugung DmX -mutanter Drosophila -Stämme
1.2.3 Die WD-Wiederholungseinheiten: eine einheitliche Architektur für diverse Funktionen
1.2.4 Das WD-Repeat-Protein DMX
1.2.5 DMX könnte in der Zellmembran eingelagert sein
1.2.6 Ist DmX ein maternales Effektgen?
1.2.7 Ist DMX am vesikulären Transport beteiligt?
1.3 Die Sequenzierung der nächsten Generation erweitert die Analyse kompletter Genome und Transkriptome
1.3.1 Methoden der Sequenzierung der nächsten Generation (NGS)
1.3.2 Genexpressionsanalysen mittels RNA-Seq
1.3.3 Die Illumina (Solexa)-Technologie
1.4 Zielsetzung
2 MATERIAL UND METHODEN
2.1 Kreuzungen von Drosophila melanogaster
2.1.1 Fliegenhaltung
2.1.2 Fliegenkreuzungen
2.1.3 Umbalancierung des D mX -mutierten X-Chromosoms
2.1.4 Absammeln von Larven zur Gewinnung des Rohmaterials
2.2 Molekulargenetische Methoden
2.2.1 Primer-Design
2.2.2 Polymerase-Kettenreaktion (PCR)
2.2.3 Isolierung von Total-RNA
2.2.4 Konzentrations- und Qualitätsbestimmung der RNA
2.2.5 Gelelektrophoretische Auftrennung von Nukleinsäuren
2.2.6 Gewinnung der DNA aus Agarose-Gelen
2.2.7 Exonuklease I/Alkalische Phosphatase- (Exo/SAP-) Behandlung
2.2.8 DNA-Sequenzierung
2.2.9 Auswertung der Sequenzdaten
2.2.10 Herstellung einer cDNA-Bibliothek für die Sequenzierung der nächsten Generation und Erstellung der Cluster
2.2.11 Illumina-Sequenzierung
2.3 Bioinformatische Methoden
2.3.1 Auswertung der Rohdaten
2.3.2 Zusammenstellung der Referenz-Genoms
2.3.3 Entfernung repetitiver Elemente aus den Sequenzdaten
2.3.4 Kartierung/ Mapping der Transkriptomdaten an Referenz-Sequenzen
2.3.5 Identifizierung putativer Exons und SNPs
2.3.6 Generierung von Listen differenziell exprimierter Gene und Transkriptvarianten der Expressionsanalyse
2.3.7 SVERWEIS-Formeln
2.3.8 Darstellungen differenzieller Genexpression mittels statistischer Analysen
2.3.9 Funktionelle Annotation
2.3.10 BLAST
2.4 Lösungen und Puffer
3 ERGEBNISSE
3.1 Umbalancierung des DmX -mutierten X-Chromosoms
3.1.1 Geschlechter-Test
3.1.2 Referenzstamm
3.1.3 Kreuzungsergebnisse der Umbalancierung von DmX
3.1.4 Komplementationstest
3.2 Genotypische Untersuchung der Nachfolgegenerationen 3.3 RNA-Seq
3.3.1 Isolierung und Quantifizierung der Total-RNA
3.3.2 Überblick über die verwendete Auswertungsstrategie (Pipeline) der RNA-Seq
3.3.3 Zusammenstellung der Referenz-Genoms
3.3.4 Trimming und Analyse der RNA-Sequenzdaten
3.3.5 Kartierung der RNA-Sequenzdaten
3.4 Analyse des Gens DmX auf die erwartete Punktmutation
3.5 Identifizierung differenzieller Genexpression
3.5.1 Der RPKM-Wert
3.5.2 Hierarchisches Clustern der Datensätze durch Heat Maps
3.5.3 Der Fold Change-Wert
3.5.4 Der Rj-Wert ist ein Maß für signifikant differenziell exprimierte Gene
3.6 Transkriptomischer Vergleich von DmX -mutanten Stämmen zum Hintergrundstamm ywf
3.6.1 Analyse des D mX -Gens
3.6.2 Erstellung von Listen differenziell exprimierter Gene und Transkripte mittels des Rj- Werts
3.6.3 Ausschluss nicht-proteinkodierender Gene
3.6.4 Analyse der differenziell exprimierten Gene und Transkript-varianten
3.6.5 Funktionelle Annotation mit Hilfe von DAVID und GOEAST Gene Ontology
3.6.6 Erweiterte Analyse mit Hilfe der Gen Ontologie
3.6.7 Analyse der differenziell regulierten Gene in KEGG Pathway
3.6.8 Analyse der 50 am stärksten differenziell exprimierten Gene und Transkriptvarianten
3.6.9 Ergänzende Untersuchung mit Ausschluss repetitive Elemente
4 DISKUSSION
4.1 Umbalancierung und genotypische Untersuchung von DmX -mutanten Fliegen
4.2 RNA-Isolierung, -Aufarbeitung und Sequenzierung
4.3 Trimming und Kartierung der RNA-Sequenzdaten
4.4 Bewertung der Expressionsanalyse
4.5 Handelt es sich bei DmX um ein maternales Effektgen?
4.6 Expressionsanalyse des Gens DmX
4.7 Transkriptomischer Vergleich von DmX -mutanten Stämmen zum Hintergrundstamm ywf
4.7.1 Der Phosphatidylinositol-Metabolismus ist in DmX -Mutanten hoch-reguliert
4.7.2 Vermutlich ist DMX an endozytotischen Prozessen beteiligt
4.7.3 DMX könnte in der Regulation der terminalen Schritte der Exozytose beteiligt sein
4.7.4 Die Endo- und Exozytose bedingen sich gegenseitig
4.7.5 Apoptose
4.7.6 Notch und die V-ATPase
4.7.7 Einige Komponenten des Wnt-Signalwegs sind in DmX -mutanten Tieren hoch- reguliert
4.7.8 Die DmX -Mutation beeinflusst die Genexpression
4.7.9 Die Replikation wird von DmX beeinflusst
4.7.10 Nervensystem und Muskeln
4.7.11 Die DmX -Mutation wirkt sich auf die Zellatmung aus
4.7.12 Induktion von Stressantworten
4.8 Fazit: DmX -mutante Tiere scheinen zu verhungern
5 ZUSAMMENFASSUNG und AUSBLICK
ANHANG
5.1 Elektronischer Anhang
5.2 Verwendete Programme und Internetseiten
LITERATURVERZEICHNIS
DANKSAGUNG
Abbildung 1.1: Organisation des Gens DmX bei D. melanogaster
Abbildung 1.2: Lokalisierung der vier eingeführten Punktmutationen im Gen DmX
Abbildung 1.3: Darstellung eines WD-Repeat-Propellers und der Organisation der WD-Repeat-Motive und potentieller Transmembrandomänen in DMX
Abbildung 1.4: Lokalisierung von DmX -mRNA und DMX-Protein in Eikammern und Eizellen von D. melanogaster
Abbildung 1.5: Übersicht über den vesikulären Transport und den Zusammenhang mit dem Zyklus der Rab-Proteine
Abbildung 3.1: Kreuzungsschema des Geschlechter-Tests
Abbildung 3.2: Kreuzungsschema um männlichen Larven des Referenzstamms ywf zu erhalten
Abbildung 3.3: Vergleich der FM7c-GFP-getriebenen Fluoreszenz zu FM7a-YFP
Abbildung 3.4: Kreuzungsschema der Umbalancierung
Abbildung 3.5: Kreuzungsschema des Komplementationstests
Abbildung 3.6: Überprüfung der DmX -Mutation durch PCR
Abbildung 3.7: Darstellung der identifizierten Punktmutationen der Allele DmX 65 4 (A), DmX 110 2 (B), D m X 21 0 (C) und DmX 73 9 (D)
Abbildung 3.8: Quantifizierung der Total-RNA nach Isolierung aus Drosophila Larven
Abbildung 3.9: Übersicht über die angewandte Pipeline zur Auswertung der RNA-Sequenzdaten
Abbildung 3.10: Qualitätswerte pro Base
Abbildung 3.11: Graphische Darstellung der stringenten Kartierung der RNA-Sequenzdaten an das Referenz-Genom
Abbildung 3.12: Übersicht über die Kartierung der Sequenzen an das Gen DmX
Abbildung 3.13: Lage und Art der Punktmutationen vom DmX
Abbi ldu ng 3.14: Anhand der zehn Datensätze erstellte Heat Map
Abbildung 3.15: Darstellung der hierarchischen Cluster als Heat Maps
Abbildung 3.16: Berechnung des Rj-Werts anhand des Gens Thor
Abbildung 3.17: Graphische Darstellung der Kartierung nach dem Ausschluss repetitiver Elemente
Abbildung 3.18: Darstellung der 100 differenziell exprimierten Gene als Streudiagramm
Abbildung 4.1: Ausschnitt aus der Darstellung des KEGG Pathways Phosphatidylinositol signaling system
Abbildung 4.2: Übersicht über exo- und endozytotische Prozesse
Abbildung 4.3: Rab3A wird vom Calcium-Einstrom beinflusst
Abbildung 4.4: Der Phosphatidylinositol-Weg wirkt sich auf den vesikulären Transport aus
Abbildung 4.5: Die duale Rolle der Rab3 GEP
Abbildung 4.6: Darstellung des Notch-Signaltransduktionswegs
Abbildung 4.7: Darstellung des Wnt-Signalweges
Abbildung 4.8: Die DmX -Mutation führt zu einer Herabregulation der DNA-Replikation
Abbildung 4.9: Darstellung der beeinträchtigten oxidativen Phosphorylierung der DmX -mutanten Larven
Abbildung 4.10: Darstellung des TCA-Zyklus und der damit assoziierten Stoffwechselwege in DmX - Mutanten
Abbildung 4.11: Darstellung des Malat-Shuttle (A) und des Malat-Aspartat-Shuttle (B)
Tabelle 2.1: Genotypen der verwendeten Fliegenstämme zum Zweck der Umbalancierung
Tabelle 2.2: Verwendete Primer und entsprechende Länge der Amplifikate
Tabelle 2.3: Verwendete Reagenzien zur Durchführung einer Direkt-PCR im 50 Pl-Ansatz
Tabelle 2.4: Variationen der Temperatur und Zeitspanne der verwendeten PCRs
Tabelle 2.5: Einstellungen der verwendeten Touchdown-PCR
Tabelle 3.1: Übersicht der Bioanalyzer-Elektropherogramme
Tabelle 3.2: Statistische Auswertung des Referenz-Genoms von Drosophila melanogaster.
Tabelle 3.3: Vergleich der Rohdaten, die einem qualitativen Trimmung und einem End -Trimming unterzogen wurden
Tabelle 3.4: Vergleich der RNA-Sequenzdaten, die an das Referenz-Genom und die mtDNA von D. melanogaster kartiert wurden
Tabelle 3.5: Genetische Loci der vier untersuchten DmX -Mutationen
Tabelle 3.6: Rj-Werte der Gene DmX (Rbcn-3A) und Rbcn-3B in den vier untersuchten DmX -Mutanten 25 und 50 Stunden nach Eiablage
Tabelle 3.7: Anzahl der differenziell überexprimierten (UP) und unterexprimierten (DOWN) Gene und Transkriptvarianten 25 Stunden und 50 Stunden nach Eiablage
Tabelle 3.8: Vergleich von Datensätzen vor und nach dem Entfernen nicht-proteinkodierender Gene
Tabelle 3.9: Funktionelle Annotation der wichtigsten GO -Terms
Tabelle 3.10: Funktionelle Beteiligung von DMX anhand der The Gene Ontology-Analyse
Tabelle 3.11: KEGG -Term s der UP Gene 25 Stunden nach Eiablage
Tabelle 3.12: KEGG -Terms der DOWN Gene 25 Stunden nach Eiablage
Tabelle 3.13: KEGG- Terms der am stärksten überexprimierten Gene 50 Stunden nach Eiablage
Tabelle 3.14: KEGG- Terms der herabregulierten Gene 50 Stunden nach Eiablage
Tabelle 3.15: Auflistung der zehn am stärksten differenziell überexprimierte Gene und Transkripte in den DmX -mutanten Larven (UP)
Tabelle 3.16: Auflistung der zehn am stärksten differenziell unterexprimierte Gene und Transkripte in den DmX -mutanten Larven (DOWN)
Tabelle 3.17: Statistische Auswertung der Kartierung nachdem repetitive Sequenzen entfernt wurden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Durch die im Jahr 1866 von Gregor Mendel veröffentlichten „Versuche über Pflanzen- Hybriden“ wurde die Ausprägung von Eigenschaften aufgrund genetischen Hintergründe nachgewiesen, was in der Aufstellung der Mendel´schen Regeln resultierte (Mendel 1866). Die Verbindung zwischen dem Genotyp und der Funktion eines Gens gestaltet sich bei vielen Genen jedoch komplizierter als bei den von Mendel untersuchten Pflanzen, wie beispielsweise bei der in dieser Arbeit untersuchten homozygoten Letalmutation DmX. Um die Funktion dieses Gens zu untersuchen, wurde daher eine neuartige Sequenziermethode, die Sequenzierung der nächsten Generation (Next Generation Sequencing, NGS) verwendet.
Der heutige populäre Modellorganismus D. melanogaster wurde zum ersten Mal zur Erforschung der Vererbung von William Castle im Jahr 1906 verwendet, der dafür Inzuchtstämme verwendete (Ashburner und Bergman 2005). Zwei Jahre später ließen Thomas Hunt Morgan und seine Kollegen Obst in ihrem Laboratorium verrotten, um eine kleine, leicht zu haltende Tierform identifizieren zu können, die für ihr Studium an der Vererbung als Modellorganismus dienen könnte (Watson 2011). Ihre Wahl fiel auf D. melanogaster. Diese Fliege stellt aufgrund der kurzen Generationszeit, sowie der einfachen und günstigen Züchtungsbedingungen und dem Vorkommen von polytänen Chromosomen in den Speicheldrüsen ein ideales Versuchstier dar (Nüsslein-Volhard 1994). In den nächsten Jahren folgte eine Periode zahlreicher Forschungen, in Zuge welcher anhand von Drosophila wichtige Prinzipien der klassischen Genetik erkannt wurden, z. B. die Chromosomentheorie der Vererbung. Darüber war es möglich sowohl genetische Karten zu erstellen, als auch das Verhalten von Kopplungsgruppen zu analysieren und chromosomale Abberationen zu untersuchen. Einen weiteren Vorteil bietet D. melanogaster dadurch, dass viele äußere Charakteristika leicht zu erkennen sind. Diese lassen auf den genetischen Hintergrund schließen, wie u. a. die Augenfarbe und -form, die Größe und Musterung der Flügel, sowie die Segmentierung im embryonalen und larvalen Stadium.
Christiane Nüsslein-Volhard und Erich Wieschaus führten bereits Ende der siebziger Jahre Mutagenese-Versuche mit Hilfe von Ethylmethansulfonat (EMS) in D. melanogaster durch. Als alkylierendes Agenz modifiziert dieses Basen der DNA, wodurch Depurinierungen und Fehlpaarungen von Basenpaaren entstehen können (Watson 2011). Das Resultat sind Punktmutationen, die genotypisch und phänotypisch veränderte Tiere zur Folge haben können. Durch ein genomweites screening haben Nüsslein-Volhard und Wieschaus (1980) die veränderten Genloci gefunden und die mutierten Gene anhand ihrer phänotypischen Ausprägung benannt. Auch auf andere Weise kann das Genom von D. melanogaster in erheblicher Weise verändert werden, um einzelne Gene sowie Genregulationen zu untersuchen, wie z. B. durch die Transposon-vermittelte Mutagenese oder Enhancer-Trap- Experimente (Graw 2010). Im Zuge der Forschungen erkannte man, dass viele entwicklungsbiologisch essenziellen Drosophila Gene als homologe Gene auch in vielen anderen Organismen vorhanden sind und ähnliche Funktionen haben (Nüsslein-Volhard 1994). Diese Forschungen führten zu grundlegenden Erkentnissen für die Entwicklungsbiologie. Christiane Nüsslein-Volhard, Eric Wieschaus und Edward Lewis wurden daher 1995 für ihre bahnbrechenden Arbeiten mit dem Nobelpreis in Physiologie oder Medizin ausgezeichnet (URL siehe Anhang).
Das evolutionär hoch-konservierte X-chromosomale Gen DmX (D. melanogaster X-chromo- somales Gen) wurde erstmals aufgrund seiner Sequenzhomologie zu dem Gen CpY (Chironomus piger Y chromosomales Gen) identifiziert (Kraemer et al. 1998). DmX scheint aufgrund von Letalmutationen in Drosophila unverzichtbar zu sein und ist stark konserviert. Daher sind viele homologe Gene bekannt, welche sowohl in Prokaryoten und der Hefe, als auch in unterschiedlichen Pflanzen, Dipteren, Caenorhabditis elegans, Säugetieren und sogar dem Menschen identifiziert wurden (Kraemer et al. 1999). Die extreme Konserviertheit weist auf eine wichtige Funktion des DmX -Gens hin, die am Modell Drosophila untersucht werden soll.
Das DmX -Gen wurde ursprünglich in der Region 5D5/6-E1 (Kraemer et al. 1998) lokalisiert, was mittlerweile jedoch auf 5E1-5E3 korrigiert wurde. Das Gen DmX hat eine Größe von > 14 kb. Da die Lage und Ausdehnung des Promotors noch ungeklärt ist, erreicht die bisher annotierte Sequenz eine Länge von 14.074 bp (Abb. 1.1). Das Gen setzt sich aus 15 Exons und 14 Introns zusammen, wobei Exon 4 das größte (6.978 bp) und Exon 11 das kleinste (70 bp) darstellt. Das Gen besitzt ein sehr großes Intron (Intron 1 mit 2.416 bp), während die restlichen Introns zwischen 58 bp und 423 bp variieren. Diese Längenangaben richten sich nach Sequenzdaten der aktuellen GenBank-Version „Release 5.30“ des D. melanogaster Genoms und wurden mit dem Programm CLC Genomics Workbench ausgewertet.
Die bisher annotierte prozessierte mRNA von DmX ist 10.470 bp lang, während die CDS (kodierende Region, coding sequence) von DmX lediglich 10.281 bp umfasst. Der Unterschied ergibt sich durch die 189 bp lange 3´UTR (untranslatierte Region, untranslated region), welche Bestandteil der mRNA ist, jedoch nicht translatiert wird und daher nicht zur CDS zählt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.1: Organisation des Gens DmX bei D. melanogaster. Die kodierende Sequenz (CDS) ist durch gelbe und der 3´untranslatierte Bereich (UTR) durch rote Färbung hervorgehoben. Die Exons entsprechen den Rechtecken und Pfeilen. Die schwarzen Linien, die diese verbinden, entsprechen den Introns.
Die Existenz der 5´UTR von DmX ist bereits von C. Kraemer (1998) nachgewiesen worden, jedoch ist die exakte Lage umstritten, weshalb keine exakte Sequenz der 5´UTR annotiert ist. Mittlerweile konnten jedoch mehrere alternative Spleiß-Varianten in der hypothetischen 5´UTR gefunden werden (pers. Mitteilung Andreas Dirksen).
In Northern Blot-Analyse konnte nachgewiesen werden, dass DmX- Transkripte in Embryonen, Larven, Puppen und Adulten beiden Geschlechts zu finden sind (Kraemer et al. 1998) und für ein putatives DMX-Protein aus 3.426 Aminosäuren und einem Molekulargewicht von ungefähr 380 kDa kodieren. Da weder die Länge der RNA-Fragmente noch die Signalstärke in den verschiedlichen Geschlechtern und Entwicklungsstadien signifikant zu unterscheiden sind, wird weiterhin angenommen, dass DmX konstitutiv schwach exprimiert wird (Kraemer et al. 1998). Die Hochdurchsatz-Sequenzdaten von DmX in der FlyBase-Datenbank weisen ebenso auf eine konstitutive Expression hin (URL siehe Anhang).
Um die Funktion des DmX -Gens zu analysieren, wurde im Jahr 1998 von C. Kraemer eine EMS- Mutagenese mit 4000 D. melanogaster des Genotyps ywf durchgeführt. Nach einem genomweiten screening wurden vier Stämme isoliert, die eine letale Variante des DmX -Allels tragen (DmX 210, DmX 654, DmX 73 9 und DmX 1102 ). Das DmX -Gen wurde in allen vier Stämmen sequenziert, wodurch die jeweilige Punktmutation in jedem Stamm identifiziert werden konnte (Jüttner 2001), die zum Ausfall der DmX -Funktion führt. Abbildung 1.2 zeigt die Lage der Punktmutationen in den jeweiligen DmX -mutanten Stämmen. Bei den Punktmutationen handelt es sich um Transitionen, die Stopp-Kodons bilden und daher vermutlich zu nicht- funktionellen DMX-Proteinen führen. In Folge dessen sterben die Larven im homo- und hemizygoten Zustand (Jüttner 2001). Durch Forschung mit den mutierten Fliegenstämmen wird es ermöglicht, Rückschlüsse auf die Funktion von DmX zu ziehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.2: Lokalisierung der vier eingeführten Punktmutationen im Gen DmX. Dargestellt wird die CDS (gelb), die 3´UTR (rot), sowie die reife mRNA (grün) und der komplette Genbereich (blau) von DmX. Die Mutationen DmX 654, DmX 110 2 und D mX 21 0 liegen im vierten Exon, während sich die Mutation DmX 73 9 im fünften Exon befindet.
Das DMX-Protein wird der Familie der WD-Repeat-Proteine zugeordnet, da die DMX- Aminosäuresequenz sogenannte WD-Repeat-Motive aufweist (Kraemer et al. 1998). Hierfür ist das Tryptophan-Aspartat-Dipeptid (WD) am C-Terminus namensgebend (Neer et al. 1994). Die aus 44 bis 60 Aminosäuren bestehenden WD-Repeat-Motive weisen 11-24 Aminosäuren nach dem N-Terminus ein Glycin-Histidin-Dipeptid (GH) auf, sowie C-terminal ein Tryptophan- Aspartat-Dipeptid (Li und Roberts 2001, Neer et al. 1994). WD-Repeats konnten zuerst in der E-Untereinheit des retinalen Transducins, einem regulatorischen G-Protein nachgewiesen werden (Fong et al. 1986). Regulatorische G-Proteine sind in Prozessen der Signaltransduktion beteiligt, wodurch eine von vielen Funktionen der WD-Repeat-Proteine aufgeklärt wurde. Die Namensgebung erfolgte auf drei unterschiedlichen Wegen, weshalb das WD-Repeat-Motiv auch als E-Transducin-Repeat (Duronio et al. 1992), sowie WD-40-Repeat (van der Voorn 1992) und GH-WD-Repeat (Neer et al. 1994) bezeichnet wird.
Die meisten WD-Repeat-Proteine beinhalten sieben hintereinander angeordnete WD-Repeat- Motive, von denen jedes in seiner Sekundärstruktur vier Stränge eines antiparallelen E- Faltblatts ausbildet (Li und Roberts 2001). Diese Sekundärstrukturen lagern sich zusammen und bilden eine propellerförmige Tertiärstruktur aus (Abb. 1.3 A). Dabei bilden die letzten drei Stränge eines WD-Repeats die inneren Stränge des Propellerblatts. Der äußere Strang entspricht dem ersten E-Strang des nächsten WD-Repeats (Li und Roberts 2001). WD-Repeat- Proteine beinhalten meist vier bis 16 WD-Wiederholungseinheiten (Smith et al. 1999), wobei sich vier bis acht WD-Repeats zu einer Propeller-Struktur zusammenlagern können. Dabei wird v. a. den Propellern die Ausübung der Funktion des Proteins zugesprochen. Die Superfamilie der WD-Repeat-Proteine beinhaltet hauptsächlich regulatorische Proteine, welche in eine Vielzahl von zellulären Prozessen eingebunden sind (Neer et al. 1994). Die Propeller- Strukturen scheinen verantwortlich zu sein für Protein-Protein-Interaktionen, wie bisher u. a. an der β-Untereinheit des heterotrimeren G-Proteins gezeigt werden konnte (Fong et al. 1986). Dabei wird die Funktion der Propeller in der Hilfestellung der Protein-Protein-Erkennung zugesprochen (Wall et al. 1995), die der Koordination von Multiprotein-Komplexbildungen dienen könnte (Li und Roberts, 2001). Auch bei zahlreichen anderen WD-Repeat-Proteinen konnte diese Struktur nachgewiesen werden (Garcia-Higuera et al. 1996). Durch den Vergleich von bisher bekannten Funktionen von WD-Repeat-Proteinen wird es ermöglicht, Rückschlüsse auf eine mögliche Funktion von DMX zu schließen. WD-Repeat-Proteine können unterschiedliche Funktionen besitzen, wie z. B. als Bestandteil von Transkriptionsregulatoren in der Genregulation und Entwicklung, sowie der RNA-Prozessierung und dem vesikulären Transport. Ein Einfluss von WD-Proteinen auf die Kontrolle des Zellzyklus (Smith et al. 1999) und der Apoptose, sowie auf Krankheiten wird diskutiert, wobei die Funktion vieler WD- Repeat-Proteine noch unbekannt ist (Neer et al. 1994, Kraemer et al. 1998).
In der DMX-Aminosäuresequenz konnten 29 WD-Repeat-Einheiten mit variierender Homologie zur Kernsequenz typischer WD-Repeat-Motive identifiziert werden (Kraemer et al. 1998, Abb. 1.3 B) und sogar mehr bei einem niedrigeren Grad an Homologie zur Kernsequenz. Das ist die höchste Anzahl von WD-Repeat-Einheiten, die bisher für ein individuelles Protein publiziert wurde. Die sechs carboxyterminalen Repeats stimmen am besten mit der Kernsequenz des WD-Motivs überein und sind durch sehr kurze Platzhalter (Spacer) voneinander entfernt. Die Gen-Region, die diesen Bereich betrifft, ist hoch konserviert (Kraemer et al. 1998).
Wegen der ungewöhnlich hohen Anzahl an WD-Repeat-Einheiten, zusammen mit der ungewöhnlichen Größe des putativen DMX-Proteins, wird davon ausgegangen, dass DMX eine neue Kategorie der WD-Repeat-Proteine definiert (Kraemer et al. 1998). Seit der Entdeckung des Gens wird das exprimierte DMX-Protein mit einer Hilfs-Funktion bei Protein-Protein- Interaktionen in Verbindung gebracht wird. DMX könnte eine Rolle im Zusammenbringen von zwei oder mehreren unterschiedlichen Proteinen spielen (Kraemer et al. 1998).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.3: Darstellung eines WD-Repeat-Propellers und der Organisation der WD-Repeat- Motive und potentieller Transmembrandomänen in DMX. (A) Jedes der sieben Propellerblätter des G-β-Proteins besteht aus vier Strängen eines antiparallelen β-Faltblatts, wobei die Propellerblätter um eine Achse angeordnet sind. Das N- und das C-terminale Ende sind rot bzw. grün dargestellt (Li und Roberts 2001). (B) Die von Kraemer et al. (1998) identifizierten WD-Repeat-Sequenzen (oben) sind parallel zu den Sequenzen der Analyse mit Hilfe der Programme SMART und TopPred (nach Weil 2000) angeordnet. WD-Repeat-Motive werden anhand violetter Ovale (oben) bzw. grüner Pentagone (unten) dargestellt. Die blauen Rechtecke entsprechen unten den von TopPred berechneten Trans- membrandomänen. Mit Hilfe der roten Pfeile sind wahrscheinlich vorkommende konservierte Transmembrandomänen gekennzeichnet, die durch Vergleich von DmX -homologen Genen anderer Spezies gefunden wurden (Weil 2000).
In Abbildung 1.3 B sind neben den WD-Repeat-Motiven ebenfalls potentielle Transmembran- domänen zu erkennen, die mit Hilfe bioinformatischer Methoden von Weil (2000) identifiziert wurden. Durch den Vergleich der wahrscheinlichen Transmembrandomänen von DmX - homologen Genprodukten aus anderen Spezies konnten mit hoher Wahrscheinlichkeit zwei Transmembrandomänen in DmX identifiziert werden. Daher liegt das DMX-Protein aller Voraussicht nach als multi-pass -Transmembranprotein vor, da eine Transmembrandomäne durch die Membran reicht und durch den zweiten Transmembrananteil das Protein wieder auf dieselbe Membranseite geführt wird. Laut Jüttner (2001) ist es denkbar, dass hemizygote DmX - mutante Larven (DmX 210, DmX 654, DmX 739, DmX 1102) aufgrund fehlender Transmembran- domänen und des carboxyterminalen Propellers sterben. Da eine mögliche Funktion von DMX entsprechend seines Aufbaus als WD-Protein in der Protein-Protein-Interaktion vermutet wird, könnte ein fehlender Propeller dazu führen, dass Proteine nicht mehr vernetzt werden. Dadurch könnten beispielsweise große Protein-Komplexe (wie an den Vesikeln während der Endo- und Exozytose) nicht mehr zusammengesetzt werden.
Es gibt Hinweise darauf, dass es sich bei DmX um ein maternales Effektgen handelt. Maternale Effektgene sind u. a. für die anterior-posteriore und die dorso-ventrale Polarität im Ei und später im Embryo verantwortlich (Ray et al. 1991). Die Vermutung, dass DmX ein maternales Effektgen ist, wurde zuerst bei der Beobachtung eines Transports von DmX -Transkripten von den Nährzellen in die Oozyte geäußert (Weil 2000). Mittels in-situ- Hybridisierung an RNA von Ovarien konnte nachgewiesen werden, dass die Eizelle ab dem fünften Stadium der Oogenese über eine deutlich höhere Konzentration an DmX -mRNA verfügt als die Nährzellen, wobei der Gehalt der DmX -Transkripte in den Nährzellen kontinuierlich bis Stadium 9 abnimmt (Abb. 1.4 A, C). DmX -Transkripte wurden ebenfalls in den zu der Eizelle hinführenden Fusom- Kanälen aufgefunden, was für einen Transport von maternaler DmX -mRNA von den 15 Nährzellen in die Oozyte spricht (Weil 2000). In der Eizelle selbst liegen die DmX - Transkripte homogen verteilt vor. Diese werden jedoch vermutlich bereits während der Oogenese translatiert, denn in frisch abgelegten Eiern sind fast keine Transkripte nachgewiesen worden (Weil 2000). In Oozyten des Stadiums 7 wurde mittels „whole mount“- Antikörper-Färbungen eine Anhäufung von DMX-Proteinen detektiert (Abb. 1.4 B). Daher wird das Überleben der mutanten Embryonen bis zum ersten Larvenstadium nicht auf eine fortdauernde Translation maternaler Transkripte zurückzuführen sein, sondern auf die Persistenz des DMX Proteins, wie es bereits von Weil (2000) vermutet wurde. Ein Nachweis von DmX -mRNA wurde erst wieder im Stadium 5 der Embryonalentwicklung verstärkt in einem Bereich des posterioren Pols detektiert (Abb. 1.4 D), aus dem der posteriore Mitteldarm- Vorläufer hervorgeht. Dies könnte auf eine embryonale Transkription hindeuten (Weil 2000).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.4: Lokalisierung von DmX -mRNA und DMX-Protein in Eikammern und Eizellen von D. melanogaster. In Eikammern des Stadiums 7 (A, B) werden DmX -Transkripte im Cytoplasma der Oozyte und der fünfzehn Nährzellen detektiert (A), wobei DMX-Proteine in der Oozyte beobachtet werden, jedoch nicht in den Nährzellen (B). Im Laufe der Oogenese bis Stadium 9 (C) sammelt sich DmX- mRNA in der Oozyte an, während die Färbung der Nährzellen abnimmt. Im weiteren Verlauf der Oogenese nimmt die Färbung der Oozyte mit deren Expansion ab. Die Transkripte sind in der Eizelle gleichmäßig verteilt. DmX -mRNA konnte erst wieder im Stadium 5 der Embryogenese nachgewiesen werden (D). Die Einteilung der Oogenesestadien entspricht Cummings und King (1969), die Stadien der Embryonalentwicklung wurden gemäß Campos-Ortega und Hartenstein (1997) geordnet. Quellen: (A, C, D) Weil 2000, (B) Schroff 2001.
Die Theorie, dass es sich bei DmX um ein maternales Effektgen handelt, kann das Absterben der mutanten Larven vor dem Eintritt in das zweite Larvenstadium erklären (Weil 2000). Homo- oder hemizygot DmX -mutante Embryonen könnten noch über die bereits im Ovar in die Oozyte überführten maternalen DmX -Genprodukte verfügen, wodurch die Vitalität des Embryos und später der frühen Larve aufrechterhalten wird. Nach einer gewissen Zeit wird zum Überleben der Larve die zygotische Expression von DmX benötigt, da die maternalen Genprodukte entweder bereits abgebaut sind oder unzugänglich werden. Da in DmX -mutanten Larven die DmX -Allele ein vorzeitiges Stopp-Kodon aufweisen, exprimieren die Larven keine oder nicht- funktionstüchtige DMX-Proteine. Durch den langsamen Verlust der verfügbaren, funktionellen DmX -RNA oder DMX-Proteine der Mutter könnte der wildtypische Stoffwechsel der Larven nur teilweise und für eine begrenzte Zeit aufrechterhalten werden, da wenige wildtypische maternale Genprodukte den Stoffwechsel zum Teil retten können. Mutante Larven werden nach anfänglich normaler Embryonalentwicklung im Laufe des L1-Stadiums schlaff und inaktiv. Der Theorie entsprechend verschlimmert sich dieser Zustand durch das kontinuierliche Fehlen der benötigten Menge an wildtypischen Genprodukten bis die Larven schließlich die Bewegung und Nahrungsaufnahme völlig einstellen und sterben.
Aufgrund einiger Studien wird eine Funktion von DMX an synaptischen Vesikeln vermutet, insbesondere in Verbindung mit dem Rab3A-Protein (Weil 2000). Die Rab-Superfamilie (Ypt in der Hefe) unter den kleinen G-Proteinen besitzen eine wichtige Funktion beim intrazellulären Vesikeltransport (Takai et al. 1996), indem sie die speziellen sekretorischen und endo- zytotischen Wege regulieren (Darchen und Goud 2000). Der Name Rab leitet sich ab von „ R as rel a ted in b rain “, hervorgegangen aus Versuchen mit Säugetieren (Touchot et al. 1987). Säugetiere weisen vier Mitglieder der Rab3-Familie auf: Rab3A, Rab3B, Rab3C und Rab3D. Drosophila besitzt hingegen nur ein Rab3-Protein. Im Gegensatz zu dem ubiquitären Vorkommen vieler Rab-Proteine wird Rab3 spezifisch in Neuronen und endokrinen Zellen exprimiert und übt dort seine Funktion als Regulator der Sekretion von Hormonen und Neurotransmittern aus, weshalb es in den sekretorischen Vesikeln (SV) zu finden ist (Darchen und Goud 2000).
Rab-Proteine werden im Allgemeinen mit dem intrazellulären vesikulären Transport in Verbindung gebracht. Dieser kann in vier Teilschritte untergliedert werden, wobei Rab3A v. a an den Schritten von dem Andocken bis zur Fusion vermutet wird (Abb. 1.5 A, B). Rab-GTPasen kontrollieren diese endozytischen und exozytotischen Transportwege, indem sie die Interaktion von Molekülen an der Transportvesikelmembran mit Molekülen der Akzeptormembran regulieren. Unterschiedliche Rab-Proteine scheinen in den verschiedenen Stadien des Vesikelverkehrs spezifische Funktionen in Bezug auf Transport, Targeting und Fusion von Vesikeln innezuhaben (Takai et al. 1996). Weiterhin wird angenommen, dass Rab- GTPasen an einer Transportfunktionen entlang des Zytoskelettes beteiligt sind (Nielsen et al. 1999).
Anhand von Koimmunopräzipitationen konnte im Jahr 2001 von Nagano et al. ein zu DMX orthologes Protein aus dem Gehirn von Ratten isoliert werden, das heute den Namen Rabconnectin-3α (Rbcn-3A) trägt. Die Namensgebung erfolgte gemäß der mit Hilfe von Antikörpern isolierten Proteine Rab3 GTPase-aktivierendes Protein (Rab3-GAP) und Rab3 GDP/GTP Austausch- Protein (Rab3-GEP). Diese Proteine regulieren den Übergang des aktiven (GTP-beladenen) Proteins Rab3A in seine inaktive Konformation und zurück, wie in Abbildung 1.5 B dargestellt wird. Kopräzipitation ist häufig ein Zeichen dafür, dass die entsprechenden Proteine in vivo in einer relativ stabilen Wechselwirkung stehen. Daher wird aufgrund der Kopräzipitation von Rbcn-3A mit Rab3-GAP und Rab3-GEP ein funktionaler Zusammenhang zwischen Rbcn-3A und Rab-GAP sowie Rab-GEP angenommen, die als Interaktionspartner an der Exozytose beteiligt sein können. Durch weitere Studien wurde demonstriert, dass Rbcn-3A an synaptischen Vesikeln assoziiert ist (Kawabe et al. 2003, Burré und Volknandt 2007). Dementsprechend wurde für Rbcn-3A eine Stützfunktion auf synaptischen Vesikeln postuliert (Nagano et al. 2002). Im Jahr 2003 gelang es Kawabe et al. ein weiteres Protein zu isolieren, dass an Rabconnectin-3α bindet. Das mit Rabconnectin-3α kopräzipitierte Protein Rabconnectin-3β (Rbcn-3B) wird an synaptischen Vesikeln von Rattengehirnen lokalisiert und scheint im Gegensatz zu Rbcn-3A das Rab3-GEP direkt zu binden (Kawabe et al. 2003).
Da Rab-Proteine keine Transmembranregion besitzen, werden sie in GTP-gebundener Form durch einen hydrophoben Schwanz aus Geranylgeranyl-Gruppen an die Vesikelmembran gebunden (Abb. 1.5 B). Nach der Bildung eines neuen Vesikels löst sich der Rab-GDP- Dissoziations-Inhibitor (Rab-GDI) von den Geranylgeranyl-Gruppen des Rab3A ab, wodurch Rab3A in der Lage ist, an Vesikel zu binden. Anschließend belädt Rab-GEP das Rab-Protein, welches im GTP-gebundenen Zustand an die Vesikelmembran bindet (Takai et al. 2001). Durch seine Effektoren ist das GTP-gebundene Rab3A an dem Andocken und eventuell auch an der Fusion der Vesikel beteiligt. Nach der Fusion bewirkt das Rab-GAP die Hydrolyse von GTP (Pfeffer 2003). Rab3A liegt demnach GDP-gebunden vor, wodurch es von Rab-GDI erkannt wird. Dieses umhüllt die Geranygeranyl-Gruppen und bewirkt auf diese Weise die Dissoziation von Rab3A-GDP vom synaptischen Vesikel (Fischer von Mollard et al. 1994, Takai et al. 1996). Nach der Sekretion wird das Vesikel der Wiederverwertung unterzogen. DMX (Rabconnectin- 3A) könnte in diesem Rab-Zyklus ein Rab3A-Effektor sein.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.5: Übersicht über den vesikulären Transport und den Zusammenhang mit dem Zyklus der Rab-Proteine. (A) Nach der Knospung (Budding) des Vesikels von der Donormembran erfolgt die gezielte Wanderung (Targeting) zur Akzeptormembran, woran das Vesikel andockt (Docking) und anschließend mit ihr fusioniert (Fusion). (B) Das Rab3A-Protein scheint v. a. an der Anheftung bis hin zur Fusion des Vesikels beteiligt zu sein, wobei es in der GTP-gebundenen Form vorliegen muss. Der Wechsel der Rab-Proteine zwischen dem aktiven (GTP-gebundenen) und inaktiven (GDP-gebundenen) Zustand wird von mindestens drei Molekülen reguliert: GDP/GTP Austausch-Protein (GEP, GDP/GTP Exchange Proteins syn. GEF, Guanine-nucleotide Exchange Factor), GTPase-aktivierendes Protein (GAP) und dem Dissoziations-Inhibitor (GDI, GDP dissociation inhibitor). Im Cytosol hält GDI das Rab-Protein in seinem inaktiven Zustand. GEP setzt Rab daraufhin in seine aktive, Vesikelmembran-gebundene Form um. Diese interagiert mit nachfolgenden Effektor-Molekülen mittels des GTPase-aktivierenden Proteins, wodurch GTP hydolysiert und ein anorganisches Phosphat (Pi) freigesetzt wird. Daraufhin fällt Rab in seine inaktive Konformation zurück und dissoziiert durch die Bindung an GDI von der Vesikelmembran. Quellen: (A) Takai et al. 1996, (B) verändert nach Takai et al. 2001.
Anhand von Deletions- und Überexpressions-Experimenten konnte die Beteiligung von Rab3A an exozytotischen Prozessen ebenfalls nachgewiesen werden (Schlüter et al. 2006). Dabei führte die Deletion von Rab3A zu einer fehlgeleiteten Regulation der finalen Stadien in der Exozytose, während eine Überexpression von Rab3A zu einer fast vollständigen Inhibition der Calcium-getriggerten Exozytose führten (Schlüter et al. 2002). Weiterhin konnte in Rab3- defizienten Mäusen der Verlust von Rabphilin nachgewiesen werden, einem Rab3-bindenden Protein (Schlüter et al. 2004). Rab3 fungiert demnach als negativer Schlüsselregulator in den terminalen Schritten der Calcium-abhängigen Exozytose, indem er die Calcium-Sensitivität in einer Subpopulation von Vesikeln erhöht (Schlüter et al. 2006).
Neben exozytotischen Prozessen scheint DMX auch an die Endozytose beteiligt zu sein (Weil 2000), da ein homologes Protein zu DMX bereits 1997 als Koimmunopräzipitat von Amphiphysin II aus Rattus norvegicus isoliert wurde (Ramjaun et al. 1997). Weiterhin konnte das DMX-homologe Protein durch seine Bindungsaffinität zu Endophilin isoliert werden (pers. Mitteilung an Weil durch McPherson, Weil 2000). Des Weiteren wurden mehrere Proteine bereits in Zusammenhang mit DMX gebracht, die in der Endozytose eine Rolle spielen und bei Drosophila bekannt sind. Dazu zählen die Proteine α-Adaptin und AP50 (Dornan et al. 1997, Zhang und Broadie 1999) des Adapterprotein-Komplexes 2 (AP2), sowie Dynamin (syn. shibire in Drosophila, Chen et al. 1992, van der Bliek und Meyerowitz 1991), deren Expressionsmuster mit DmX weitestgehend übereinstimmen (Weil 2000). Unter der Annahme, dass mutierte Gene mit sich ähnelnden Funktionen ähnliche Phänotypen hervorrufen, wurden in der Vergangenheit weitere Verbindungen von DmX zu endozytotischen Vorgängen diskutiert. Dabei weisen Phänotypen von DmX -mutanten Drosophila Larven einige Gemeinsamkeiten zu Dynamin -Mutanten sowie zu α -Adaptin -Mutanten auf (Weil 2000). Bei der shibire -Mutation handelt es sich um eine temperatursensitive Mutante (Grigliatti et al. 1973), welche aufgrund von fehlenden Vesikeln bei einer Temperatur von 32°C in Paralyse verfällt. Dahingegen bewirkt die Mutation von α -Adaptin u. a. sporadische, langsame Muskelkontraktion, was der Schlaffheit der DmX -mutanten Larven ähnelt (Gonzalez-Gaitan und Jäckle 1997). Manche Adaptin- mutanten Phänotypen weisen fehlende synaptische Endplatten auf oder sind unfähig, synaptische Vesikel zu bilden. Des Weiteren weisen die Phänotypen von DmX -mutanten Drosophila Larven einige Gemeinsamkeiten zu Synaptotagmin -mutanten Phänotypen auf, wie Schlaffheit und Inaktivität, sowie das fast vollständiges Einstellen der Nahrungsaufnahme als auch das verlangsamte Wachstum und frühzeitiges Absterben der Larven (DiAntonio et al. 1993).
Neben einer ubiquitären Expression von DmX werden DmX -Transkripte in gewebsspezifischen Mustern exprimiert, wie in unterschiedlichen Darmgeweben und im zentralen Nervensystem (Weil 2000). Bei letzterem ist die DmX -Expression zellspezifisch im Stadium 11. Dabei könnte es sich um Neuroblasten handeln (Weil 2000), denn in diesem Stadium sind alle Neuroblasten entstanden (Urban und Technau 2003). Diese Vermutung konnte anhand von qRT-PCR-Daten bestätigt werden (Dirksen 2008). Weiterhin wurde im Embryonalstadium 17 eine erhöhte DmX -Expression u. a. im Zentralnervensystem und den Anlagen von Sinnesorganen im Kopfbereich nachgewiesen. Die starke Expression von DmX im Kopfbereich konnte außerdem von Dirksen (2008) anhand von qRT-PCR-Daten bestätigt werden. Somit wird die Vermutung gestützt, dass DMX in neuronale Prozesse wie beispielsweise die Freisetzung von Transmittern und Signalmolekülen oder die Regulation neuronaler Entstehungsprozesse involviert ist. Da die Transmitterfreisetzung und –aufnahme mit Hilfe von Vesikeln geschieht, wird vermutet, dass DMX sowohl an endo-, als auch exozytotischen Prozessen beteiligt ist. Weil (2000) wies gleichfalls eine starke Expression von DMX in den Mitteldarm-Vorläufer in den Embryonalstadien 10 bis 14 nach, sowie im Enddarm im Stadium 17, was darauf hindeuten könnte, dass DMX in die Endozytose im Darm (Eckert et al. 2002) involviert ist.
Obwohl die Sequenzierung der nächsten Generation erst seit einer relativ kurzen Zeit existiert, umfasst sie bereits eine Vielzahl an unterschiedlichen Sequenziermethoden, auf die kurz eingegangen werden soll. Im Hinblick auf die Sequenzierung kompletter Transkriptome sollen ebenfalls Methoden der RNA-Sequenzierungen erwähnt werden.
Über 20 Jahre lang bestimmte die Sanger-Sequenzierung, welche nach dem Prinzip des Kettenabbruchs funktioniert, die molekularbiologische DNA-Sequenzierung (Sanger et al. 1977). Diese bietet den Vorteil langer Leseweiten von ungefähr 1.000 Basenpaaren pro erzeugter Sequenz, sogenannten Reads, unter der Beschränkung einer geringen Parallelisierung. Im Jahr 2001 konnte mit Hilfe der Whole Genome Shotgun (WGS)- Sequenzierung mit dieser Methode das menschliche Genom sequenziert werden (Venter et al. 2001). Das Humangenomprojekt wurde im Jahr 2003 nach 13 Jahren Forschung abgeschlossen und erforderte einen Kostenaufwand von ungefähr 2,7 Mrd. US$. In den folgenden Jahren wurde daher das Ziel gesteckt, komplette individuelle menschliche Genome für 1.000 US$ sequenzieren zu können (Voelkerding et al. 2009). Die Entschlüsselung der Genome und Transkriptome verschiedener, auch höherer eukaryotischen Organismen, gelang daher in den letzten Jahren vermehrt zeit- und kostensparender dank neuwertiger Sequenziertechniken der nächsten Generation (Metzker 2010). Nach der Entwicklung einer Reihe von Sequenzierungsmethoden konnten sich v. a. die Zyklischen-Array-Sequenzierungen als vielversprechende Sequenziermethoden der nächsten Generation durchsetzten (Shendure und Ji 2008). Diese funktionieren zum Großteil nach dem folgenden Prinzip: Zur Erstellung einer Sequenzier-Bibliothek wird genomische DNA oder cDNA fragmentiert und nachfolgend in vitro mit Adaptern ligiert. Nach einer Amplifikation werden die PCR-Amplikons an einen Träger gebunden, wodurch die Sequenzierungsreaktionen simultan und wiederholt durchgeführt werden (Metzker 2010).
Im Allgemeinen weisen die Sequenzierungen der nächsten Generation den Vorteil auf, nur wenige Mikrogramm DNA oder cDNA zu benötigen. Die NGS-Verfahren bieten die Möglichkeit der Erzeugung gepaarter Sequenzen (paired-end), was sowohl Vorteile für nachfolgende de novo -Assemblierungen als auch für genauere Zuordnungen beim Kartieren der Sequenzen an ein Referenz-Genom mit sich bringt (Mardis 2008b), dem sogenannten Mapping (Mortazavi et al. 2008). Jedoch weisen die NGS-Verfahren eine höhere Fehlerrate als herkömmliche Sanger-Sequenzierungen auf und meistens (je nach der verwendeten Methode) kürzere Leseweiten. Für Bereiche mit sich oft wiederholenden Sequenzen (Repeats) stellen kurze Sequenzen einen Nachteil dar, da diese nicht eindeutig an das Referenz-Genom kartiert werden können und repetitive Bereiche nicht überspannen können (Voelkerding et al. 2009). Diese Nachteile können zum Teil durch eine hohe Anzahl an Sequenzen behoben werden, was jedoch hohe Anforderungen an die bioinformatische Auswertung der Daten mit sich bringt (Voelkerding et al. 2009). Für die NGS-Technologien gelten im Allgemeinen sowohl die schlechte Vergleichbarkeit der Qualitätswerte der Basen zwischen den verwendeten Sequenziertechnologien als auch die schlechten Qualitätswerte im 3´-Bereich der sequenzierten Sequenzen als limitierende Faktoren (Ansorge 2009).
Die Gesamtheit aller Transkripte wird als Transkriptom bezeichnet – als Analogie zum Genom (Knippers 2006). Das Transkriptom spiegelt, im Gegensatz zum Genom, den Entwicklungsstand, sowie die physiologische Verfassung und die Funktion der untersuchten Probe durch unterschiedliche Expression verschiedener Gene und deren verschiedenen Spleißformen wider (Wang et al. 2009). Bis zur Einführung der ersten kommerziell verwendbaren NGS-Technik wurde die Expression von RNA u. a. mittels ESTs (Expressed Sequence Tags), der seriellen Analyse der Genexpression (Serial Analysis of Gene Expression, SAGE), Microarrays oder der quantitativen Polymerase-Kettenreaktion (qPCR) bestimmt.
Die meisten dieser Methoden haben jedoch den Nachteil, dass bereits zuvor Sequenz- information über den zu untersuchenden Organismus vorliegen müssen und verwandte Gene mit Sequenzhomologien oft nicht unterschieden werden können (Murphy 2002).
Die Gen-Expressionsstudien erlebten durch die Möglichkeiten der Sequenzierungen der neuen Generation einen Methodenwechsel, welche es nun auch ermöglicht, Analysen des kompletten Transkriptoms per cDNA (RNA-Seq) oder der RNA selbst durchzuführen, sowie die Sequenzierung nicht-proteinkodierender RNA (Ansorge 2009), wie z. B. rRNA oder small RNA (Voelkerding et al. 2009). Diese bieten den Vorteil schon geringe Mengen von Transkripten identifizieren und quantifizieren zu können ohne bisherige Kenntnisse eines bestimmten Gens zu besitzen (Metzker 2010, Voelkerding et al. 2009). Dadurch wird es möglich, alternative Spleiß-Varianten, sowie Mutationen wie z. B. Einzelnukleotid-Polymorphismen (Single Nucleotide Polymorphisms, SNPs) zu entdecken (Wilhelm und Landry 2009, Wang et al. 2009). Daher können nicht nur fremde Genome, sondern auch komplette Transkriptome per NGS und anschließender de novo -Assemblierung entschlüsselt oder mittels eines Mappings kartiert werden (Wang et al. 2009, Mortazavi et al. 2008).
Durch die geringe Fehlerquote im Vergleich zu anderen Sequenzier-Plattformen (Hillier et al. 2008), der großen Menge an Sequenzinformationen einer Analyse und der geringen Kosten pro sequenziertem Basenpaar dominiert die Sequenzier-Methode von Illumina/Solexa den Markt (Metzker 2010). Sie wurde in dieser Arbeit genutzt, um mittels cDNA-Sequenzierung die Transkriptome unterschiedlicher D. melanogaster Larven in Hinblick auf die DmX -Mutation zu untersuchen.
Der Genome Analyzer (GA) der Firma Solexa steht seit dem Jahr 2006 kommerziell zur Verfügung und wurde ein Jahr später von Illumina übernommen (Ansorge 2009). Die Methode der Illumina-Sequenzierung basiert auf dem Prinzip des sequencing by synthesis (Shendure und Ji 2008), bei dem nach der Vermehrung der DNA- oder cDNA-Stränge über eine sogenannte isothermalen Brücken-Amplifikation (bridge amplification, Fedurco et al. 2006) alle vier Nukleotide simultan dem Träger aus Glas (Flow Cell) zugegeben werden und das eingebaute Nukleotid direkt detektiert wird (Mardis 2008a). Der im Jahr 2008 vertriebene Sequenzierer Illumina GAIIx war in der Lage, bis zu 200 Millionen Sequenzen mit einer Länge von 75-100 bp zu generieren, was eine deutliche Verbesserung zu seinem Vorgänger (Leseweiten von 32 bp) darstellt (Costa et al. 2010, Ansorge 2009). Der in dieser Arbeit verwendete Illumina HiSeqTM2000 ist in der Lage bis zu 600 Gb (Gigabasen) bei einem Lauf zu generieren, womit er mittlerweile der leistungsfähigste Sequenzierer von Illumina geworden ist. Im Januar 2012 stellte Illumina den HiSeqTM2500 vor, der durch eine Leseweite von 2x250 bp dazu in der Lage sein soll, für den Illumina-Standard sehr lange paired-end -Sequenzen zu erzeugen. Mit dem HiSeqTM2500 soll es weiterhin möglich sein, ein komplettes Genom in 24 Stunden zu sequenzieren, dem Genome in a Day (URL siehe Anhang). Damit steht Illumina in direkter Kokurrenz zu der Plattform von Ion Torrent Systems, welche mittlerweile die Erzeugung von bis zu 400 bp-Sequenzen ermöglicht und im Januar 2012 ebenfalls damit warb, bis Ende des Jahres mit Hilfe des Ion Proton ein komplettes menschliches Genom innerhalb eines Tages für unter 1.000 US$ zu sequenzieren (Check Hayden, Januar 2012).
Ziel dieser Arbeit ist der Vergleich der Transkriptom-Daten DmX -mutanter Individuen von D. melanogaster zu dem des verwendeten Hintergrundstamms ywf. Da die DmX -mutanten Larven im ersten Larvenstadium die Bewegungen und die Nahrungsaufnahme einstellen und sterben, könnte die Transkriptomanalyse Hinweise zur Aufklärung der Todesursache liefern. Dazu soll zunächst die DmX -Mutation über das X-chromosomale Balancer-Chromosom FM7a stabilisiert werden, damit DmX -mutante Larven als Ausgangmaterial für PCRs und für die RNA- Seq einwandfrei identifiziert werden können. Die isolierte Total-RNA soll auf dem Illumina HiSeqTM2000 durch das „Next Generation Sequencing-Zentrum“ des Instituts für Molekulargenetik, gentechnologische Sicherheitsforschung und Beratung der Universität Mainz sequenziert werden. Die Rohdaten der Sequenzierung sollen mit Hilfe des Programms CLC Genomics Workbench zunächst verarbeitet werden, um die Sequenz-Qualität zu verbessern. Die erhaltenen Daten sollen v. a. im Hinblick auf differenzielle Genexpression analysiert werden. Durch den Vergleich der Genexpression sollen differenziell exprimierte Gene und Transkriptvarianten identifiziert werden, die im Hinblick auf funktionelle Annotationen bewertet werden sollen. Insbesondere sollen Signalwege aufgedeckt werden, die an der Endozytose und Exozytose beteiligt sind, da eine Beteiligung des DMX-Proteins an diesen vesikulären Transportmechanismen bereits vermutet wird. Ein weiterer Augenmerk fällt auf Signalwege oder Stoffwechselwege, die in differenziell regulierter Weise die Letalität der DmX - mutanten D. melanogaster -Larven bedingen. Aufgrund der erhaltenen Ergebnisse soll eine mögliche Funktion von DmX beschrieben und spezifischen Stoffwechselwegen oder zellulären Prozessen zugeordnet werden.
Die Haltung von Fliegenstämmen, die im Rahmen dieser Arbeit verwendet wurden, erfolgt unter Standardbedingungen (Ashburner, 2005) bei 25°C in Kunststoffgefäßen, die mit luftdurchlässigen Schaumstoffstopfen verschlossen sind. Der darin enthaltene Nährboden besteht zum größten Teil aus Soja, Mais, Malzextrakt und Hefe. Der Brei wurde durch Zugabe von Agar eingedickt und konserviert durch Nipagin und Propionsäure. Die Generationszeit von Fliegen bei 25 °C beträgt i. d. R. 10-11 Tage, kann aber in Abhängigkeit vom Genotyp variieren.
Zur Durchführung genetischer Kreuzungen ist es notwendig, jungfräuliche Fliegen zu sammeln. Diese erhält man durch Kontrolle der Fliegenröhrchen. Frisch geschlüpfte weibliche Fliegen sind bei Haltung auf 25°C bis zu 3-4 Stunden nach dem Schlüpfen als jungfräulich zu bezeichnen, da sie bis zu diesem Zeitpunkt steril sind. Weiterhin weisen jungfräuliche Tiere noch nicht entfaltete Flügel auf, sowie einen dunklen Fleck auf der ventralen Seite des Abdomens, was dem Rest des larvalen Darms entspricht (Meconium). Die Unterscheidung männlicher und weiblicher Fliegen geschieht anhand zweier Merkmale. Männliche Tiere besitzen im Gegensatz zu den weiblichen Tieren sowohl stark chitinisierte und pigmentierte äußere abdominale Genitalien, als auch Geschlechtskämme auf dem Basitarsus des ersten Beinpaares. Die adulten Fliegen wurden unter CO2-Betäubung unter dem Binokular (MS5 von Leica, Wetzlar) abgesammelt, wobei Jungfrauen in einem mittleren Röhrchen bis zur Kreuzung auf 18°C zwischengelagert wurden. Falls die Kreuzung am nächsten Tag erfolgte, wurden die Jungfrauen in der Zwischenzeit auf 25°C oder 29°C gelagert. Wurden genügend jungfräuliche Fliegen gesammelt, wurden diese gezielt mit Fliegen eines anderes Stammes verkreuzt.
Die nach der EMS-Mutagenese identifizierten DmX -Allele wurden im Jahr 1999 mit Hilfe des modifizierten Balancers FM7c (First Multiple 7c) im Genom von D. melanogaster gegen Rekombination geschützt. Genutzt wurde dazu der Bloomington-Stock 5193, dessen Genotyp in Tabelle 2.1 A dargestellt ist. Balancer-Chromosomen stellen ein wichtiges Werkzeug der Genetiker dar, da sie eine längere einfache oder mehrere komplexe Inversionen besitzen, die den größten Teil des Chromosoms abdecken (Graw 2010). Um die Rekombination mit ihren homologen Chromosomen zu ermöglichen, werden in der Meiose Inversionsschlaufen gebildet, wobei crossing-over nach der Auflösung der Paarung zum Absterben der Gameten führen. Durch Balancer-Chromosomen entstehen demnach ausschließlich lebensfähige Nachkommen, die keine Rekombination der Inversions-heterozygoten Chromosomen erfahren haben.
Das FM7c-Chromosom besitzt ein Green Fluorescent Protein (GFP) als Transgen, wodurch sich im Larvenstadium eine spezifische Fluoreszenz im Krüppel -Muster ergibt. Als genetischer Hintergrund, mit dem die EMS-Mutagenese durchgeführt worden war, diente der Stamm mit den X-chromosomalen Markergenen yellow, white und forked (ywf). Der Genotyp der balancierten DmX -Stämme ist in Tabelle 2.1 B einzusehen, wobei die Bezeichnung „ ywDmX´f“ als Abkürzung verwendet wird und alle Fliegen der Stämme DmX 21 0, DmX 654, DmX 73 9 und DmX 110 2 beschreibt (vgl. Jüttner 2001). Da die über FM7c-balancierten DmX -mutanten Fliegenstämme nach zwölfjähriger Benutzung verunreinigt erscheinen, wurde die DmX - Mutation durch Umkreuzen auf den modifizierten X-chromosomalen Balancer FM7a übertragen (Tabelle 2.1 D), wozu männliche Fliegen des Bloomington-Stamms 23229 verwendet wurden (Tabelle 2.1 C). Diese tragen ein Yellow Fluorescent Protein als Transgen, wodurch eine spezifische Fluoreszenz im Muster von deformed und G lass M ultimer R eporter (GMR) im Larvenstadium auf den Genotyps der Tiere schließen lässt.
Tabelle 2.1: Genotypen der verwendeten Fliegenstämme zum Zweck der Umbalancierung.
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In den auf diese Weise erzeugten Stämmen können Männchen, die das mutante DmX -Allel hemizygot tragen, an der fehlenden Fluoreszenz des YFP erkannt werden. Alle anderen Fliegen in diesem Stamm tragen das Balancer-Chromosom und exprimieren daher YFP. Zur Unterscheidung der verschiedenen adulten Fliegen wurde v. a. die morphologische Veränderung der Augenform aufgrund der auf den Balancer-Chromosomen enthaltenen Bar - Mutation genutzt. Balancierte DmX -Mutanten weisen durch das heterozygote Bar -Allel eine herzförmige Augenform auf und sowohl im homo- als auch im hemizygoten Zustand schlitzförmige Augen (vgl. Kapitel 3.1.3). Um zu prüfen, ob die Umbalancierung erfolgreich war, wurden u. a. Testkreuzungen durchgeführt (vgl. Kapitel 3.1.1 und 3.1.4).
Die DmX und ywf -mutanten Fliegen stammen aus der Laborzucht des Instituts für Molekulargenetik, gentechnologische Sicherheitsforschung und Beratung der JGU Mainz. Sie werden unter Standardbedingungen bei 25°C gehalten und wurden für diese Arbeit von Christiane Krämer zur Verfügung gestellt. Die Fliegen des Balancer-Stocks 23229 stammen ursprünglich aus dem Bloomington Stock Center (Indiana, USA) und wurden freundlicherweise von Olaf Vef, Institut für Genetik der Universität Mainz, zur Verfügung gestellt.
Um Larven eines bestimmten Entwicklungsstadiums zu gewinnen, wurden alle adulten Fliegen auf korrekte Augenformen und -farben hin untersucht, anschließend 90 Minuten auf Ablageschalen gehalten und danach von den Eiern getrennt. Nach der Entwicklung zur L1- Larve bei 25 °C wurden die mutanten Larven unter einem Fluoreszenz-Stereomikroskop (MZ FLIII, Leica Mikroskopie Systeme AG, Heerbrugg, Schweiz) abgesammelt und für Direkt-PCRs verwendet um den genetischen Hintergrund der Tiere zu überprüfen. Zur Gewinnung von nicht-fluoreszierenden Larven, die für die cDNA-Sequenzierung verwendet werden sollen, wurden die Larven auf Trockeneis nach bestimmten Zeitpunkten abgesammelt, die in Vorversuchen bestimmt wurden. Der erste Zeitpunkt wurde auf 25 Stunden festgelegt, des zweite auf 50 Stunden. Anschließend wurden die gefrorenen Larven in Eppendorfgefäßen herunterzentrifugiert und bei -80°C im „C600 premium ultra low temperature freezer“ (New Brunswick Scientific, Nürtingen) bis zur weiteren Verwendung aufbewahrt.
Da zur Überprüfung der Mutation DmX 73 9 durch PCR keine gut funktionierenden Primer vorlagen, wurde die entsprechende Sequenz mit der annotierten Sequenz des Drosophila -Gens DmX abgeglichen und ein neuer reverse -Primer entworfen. Um die Qualität und das Annealing - Verhalten der Primer zu überprüfen, wurden die Programme OligoAnalyzer von IDT SciTools und Oligonucleotide Properties Calculator der Northwestern University Medical School verwendet (URL siehe Anhang). Mit Hilfe dieser Programme konnten die potentiellen Primer auf die Annealing -Temperaturen, die Bildung von Homo- und Heterodimeren und auf Sekundärstrukturen überprüft werden. Um auszuschließen, dass die Primer an mehreren Stellen im Drosophila -Genom mit der DNA hybridisieren, wurden diese anschließend per BLAST-Suche (Altschul et al. 1990, Kapitel 2.3.10) auf ihre Spezifität geprüft. Die in dieser Arbeit verwendeten Primer werden in Tabelle 2.2 aufgezeigt. Die Primer wurden von Invitrogen (Karlsruhe) synthetisiert und in einer Verdünnung von 100 PM/Pl bei -20°C gelagert.
Tabelle 2.2: Verwendete Primer und entsprechende Länge der Amplifikate.
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1983 entwickelte K. B. Mullis eine Methode, um spezifische DNA-Sequenzen mit Hilfe von zwei einzelstängigen Oligonukleotid-Molekülen (Primer) und einer DNA-Polymerase anzureichern (Mullis et al. 1986). Mullis nutzte dazu eine Methode aus sich wiederholenden Zyklen mit verschiedenen Temperaturen zur Denaturierung, Hybridisierung und Verlängerung der DNA, welche bis heute in den Grundzügen erhalten geblieben ist.
Für die Direkt-PCR wurde als Matrize jeweils eine unter dem Fluoreszenzmikroskop abgesammelte Drosophila -Larve verwendet. Hierbei wurden für einen 50 μl Ansatz folgende Reagenzien verwendet:
Tabelle 2.3: Verwendete Reagenzien zur Durchführung einer Direkt-PCR im 50 P l-An satz.
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Die Reaktionen wurden in zwei Thermo-Cyclern (TProfessional Thermocycler, Biometra, Göttingen bzw. Primus 96 advanced, PeqLab, Erlangen) bei verschiedenen Reaktionsbedingungen durchgeführt. Die Reaktionsbedingungen richteten sich nach dem verwendeten Primerpaar und nach dem Ergebnis der vorherigen Amplifikationsversuche. Die verwendeten unterschiedlichen Temperaturen und Zeiten werden in Tabelle 2.4 dargestellt:
Tabelle 2.4: Variationen der Temperatur und Zeitspanne der verwendeten PCRs.
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Nach erfolgter Amplifikation wurde i. d. R. ein Zehntel des Reaktionsvolumens elektro- phoretisch aufgetrennt und das Amplifikat anschließend einer Behandlung mit Exonuklease I und Alkalischer Phosphatase (Exo/SAP) unterzogen wurde (siehe Kapitel 2.2.7). In manchen Fällen wurde das PCR-Produkt mit Hilfe des Aufreinigungs-Protokolls des Kits „NucleoSpin Extract II®“ (Macherey-Nagel, Düren) aufgereinigt oder nach dem Ausschneiden aus dem Gel mit demselben Kit eluiert (siehe Kapitel 2.2.6). Die Durchführung erfolgte dabei nach den Anweisungen des Herstellers.
Um die optimale Annealing -Temperatur der verwendeten Primer auszutesten, wurde ein Temperaturgradient innerhalb des verwendeten Cyclers einprogrammiert. Dabei bestand die einzige Abweichung der in Tabelle 2.4 verwendeten Einstellungen in der Annealing - Temperatur, die je nach der Position im Cycler von 47,9°C bis 60°C betrug. Die Reaktionsgefäße wurden entsprechend der gewünschten Temperatur im Cycler platziert. Nachfolgend wurden die Amplifikate über ein Agarosegel aufgetrennt um Rückschlüsse auf die optimale Annealing - Temperatur zu erhalten.
In einem Fall wurden durch Mispriming, also dem Ansetzen der Primer an unspezifische Abschnitte der Matrizen-DNA und darauffolgende Amplifikation, mehrere Amplifikate erzeugt. Durch Anhebung der Annealing -Temperatur kann dieses Problem behoben werden, da die unspezifischen Interaktionen weniger stabil sind als korrekt hybridisierte Primer. Durch die von Don et al. (1991) entwickelte Methode der Touchdown-PCR werden unspezifische Amplifikationen zum größten Teil umgangen, indem die PCR bei einer hohen und daher spezifischen Temperatur beginnt und in Schritten von jeweils 1°C erniedrigt wird (Tabelle 2.5). Dadurch reichern sich spezifische Fragmente bei hoher Temperatur an, die anschließend als Matrize dienen und dann bei einer niedrigeren konstanten Temperatur amplifiziert werden. Daher konnten im Falle eines auftretenden Misprimings mit Hilfe einer Touchdown-PCR Amplifikate der korrekten Größe (siehe Tabelle 2.2) erzeugt werden.
Tabelle 2.5: Einstellungen der verwendeten Touchdown-PCR. Pro Zyklus wurde die Temperatur um je 1 °C verringert, startend bei 61 °C, endend bei 48 °C.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die RNA-Präparation aus den Gesamt-Larven wurde jeweils mit vereinigten (gepoolten) Larven des gleichen Stamms durchgeführt. Die RNA-Isolierung erfolgte nach dem Protokoll „Purification of total RNA from Animal Tissues“ mit dem „RNeasy Mini Kit“ (Qiagen, Hilden, Deutschland) nach Angaben des Herstellers. Dabei wurden jeweils 7-30 Larven (<20 mg) mit Hilfe eines Pistils in jeweils 30 Pl Lysepuffer homogenisiert. Die in 30 μl RNase-freiem Wasser eluierte RNA wurde im Anschluss auf dem Agilent 2100 Bioanalyzer (Agilent, Santa Clara, USA) gemessen. Da die Lysate im Zuge der Erstellung der cDNA-Bibliotheken für die Sequenzierung einer Poly-A+-Aufreinigung unterzogen wurden, konnte auf einen DNase-Verdau verzichtet werden, durch den ein Teil der RNA-Ausbeute verloren gehen würde. Die Lagerung der isolierten RNA fand bei -80°C im „C600 premium ultra low temperature freezer“ (New Brunswick Scientific, Nürtingen) statt.
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