Bachelorarbeit, 2016
54 Seiten, Note: 2,7
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1. Der unsichere Weg zur Nachhaltigkeit
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
2. Material und Methodik
2.1 Material
2.2 Methodik
2.3 Gliederung der Arbeit
Teil I – Theoretische Grundlagen
3. Nachhaltigkeit
3.1 Historische Entwicklung des Nachhaltigkeitsbegriffs
3.2 Definitionen der Nachhaltigkeit
3.2.1 Nachhaltigkeit
3.2.2 Nachhaltige Entwicklung
3.3 Kritik am Leitbild Nachhaltigkeit
4. Unsicherheitsbewusstsein und Akzeptanz
4.1 Definitionen der Unsicherheit
4.2 Intrinsische Unsicherheitsgenerierung
4.3 Akzeptanz von Folgen
4.4 Der Zusammenhang von Folgen
4.5 Legitimierung von Entscheidungen mit Wissenschaft
4.5.1 Unsicherheit durch Wissenschaft
4.5.2 Entscheidungsfähigkeit der Politik
5. Instrumente zur Reduktion prognostischer Unsicherheit
5.1 Kontrolle der Natur
5.2 Die Instrumente zur Politikberatung
5.2.1 Strategische Umweltprüfung
5.2.2 Technikfolgenabschätzung
5.2.3 Foresight (cTA)
5.3 Resümee der Instrumente
Teil II – Empirie
6. Die Anwendbarkeit der Nachhaltigkeit
6.1 Die nachhaltige Bedeutung im Forstwesen
6.2 Forstliche Betriebswirtschaft mit Bezug auf nachhaltiger Planung
6.3 Resümee über die moderne Implementierung der Nachhaltigkeit
Teil III – Diskussion
7. Anregungen zur nachhaltigen Gestaltung der Zukunft
7.1 Die Besonderheit des Nichtwissens
7.2 Resilienz und besonnene Entscheidungen
7.3 Anstöße zur Anregung der Öffentlichkeit
8. Die Gestaltung einer sicheren Zukunft – ein Ausblick
9. Fazit
Literatur
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Inhalte der vorliegenden Arbeit beziehen sich in gleichem Maße sowohl auf Frauen als auf Männer. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird jedoch die männliche Form (Naturwissenschaftler, Philosoph etc.) für alle Personenbezeichnungen gewählt. Die weibliche Form wird dabei stets mitgedacht.
„Alles was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand“ (Charles Darwin). Die Zukunft ist unsicher und der Begriff der Nachhaltigkeit ist ungenau definiert. Trotzdem müssen Entscheidungen getroffen werden, um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Die Arbeit befasst sich mit der Verbindung von Nachhaltigkeit und Zukunft. Zunächst werden im Folgenden einige Beispiele zur Nachhaltigkeit dargestellt:
- Die Stadtentwässerung Hannover (SEH) deckt 60 Prozent ihres Strombedarfes durch die Verbrennung von Methan. Dieses wird von methanogenen1 Bakterien aus Fäkalien produziert. Die Fäkalien werden als Dünger weiterverwertet. Mit einem zukünftigen Ausbau sollen 90 Prozent des Strombedarfes gedeckt werden. Außerdem betreibt sie ein Sachgebiet, das sich auf die Renaturierung2 von Gewässern spezialisiert hat.3
- In der Zeitschrift mobil 4 stellte die Deutsche Bahn ihr Ziel vor, bis 2020 Umweltvorreiter zu werden. Hierfür sind die Reduktion von Lärm-, Schadstoff- und CO2-Emissionen sowie eine Erhöhung der Energie- und Ressourceneffizienz vorgesehen. Des Weiteren soll der Artenschutz vorangetrieben werden. Außerdem stellten fünf deutsche Persönlichkeiten ihre ökologischen und sozialen Projekte vor. Diese sollen bspw. die Trinkwasserqualität in Südamerika verbessern. (Vgl. mobil: 11/2015; vgl. Haack 2015)
- Die Ziele der 21. Klimakonferenz (COP 21) 2015 in Paris umfassen eine erfolgreichere Umsetzung des Klimaschutzes und die Realisierung eines Solidaritätspakets für Länder, die bereits vom Klimawandel betroffen sind. Dafür soll die fossile Energieerzeugung bis 2050 durch erneuerbare Energieerzeugung ersetzt werden. Bis 2080 sollen die Emission von Treibhausgasen vollständig vermieden und die Erderwärmung auf 1,5° Celsius begrenzt werden. (Vgl. Bals 2016: S. 4 f.)
Die Gemeinsamkeit der genannten Beispiele ist eine unterschiedliche Auffassung und Umsetzung der Nachhaltigkeit. Des Weiteren sind Zeiträume, die für eine Implementierung benötigt werden unterschiedlich und ob die Zukunft als sicher eingestuft wird. Der heutige Umgang mit der Nachhaltigkeit erinnert an Aesops Fabel Der Hirtenjunge und der Wolf. In ihr bittet ein Hirtenjunge die Dorfbewohner um Hilfe vor einem Wolf, der nicht existiert. Als die Dorfbewohner das beim wiederholten Male herausfinden, verweigern sie ihre Hilfe und der Hirtenjunge wird beim tatsächlichen Erscheinen eines Wolfes gefressen. (Vgl. Aesopus 1754: S. 251 f.) Die häufig hülsenhafte Diskussion über Nachhaltigkeit führt zur Nichtbeachtung und somit zu unterlassener Hilfe oder Umsetzung, wie in Aesops Fabel. Aktuell wird die Nachhaltigkeit zunehmend in die Ziele der Politik und Wirtschaft integriert. Gegenläufig dazu wird das Gefühl für Nachhaltigkeit und ihre Umsetzung von der Öffentlichkeit skeptischer wahrgenommen. Diese Skepsis ist nicht unbegründet. Unternehmen der Automobilindustrie manipulierten Abgaswerte, damit ihre Produkte und Produktion als nachhaltig gelten. (Greive 2015: welt.de) Auch in der Finanzwirtschaft ist Nachhaltigkeit seit 2004 ein Thema: „Schon während der letzten Jahre konnte man eine dynamische Entwicklung auf dem Markt des nachhaltigen Investments beobachten“ (Zimmermann 2004: S. 7). Trotz solcher „nachhaltigen Investments“ kollabierten 2008 die Finanzmärkte.
Aus der Problemstellung kristallisiert sich das Ziel der Arbeit, eine Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und Zukunft explorativ zu analysieren. Hierfür werden theoretische Grundlagen von Nachhaltigkeit und Unsicherheit sowie deren Verbindung, im Sinne der Entscheidungen, aufgezeigt. Das Augenmerk liegt dabei auf der Frage: Warum eine Implementierung der Nachhaltigkeit in neuen Systemen kompliziert ist? Die Empfehlung der abschließenden Diskussion der Arbeit wendet sich bspw. an Personen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen und den Stand sowie Probleme erkennen möchten, sei es in Forschung, Politik oder Öffentlichkeit. Der offene Ausblick soll zum Denken oder Forschen anregen.
Für die Arbeit ist die Verwendung unterschiedlicher Materialen und Methoden notwendig. Im Folgenden soll aufgeführt werden, wie wissenschaftlich vorgegangen wurde.
Vorwegzunehmen ist, dass zur Verdeutlichung des Themas, jede exakte Darstellung der Oberbegriffe mehrere Bände für sich beanspruchen würde.
Das analysierte Material besteht aus Primär- sowie Sekundärliteratur und ist überwiegend sozialwissenschaftlich. Für die Darstellung des Nachhaltigkeitsbegriffs und für die empirischen Ergebnisse ist die Literatur teilweise historisch. Das für die Definition und die Kritik sowie die Instrumente der Politikberatung gesichtete Material ist zeitgenössisch. Zur Diskussion wurde zusätzlich zeitgenössische populärwissenschaftliche Literatur verwendet, um einen modernen Ausblick für die Implementierung von nachhaltigen Strategien zu geben.
Bei der Methodik der Arbeit handelt es sich um eine qualitative Literaturanalyse, wobei deduktiv vorgegangen wurde. Zunächst wurde Literatur über das Thema Nachhaltigkeit und Unsicherheit im Onlinekatalog der Universitätsbibliothek Freiburg gesucht. Die verwendeten Suchbegriffe umfassten Zukunft, Langfristigkeit, Risiko, Wissen, Nichtwissen, Wissenschaft, Entscheidung, Entscheidungsfindung sowie Nachhaltigkeit und Unsicherheit. Die bezügliche Literatur wurde dann auf Nachhaltigkeit und Unsicherheit sowie auf das Verbindungsglied Entscheidungen analysiert. Bei entsprechender Relevanz für das Thema wurde die Literatur einer Volltextanalyse unterzogen. Das analysierte Wissen wurde zur Darstellung der theoretischen Grundlagen genutzt. Im empirischen Teil wurde eine Synthese des Wissens verwendet, um einen Zusammenhang zu erkennen. Für die Diskussion wurde das Wissen für einen Ausblick mit Handlungsempfehlungen verwendet.
Die Arbeit gliedert sich in drei Teile. Nach einem kurzen historischen Überblick des Nachhaltigkeitsbegriffs wird dieser definiert und Kritik am Leitbild der Nachhaltigkeit geäußert. Darauf aufbauend wird sich mit der Definition und Entstehung von Unsicherheit befasst. Darüber hinaus wird deren Einfluss auf die Entscheidungsfindung dargestellt. Anschließend werden die Instrumente der Politikberatung vorgestellt, die die Nachhaltigkeit und Unsicherheit verbinden. Im zweiten Teil werden die empirischen Ergebnisse aufgezeigt. Hierfür wird ein Vergleich der klassischen Nachhaltigkeitstheorie mit der Implementierung von Nachhaltigkeit in der Forstbetriebswirtschaft herangezogen. Abschließend wird im dritten Teil aus den Grundlagen des ersten Teiles und den Ergebnissen aus dem zweiten ein Handlungsausblick diskutiert.
Nachhaltigkeitsprinzip und das Problem nachhaltiger Entscheidungen
Die Nachhaltigkeit ist ein komplexes Thema. Deshalb ist es für eine Kritik essenziell die Entstehung des Begriffs darzustellen und eine Definition zu illustrieren.
Der moderne Nachhaltigkeitsbegriff hat seinen Ursprung in der 68er-Bewegung, die einen naturnahen Lebensstil pflegte. Er ist die Verbindung des menschlichen Umgangs mit der Natur. Dieser Umgang wird seit der Antike behandelt. Philosophen wie Platon, Anaxagoras, Epikur sowie der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel sahen in der Natur ein übernatürliches Wesen. Diese Sichtweise blieb im Alten Testament erhalten. Jedoch wurde sie dahingehend erweitert, dass der Mensch maßgeblich für den Erhalt der Natur verantwortlich ist. „Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte“ (Genesis 2,15). Diese Ansicht änderte sich bei Franziskus von Assisi im Jahre 1279. Der Mensch bekam eine untergeordnete Rolle zugesprochen, da die Natur die Fähigkeit besitze sich selbst zu bewahren: „Mater terra, la quale ne sustenta et governa et produce diversi fructi con coloriti flori et herba“ (Grober 2010: S. 47) – Mutter Erde, die uns „sustenta“ (trägt, erhält) und „governa“ (lenkt, leitet). (Vgl. Grober 2010: S. 40 ff.) Gegen Ende des Mittelalters wurde Gott wieder als das Höchste gestellt, da: „alles so wunderbarlich, ordentlich und gewis“ ist, muss es „ein einig, ewig Göttlich wesen sein, welches alle ding erschaffen, erhelt und regieret“ (Martin Luther 1537; Grober 2010: S. 51). Die Gemeinsamkeit aller Aussagen ist, dass es immer eine übermenschliche Kraft gibt, die das Leben ermöglicht und begründet die Lehre der Providentia5. (Vgl. Grober 2010: S. 49) Die hohe Stellung von Gott in der Natur führte zur Entwicklung der Naturwissenschaft. Linné6 untersuchte die Natur, um in ihr den Fußabdruck Gottes zu finden. Durch die Naturwissenschaft wurde die Entkopplung von der Kirche vorangetrieben. Im weiteren historischen Verlauf veränderten somit die Wissenschaft7 und zusätzliche Katastrophen8 den Glauben an die providentielle Weltanschauung. (Vgl. Grober 2010: S. 51 ff.) Nicht nur die Naturwissenschaft, sondern auch philosophische Thesen bewirkten ein Umdenken und eine Distanzierung von der kirchlichen Lehre der Providentia. „Ich denke, also bin ich“ (Descartes9 ; Grober 2010: S. 69). Die Selbstständigkeit des Menschen sollte den Sinn seines Lebens bilden. Er sollte Tatsachen eruieren, analysieren und katalogisieren, Wissen generieren und zu seinem Nutzen gestalten. (Vgl. Grober 2010: S. 69 ff.) Für Descartes war die Natur ein Ressourcenlager. Diese Entwertung legitimierte eine Zerstörung der Natur. Der Mensch stieg zum Herrscher, Besitzer und Bewahrer über die Natur auf. (Vgl. Grober 2010: S. 71) Spinoza10 veränderte die Thesen von Descartes. “Sein eigenes Sein bewahren“ (Grober 2010: S. 72). Die rationalen Grundsätze blieben bestehen, aber die Inthronisierung des Menschen zum Herrscher war konträr zu Spinozas Vorstellung. Für ihn war der Mensch ein Teil der Natur. Seiner Ansicht nach funktioniert die Natur axiomatisch und autark. Seine Thesen erweiterte er um eine zeitliche Dimension. Diese ermöglichte es, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Sein Fazit war, die Menschen können sich nur gemeinsam und im Einklang mit der Natur entwickeln und Ressourcen gerecht verteilen. (Vgl. Grober 2010: S. 72 ff.) So entwickelten sich die Ansätze des modernen Nachhaltigkeitsbegriffs.
Die erste praktische Implementierung von Nachhaltigkeit erfolgte im Forstwesen. Diese Implementierung stufen wir heute als nachhaltig ein, jedoch hatte sie ökonomische und politische Ursachen. Bereits 1458 wurde in Italien der provveditori ai boschi 11 gegründet. 18 Jahre später wurde die erste venezianische Forstgesetzgebung verabschiedet und 1569 waren fast alle Eichen um Venedig registriert. Diese Handlung förderte den Erhalt der Wälder für den Schiffsbau. Den Nutzen hatte die Regierung, denn wer im Jahre 1668 Il Montello 12 betrat, wurde mit dem Tode bestraft. (Vgl. Grober 2010: S. 81 ff.)
Andere Länder litten ebenfalls an den Problemen des Holzmangels, bspw. erzeugt durch den Schiffsbau, die Zunahme von Agrarflächen sowie die Industrialisierung. Im Jahre 1662 wurde John Evelyn13 von der Royal Society14 beauftragt das Problem des Holzmangels zu lösen. Er kritisierte die Devastierung15 des Waldes, verschuldet durch die Gier der Menschen. Intakte Wälder sollten erhalten und zerstörte Wälder aufgeforstet werden. Er war Befürworter von schnellwachsenden Baumplantagen. Des Weiteren sollte das Vereinigte Königreich Eisen aus Amerika importieren, anstatt britisches Holz für die Verhüttung von Eisen aufzubrauchen. Beim Wiederaufbau Londons nach dem Brand von 1666 wurde deshalb fast ausschließlich ausländisches Holz verwendet. Evelyn unterstütze die Idee aus Luxemburg, dass eine Person einen Baum nur fällen durfte, wenn zum Ausgleich ein neuer gepflanzt würde. In Frankreich befahl Ludwig der XIV.16, mit einem Forstgesetz, die Wiederherstellung der in den Wäldern „unheilbar entglittenen Ordnung“ (Grober 2010: S. 99). Das Holz sollte Frankreich dazu dienen ein Industriestaat in Europa zu werden. (Vgl. Grober 2010: S. 87 ff.)
Mit Blick auf Evelyn und Ludwig den XIV. hat Carlowitz17 1713 in seinem Werk Sylvicultura oeconomica das erste Mal in der Geschichte das deutsche Wort nachhalten verwendet. (Vgl. Speidel 1967: S. 168) Dem Wald sollte nicht mehr Holz entnommen werden als nachwächst. Carlowitz kritisierte die Kurzsichtigkeit des Holzverbrauchs zur Erzeugung von Wohlstand und dass der Mensch meine, der Wald könne nicht aufgebraucht werden: Er gehe „verschwenderisch damit um, meynet, es könne nicht alle werden“ (Haderlapp 2013: S. 83). Sein Ziel war es, die Grundlage des Bergbaus zu sichern. Dafür sollte eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes genug Holz liefern. Der Staat dürfe nicht für den schnellen Erlös das Holz verbrauchen, sonst wäre ein längerfristiges Wirtschaften unmöglich. Ein langfristiges Wirtschaften brauche den Erhalt des Waldes, denn dann ließe sich ein stetiges Einkommen generieren, das so wichtig für die Ökonomie eines Landes sei. Kunst, Wissenschaft, Fleiß und staatliche Ordnung waren damit nach Carlowitz‘ Ansicht vom Anbau und Erhalt des Waldes abhängig. (Vgl. Thomasius 2014: S. 85)
Wald sollte zum Wohlstand eines Landes beitragen. Daraus entwickelte sich ein Langzeitbezug. Der Wald sollte für nachfolgende Generationen erhalten werden. Dazu sagte Hartig18 1795: „Die Erziehung junger Wälder soll dem Wald eine ewige Dauer verschaffen“ (Grober 2010: S. 167). Die praktische Umsetzung dieser nachhaltigen Bewirtschaftung stellte Oettelt19 wie folgt dar: Ist die „Waldfläche, Holzvorrat und Zuwachs berechnet und die Umtriebszeit festgelegt, scheint die nachhaltige Einrichtung des Forstes zum Greifen nahe“ (Grober 2010: S. 171). Oettelts Wälder hat er für 120 Jahre geplant – bis in das Jahr 2025. Finnland hatte seine Wälder sogar auf 250 Jahre planen lassen. (Vgl. Grober 2010: S. 124; 207 ff.) Abschließend verwies Heinrich Cotta 1811, ebenfalls ein Forstwissenschaftler darauf, dass die Natur sich nicht planen ließe, die Menschheit aber trotzdem ihre Vorteile aus ihr ziehen könne. „ Der Natur zu folgen, die sich kein Gesetz vorschreiben läßt, aber uns erlaubt, ihr nachzugehen und ihre eigenen auszuspähen “ (Grober 2010: S. 169).
Der Holzbedarf sank mit zunehmender Industrialisierung und Entwicklung der Technologie. (Vgl. Grober 2010: S. 97) Auch in der Energieerzeugung wurde Holz durch Kohle und Erdöl substituiert. Aufgrund dessen konnten schnelle Erfolge für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder verzeichnet werden.
1951 sicherte die FAO20 endgültig den Nachhaltigkeitsgedanken im Forstwesen; ergänzend zum klassischen nachhaltigen Ertrag wurde hierbei die ökologische Schutzfunktion des Waldes als erhaltenswert eingestuft. (Vgl. Grober 2010: S. 217) Mit den Grenzen des Wachstums21 übertrat auch die Nachhaltigkeit die Grenzen des Forstbereichs. Der Begriff „nachhaltig“ ist in einer erweiterten Bedeutung an die Öffentlichkeit lanciert worden. Seit 1968 setzt sich der Club of Rome22 für eine nachhaltige Entwicklung und für den Erhalt von Ökosystemen ein. (Vgl. Grober 2010: S. 220) Das wurde in der Politik 1987 von Gro Harlem Brundtland aufgegriffen, mit der Veröffentlichung des Brundtland-Berichts. Dieser führte 1992 zur Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro. (Vgl. Grober 2010: S. 19 ff.)
Der Nachhaltigkeitsgedanke hat einen Trend angeregt, der die Entwicklung von der industriellen Revolution über die technologische Entwicklung in eine grüne biologische Technologiegesellschaft verändert hat. (Vgl. Pufé 2012: S. 62)
Die Definition ist das größte Problem der Nachhaltigkeit. Die Medien soufflieren immer häufiger den Begriff Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung. Die Nachhaltigkeit ist unterschiedlich definiert und muss von der nachhaltigen Entwicklung differenziert werden. Deshalb wird im Folgenden die Definition von Nachhaltigkeit dargestellt und die Unterschiede zur nachhaltigen Entwicklung hervorgehoben.
Die Nachhaltigkeit besitzt keine eindeutige Definition. Etliche wissenschaftliche und politische Autoren bearbeiteten das Thema bisher ohne Konsens: „(Repetto 1986, Hauff 1987, Costanza 1991, Pezzey 1992, Munasinghe und Shearer 1995, Chichilnisky 1996, 1997, Klauer 1998, 1999a, 1999b, Ott und Döring 2008)“ (Klauer 2013: S. 42). Sie ist ein konturgewinnendes, dennoch abweichend interpretiertes Leitbild mit unterschiedlichen Auffassungen zum Umgang mit Natur und Mensch. (Vgl. Iris Pufé: S. 17)
Nachhaltigkeit ist das Substantiv von nachhalten. Es bedeutet einen Zustand für längere Zeit zu erhalten oder etwas tragfähig zu machen. (Vgl. Grober 2010: S. 19; vgl. Duden.de) Der wörtliche Sinn der Nachhaltigkeit impliziert etwas zurück zu halten, so dass es später noch vorhanden ist. (Vgl. Ekardt 2005: S. 27)
Die frühere Bedeutung von Nachhaltigkeit war in der Lehre der Providentia definiert (gottgegeben). Seit 1700 wird sie in der Forstwirtschaft praktisch angewendet. In jüngster Zeit wird das Anwendungsgebiet der Nachhaltigkeit ausgeweitet und die Bedeutung des Nachhaltigkeitsbegriffs erweitert. (Vgl. Grober 2010: S. 20 f.) Das Ziel ist, ein Leben für heutige und künftige Generationen zu gewährleisten. Deshalb bedeutet Nachhaltigkeit mittlerweile mehr als Wälder nachhaltig zu bewirtschaften und hat sich zu einem Leitkonzept entwickelt, welches viele Disziplinen miteinander verbindet. Wegweisend ist der Brundtland-Bericht. Dieser beschreibt die allgemeinen Missstände auf der Welt. Gefordert wird ein verantwortungsbewusster und gerechter Umgang mit Ressourcen sowie den Schutz des biologischen Lebens. Dabei ist eine nachhaltige Entwicklung an ein positives Wirtschaftswachstum gekoppelt. Ein Nutzen kann nur erreicht werden, wenn die Aspekte Ökologie, Ökonomie und Soziales als gleichwertig eingestuft sind. Das Konzept wird als Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung bezeichnet. (Vgl. Bartol 2004) Dieses Modell wird im Kontext der nachhaltigen Entwicklung genannt, auf die im nächsten Kapitel eingegangen wird. Zusätzlich zum Drei-Säulen-Modell gibt es das Ein-Säulen-Modell, welches die Ökonomie und Soziales der Ökologie unterordnet. Vertreten wird diese Theorie z. B. von BUND23 und Misereor24. (Vgl. Grunwald 2006: S. 41)
Um die Disziplinen der Nachhaltigkeit zu verbinden, hat der Nachhaltigkeitsforscher Felix Ekardt vier Nachhaltigkeitsregeln entwickelt:
- Die regenerative Regel: nur eine Menge dem System entnehmen, die sich regenerieren kann.
- Die Sparsamkeitsregel: endliche Ressourcen müssen sparsam verwendet und mit erneuerbaren Ressourcen substituiert werden.
- Die Assimilationsregel: Klimaauswirkungen assimilieren und verhindern.
- Die Gefahren- und Risiken-Regel: Risiken und Schadstoffeinträge vermeiden. (Vgl. Ekardt 2005: S. 29)
Die Sparsamkeitsregel ist abhängig von zwei Thesen, die der starken und der schwachen Nachhaltigkeit. Sie unterscheiden sich in der Relevanz des natürlichen und künstlichen Kapitals. Natürliches Kapital ist die Ökologie und künstliches Kapital sind monetäre Mittel. In der schwachen Nachhaltigkeit ist Naturkapital substituierbar. Ressourcen können verbraucht werden, wenn daraus künstliches Kapital entsteht. Die starke Nachhaltigkeit erlaubt keine Substituierbarkeit des Naturkapitals. Die Kritik an der schwachen Nachhaltigkeit ist, dass der Verlust von Ökosystemen ungeahnte Auswirkungen25 hat und der ökologische Wert höher ist als der des künstlichen Kapitals. Aber wenn der erlaubte Nutzen der Natur nur der starken Nachhaltigkeit entspricht, ist der Gebrauch vom endlichen Naturkapital nicht realisierbar. Für die Nachhaltigkeit muss demnach ein Kompromiss eingegangen werden, denn beide Extreme sind nicht nachhaltig. (Vgl. Klauer 2013: S. 49 ff.; vgl. Grunwald et al. 2006: S. 37 ff.)
Kurzum, die Nachhaltigkeit ist die Nutzung eines Systems, die das System inklusive seiner Eigenschaften bewahrt und sich selbst auf natürliche Weise regenerieren kann. (Vgl. Pufé 2012: S. 117) Sie ist ein Leitkonzept, das die Ressourcen gerecht verteilen und die Bedürfnisse von Menschen befriedigen soll, weltweit sowohl intra- und intergenerationell. (Vgl. Ekardt 2005: S. 26)
Die nachhaltige Entwicklung ist ein Megatrend. (Vgl. Pufé 2012: S. 61 f.) Sie ist der Weg zur Nachhaltigkeit. (Vgl. Pufé 2012: S. 37) Diese wird erreicht, wenn die Ressourcen-nutzung, die Ausrichtung ökonomischer Investitionen, die technologischen Möglichkeiten und institutionelle Veränderungen miteinander harmonieren. (Vgl. Hauff 1987: S. 49) Die Harmonisierung dieser Punkte ist kaum realisierbar und deshalb ist die nachhaltige Entwicklung nur ein politischer Wille. (Vgl. Hauff 1987: S. 10) Hierfür müsste die Politik einen strategischen Rahmen entwickeln, der die Ziele von wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen nachhaltig umsetzt. (Vgl. Hauff 1987: S. 46) Das Wirtschaftswachstum steht hierbei im Vordergrund. A priori wird den Entwicklungsländern ein Recht auf Entwicklung konzediert. Der Kritikpunkt am Wirtschaftswachstum ist das Risiko für die Umwelt. Die Schwierigkeit liegt beim Schutz der Ökologie, bei gleichzeitig gewährleistetem Wirtschaftswachstum. Für diese Realisierung müssen Umwelt- und Entwicklungsrichtlinien entwickelt und angepasst werden. (Vgl. Hauff 1987: S. 44 f.)
„Die Erde ist ein Ganzes, aber die Welt ist es nicht“ (Hauff 1987: S. 31). Viele Entscheidungen sind überfällig und Beschränkungen sowie Entwicklungen in allen Disziplinen notwendig. Das Wissen zur Umsetzung von Nachhaltigkeit ist begrenzt. Deshalb ist nur der politische Wille vorhanden. (Vgl. Hauff 1987: S. 10) Die Nachhaltigkeit ist in der Politik zu einer positiv konnotierten Leerformel geworden. (Vgl. Klauer 2013: S. 37 f.) Jeder hat die Nachhaltigkeit in den Medien wahrgenommen, aber die Erklärung und Umsetzung ist unbekannt. Die nachhaltige Entwicklung hat einen anthropozentrischen Bewertungsansatz. Sie möchte einerseits die Ressourcen intergenerationell als auch intragenerationell verteilen. Des Weiteren hat es den Anschein, dass die Ressourcen für die Bedürfnisse der Menschen da sind: sie dienen dazu Wohlstand zu generieren – bisher nur auf Kosten der Natur. (Vgl. Klauer 2013: S. 41)
Die Kritik setzt bereits bei den Unterschieden der Länder an. Schon der Namensgeber der Nachhaltigkeit Carlowitz sagte, dass sich jedes Land in Bezug auf seine Ressourcen unterscheide. Deutschland wäre z. B. für Holz und Bergbau prädestiniert und andere für Fischerei, Getreide, Vieh und Schifffahrt. Er kritisierte die Beschaffung von Ressourcen aus dem Ausland, weil sie dort ebenfalls benötigt würden. (Vgl. Thomasius 2014: S. 78; 85) Jedes Land hat Unterschiede gegenüber anderen und ist auf eigenes Handeln angewiesen. Deshalb ist eine gemeinsame Lösung schwer umzusetzen. (Vgl. Hauff 1987: S. 45)
Die Bevölkerung ist auf sieben Milliarden angestiegen und wächst weiter. Die Verteilung und Beschaffung der Ressourcen ist ungerecht. Viele Menschen können ihre Grundbedürfnisse nicht angemessen befriedigen, Hunger und Armut herrschen in vielen Teilen der Welt. (Vgl. Hauff 1987: S. 44 f.) Selbst die Behebung des Ernährungsproblems impliziert Risiken für die Ökologie. Die Produktion der Nahrung erfordert die Umwandlung von Land in Kulturfläche. Das bedeutet einen Verlust an Biodiversität, welcher als Kollateralschaden angenommen werden muss. (Vgl. Renn 2008: S. 39 ff.) Der Druck, unter dem die Ökologie angegriffen wird, nimmt zu. Unter heutigen Umständen funktioniert eine nachhaltige Entwicklung ausschließlich mit wirtschaftlichem Wachstum. Dieses schädigt die Umwelt, da natürliches Kapital in künstliches umgewandelt wird. Zusätzlich sollen sich Entwicklungsländer wirtschaftlich entfalten. (Vgl. Brundtland 1987: S. 44 f.) Diese Entwicklungsforderung bei gleichzeitiger Ressourcenschonung evoziert einen Zwiespalt. (Vgl. Klauer 2013: S. 40) Das Problem der Ressourcenübernutzung soll mit Effizienz verhindert werden. Diese kann mit technologischer Entwicklung gesteigert werden. Jedoch schaffen Effizienz und technologische Entwicklung ebenfalls Probleme. (Vgl. Brundtland 1987: S. 47) Dieses Thema wird im weiteren Verlauf der Arbeit behandelt.
[...]
1 Methan produzierende Bakterien.
2 Wiederherstellung des Naturzustandes.
3 Erfahrungswerte aus dem Praktikum des Verfassers bei der SEH.
4 Passagierzeitschrift der Deutschen Bahn (Ausgabe: 11.2015).
5 Die Vorsehung: Gott richtet und beeinflusst den Verlauf der Welt.
6 Carl von Linné (1707-1778) schwedischer Naturforscher.
7 Bspw. die Beschreibung der Schwerkraft durch Isaac Newton (1666).
8 1755: Erdbeben in Lissabon.
9 René Descartes (1596-1650) französischer Philosoph, Mathematiker und Naturforscher.
10 Baruch de Spinoza (1632-1677) niederländischer Philosoph.
11 Behörde zum Erhalt der Wälder für Venedig, Italien.
12 Ein Waldgebiet um Venedig.
13 John Evelyn (1620-1706) britischer Autor, Architekt und Gartenbauer.
14 Die erste interdisziplinäre Weltumweltorganisation (inspiriert von Spinoza).
15 Verwüstung von Landschaften.
16 Beraten vom französischen Finanzminister Jean-Baptiste Colbert.
17 Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) deutscher Berghauptmann.
18 Georg Ludwig Hartig (1764-1837) deutscher Forstwissenschaftler.
19 Carl Christoph Oettelt (1727-1802) deutscher Forstmeister.
20 Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen.
21 Engl.: The Limits to Growth von Dennis Meadows (1972), ist eine Studie zur Zukunft der Weltwirtschaft; diese wurde im Auftrag des Club of Rome angefertigt.
22 Ein Zusammenschluss von Experten zu einer gemeinnützigen Organisation für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit.
23 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland – Non-Profit-Organisation.
24 Hilfswerk der römisch-katholischen Kirche in Deutschland.
25 S. 4.4 Zusammenhang von Folgen.
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