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Bachelorarbeit, 2018
39 Seiten, Note: 1,7
1. Einleitung
2. Die vergleichende Sprachwissenschaft und ihre Teildisziplinen
2.1 Die Kontrastive Linguistik und ihr historische Verlauf
2.1.1 Begriffsbestimmung, Gegenstand und Ziele
2.1.2 Der Beginn der Kontrastiven Linguistik
2.1.3 Die 3 großen Spracherwerbshypothesen
2.1.3.1 Die Kontrastivhypothese
2.1.3.2 Die Identitätshypothese
2.1.3.3 Die Interlanguage-Hypothese
2.2 Historisch-vergleichende Sprachwissenschaft
2.3 Sprachtypologie
2.4 Areallinguistik
3. Das tertium comparationis
4. Die Rolle der KL im Fremdsprachenunterricht
5. Ausblick der Kontrastiven Linguistik
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
Kontrastive Untersuchungen, welche die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen zwei Sprachen herausstellten, reichen weit bis in die Vergangenheit zurück:
As early as ca. 1000 A.D. Aelfric wrote his Grammatica, a grammar of Latin and English, based on the implicit assumption that the knowledge of grammar of one language may facilitate the learning of another language (Krzeszowski 2011: 2).
Dabei wurde davon ausgegangen, dass das Wissen über die grammatischen Strukturen einer bereits erlernten Sprachen den Spracherwerb einer zweiten Sprache beeinflussen würde. Bis heute wird dabei der Frage nachgegangen, wie der Fremdsprachenunterricht anhand solcher Befunde effektiver gestaltet werden kann und welche Rolle dabei die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen der Erst- (L1) und Zweitsprache (L2) einnehmen.
Die Kontrastive Linguistik, die ihren Durchbruch zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jhd. verzeichnete, versucht dabei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Sprachen aufzuzeigen. Dabei ist die Kontrastive Linguistik seit ihrer Entstehung nicht nur auf Anerkennung gestoßen, sondern erfuhr auch zahlreiche Kritik, welche sie daraufhin in eine tiefe Krise stürzte und deren Auswirkungen bis heute noch zu verzeichnen sind.
Das Ziel dieser Arbeit liegt im Auffinden der Chancen und Herausforderungen für die Kontrastive Linguistik, die sich seit ihrer Entstehung ergeben haben, um darauf aufbauend folgender Frage nachzugehen:
War die Kontrastive Linguistik nur ein vorübergehender Trend, so dass gegenwärtig von einem Ende der Kontrastiven Linguistik gesprochen werden kann?
Um die Fragestellung dieser Arbeit beantworten zu können, wird zunächst die Disziplin der vergleichenden Sprachwissenschaft beschrieben, um anschließend zu überprüfen, ob die Kontrastive Linguistik aufgrund ihrer Merkmale als Zweig der vergleichenden Sprachwissenschaft zugeordnet werden kann. Hierbei werden auch die anderen Teildisziplinen der vergleichenden Sprachwissenschaft herangezogen, um Überschneidungen ausfindig zu machen, die für oder gegen eine Zuordnung der Kontrastiven Linguistik als Zweig der vergleichenden Sprachwissenschaft sprechen. Die Überschneidungen zwischen der Kontrastiven Linguistik und den anderen Teildisziplinen sind dabei besonders für zukünftige Arbeiten relevant.
Im Anschluss daran wird für die Kontrastive Linguistik eine Begriffsbestimmung vorgenommen, um ihren Gegenstand und die damit verbundenen Ziele herauszuarbeiten zu können. Der nachfolgende historische Verlauf wird anschließend die wichtigsten Ereignisse der Kontrastiven Linguistik aufzählen, damit auch ihre gegenwärtige Bedeutung herausgestellt werden kann. Aufgrund der zahlreichen kontrastiven Arbeiten können in dieser Arbeit nicht alle bedeutenden Forschungen aufgezeigt werden, die seit dem Beginn der Kontrastiven Linguistik entstanden sind. Deshalb wird diese Arbeit nur die bedeutendsten Forschungen der Kontrastiven Linguistik herausarbeiten, die für die Beantwortung der Fragestellung notwendig sind.
Im nächsten Kapitel wird auf die Bedeutung des tertium comparationis eingegangen und inwiefern es die Kontrastive Linguistik vor eine besondere Herausforderung stellt. Denn gerade der Vergleich zweier oder mehrerer Sprachen benötigt eine Bezugsgröße, die – wie es sich herausstellen wird – nicht einfach zu ermitteln ist.
Ein weiteres zentrales Anliegen dieser Arbeit ist es, die Rolle der Kontrastiven Linguistik für den Fremdsprachenunterricht herauszuarbeiten, um aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sie der Fremdsprachendidaktik zur Verfügung stellt. Besonders die Gegebenheit, dass die Anfänge der Kontrastiven Linguistik stark mit der Fremdsprachendidaktik verbunden waren, ermöglicht es zu überprüfen, ob die Kontrastive Linguistik im Vergleich zu ihren Anfängen eine grundlegende Neuausrichtung erfahren hat oder ob sie weiterhin einen praktischen Nutzen für den Fremdsprachenunterricht ins Zentrum stellt.
Zum Schluss dieser Arbeit wird anhand der gesammelten Befunde ein zukünftiger Ausblick der Kontrastiven Linguistik vorgestellt, der sich in Verbindung mit ihren Möglichkeiten und Herausforderungen ergibt. Schließlich wird auch die zentrale Fragestellung dieser Arbeit eindeutig beantwortet werden, indem die Möglichkeiten und Herausforderungen zuvor gegeneinander abgewogen werden.
Die wichtigsten Arbeiten, welche für die Entstehung der vergleichenden Sprachwissenschaft bedeutend waren, lassen sich auf das 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Hier stellte bereits Schlegel fest, dass das Sanskrit, die gelehrten Sprache Indiens, die meisten Gemeinsamkeiten mit der „römischen und griechischen so wie[sic] mit der germanischen und persischen Sprache“ (Schlegel 1808: 3) aufweist. Die Entdeckung des Verwandtschaftsverhältnisses zwischen dem Sanskrit und den anderen Sprachen wurde aber schon zuvor im 16. Jahrhundert von Stephens und Sassetti beschrieben und wird als ein wichtiger Schritt für die Entstehung der vergleichenden Sprachwissenschaft betrachtet (vgl. Haßler/Neis 2009: 869).
Der eigentliche Durchbruch auf diesem Gebiet, welches hier dem Zweig der historisch-vergleichende Sprachwissenschaft zuzuordnen ist, gelang aber erst viele Jahre später dem Genfer Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure. Er differenziert in seinem Werk Cours de linguistique générale die Begriffe die Synchronie und Diachronie, wenn es um die Betrachtung von Sprache geht. Während die Synchronie den Sprachzustand zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasse, betrachte die Diachronie die Entwicklung einer Sprache, die durch verschiedene Zustände gekennzeichnet sei (vgl. Wirrer 2009: 243). Für die diachronische Perspektive ist demnach die historische Entwicklung der Sprachen von zentraler Bedeutung, da so verschiedene Sprachstadien erfasst werden können, was in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft im Vordergrund steht. Sie ist an gemeinsamen Merkmalen zwischen den einzelnen Sprachen interessiert, um damit verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Sprachen herauszustellen zu können, die wiederum auf eine gemeinsame Ursprache zurückschließe (vgl. Rein 1983: 1).
Ihr Pendant bildet die Kontrastive Linguistik. Durch den Vergleich zweier oder mehrerer Sprachen zu einem festen Zeitpunkt sollen dabei Erkenntnisse gewonnen werden, welche insbesondere der praktischen Anwendung diene (vgl. Harden 2006: 56). Auch die Sprachtypologie greift – wie die Kontrastive Linguistik – bei ihren sprachlichen Untersuchungen auf die Synchronie zurück. Sie nimmt anhand der grammatischen Eigenschaften von Sprachen eine Klassifikation vor und ordne die Sprachen nach ihren typologischen Strukturen ein (vgl. König 1990: 118). Als ein weiterer Zweig der vergleichenden Sprachwissenschaft lässt sich die Areallinguistik nennen. Mit dem Blick auf die Diachronie gerichtet, untersuche sie arealbedinge Sprachveränderungen, die durch Sprachkontakt entstanden seien (vgl. Sternemann/Gutschmidt 1989: 274).
Es wird deutlich, dass die verschiedenen Zweige der vergleichenden Sprachwissenschaft einige Schnittpunkte aufweisen, so dass diese nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Parallelen zwischen der Kontrastiven Linguistik und den anderen benachbarten Teildisziplinen können somit für zukünftige Untersuchungen von Bedeutung sein, weshalb sie im folgenden Kapitel neben dem Zweig der Kontrastiven Linguistik mitberücksichtigt und näher dargestellt werden.
Die Kontrastive Linguistik hat seit ihrer Entstehung neben vielen sprachkontrastiven Untersuchungen auch weitgehende Fortschritte in den Erkenntnissen des Spracherwerbs miterlebt, welche in den letzten Jahrzenten auch einen Teil dazu beitrugen, dass die zugrunde liegenden sprachtheoretischen Ansätze neu durchdacht werden mussten. Dies wiederum hatte auch nachhaltige Auswirkungen auf das Ansehen der Kontrastiven Linguistik, so dass ihr historische Verlauf durch Höhen und Tiefen gekennzeichnet ist.
Um die historische Entwicklung der Kontrastiven Linguistik und die damit in Verbindung stehenden Fortschritte und Misserfolge nacheinander aufzudecken, wird diese Arbeit zunächst verschiedene Definition der Kontrastiven Linguistik ansetzen und ihren Gegenstand sowie ihre Ziele eindeutig bestimmen zu können. In Bezug darauf wird eine Standortbestimmung der Kontrastiven Linguistik vorgenommen, um zu überprüfen, ob sie de facto als eine Teildisziplin der vergleichen Sprachwissenschaft betrachtet werden kann oder abgesondert von dieser positioniert werden muss. Auf diese Weise werden die zentralen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu den anderen Teildisziplinen sichtbar, welche auch für zukünftige sprachkontrastive Arbeiten relevant erscheinen.
Im Anschluss darauf werden die Ursachen herausgearbeitet, welche für die Entstehung der Kontrastiven Linguistik sorgten. Abschließend werden chronologisch die wichtigsten Verläufe in der Geschichte der Kontrastiven Linguistik aufgezeigt, die nicht nur für neue Erkenntnisse im Erst- und Zweitspracherwerb verantwortlich waren, sondern auch für neue Diskussionen sorgten. Diese lassen sich insbesondere durch die verschiedenen Spracherwerbshypothesen verdeutlichen, welche den Einfluss der Erstsprache auf den Zweitspracherwerb unterschiedlich bewerte (vgl. Kuhberg 2001: 654).
Über die Jahre hat sich in der Forschungsliteratur eine Vielzahl von Definitionsversuchen zur Kontrastiven Linguistik ergeben. Die Definition von Uriel Weinreich definiert die Kontrastive Linguistik als Vergleich
(…) derjenigen Teile ihrer (Oberflächen- oder Tiefen-)Struktur, die verschieden sind und Interferenzen verursachen können. Die Kontrastive Linguistik stellt den Anspruch, Voraussagen machen zu können (Weinreich 1976: 264f.).
Weinreichs vorliegende Definition verdeutlicht bereits, dass die Kontrastive Linguistik davon ausgeht, dass Lernerschwierigkeiten für den Erwerb einer Fremdsprache bereits im Vorfeld prognostiziert werden können. Als Ursache hierfür sei die enge Beziehung zwischen dem behavioristischen Lernparadigma und dem Strukturalismus zu nennen, wobei erstere die Annahme vertrat, dass Abweichungen zwischen den Gewohnheiten der Muttersprache und den Differenzen der Fremdsprache so sehr die Verhaltensweisen des Lernenden beeinflussen, dass daraus stets Interferenzen entstehen würden (vgl. Kuhberg 2001: 655). Tatsächlich wird der Verlauf der Kontrastiven Linguistik zeigen, dass sich dieser Definitionsansatz nicht mit den Ergebnissen empirischer Untersuchungen decke und es einer ganzheitlichen Betrachtung bedarf, welche den ausschließlich auf die Unterschiede der Erst- und Zweitsprache gerichtete Blick und die daraus abgeleiteten Annahmen zur Entstehung möglicher Fehler vermeide (vgl. Harden 2006: 91).
Wie es sich in den späteren Kapiteln dieser Arbeit herausstellen wird, war es eben diese überspitze Annahme der Prognostizierbarkeit fremdsprachlicher Fehler, die dafür sorgte, dass die Kontrastive Linguistik in ein Dilemma geriet, welches bis heute noch tiefreichende Auswirkungen auf das Ansehen der Kontrastiven Linguistik ausübt. Neben der Definition von Weinreich gab es noch weitere Versuche möglicher Definitionsansätze zur Kontrastiven Linguistik, auf die nachfolgend näher eingegangen wird.
Kurt Rein beschreibt die Kontrastive Linguistik als
(…) eine vergleichende sprachwissenschaftliche Beschreibungs- und Analysemethode, bei deren möglichst detaillierten ‘Vergleichen‘ das Hauptinteresse nicht auf den Gemeinsamkeiten, sondern auf den Abweichungen oder ‘Kontrasten‘ zwischen den beiden – oder mehreren – vergleichenden Sprachsystemen bzw. Subsystemen liegt (Rein 1983:1).
Dieser Definitionsansatz legt ihren Schwerpunkt nicht wie bei Weinreichs Definition auf die Vorhersage sprachlicher Interferenzen, sondern auf einen detaillierten Vergleich der zu untersuchenden Sprachen. Auch wenn das Hauptaugenmerk auf den sprachlichen Unterschieden liegt, werden andere Faktoren nicht vorweg ausgeschlossen.
Özlem Tekin stellte in ihrer Arbeit eine neue Definition vor, in der die
(…) Kontrastive Linguistik als eine Unterdisziplin der Sprachwissenschaft verstanden [wird], die anhand unterschiedlicher vergleichender Methoden interlinguale Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede aufzudecken versucht (Tekin 2012: 68).
Hier wird deutlich, dass in dieser Definition auch die sprachlichen Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten von Interesse in der Kontrastiven Linguistik sind und erstmals eine gleiche Gewichtung mit den sprachlichen Unterschieden einnehmen. Diese Arbeit orientiert sich daher an der Definition von Tekin, um eine möglichst vollständige Betrachtung der Kontrastiven Linguistik zu gewährleisten.
Im Hinblick auf den Gegenstand der Kontrastiven Linguistik lassen sich grundsätzlich alle natürlichen Sprachen nennen, welche mit der Methode des Vergleichs untersucht werden (vgl. Tekin 2012: 103f.). Die Methode des Vergleichens ist auch in den anderen Teildisziplinen der vergleichenden Sprachwissenschaft vorzufinden. Dennoch unterscheidet sich die Anwendung der aus den Vergleichen erzielten Ergebnisse. Durch die Methode des Vergleichs soll für die Kontrastive Linguistik ein praktischer Nutzen der daraus gewonnen Erfahrungen erzielt werden (vgl. Harden 2006: 56). Dieses Ziel wird bis heute durch eine Vielzahl unterschiedlicher Erklärungsansätze im Spracherwerb verfolgt, in denen es auch zu diametral entgegengesetzten Theorien des Spracheinflusses zwischen der Erst- und der Zweitsprache kam. Neben der Kontrastiven Linguistik hatte sich auch der Begriff Konfrontative Linguistik herausgebildet, der von einigen Autoren synonym verwendet wurde, sich aber nicht durchsetzt habe (vgl. Tekin 2012: 60).
Für die Standortbestimmung der Kontrastiven Linguistik herrschen in der Forschungsliteratur unterschiedliche Meinungen. Während der systematische Vergleich von Sprachen die Kontrastive Linguistik als Zweig der vergleichenden Sprachwissenschaft einordne (vgl. König 1990: 118), wird sie in der Konfrontativen Linguistik aufgrund fehlender „(…) Hypothesen über Verwandtschaft, typologische[r] Nähe oder areale[r] Affinität von Sprachen (…)“ (Sternemann 1983: 12) nicht als Zweig der vergleichenden Sprachwissenschaft dazugezählt.
In dieser Arbeit wird die Kontrastive Linguistik aufgrund ihrer zahlreichen Überschneidungen zu den anderen Zweigen der vergleichenden Sprachwissenschaft auch zum Zweig der vergleichenden Sprachwissenschaft gezählt. Sie ermittle wie die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft, die Sprachtypologie und die Areallinguistik durch die Methode des Vergleichs die sprachlichen Übereinstimmungen und Differenzen (vgl. Tekin 2012: 83). Neben der Kontrastiven Linguistik werden in dieser Arbeit die drei anderen Teildisziplinen der vergleichenden Sprachwissenschaft herausgearbeitet. Zu diesen zähle die historisch vergleichende Sprachwissenschaft, die Sprachtypologie und die Areallinguistik (vgl. Tekin 2012: 79). Denn gerade die bereits herausgearbeiteten Schnittmengen sind für die Kontrastiven Linguistik von Bedeutung. Neben einiger dieser Parallelen zu den anderen Teildisziplinen liege eine Besonderheit der Kontrastiven Linguistik in ihrer dualen Lage zwischen der allgemeinen Linguistik und der angewandten Sprachwissenschaft (vgl. Rein 1983: 5). Neben ihrer anwendungsbezogenen Seite für den Fremdsprachenunterricht, welche sie zur angewandten Sprachwissenschaft zuordnet, kann sie gleichzeitig auch zur allgemeinen Linguistik hinzugezählt werden, da die sprachlichen Bereiche wie beispielsweise die Grammatik oder die Lexik bei ihren Untersuchungen eine wesentliche Rolle spielen.
In Verbindung mit dem Unterfangen des amerikanischen Strukturalismus in den 1950er Jahren entstand die Kontrastive Linguistik, die fest mit der Fremdsprachendidaktik und dem behavioristischen Lernansatz in den USA verknüpft war und den Fremdsprachenunterricht wirksamer zu gestalten beabsichtigte. Der behavioristische Lernansatz ist auf ihre Begründer John B. Watson und B. F. Skinner zurückzuführen, welche zu dieser Zeit das menschliche Verhalten und damit auch das Lernen als „ein Prozess der Herausbildung von Gewohnheiten (…)“ (Kuhberg 2001: 654) verstanden. Dieses Verständnis von Lernen und der Ausbildung von Verhaltensweisen wurde anschließend auf den Erst- und Zweitspracherwerb übertragen.
Die zentrale Annahme des Behaviorismus bestand darin, dass Fehler im Fremdspracherwerb prognostiziert werden können, indem sich sprachliche Gewohnheiten verfestigen. Diese Gewohnheiten ergeben sich dabei zunächst durch das Zusammenspiel von Reiz (stimulus) und Reaktion (response), die im Reiz-Reaktions-Schema (stimulus-response-modell) dargestellt werden können (vgl. Tekin 2012: 14). Dabei lassen sich eben diese Gewohnheiten gezielt beeinflussen, da der Grundgedanke darin bestand, dass die sprachlich verfestigten Gewohnheiten der Erstsprache den Zweitspracherwerb beeinflussen würden. Der kindliche Spracherwerb verläuft nach diesem Ansatz durch die Imitation (response) des sprachlichen Umfelds (stimulus), der das sprachliche Verhalten (stimulus-response) bestimmt. Das erwünschte Verhalten soll dabei durch Verstärkung (reinforcement) in seiner Auftretenswahrscheinlichkeit versucht werden zu erhöhen, indem auf die gewünschte Reaktion eine Belohnung folge und im Umkehrschluss das unerwünschte Verhalten eine Bestrafung erfahre (vgl. Kuhberg 2001: 654). Damit würden sich die verfestigten Gewohnheiten und die Unterschiede zwischen Erst- und Zweitsprache so sehr auf den Lernprozess des Zweitspracherwerbs auswirken, dass infolgedessen Fehler immer interferenzbedingt seien und stets prognostiziert werden können (vgl. Kuhberg 2001: 655).
Daneben entstand etwa zeitglich der Strukturalismus, welcher durch Ferdinand de Saussure ins Leben gerufen wurde. Saussure differenzierte Sprache neben dem menschlichen Sprachvermögen (langage) auf das Sprachsystem (l angue) und die gesprochene Sprache (parole), die sich später in den USA als eigene Forschungsrichtung etablierte und die Sprache als ein Zeichensystem betrachte (vgl. Graefen/Liedke 2012: 45f.).
Als wichtigster Hauptvertreter des amerikanischen Raums kann Leonard Bloomfield genannt werden, welcher bei seinen sprachwissenschaftlichen Untersuchungen außersprachliche Elemente ausblendete. Ausschlaggebend hierfür waren vorherige Arbeiten von Franz Boas und Edward Sapir, welche sich beide mit der Erforschung von Indianersprachen beschäftigten, die nur mündlich existierten und sich bei ihren Untersuchungen zunehmend auf die parole konzentrierten. Bloomfield übernahm die fokussierte Sichtweise Boas und Sapirs auf die gesprochene Sprache, so dass er daraufhin die Annahme vertrat, dass sich der Gegenstand sprachwissenschaftlicher Untersuchungen nur auf die parole beziehen dürfe (vgl. Tekin 2012: 15). Der Sprachgebrauch und die damit verbundene Imitation von Äußerungen seien seiner Ansicht nach von zentraler Bedeutung beim kindlichen Spracherwerb, in welcher auch die behavioristischen Elemente zum Vorschein kommen:
The instruction must begin, therefore, with the elements of phonetics as applied to the pupil's native language and, by contrast, to the foreign one. Description alone is, of course, of no avail: the pupils must be brought to practise the foreign articulations until they have become automatic. (Bloomfield 1914: 299)
Der behavioristische Einfluss führte schließlich zu der Überzeugung, dass die Erstsprache grundlegend die Zweitsprache determinieren würde. Diese Annahme wurde in der sogenannten Kontrastivhypothese formuliert und somit auf den Erst- und Zweispracherwerb übertragen.
Mit der Etablierung der Kontrastiven Linguistik wurde eine Vielzahl von Spracherwerbshypothesen entwickelt, welche alle das Ziel verfolgten, die zentralen Mechanismen des Zweitspracherwerbs zu identifizieren. Bis heute existieren bereits über vierzig verschiedene Spracherwerbstheorien, welche unterschiedliche Annahmen über den Erst- und Zweitspracherwerb vertreten (vgl. Fekete 2016: 28).
Diese Arbeit konzentriert sich dabei auf die drei bedeutendsten Hypothesen, welche in der Forschung als die drei großen Hypothesen bezeichnet werden, da sie die wichtigsten Wendepunkte in der Geschichte der Kontrastiven Linguistik einleiteten. Hierzu zählen die Kontrastivhypothese, die Identitätshypothese und die Interlanguage-Hypothese. Einige andere Modelle zum Spracherwerb werden deshalb nur in bestimmten Zusammenhängen erwähnt, ohne dass diese in ihrer ganzen Tiefe herausgearbeitet werden können. Obwohl es gegenwärtig keinen Konsens über eine allgemeingültige Spracherwerbstheorie gibt, haben die einzelnen Theorien wichtige Erkenntnisse im Erst- und Zweitspracherwerb hervorgebracht, die für die Kontrastive Linguistik und ihren weiteren zukünftigen Forschungen eine essenzielle Bedeutung haben.
Hinsichtlich dieser unterschiedlichen Theorien war die Kontroverse über die richtige Spracherwerbstheorie der am häufigsten geführte Ausgangspunkt in der Literatur der Kontrastiven Linguistik (vgl. Rein 1983: 14). Sie zeigt retrospektiv, in welcher misslichen Lage sich die Kontrastive Linguistik gegenwärtig befindet. Denn bei einer so hohen Anzahl unterschiedlicher – und sich zum Teil – widersprechender Spracherwerbstheorien ist es schwer, eine umfassende Hypothese aufzustellen, welche alle bisher erforschten Faktoren mitberücksichtigt, die den Erst- und Zweitspracherwerb beeinflussen. Da häufig neuere Modelle nur als eine Modifikation bisheriger Theorien betrachtet werden können, ist es für die Kontrastive Linguistik zukünftig wichtig, eine allgemeine Spracherwerbstheorie zu entwickeln, die den Dualismus zwischen angeborenem Wissen und dem erworbenen Wissen durch die Umwelt aufbreche (vgl. Fekete 2016: 32f.).
Fundamental für die Etablierung der Kontrastivhypothesen waren die Ansichten von Charles C. Fries, der einen akkuraten Vergleich zwischen der Erst- und Zweitsprache als entscheidenden Schritt für die Effektivierung des Fremdsprachenunterrichts sah (vgl. Fries 1964: 9). Nach der Kontrastivhypothese präge die Muttersprache grundlegend den Erwerb der Zweitsprache, indem der Lerner kontinuierlich auf die Gewohnheiten der Muttersprache zurückgreife. (vgl. Tekin 2012: 19). Folglich führen nach dieser Hypothese strukturell ähnliche Sprachen zu einem positiven Transfer, „(…) because they will be transferred and may function satisfactorily in the foreign language“ (Lado 1966: 59) während strukturelle Differenzen hinsichtlich beider Sprachen zu Erwerbsschwierigkeiten führen „(…) because when transferred they will not function satisfactorily in the foreign language and will therefore have to be changed“ (Lado 1966: 59).
Eine wichtige Funktion wird hierbei den Begriffe Transfer und Interferenz zugeschrieben. Unter positiver Transfer wird die Übertragung „(…) grundsprachlicher Gewohnheiten in den zweitsprachlichen Erwerbsprozeß“ verstanden, die mit der Zielsprache konform seien“ (Bausch/Kasper 1979: 5). Sie führen demnach zu einer erfolgreichen Übertragung sprachlicher Strukturen. Dagegen werden Übertragungen, die zu einer Verletzung der zielsprachlichen Norm führen, als „(…) negativer Transfer oder Interferenz (…)“ beschrieben (Bausch/Kasper 1979: 5). Des Weiteren wird dem Lerner in Anlehnung zur behavioristischen Lerntheorie beim Zweitspracherwerb eine passive Rolle zugeschrieben, welche durch die black box beschrieben werden kann. Mit dieser werden jegliche kognitiven Mechanismen beim Sprachlerner ignoriert (vgl. Bausch/Kasper 1979: 5).
Die Kontrastivhypothese sorgte anfangs für großen Enthusiasmus, da angenommen wurde, dass durch einen systematischen Vergleich zwischen der Muttersprache und der zu erlernenden Fremdsprache Lernschwierigkeiten bereits im Vorfeld bestimmt werden könnten. Diese Prognostizierbarkeit, die zuvor durch den Vergleich zweier Sprachen erzielt werde, beanspruchte in erster Linie die starke Version (strong claim) der Kontrastivhypothese, welche auf Robert Lado zurückzuführen sei (vgl. Oksaar 2003: 99). Die anfängliche Euphorie der Kontrastiven Linguistik, die mit der Kontrastivhypothese hervorging, schlug kurze Zeit später in eine Phase der Frustration über. Weder korrespondierten die Prognosen der Kontrastivhypothesen mit dem status quo der umgesetzten Praxis, noch stimmten die empirischen Daten mit den vorhergesagten Interferenzen überein (vgl. Harden 2006: 61).
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