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Bachelorarbeit, 2018
35 Seiten, Note: Gut
1 EINLEITUNG
2 BIBLISCHER BEFUND
2.1 Unter welchen Umständen ist Scheidung gerechtfertigt?
2.2 Ist eine Wiederheirat möglich?
2.3 Wer darf in der Gemeinde dienen?
2.3.1 Dienste im Allgemeinen?
Welche Dienste erwähnt die Bibel?
Welche Voraussetzungen gibt es für den Dienst?
2.3.2 Dienst als Ältester Pastor oder Diakon?
3 UNTERSCHIEDLICHE AUSLEGUNGEN IM GEMEINDEKONTEXT
3.1 Die buchstäbliche Auslegung
3.2 Die wörtliche Auslegung
3.3 Die sinnbildliche Auslegung
3.4 Aus seelsorgerlicher Sicht
4 FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
Es gibt immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft die geschieden werden und wieder heiraten. Doch nicht nur in unserer Gesellschaft, nein auch in den Kirchen und Gemeinden ist diese Problematik angekommen. Im Deutschlandradio hörte ich einmal einen Beitrag dazu, an den ich mich erinnerte. Nach ein wenig Recherche fand ich ihn auf deren Webseite. Die Aussage, die ich nun zitiere belegt, dass auch die katholische Kirche so ihre Mühe mit dem Thema hat:
„Nach einer Priesterinitiative will die katholische Kirche in der Diözese Freiburg über mehr Rechte für geschieden Wiederverheiratete sprechen. Das sei ein gutes Zeichen, sagt Pfarrer Jürgen Weber. Die Unterzeichner hätten "ein Stück das Tempo erhöht in Bezug auf eine Regelung dieser Angelegenheit". 1
Das Interview lässt erkennen, dass selbst die Pfarrer der katholischen Kirche mittlerweile ein größeres Problem in dieser Problematik der wiederverheirateten Menschen sehen. Sie versuchen die Bischöfe und den Papst dazu zu bewegen, veraltete oder bestehende Richtlinien an die neue, man könnte auch sagen, lebensnähere Situation, anzupassen. Die Richtlinien der katholischen Kirche sind eigentlich sehr klar: Wiederheirat ist Sünde, sie wird als andauernder, sündhafter Zustand gesehen, aus diesem Grund kann sie nicht vergeben werden. Nun ist die Frage, wie soll in der Praxis damit umgegangen werden. Diese Diskussion läuft derzeit immer noch und es ist noch keine Lösung gefunden worden. Zumindest in der katholischen Konfession.
Wir als Freikirchen stehen vor ähnlichen Problemen. Auch wir diskutieren in verschiedenen Gremien, wie wir mit solchen Menschen umgehen können. Das Thema bewegt mich aber auch ganz besonders, da ich selbst betroffen bin. Diese Betroffenheit, erfordert es für mich, das Thema in dieser Arbeit aufzuarbeiten. Im Folgenden werde ich versuchen die relevanten Bibelstellen aufzuzeigen und ihre Aussagen und Bedeutungen zu klären. Des Weiteren versuche ich mir anhand mehrerer Bücher und Publikationen ein Bild darüber zu machen, welche Positionen zu diesem Thema vertreten werden. Zuletzt fasse ich meine Ergebnisse zusammen und bewerte diese. Ich muss aber dazu sagen, es ist mir schon jetzt bewusst, dass auch ich nicht in der Lage sein werde, diese Diskussion zu beenden. Denn die Standpunkte, eine solche Lebenssituation betreffend, gehen weit auseinander. Trotz alledem, miichte ich darauf hinweisen, class wir in der Heiligen Schrift eine klare Anweisung finden, zu vergeben. Denn nur die Sunde gegen den Heiligen Geist kann nach Jesu Worten nicht vergeben werden. Mit diesem Blick auf die Gnade und Vergebung durch Gott werde ich die Bibelstellen untersuchen.
Bevor wir uns die Möglichkeiten der Scheidung ansehen, muss ich hier klären: Scheidung war nie der Plan Gottes. Als Jesus nach der Scheidung gefragt wurde stellte er als allererstes klar, dass Gott die Ehe stiftet und der Mensch sie vom Grundsatz her nicht scheiden soll. Jesus belehrt die Pharisäer, die ihn hierzu befragten in Matthäus 19,3-9. In den Versen 8+9 antwortet Jesus ihnen folgendermaßen:
„8 Er sprach zu ihnen: Mose hat euch erlaubt, euch zu scheiden von euren Frauen, eures Herzens Härte wegen; von Anfang an aber ist's nicht so gewesen. 9 Ich aber sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Unzucht, und heiratet eine andere, der bricht die Ehe.“2
Diese Stelle zeigt uns ganz deutlich, dass Scheidung eine Notverordnung Gottes war, die durch Mose gegeben wurde. Damit sollte für uns bei den folgenden Überlegungen und Ausführungen klar sein: Wir reden über einen Sonderfall den wir eher als Unfall sehen sollten. Dieser Unfall verstößt klar gegen Gottes Ordnung, er ist eine Sünde.
Doch wie bei jeder anderen Sünde gibt es auch hier die Vergebung und damit ein Neuanfang. In Matthäus 12,31+32 sagt uns Jesus genau das:
„31 Darum sage ich euch: Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben; aber die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben. 32 Und wer etwas redet gegen den Menschensohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet gegen den Heiligen Geist, dem wird's nicht vergeben, weder in dieser noch in der künftigen Welt.“ 3
Jesus macht hier genau eine Ausnahme, welche Sünde nicht vergeben werden kann: die „Sünde gegen den Heiligen Geist“. Beides dürfen wir bei den folgenden Betrachtungen nicht außer Acht lassen, das absolute Scheidungsverbot und die Gnade.
Beginnen möchte ich diesen Teil mit einem Zitat aus, Meyer, H. A. W´s Kommentar: „(V. 9. S. z. 5, 32.). — μὴ ἐπὶ πορν.) nicht Hurerei, d. i. Ehebruchs halber). Die Tilgung dieser Worte (Hug de conjug. vinculo indissolub. p. 4 f., v. Berlepsch, Maier z. 1. Kor. 7, 11.) rechtfertigt sich weder durch die krit. Zeugen, noch durch das folgende ὁ ἀπολελ. γαμ. μοιχᾶται, worin kein Widerspruch mit jener Ausnahme liegt, da sich bei ἀπολελ. von selbst versteht, dass eine willkürlich, μὴ ἐπὶ πορν. Entlassene gemeint sei (s. z. 5, 32.), daher die Worte auch nicht mit Gratz für einen Zusatz des Evangelisten zu halten sind. Die darin enthaltene Ausnahme vom Verbot der Ehescheidung ist die unica et adaequata exceptio, weil der Ehebruch die ursprünglich von Gott bestimmte Substanz der Ehe, die unitas carnis aufhebt, deshalb aber auch keine Scheidung bloß von Tisch und Bett, sondern die völlige Scheidung begründet. — μοιχᾶται) begeht Ehebruch, weil nämlich seine Ehe mit der willkürlich entlassenen Frau noch als bestehend gültig ist. Das zweite μοιχᾶται; weil diese ἀπολελυμένη noch die Ehefrau dessen ist, der sie willkürlich entlassen hat.“ 4
Der Autor dieses Kommentars sieht also einen klaren Unterschied zwischen dem Entlassen der Frau aus nichtigen Gründen, und dem Entlassen der Frau wegen Ehebruch. Wenn der Mann seine Frau willkürlich entlassen hat (sie ihren Mann verlassen hat), dann bricht er die Ehe sobald er eine andere Frau heiratet, denn die erste Ehe gilt vor Gott noch weiter. Der Ausleger macht einen Unterschied: sobald die Ehe wegen Ehebruchs geschieden wird, dann sagte er, bricht der Mann (die Frau) nicht die Ehe wenn er wieder heiratet. Diese Aussagen, die Jesus getätigt hatte, veranlassten sogar seine Jünger nachzufragen.
Der Ausleger C. Keil beschreibt ihre Frage folgendermaßen:
„Der ernste Ausspruch Jesu über die Unauflöslichkeit der Ehe als einer göttlichen, durch die Schöpfung begründeten Ordnung macht den Jüngern das Eingehen der Ehe bedenklich, und veranlasst sie — ohne Zweifel privatim nach dem Weggange der Pharisäer — das Bedenken gegen ihn auszusprechen: „Wenn es sich also verhält mit der Rechtssache des Menschen mit seinem Weibe, so frommt es nicht zu heiraten“. ἡ αἰτία heißt Grund, Ursache, causa aber nicht im Sinne von res = Sache oder Verhältnis — diese Bedeutung des Wortes ist nicht nachweislich — sondern in dem Sinne von Rechtssache oder Rechtshandel, da hier der in v. 9 erwähnte einzige Grund (αἰτία) zur Scheidung gemeint ist. Wenn der Mann — wollen die Jünger sagen — so mit seinem Weibe verbunden ist, dass er aus keinem anderen Grunde als wegen Ehebruch sich von ihr scheiden und, ohne Ehebruch zu begehen, eine andere nehmen darf, so ist es nicht zuträglich zu heiraten, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, lebenslänglich an ein Weib gebunden zu sein, mit dem man nicht glücklich und in Frieden leben kann.“5
Schon die ersten Gläubigen, die diese Aussage Jesu hörten, hatten Fragen an diese und empfanden sie als sehr hart, wie wir an ihrer Äußerung erkennen.
Sehen wir uns diesen Bibelvers einmal genauer an: „9 Ich aber sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Unzucht, und heiratet eine andere, der bricht die Ehe.“6
Der Einschub „es sei denn wegen Unzucht“ lautet im Griechischen, μὴ ἐπὶ πορνείᾳ, das von Jesus hier gebrauchte Wort πορνείᾳ, bedeutet nicht nur die Unzucht mit einem anderen Mann sondern umfasst den gesamten Bereich der sexuellen Sünden außerhalb der Ehe, wie z.B. Homosexualität, Kindesmissbrauch oder Sex mit Tieren usw. Im Markusevangelium, in dem ansonsten parallelen Text, Markus 10,2-12, finden wir die Unzuchtsklausel nicht, sie fehlt auch in der Parallelstelle in Lukas 16,18. Der Zusammenhang mit den Pharisäern und ihren Lehren ist aber immer derselbe. Jesus geht es scheinbar nicht darum, die vorhandene Notordnung aufzuheben, sondern die Pharisäer in ihre Schranken zu weisen. Eine solche Klausel finden wir auch nicht bei Paulus, der den Korinthern im 1. Korinther 7,10.11 folgendes schreibt:
„10 …dass die Frau sich nicht von ihrem Manne scheiden lassen soll 11 hat sie sich aber scheiden lassen, soll sie ohne Ehe bleiben oder sich mit ihrem Mann versöhnen – und dass der Mann seine Frau nicht fortschicken soll.“ 7
Wir sehen also die Gefahr, dass dieser Einschub im Matthäus-Evangelium, „es sei denn wegen Unzucht“, als einmalige Erwähnung, eventuell im Ursprungstext, nicht von Matthäus so niedergeschrieben wurde. Auf jeden Fall behaupten dies einige Ausleger. John Stott schreibt hierzu:
„Da diese Klausel nicht in den Parallelabschnitten bei Markus und Lukas erwähnt wird, waren viele Theologen allzu schnell bereit, sie als unecht abzutun. Einige halten sie für eine Interpolation eines Kopisten und nicht für den Originaltext nach Matthäus. Aber in den Handschriften gibt es keine Belege dafür, dass es sich nur um eine Randglosse handelt; nicht einmal in der Lesart des „Codex Vaticanus“ wird die Klausel ausgelassen.“8
Die uns vorliegenden griechischen Originaltexte enthalten also diese Worte. Somit können wir davon ausgehen, dass sie wahrhaftig Jesu Wort sind.
Kommen wir nun zu der zweiten Ausnahme die wir in der Schrift finden. Es handelt
sich um die Stelle in 1. Korinther 7,12 – 16, insbesondere im Verse 15:
„15 Wenn aber der Ungläubige sich scheiden will, so lass ihn sich scheiden. Der Bruder oder die Schwester ist nicht gebunden in solchen Fällen. Zum Frieden hat euch Gott berufen.“9
Hier beschreibt Paulus eine ganz andere Situation. Es geht bei diesem Text nicht um Sünde an sich, die die Ehe zerstört, sondern um die Differenz zwischen einem gläubigen Menschen, der nach Gottes Gebot lebt und einem Ungläubigen der nach den Gesetze der Welt lebt. Nun legt er es aber in die Hand des „Ungläubigen“ ob dieser die Ehe aufrechterhalten will oder sich scheiden lassen will. C. Wolff schreibt dazu:
„In Übereinstimmung mit der Weisung Jesu (V.10) spricht sich der Apostel dagegen aus, dass der christliche Partner die Scheidung aus religiösem Vollkommenheitsbewußtsein gegen den Willen des nichtchristlichen Partners betreibt (V.12f.). Paulus stellt einer religiösen Begründung des Scheidungsverlangens die Überzeugung entgegen (V.14), dass das Christsein eines Familiengliedes auf alle in der Familie ausstrahlt, so dass sie indirekt Anteil an dem Gottesverhältnis des Christen erhalten. Das Zusammenleben mit ihnen kann die Gottesbeziehung des Glaubenden also nicht beeinträchtigen. Einem Scheidungsbegehren des ungläubigen Partners soll sich der Christ jedoch nicht aus falsch verstandener missionarischer Verantwortung widersetzen. Denn Gottes Wille, nämlich das einträchtige Miteinander, kann nicht verwirklicht werden, wenn der christliche Glaube so entschieden abgelehnt wird (V.15f.).10
Dieser Text erklärt gut:
1. Auch eine Mischehe ist von Gott gesegnet.
2. Für den Christen gilt das von Jesus gesagte „nein“ zur Scheidung.
3. Der Nichtchrist ist nicht an das Gebot gebunden.
4. Der Christ darf dann der Scheidung zustimmen, denn „das einträchtige
Miteinander“ ist sonst nicht möglich, und das ist Gottes Wille.
Der Vers aus 1. Korinther 7,15 sagt aber noch etwas mehr: 15… „Der Bruder oder die Schwester ist nicht gebunden in solchen Fällen.“…11 Dieses „nicht gebunden“ ist zwar auf die Ehe mit dem Ungläubigen bezogen, gibt aber auch an, dass der Gläubige dann frei ist für einen Neuanfang. Vieleicht sogar für eine Wiederheirat?
Doch bevor wir zur Wiederheirat kommen, will ich noch eine dritte Möglichkeit für eine Scheidung aufzeigen, die nicht so wörtlich in der Schrift genannt wird. Sie begründet sich aus folgendem Bibelvers: Epheser 5,25 „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Gemeinde geliebt hat und hat sich selbst für sie dahingegeben,“ 12 in den weiteren Versen beschreibt Paulus wie der Mann die Frau behandeln soll, er schreibt, der Mann soll seine Frau behandeln wie, „seinen eigenen Leib“. Was heißt das für uns, und für unser Thema? Es zeigt uns, dass immer da, wo der eine Ehepartner, bewusst und gewollt, dem anderen Schaden zufügt an Leib, Seele oder Psyche und dies nicht aufhören möchte, da kann eine Scheidung stattfinden.
Wie komme ich nun auf diesen Gedanken?
1. Sagt der Text, wie Christus, dieser hat nie einem Menschen Schaden zugefügt, im Gegenteil er hat sogar seine Feinde geliebt und den Schaden, den einer seiner Jünger diesen im Garten Gethsemane zugefügt hat wieder geheilt.
2. Kann ich nicht behaupten, dass der Mensch der seinem Partner einen Schaden zufügt im Frieden lebt, wozu wir durch Christus berufen sind. (siehe auch 1. Korinther 7,15). In diesen Fällen, wir lesen 5. Mose 24,1: „…weil er etwas Schändliches an ihr gefunden hat…“, darf er sich scheiden.
Bleibt die Frage was ist etwas Schändliches? In erster Linie weist die Schriftstelle hier auf etwas sexuell Schamhaftes hin, doch ist auch andauernde Sünde für Gott schändlich und verachtenswert. Sünde führte zur Trennung des Menschen von Gott (1. Mose3, 1ff). Diese Trennung wurde in Jesus aufgehoben (Johannes 3, 16). Jesu Worte zur Liebe untereinander (siehe Johannes13, 34.35), zeigen uns, dass Sünde gegen den Bruder, die Schwester in der Gemeinde zur Trennung führen müssen. Dies aber erst nachdem ein Prozess stattgefunden hat, den er in Matthäus 18,15-17 vorgibt: (1) sprich ihn unter vier Augen auf die Sünde an, (2) nimm einige Zeugen mit, (3) sage es der Gemeinde, und (4) behandle ihn wie einen Außenstehenden (er muss also die Gemeinde verlassen).
Beziehen wir das nun auf die Ehe, sehen wir auch hier, dass bei fortwährender Sünde (anhaltendes ehewidriges Verhalten) ein solcher Prozess bis hin zur Trennung (im Notfall) durchgeführt werden kann und muss. Bei jedem Schritt dieser Vorgehensweise ist es das Ziel, in erster Linie die Ehe zu erhalten, so wie es das Ziel bei der Gemeindezucht ist, den Bruder (die Schwester) zur Umkehr zu bewegen. Der Gemeindeausschluss ist immer das letzte Mittel, wenn alles andere versagt hat. So sollte auch die Scheidung nur das letzte Mittel sein. Es muss in diesem Zusammenhang auch angemerkt werden: Er wird behandelt wie ein Außenstehender, er ist immer noch ein Kind Gottes, auch wenn er aus der Gemeinde ausgeschlossen ist. So soll auch die Scheidung gesehen werden: Sie soll in diesen Fall zur Versöhnung der Partner beitragen, nicht den Weg in eine neue Partnerschaft öffnen.
Diesen Punkt unterstützt auch Matthäus 19,8: „Jesus antwortete: »Mose erlaubte es, dass ihr euch von euren Frauen scheiden lasst, weil er euer hartes Herz kannte.“ 13
Theodore Bovet sieht in solchen Fällen die vorangegangene Heirat nicht so recht als Ehe an, er schreibt in seinem Buch: „Es ist eine gräuliche, alte Irrlehre, dass Ehe gleichbedeutend sei mit Heirat, Heirat mit Ehe. Es können zwei verheiratet sein und doch durchaus nicht in einer ernstlich so zu nennenden Ehe leben.“14 Er geht also noch weiter als ich in dem Verständnis dieser Frage, für ihn hat diese Ehe niemals stattgefunden. Was wir als Scheidung bezeichnen, bezeichnet er als Nichtigerklärung der Ehe. Nach seiner Ansicht hat es nie eine Ehe gegeben, somit gibt es auch nichts zu scheiden.
Soweit möchte ich nicht gehen, und trotzdem kann es zu Situation kommen die für einen Partner unerträglich werden. Es ist dann wie Lothar Gassmanns in seinem Buch schreibt: „Die Herzenshärte (Verhärtung des Herzens mit völliger Unversöhnlichkeit und Grausamkeit gegenüber dem Ehepartner) – letztlich eine Folge von Unglaube und Sünde – ist der dritte Grund, dass eine Scheidung unter Umständen unvermeidbar sein kann.“15
Fritz Grünzweig bringt in seinem Artikel am Anfang die Sicht der Weltmenschen folgendermaßen auf den Punkt:
„Unter vielen ist heute die Wiederheirat Geschiedener gar keine Frage: Die Gerichte nehmen Scheidungen vor. Und danach können natürlich die Geschiedenen vor den Standesämtern ohne weiteres neue Ehen eingehen. Nichtglaubende verstehen nicht, dass wir hier überhaupt Fragen haben.“16
Wir Christen unterliegen aber nicht nur den Maßstäben der Welt, wir müssen klären, unter welchen Umständen eine Wiederheirat nach biblischen Maßstäben möglich ist.
Beginnen werde ich mit der der Unzuchtsklausel. Sehen wir uns hierzu den Text aus Matthäus 19, 3-9 an, fällt uns in Vers 9 auf, Jesus spricht davon: „Wer sich von seiner Frau scheidet, ... , und eine andere heiratet, der bricht die Ehe.“17 Wenn wir diesen Satz ohne den Einschub lesen, sehen wir, dass jedwede Scheidung bei Wiederheirat zum Ehebruch führt. Doch da ist noch dieser Einschub: „… es sei denn wegen Unzucht,…“18 welcher uns zeigt, es gibt durchaus die Möglichkeit der Wiederheirat, wenn auch nur unter gewissen Umständen. Den Begriff „Unzucht“ haben wir uns schon einmal angesehen. Nun müssen wir uns den Zusammenhang zwischen dem Einschub „wegen Unzucht“ und der Wiederheirat etwas genauer im Text ansehen. Matthäus 19,9: „λέγω δὲ ὑμῖν ὅτι ὃς ἂν ἀπολύσῃ τὴν γυναῖκα αὐτοῦ μὴ ἐπὶ πορνείᾳ καὶ γαμήσῃ ἄλλην μοιχᾶται“19 Hier steht es: „sei denn wegen Unzucht“ (Ehebruch) das haben wir bereits geklärt, das wichtigste Wort in unserem Text ist aber das kleine Wort „καὶ“ (kai). Dieses Verbindungswort zeigt uns, dass nur der die Ehe nicht bricht, der von seinem Partner betrogen worden ist, wenn er wieder heiratet. γαμήσῃ ἄλλην μοιχᾶται, dieser Satzteil, der klar darstellt, alles andere ist Ehebruch vor Gott.
[...]
1 Anne Francoise Weber, „‚Der Realität in den Gemeinden stellen‘ Hochschulpfarrer Jürgen Weber fordert Barmherzigkeit mit geschieden Wiederverheirateten“, Religionen, Deutschlandfunk Kultur, 23. Juni 2012, RELIGIONEN / ARCHIV | Beitrag vom 23.06.2012, www.deutschlandfunkkultur.de/der-realitaet-in-den- gemeinden-stellen.1278.de.html?dram:article_id=210014.
2 Frank C. Thompson, Hrsg., Thompson-Studienbibel: Bibeltext nach der Übersetzung Martin Luthers; Altes und Neues Testament, Rev. Fassung von 1984 (Holzgerlingen: Hänssler, 2006).
3 Thompson.
4 H. A. W. Meyer, Kritisch Exegetisches Handbuch über das Evangelium des Matthäus, fünf, Bd. 1.1 (Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht’s, 1864).
5 C. F: Keil, Commentar über das Evangelium des Matthäus (Leipzig: Dörffling und Franke, 1877). S.391
6 Thompson, Thompson-Studienbibel.
7 Thompson.
8 John R. W. Stott, Christsein in den Brennpunkten unserer Zeit. 4: im sexuellen Bereich, Edition C D, Das Wort beim Wort genommen, Nr. 13 (Marburg: Francke, 1988).
9 Thompson, Thompson-Studienbibel.
10 Christian Wolff, Der erste Brief des Paulus an die Korinther, Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament 7 (Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 1996).
11 Thompson, Thompson-Studienbibel.
12 Thompson.
13 Thompson.
14 Theodor Bovet, Das Geheimniis ist gross (Tübingen: Katzmann Verlag, 1962).
15 Lothar Gassmann, „Ehescheidung und Wiederheirat – Zusammenfassung und Ausblick“, o. J., https://l- gassmann.de/media/wysiwyg/Content/PDF/Ehescheidung-und-Wiederheirat.pdf.
16 Kurt Scherer, Hrsg., Unter Gottes Ordnung: Geschlechtlichkeit, Ehe, Familie, 1. Aufl, ABC-Team Christsein heute 3109 (Witten: Bundes-Verlag, 1980).
17 Thompson, Thompson-Studienbibel.
18 Thompson.
19 Eberhard Nestle und Erwin Nestle, Novum testamentum Graece =: Novum testamentum Graece, hg. von Barbara Aland u. a., 28th revised edition, 5th corrected printing (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2016).